C-Jugend, Taktiktraining in welchem Umfang

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  • Hallo,


    ich bin schon seit Jahren als Papa-Fußballtrainer die Jahrgänge hochgegangen. Bislang, auch in der D-Jugend, habe ich nicht zu viel Wert auf Taktik gelegt. Natürlich gab es immer Tipps für die Jungs

    Jetzt bin ich in der C-Jugend angekommen und wir sind deutlich unterlegen gegenüber anderen Teams. Was mir auffällt, ist, dass die jüngeren Spieler auch Probleme damit haben, wo ihre Bereiche sind.


    Meine grundsätzliche Frage dazu:

    - Wie viel Taktiktraining sollte man in der C-Jugend machen? Ich will die Jungs nicht überladen, sondern ihnen helfen.

    - Kennt jemand gute Tipps/PDFs/Videos zum Thema Taktik, was für eine C-Jugend angemessen ist.



    Nachtrag: Wir sind eindeutig Breitensport und nicht Leistungsbereich!

  • Jetzt ist natürlich die Frage, was Du unter "Taktiktraining" verstehst. Sich an eine Tafel zu stellen oder ständig einzufrieren und alles vorzukauen, mag für die meisten klassisches Taktiktraining sein; es geht aber auch anders.


    Wenn Du bspw. ein Rondo/Eckerl/Schweinchen in der Mitte machst, ist das schon gruppentaktisches Training, weil es darum geht, Pass- und Kombinationsverbindungen zu erzeugen und auszunutzen. Gleichzeitig versuchen die Unterzahlspieler in der Mitte, den Ball zu erobern. Die müssen sich natürlich was einfallen lassen, um an den Ball zu gelangen. Auch das ist unter Taktik zu verstehen. Taktik ist nämlich nicht nur, dass man Spieler auf feste Positionen stellt und ihnen sagt, was sie zu tun haben. Taktik ist auch nicht einfach mit Defensive gleichzusetzen oder mit irgendwelchen Telefonnummern wie 4-4-2 oder 4-2-3-1. Taktik ist in erster Linie die Entscheidungsqualität der Spieler. Also in der jeweiligen Situation eine passende Lösung zu finden und letztlich auch sauber auszuführen (Technik). Das zu fördern, indem man in Spielformen gezielt nach gewissen Prinzipien ausbildet, ist Taktiktraining.


    Insofern ist kann und sollte jede Spielform als Taktiktraining verstanden werden.

  • Hallo,

    im Training mache ich natürlich viele Unter-/Überzahlspiele in kleinen Gruppen und selbst das Abschlussspiel ist mit ca. 7:7 noch klein.


    Es geht mir aber tatsächlich um das 4-2-3-1 usw.

    Wie die 4er-Kette richtig verschiebt, wo die Spieler sich ungefähr aufgehalten usw.

    Einige Jungs machen es sich bzw. der Mannschaft schwer, weil sie ihre Positionen überhaupt nicht halten/verstehen.


    Ich möchte jetzt auch nicht stundenlang Aufstellungen usw. pauken, aber nach Möglichkeit ein paar Automatismen in die Mannschaft kriegen.

  • Dann mach doch einfach Über-/Unterzahlspiele, in denen die Unterzahlmannschaft ein Tor verteidigen muss, wobei sie auf einer Linie verteidigt. Kannst es nach und nach steigern: erst zwei Verteidiger+TW gegen drei oder vier Angreifer auf 5m-Raumbreite. Da geht es darum, wie sich beide Verteidiger gegenseitig diagonal nach hinten absichern, wobei der ballnahe Verteidiger den gegnerische Ballführer stellt. Das ist ja DIE Grundlage für alle Kettenverteidigungen. Dreier- und Viererketten agieren nicht anders.

