Trainingsphilosophie: Üben vs. Spielen

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  • Ich habe die Jungs im sogenannten "goldenen" Lernalter und versuche vorrangig technisch versiert am Ball auszubilden.

    Kondition haben 9-11 jährige von Mutter Natur kostenlos bekommen, wenn Sie nicht übergewichtig oder lauflauf sind.
    Ich versuche regelmäßig ein Tag nach Horst Wein (Buch) und 1 Tag nach DFB zu trainieren. Horst Wein finde ich tick besser als das Jugendkonzept des DFB.

    Zwischendurch bin ich kreativ und stelle mir das Training selber zusammen, was den Jungs mehr Spass macht als strikt nach Buch oder dem Jugendkonzept des DFB vorzugehen.

  • Überspitzt können wir uns die Frage stellen, warum wir überhaupt Technik in einem Schonraum ohne Gegnerdruck und Spielbezug (Thema Lösungsweg Try and Error) trainieren. Hilft nicht eigentlich nur und ausschließlich die Technik als Anwendung in Spielen? Technische Perfektion (Jonglage, Freestyle, Ball im Nacken, Liegestütze mit Ball im Nacken, tausend Tricks etc.) sehen toll aus, es geht aber darum z.B. eine Finte (Technik) in einer konkreten Spielsituation anzuwenden und nicht der Technik wegen auszuführen. Es geht also immer um spieltaktische Entscheidungsfindung

    : Welche Technik wende ich zur Lösung der Spielsituation an? Und zur Beantwortung dieser Frage benötigen wir unbedingt eine offene Spielsituation mit mehreren Handlungsoptionen. Oder?

  • Strznievski


    Sehr toller Beitrag, du gehst sehr in die Richtung taktische Periodisierung. ME ist die größte Schwierigkeit hier, nicht nur Spielformen zu erstellen, sondern auch sie in einen sinnvollen Bezug zueinander zu bringen. Aber grundsätzlich ist es auch meine Vorstellung mein Training entsprechend zu organisieren.


    HansMcMans


    Also ein Trainer der 90 Minuten nur Übungen macht, den würde ich jetzt auch nicht Ernst nehmen. Aber es geht hier in erster Linie um die Gewichtung von beidem. Dass sich beide ergänzen müssen, ist ja logisch.


    Strznievski spricht von spielnahen Übungen mit Gegnerdruck als einzige Form der Übungen.
    Ich denke schon, dass Übungen als isolierte Formen, durchaus ihre Berechtigung.

    Insb. beim Passspiel muss besonderes Augenmerk auf Aspekte wie Passschärfe, Passspiel in den richtigen Fuß, Kommunikation, Ballmitnahme und andere individualtaktische liegen. Das in einer Spielform zu automatisieren wird äußerst schwierig.


    fussipapa


    Um eine Finte anzuwenden muss ich sie trotzdem zuerst erlernen. Einfach so wird das wohl kaum ein Spieler von selber hinbekommen.



    Vielleicht können wir unsere Fragestellung konkretisieren. Bei welchem Spieler/Schwerpunkt/Entwicklungsstand ist eine Übungsform besser und wo ist die Spielform die sinnvollere Variante.

  • fussipapa


    Zu deinem Beispiel fällt mir allerdings auch ein dass z.B. im Bereich zwischen 16er und Auslinie sehr oft 1gg1 Situationen ohne Tempo gibt. Natürlich auch in anderen Situationen und Positionen, das ist mir aber als erstes eingefallen.


    Und genau hier ist der Fintenkönig, oder die Fintenkönigin, welche/r jeden in der FUZO tunnelt (bezug zu Youtube) unberechenbar und klar im Vorteil. Wie viel Zeit wir nun darauf im Training verwenden ist die Frage. Denn es gibt eben auch viel andere Situationen in einem Spiel.


    Gruß

    Torsten

    "Im KiFu gillt: Nicht das Training ist die Vorbereitung auf das Spiel, sondern das Spiel ist die Fortführung des Trainings."