    Dann machst Du fünf oder sechs Angreifer gegen drei Verteidiger+TW auf Strafraumbreite. Und irgendwann bis zu acht Angreifer gegen eine Viererkette+TW bei kompletter Spielfeldbreite. Dann kannst Du noch eine Doppelsechs vor die Kette stellen. Weil die Verteidiger in einer z.T. erheblichen Unterzahl sind, sind sie ja dazu gezwungen, gemeinsam zu verschieben und den Raum zu bearbeiten, wobei ein starker Zentrumsfokus herrscht, weil die Außen erstmal weniger Gefahr für das Tor bedeuten. Wenn da einer meint, er müsse Manndeckung spielen oder lässt sich einfach aus der Kette ziehen, wird es für den Rest schwer. Das erkennen die Spieler recht schnell. Falls sie es nicht merken, frierst Du ein coacht das.


    Dann sind Referenzpunkte entscheidend:

    1. Wo ist der Ball? (ballnahen Raum verengen; ballferne Räume können erstmal vernachlässigt werden)

    2. Wo sind meine Mitspieler? (Abstände beachten, gegenseitig absichern)

    3. Wo sind meine Gegenspieler? (ballnahe Gegenspieler werden enger gedeckt; Antizipation; gegenseitiges Übergeben)

    4. Wo ist unser Tor? (je näher der Ball zum eigenen Tor ist, desto enger werden Gegenspieler gedeckt)


    Achte stehts auf die Abstände und darauf, dass nicht alle permanent auf einer Linie verteidigen. Also die typischen Verhaltensweisen einer Kette: Dreiecksbildung wenn der Ball im Zentrum ist und Halbmondbildung, wenn der Ball auf Außen ist. Das coacht man vielleicht zwei-dreimal; dann sitzt das. Die Prinzipien des ballorientierten Attackierens, Raumverengens und gegenseitigen Absicherns müssen halt in allen Spielformen aufgegriffen werden. Also darauf achten, dass keine Manndeckung gespielt wird. Und das Prinzip der kurzen Wege muss gelten: wer am nächsten zum Ball steht, attackiert ihn.


    Sowas sind recht simple Spielformen, die jetzt auch nicht wahnsinnig "taktisch geprägt" sind, sofern man nicht alle paar Sekunden anhält.

  • Was ich dieses Jahr in der Sommervorbereitung gemacht habe (und das mit einer U12) sind Spielformen zu Spielaufbau, Offensivtätigkeiten und Anlaufen bei gegnerischen Spielaufbau. Und da brauch ich kaum eine Taktiktafel dafür. Ich zerschneide nur meine Grundformation und nehme die Teile so her wie es mir passt.

    Zum Spielaufbau nehme ich meine Grundformation und stelle die Kids so auf wie ich gerne hätte, wie sie sich grundlegend hinstellen sollen. Dazu noch 2-3 die versuchen den Spielaufbau zu stören. Dabei gilt es den Kids dann mögliche Laufwege aufzuzeigen, wie man Gegenspieler lockt und damit Passwege frei macht und den freien Raum sucht. Das schwierigste dabei ist, sie so zu animieren selbst Lösungen zu finden.

    Beim Anlaufen stelle ich wieder einen Teil meiner Grundformation auf. Wir besprechen zuerst was wir vom Gegner wollen. In unserem Fall ist es: Ein Pass oder Flanke vom AV die Linie am Flügel runter zum Stürmer. Beim heutigen Spiel haben wir die meistens Abgefangen oder der Gegner wurde zu einem Fehlpass bzw. abgerissenen Flanke gezwungen. Bei manchen Spielern fehlt aber noch ein bisschen die Abstimmung. Z.b stehen sie hin und wieder etwas zu nah am Mann und der Pass so nicht provoziert werden kann.


    Beim Angriff schneide ich aus meiner Grundformation die Spieler raus die für den Angriff zuständig sind. Die lasse ich gegen verschiedene Defensiv Formationen spielen. Entweder in Überzahl oder Gleichzahl. Der Etatmäßige IV spielt meistens den eröffnenden Pass.

  • Du musst dir anschauen wie weit dein Team in der Entwicklung generell schon ist. Wenn es dem Alter entsprechend auch gegenüber der Konkurrenz schon sehr weit fortschgeschritten ist in der technischen Entwicklung und so schon sehr detaillierte taktische Details in Übungsformen trainieren kannst, dann würde ich das Training auch mehr in taktische Richtung lenken.

    Ich denke hier vor allem an Spielformen - 3-Farbenspiel um Über- und Unterzahlsituationen zu trainieren.

    Verschiedene Rondoübungen um gruppentaktische Verhaltensweisen zu trainieren, Spielaufbau, Anlaufverhalten etc.


    Wenn dein Team sich eher im Kreisklasseniveau befindet, sollte der Fokus im Training die weitere technische Ausbildung sein.

    Alles Taktische steht und fällt mit der technischen Ausbildung der Spieler. Ist der erste Kontakt schlecht, wird kein Spiel auf engem Raum möglich sein, ist die Passtechnik unsauber wirst du keine Über- oder Unterzahlsituationen sauber ausspielen können.

  • Da es gerade aus mehrfacher Hinsicht so gut passt (Überhaupt die Frage, wann mit Taktik anfangen? Taktik getrennt von Technik trainieren? Qualität der Nationalspieler?), hier mal eine Szene die für mich sehr gut zeigt, wie stark die Grenzen zwischen Technik (also in diesem Kontext die Fähigkeit eine Aktion motorisch auszuführen) und die Taktik miteinander verschwimmen.


    Videoszene Deutschland - Japan (ab Minute 5:54)


    Ich würde kühn behaupten, dass rein aus technischer Sicht (also die motorische Ausführung der Aktionen) die Situation ab Start mit Kimmichs Dribbling nicht zu einem Gegentor hätte führen muss. Sogar die Ballverarbeitung von Gosens finde ich aus technischer Hinsicht im Grunde nicht zu beanstanden, wenn ich sie mal aus der aktuellen Spielsituation rauslöse (s. angehängte Trainingsgrafik). Gosens stoppt den Ball nicht tot, spielt ihn sich mit einem Kontakt leicht vor und hat ihn passbereit vor dem Fuß liegen.


    Deshalb habe ich die Situation mal zur Veranschaulichung meiner Gedanken in eine Art klassische Übungsform übertragen. Wenn man sich die Gegner im Video wegdenkt, hat man ungefähr diesen Übungsaufbau und ich gehe mal davon aus, dass Gosens das Minitor getroffen hätte, hätten Kimmich, Rüdiger und Gosens ihre motorische Ausführung 100% identisch so in der Übungsform gemacht. Und niemand hätte dann gesagt, dass einer von denen technisch nicht in der Lage wäre in der Nationalmannschaft zu spielen oder dass der Übungsdurchlauf unsauber gespielt worden wäre.


    Wenn, ja wenn nicht gleich mehrere der motorischen Ausführungen in der Spielszene taktisch nicht so clever gewählt waren (vielleicht waren auch nicht alle motorischen Ausführungen genau so gedacht vom Spieler, die Videobilder lassen die Spieler nach ihrer Aktion jedoch eigentlich erstmal ganz zufrieden wirken ;)).


    Mir geht es hier nicht darum, warum in der Aktion nicht so clever (also taktisch ungünstig) gehandelt wurde (Unvermögen?, mangelnde Motivation?, Gleichgültigkeit?, Unaufmerksamkeit? usw. usw.) oder wie die Situation anders besser hätte aufgelöst werden können.

    Ich möchte sie wirklich einfach nur nutzen um mein Verständnis davon aufzuzeigen, wie stark eine gelungene Spielaktion letztendlich noch von anderen Dingen abhängig sein muss, als rein die Qualität der motorische Ausführung.


    Und das sagt mir einfach, dass es im Grunde genommen nie zu früh ist taktisch günstig zu handeln (auch schon bei den Bambinis oder der F-Jugend), man sich aber durchaus auch bewusst sein muss als Trainer, dass Kinder in dem Alter viele Dinge der Wahrnehmung einfach noch sehr deutlich schwerer als Erwachsenen fallen (kleineres Sichtfeld bei Kindern, deutlich niedrigerer Augpunkt, Konzentrationsfähigkeit u.ä.). Ich finde jedoch auch, dass der Begriff Taktik im Kinderalter schnell falsch gedeutet wird und damit in der Praxis dann oft Dinge gemeint