    - (Quelle: unbekannt)

    "Der Grund, warum wir Fußball gucken, ist keine Zahl und kein Ergebnis, sondern ein Erlebnis."

    - (Quelle: paderball.com)

  • Dass sich beide ergänzen müssen, ist ja logisch.

    Warum ist das logisch? Wie kommst du darauf? Für mich gibt es da erstmal keinen direkten Zusammenhang, der darauf schließen lässt das sich Üben und Spieler ergänzen müssen.

    Insb. beim Passspiel muss besonderes Augenmerk auf Aspekte wie Passschärfe, Passspiel in den richtigen Fuß, Kommunikation, Ballmitnahme und andere individualtaktische liegen. Das in einer Spielform zu automatisieren wird äußerst schwierig.

    Das halte ich für Blödsinn. Eine angemessene Ausführung dieser Aspekte werden in Spielformen schon verlangt. Ein zu schwacher Pass wird abgefangen, Spiel in den falschen Fuß wird mit Ballverlust oder mindestens schwierigen Pressingsituationen bestraft, genau wie eine schwache Ballmitnahme. Als Trainer muss ich dann auch nur dem Spieler klar machen, warum es jetzt zum Ballverlust (Gegentor, etc.) kam, damit er aus seinen Fehlern lernt und ich muss die Schwierigkeit anpassen. Das wars schon. Beim grundlegenden koordinativen Erlernen von Bewegungen (Techniken), würde ich dir recht geben das gewisse Übungen ihren Sinn und Zweck haben, aber gerade beim verfeinern und automatisieren kann eine Spielform viel mehr als eine Übung.

  • Eine angemessene Ausführung dieser Aspekte werden in Spielformen schon verlangt. Ein zu schwacher Pass wird abgefangen, Spiel in den falschen Fuß wird mit Ballverlust oder mindestens schwierigen Pressingsituationen bestraft, genau wie eine schwache Ballmitnahme.


    Der Facto verfügen die Mehrzahl der Jugendlichen z.Bsp C Jugend nicht über das erforderliche technische Repertoire einer angemessenen Ausführung. Die zu beobachtenden automatisierten Defizite lassen sich in Spielformen in der Beweis nicht beheben. Die Benennung des Fehler und eine Autokorrektur erfordert gerade eine gesicherte Basiskompetenz der Grundtechniken.

    Der Technikerwerb nur durch Spielformen ist wohl eher totaler Quatsch. Erforderlich ist eine hohe Wiederholungszahl der Bewegungsausführung mit nötiger Varianz. Ballmastery nach Coerver oder Techniktraining nach Nowak hat nach meiner Ansicht einen notwendigen Stellenwert im Training. Leider sind bereits bei den jüngsten unnötig komplizierte Übungen mit geringer Wiederholungszahl und Wartezeit zu beobachten. Auch bei den älteren von einem gezielten Techniktraining zur Erweiterung und Verfeinerung lediglich auf Spielformen zu setzen wird nach meiner Meinung nicht funktionieren.

    Aber leider hört man ständig Trainer über die technische Unfertigkeit ihrer Spieler meckern. Beobachtet man das Training zeigt sich jedoch die wahre Ursache. Koordination und Grundtechniken werden als gegeben vorausgesetzt und nicht trainiert.

    Die dann vorgegebenen taktischen Anweisungen und Übungen scheitern meist bereits an den technischen Unfertigkeiten.

  • Skriwer


    Ich denke, dass es sehr wichtig ist sein Training inhaltlich kohärent zu gestalten. Und dann erscheint es mir logisch, dass Übungs- und Spielformen inhaltlich zueinander passen. In welcher Gewichtung ich diese dann nebeneinander stelle lasse ich ja bewusst offen. Genau das soll ja Inhalt der Diskussion sein.


    Zum zweiten Punkt:


    Ok, da sind wir unterschiedlicher Meinung. Ich habe sehr positive Erfahrungen mit dem (maßvollen) Einsatz von isolierten Passformen gemacht. Natürlich in Kombination mit Spielformen (deswegen meine obige Formulierung).


    Ich wollte jetzt eigentlich noch deutlich mehr schreiben, aber AKjfv hat das für mich ja schon erledigt ?

  • Der Technikerwerb nur durch Spielformen ist wohl eher totaler Quatsch.

    Nein. Ist es überhaupt nicht. Ganz im Gegenteil. Ich habe es in meinem ursprünglichen Beitrag zum Thema versucht (vereinfacht) durch logisches Denken zu erklären. Wenn du mir nicht glaubst, möchte ich dir "Fußball durch Fußball" empfehlen, welches eigentlich das umfassendste Werk zu dem Thema ist. Außerdem bist du ja eh ein "alter Hase" dem Themen wie differenzielles Lernen und die damit verbundenen Erfolge bestimmt nicht fremd sind. Überspitzt gesagt ist es mir eigentlich egal, ob mein Spieler weiß wo das Standbein zu stehen hat, in Welchem Winkel der Fuß zum Bein fixiert gehört und weil weit Aushol- und Schwungbewegung gehen. Diese optimale Stellung zum Ball hab ich im Spiel ja eher selten. Ich möchte Spieler die aus jeder Situation das beste rausholen. Auch wenn das bedeutet, dass das Standbein gar nicht zu Einsatz kommt, weil der Ball eingesprungen mit der großen Zehe zum Mitspieler gespitzelt werden muss.

    I've missed more than 9000 shots in my career. I've lost almost 300 games. 26 times, I've been trusted to take the game winning shot and missed. I've failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed. (Michael Jordan)

    Einmal editiert, zuletzt von Strznievski ()

  • Der Facto verfügen die Mehrzahl der Jugendlichen z.Bsp C Jugend nicht über das erforderliche technische Repertoire einer angemessenen Ausführung. Die zu beobachtenden automatisierten Defizite lassen sich in Spielformen in der Beweis nicht beheben. Die Benennung des Fehler und eine Autokorrektur erfordert gerade eine gesicherte Basiskompetenz der Grundtechniken.

    Der Technikerwerb nur durch Spielformen ist wohl eher totaler Quatsch. Erforderlich ist eine hohe Wiederholungszahl der Bewegungsausführung mit nötiger Varianz. Ballmastery nach Coerver oder Techniktraining nach Nowak hat nach meiner Ansicht einen notwendigen Stellenwert im Training. Leider sind bereits bei den jüngsten unnötig komplizierte Übungen mit geringer Wiederholungszahl und Wartezeit zu beobachten. Auch bei den älteren von einem gezielten Techniktraining zur Erweiterung und Verfeinerung lediglich auf Spielformen zu setzen wird nach meiner Meinung nicht funktionieren.

    Aber leider hört man ständig Trainer über die technische Unfertigkeit ihrer Spieler meckern. Beobachtet man das Training zeigt sich jedoch die wahre Ursache. Koordination und Grundtechniken werden als gegeben vorausgesetzt und nicht trainiert.

    Die dann vorgegebenen taktischen Anweisungen und Übungen scheitern meist bereits an den technischen Unfertigkeiten.

    Aber genau die Jugendlichen von denen du hier schreibst, wurden doch so ausgebildet wie du es willst....

    seit den Minis, ca. 7 Jahre lang, eine Übungsform nach der anderen....

    Die Übungsformen beherrschen sie dann auch!!!!

    Kommt Varianz dazu, klappt es nicht.

    Kommt Bewegung dazu, klappt es nicht.

    Kommt Zeitdruck dazu, klappt es nicht.

    Kommt Gegnerdruck dazu, klappt es nicht.

  • Haben die früheren Straßenfußballer viele Übungen gemacht? Seht ihr an den Stränden dieser Welt viele Übungsformen? Und was können die? Meistens technisch gut Fußball spielen. Und was haben die? Meistens Spaß am Fußball.


    Ich liebe allerdings auch die Freestyler. Auch die können viel und haben Spaß am Spiel mit dem Ball bzw. an ihrem Fußball Spiel.


    Somit kommt bei mir beides im Training vor -> die Kinder sollen den Ball als Freud sehen, mit ihm spielen und beherrschen.


    Schöne Fragen für einen Thread wären auch:

    Was macht eine gute Übung aus?

    Was macht eine gute Spielform aus?

  • Erforderlich ist eine hohe Wiederholungszahl der Bewegungsausführung mit nötiger Varianz.

    Richtig. Dazu brauche ich aber keine Übungsform.

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  • Was macht eine gute Spielform aus?

    Diese Frage ist tatsächlich gar nicht so einfach zu beantworten. Deshalb ist bei Spielformen der Trainer wesentlich mehr gefordert, als bei Übungsformen.


    Zunächst mal müssen Spieleranzahl und Feldgröße (je nach Belastungsbereich und Können) stimmen. Dann muss man über etwaige Provokationsregeln nachdenken. Idealerweise sollte der Trainer dann auch in der Lage sein Spielregeln und Feldgröße während des Spiels zu optimieren. Wichtig ist auch die Beobachtungsgabe des Trainers um festzustellen, ob der Schwerpunkt auch in angemessener Qualität und Quantität vorkommt. Ist aktives Coaching oder Zurückhaltung gefragt? Haben die Spier Spaß am Spiel, weil sie weder über- noch unterfordert sind?

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  • Bei einer Spielform haben 6 oder mehr Spieler gemeinsam einen Ball. Bei einer Übungsform hat im Idealfall fast jeder Spieler einen.


    Um eine hohe Wiederholungszahl zu erreichen brauche ich also sehr wohl auch Übungsformen.

    Wieder Nö!


    Exerzieren wir mal ein Beispiel durch um das zu verdeutlichen. Um einfach bei meinem ursprünglichen Post zu bleiben, haben wir uns vorgenommen das Passspiel unserer Spieler zu verbessern. Wir stellen die einfachste Form der Übung, der einfachsten Form des Spielens gegenüber.


    Beispiel A:


    Passspielübung in Gassenform. Die Spieler stellen sich paarweise auf und passen sich den Ball zu. Was können wir jetzt beobachten um die Übung zu bewerten:


    Wiederholungszahl : enorm

    Körperliche Beanspruchung : gering

    Kognitive Beanspruchung : null

    Spaßfaktor : schnarch

    Entwicklung Siegermentalität : null

    Varianz : null

    Nähe zum "großen Spiel" : gering


    Beispiel B:


    3v1 Rondo


    Wiederholungszahl : sehr hoch

    Körperliche Beanspruchung : mittel (steuerbar durch Feldgröße, Kontaktzahl)

    Kognitive Beanspruchung : mittel bis enorm (je nach Zusatzregeln)

    Spaßfaktor : hoch

    Entwicklung Siegermentalität : Wer mag schon in die Mitte?

    Varianz : mittel

    nähe zum "großen Spiel" : mittel


    Somit kann ich für mich klipp und klar sagen, dass ich lieber auf ein paar Wiederholungen verzichte, wenn ich dafür viele andere positive Aspekte abdecken kann. Außerdem bin ich überzeugt das nicht nur Quantität, sondern vor allem Qualität für den erwünschten Lerneffekt sorgen. Zugegeben fallen mir natürlich ein paar Übungen ein, die nicht so plakativ schlecht im Vergleich abschneiden. Allerdings fällt da wieder alles zu Lasten der Wiederholungszahl.

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  • Bei einem Rondo 3 gg 1 hast du ausschließlich Pässe über kurze Distanz, die in den (Vorder-) Fuß gespielt werden. Wie bekommst du denn in eine Spielform bspw. ein Steil-Klatsch (lange Distanz), einen Pass in den Lauf, Die Verarbeitung eines hohen Balls etc. ohne das bei dir die Anzahl der Wiederholungen leidet.


    Da "Fußball durch Fußball" von Henseling und Maric oben als Argument angeführt wurde. Auf S.148 und 149 zeigen auch sie auf, dass Übungsformen in der Trainingsgestaltung durchaus ihre Berechtigung haben.

  • Haben die früheren Straßenfußballer viele Übungen gemacht? Seht ihr an den Stränden dieser Welt viele Übungsformen? Und was können die? Meistens technisch gut Fußball spielen. Und was haben die? Meistens Spaß am Fußball.

    Ich denke es ist ein Trugschluss zu glauben dass auf Bolzplätzen und in den Gassen nur Spielformen praktiziert werden.


    Typische Situationen sind hier z.B.

    "Ball aus der Luft" wobei X Spieler vor Tor stehen und nur versuchen den Ball irgendwie aufzulegen und Volley zu verwerten.

    Und auch das warten auf die anderen Spieler.

    Nach der Hausaufgabe ab auf den Platz (wo auch immer dieser sein mag) und dann mit dem Ball beschäftigt bis die anderen kommen. Jonglieren, gegen Hauswände Passen/Schießen usw.. und dann, wie in meinem Fall öfters, nach einer Stunde oder mehr erst daran denken dass heute ja keiner kommt weil ja "Firmstunde" oder was auch immer ist.


    Klar sieht und sah man auf den Bolzplätzen und Hinterhöfen keine Gassenformen oder ähnliches. Merkmale wie ohne Gegnerdruck, ohne Zeitdruck und andere sind aber durchaus zu beobachten.


    Ich bleibe dabei dass wir als Trainer nur "Ideengeber" sind und die X-tausend Wiederholungen im Idealfall außerhalb des Trainings stattfinden. Daher ist es sicherlich auch von der Truppe abhängig welche ich trainiere. Wenn der Großteil meiner Spieler jeden Tag den Ball am Fuß hat finden abseits des Trainings zig Wiederholungen und Varianten der Inhalte ihren Platz, ohne das ich etwas dazu beitrage.

    Hab ich jedoch eine Truppe in der dies vielleicht nur auf wenige zutrifft werde ich bei diesen ohne eine entsprechende Anzahl an Wiederholungen keine neuen Bewegungsabläufe und Handlungsmuster festsetzen können.


    Nun festzustellen X ist gut und Y sollte nur zu einem bestimmten Anteil stattfinden ist in meinen Augen Humbug. Selbst wenn es eine Buch steht muss ja auf meine Truppe nicht zwingend so übertragbar sein!


    Gruß

    Torsten

    "Im KiFu gillt: Nicht das Training ist die Vorbereitung auf das Spiel, sondern das Spiel ist die Fortführung des Trainings."

    - (Quelle: unbekannt)

    "Der Grund, warum wir Fußball gucken, ist keine Zahl und kein Ergebnis, sondern ein Erlebnis."

    - (Quelle: paderball.com)

  • Das Thema beschäftigt mich schon etwas länger und ich befasse mich sehr intensiv damit seitdem ich im Sommer beim Derbystar Kongress in Duisburg Wedau war und den Vorträgen von Steven Turek (Co-Trainer Hannover 96 U19) zugehört habe.


    Der veranschaulichte an Beispielen und mit Daten folgendes:

    klassische Übungsformen bewirken einen schnellen Erfolg. Machen wir die Gassenform und spielen den Ball über 10m hin und her, wird er das schnell und gut umsetzen können. Das Problem ist, wenn man diesen Schwerpunkt über 2 Wochen macht und dann 6 Wochen vernachlässigt, ist der Erfolg „dahin“ (sicherlich übertrieben dargestellt). Zudem kann er gut 10m Pässe ohne Druck und nur geradeaus spielen. Wie es sich bei Pässen über 15m nach einer Ballannahme zur rechten Seite verhält, sind die Trainingserfolge nur marginal. Das liegt an der fehlenden Varianz.


    Spielform: 3 gegen 3 plus 2 Überzahlspieler auf Ballhalten und nach 10 erfolgreichen Pässen darf auf ein Passtor welches außerhalb des Feldes steht ein Punkt erzielt werden. Vorteile der Übung, nahezu jeder Pass wird spielnah gespielt (Gegnerdruck, unterschiedliche Passdistanzen, Passtechniken etc.). Der Erfolg der Verbesserung des Passspiels wird sich nicht so schnell einstellen wie bei der Trainingsübung „Gassenform“. Dafür hält die Verbesserung im Bereich Passspiel jedoch an und wir haben gleichzeitig mehrere andere Themen „unbewusst“ mittrainiert (Dreiecksbildung, Lösen aus dem Deckungsschatten, Ballan- und mitnahme etc.).


    Die Definition von Übungsform und Spielform fiel dort nicht wirklich, ich würde sie aber folgendermaßen benennen:


    Das Erkennungsmerkmal einer Spielform ist, dass in Ihr das Entscheidungstraining vorkommt.

    Das bedeutet, es ist nicht von vornherein festgelegt wohin der Ball gespielt wird, sondern der Spieler entscheidet je nach Situation (Gegnerverhalten, Position Mitspieler) wohin er spielt oder ob er gar ins Dribbling geht.

    Wie ich in meinem Beitrag nach dem Besuch des Derbystar Kongresses hier schon schrieb, fand ich den Ansatz sehr gut und bin davon auch ziemlich überzeugt.

    Übungsformen dienen lt. Turek eher regenerativen Zwecken als der wirklichen technischen Verbesserung.


    Ich möchte kurz auf ein paar Punkte der Diskussion hier eingehen:

    Skriwer : In deinem Beitrag zur Meinung von Constantin geht es um das Passspiel. Constantin meint, dass hier Übungsformen erforderlich/sehr hilfreich sind, um Aspekte wie Passchärfe, Pass in den richtigen Fuß etc. zu trainieren. Du entgegnest ihm, dass du anderer Meinung bist, da diese Aspekte auch in Spielformen verlangt würden. Ein schwacher Pass wird abgefangen, eine schwache Ballmitnahme führt zu einer Pressingsituation etc.


    In der Theorie sehe ich das genauso wie du. Die Spielform erfordert die richtige Umsetzung noch viel mehr als die Übungsform. Bei der Spielform werde ich für eine falsche/schlechte Umsetzung direkt mit einem Ballverlust oder zumindest einer kritischen Situation bestraft. Bei der Übungsform geht es einfach weiter.


    Das Problem was ich hier in der Praxis festgestellt habe – meine Beobachtung bezieht sich auf eine U15 auf wirklich gesteigertem Niveau – ist, dass ich nicht das Gefühl habe, dass die Jungs sich intensiv damit auseinandersetzen, warum der Ball verloren gegangen ist. Klar, dafür bleibt aufgrund der durch den Ballverlust eingetretenen Situation (Ich muss jetzt ja verteidigen) auch gar keine Zeit.


    So jetzt kann man sagen, wie sehr beschäftigt sich der Spieler bei einem Fehler in der Übungsform damit, was er falsch gemacht hat. Sicherlich auch nicht mega intensiv. Der Unterschied liegt auf der Hand. In der Übungsform ist der Fehler leicht erkennbar, der Trainer spricht es sofort an, informiert den Spieler, was er anders machen sollte, um es besser hinzubekommen (ob er unterbricht oder während der Übung redet) und weiter geht’s.

    In der Spielform sieht das anders aus. Beispiel wieder 3 vs. 3 (A,B,C vs. 1,2,3) plus 2 neutrale (X, Y). A spielt zu B, B verliert den Ball. Blitzschnell spielt 1 zu 2, 2 dribbelt ein paar Meter, spielt einen Doppelpass mit 3, spielt dann wieder auf 1, der mit einer starken Ballmitnahme und schönem Pass auf den neutralen X die Pressingsituation, die der Gegner hergestellt hat auflöst.


    Die Situation dauert vielleicht 30 Sekunden. Das „Problem“, nennen wir es lieber die Schwierigkeit, liegt darin, dass es in extrem kurzer Zeit extrem viele Aktionen gibt, die man coachen könnte, die zu positiven Lösungen führen oder eben zu Fehlern.

    Der Ballverlust von B: Lag er an einem zu kurzen Pass von A, den Ball nur mit der Fußspitzen erreichen konnte, ehe 1 ihm den Ball abnahm, lag es an einem 100KM/h Pass über 1,5m, lag es an einer schlechten Ballmitnahme direkt in den Gegner hinein oder wurde der Pass von A in den gegnernahen Fuß von B gespielt oder oder oder. Wie im richtigen Spiel, es gibt zig mögliche Erklärungen. Und hier kommt der Trainer ins Spiel. Warum ging der Ball verloren, erkennst du das?

    Und hier muss ich ehrlich sagen ist der Punkt, warum glaube ich viele Trainer sagen, ich trainiere lieber in Übungsformen. Weil ganz ehrlich: Das ist verdammt schwer. Das Spiel ist mega schnell, es folgt Aktion auf Aktion und hier immer 8 (3vs.3 + 2) Spieler im Blick zu haben, Situationen zu erkennen, Fehler oder richtige gute Aktionen zu erkennen und dann noch abzuwägen, ob man coacht (korrigiert, lobt – während der Übung oder jetzt sogar unterbricht – auch das muss abgewogen werden) ist schon mega anspruchsvoll. Also ohne scheiß, wer das tatsächlich richtig gut hinbekommt, der ist schon top, das empfinde ich als richtig anspruchsvoll.


    Man muss nicht nur erkennen, dass es eine Situation vorliegt, die es zu coachen gilt – man kann quasi alles coachen – sondern man muss auch noch abwägen, ob man wirklich diese Situation coachen sollte. Es gilt ja auch den Spaßfaktor zu beachten, wenn ich grob nach jedem Pass unterbreche, dann haben die Jungs schnell keinen Bock mehr.

    Ich fahre es für mich so:

    Klare Benennung des Schwerpunktes

    Dazu wird eine Spielform gemacht

    gecoacht wird nur der Schwerpunkt!!! – Ausnahmen nicht ausgeschlossen.


  • Das bedeutet, wenn ich den Schwerpunkt Passspiel habe, dann unterbreche ich nicht das Spiel um aufzuzeigen, inwiefern die Ballannahme von B nicht gut war und daraus ein Ballverlust resultierte. Mein Schwerpunkt ist nicht die Ballmitnahme, sondern der Pass. Sprich Passschärfe, Höhe, in welchen Fuß etc.

    Je nach Thematik kombiniere ich auch schon mal 2 Schwerpunkte, aber die anderen Themen laufen halt dann so nebenbei, sie werden passiv trainiert. Je nachdem machen wir es auch schon mal so, dass ich den Schwerpunkt Passspiel der Mannschaft die den Ball hat coache, mein Co-Trainer den Schwerpunkt Gegenpressing coacht und auf das Verhalten nach Ballverlust achtet. In dem Moment des Ballverlustes hätte das Team sonst ja keinen Schwerpunkt mehr.


    Aber hier muss man halt immer gucken, wie viele Trainer stehen pro Gruppe zur Verfügung. Spielen wir 2x dieses 3vs.3+2, dann ist ja jeder Trainer an ein „Spielfeld“ gebunden. Dann muss ich alleine das Feld coachen. Regel ist dann, dass ich nur den aktiven Schwerpunkt coache. Den Passiven Schwerpunkt coache ich nur ohne Unterbrechung, das heißt Team A verliert den Ball und bleibt stehen, dann spielt sich B den Ball zu und ich erwähne das gute oder eben ausgebliebene oder schlechte Gegenpressing, halte dafür die Übung aber nicht an. Das gleiche gilt bei starken Dribbel- oder Ballmitnahmesituationen in freie Räume, die das Gegenpressing brechen. Die werden vielleicht by the way gelobt, aber nicht durch nachstellen nochmal erläutert. Es ist nicht mein Schwerpunkt.

    Ausnahme hierbei ist: Es passiert mehrfach der gleiche Fehler, der den Spielfluss unterbindet. Dann versuche ich das durch Anpassung der Spielfeldgröße zu korrigieren, hilft das nichts, gehen wir kurz darauf ein.


    So wer jetzt noch mitliest, danke für euer Interesse!


    Ich teile übrigens die Bedenken von AKjfv. Viele Trainer wollen Taktiktraining machen, das funktioniert nicht, weil andauernd technische Mängel auftreten. Aber ich bin der Meinung, man kann dieses super kombiniert trainieren.

    Spieler A ist IV hat Probleme bei der Ballan- und mitnahme. Ich möchte aber als Trainer den Spielaufbau durchs Zentrum trainieren. Also spielen wir von eigenen Tor bis zur Mittellinie (dort stehen 2 Passtore, gepunktet wird durch ein Passtor oder ein Dribbling über die Mittellinie) auf 16er Breite. Es wird gespielt 2 IV, 2 6er + 10 gegen 1 St, 1 10, 2 er also 5 vs. 4. Dieses Zahlenverhältnis ist spielnah, die Formation der „verteidigenden Angreiffer“ kann dann immer wieder zwischen 1 St + 10er oder 2 St variiert werden. Beim Spiel gegen die 1 Spitze wird es häufig dazu kommen, dass der eine IV den Ball hat, der St ihn anläuft und dann auf den anderen IV verlagert wird. Hier kommt es zu einer extrem spielnahen Ballmitnahme unter eben spielnahen Gegnerdruck. Klar kommen wir hier nicht auf 7.000 Wiederholungen, aber mehr als eine Wiederholung haben wir trotzdem. Und hier möchte ich folgenden Satz von Strznievski hervorheben „Außerdem bin ich überzeugt das nicht nur Quantität, sondern vor allem Qualität für den erwünschten Lerneffekt sorgen.“


    Meiner Meinung nach kann ich besser 10x den Ball unter Gegnerdruck an- und mitnehmen müssen, sodass ich wirklich entscheiden muss in welchen Raum nehme ich ihn hin mit anstatt ohne Gegenspieler schlicht 25x den Ball mit nach vorne in den Raum mitzunehmen und wenn ich statt grad nach vorne laufe, den Ball schräg mit nach rechts vorne mitnehme ist es ohne Konsequenzen im Sinne von hohem Gegnerdruck, weil ich ggf. dadruch in den Gegner rein laufe. Es kommt nicht auf die starre Wiederholungszahl an, sondern auf die Qualität! Und am Ende macht es schließlich die Mischung. Es ist die Aufgabe des Trainers die Spielform so zu entwickeln, dass der Schwerpunkt Ballmitnahme unter Gegnerdruck vorkommt und dies natürlich öfter als 2x.

    Man kann meine Übung zum Spielaufbau auch noch weiter runterbrechen:

    TW + 2 IV gegen 1 St. Ziel: Dribbling über eine Dribbellinie 30m vorm eigenen Tor entfernt oder Pass in ein E-Jugendtor auf der Mittellinie. Ziemlich einfache Übung, sofern beim Verlagern der Ball gut mitgenommen wird, ist der Erfolg quasi vorprogrammiert. Abwandlung/Erschwerung: Spielaufbau durchs Zentrum 3 IVs vs. 2 klare Spitzen auf gleichem Feld.


    Zusammenfassend möchte ich sagen, es sicherlich deutlich schwieriger bzw. anspruchsvoller für den Trainer ist in Spielformen zu trainieren statt in Übungsformen, aber dafür der Trainer dort auch selber viel mehr aus sich rausholen und sich entwickeln kann! Zudem ist bei guter Trainerarbeit dann der Etrag für die Jungs größer.


    Ich muss gestehen, dass ich mich noch nicht damit beschäftigt habe, wie ich die Sache beim Technikerwerb ca. im F-Jugend Bereich sehe. Lt. Turek, würde das Prinzip auch hier gelten.


    Nochmals möchte ich darauf hinweisen, dass bei dem System alles eine Spielform ist, bei dem Entscheidungstraining mit inbegriffen ist. Rondos sind also Spielformen, da nicht vorgegeben ist, wohin der Pass gespielt wird. Es sind also einige Trainingsformen als Spielform zu werten, die man klassisch vielleicht eher als Übungsform bezeichnet hätte. Maßgeblich scheint mir, dass das Entscheidungstraining dabei ist.


    Zu guter Letzt möchte ich noch Strznievski ein Kompliment für seine total kompetenten, schön begründeten und ausführlichen Beiträge aussprechen.:thumbup: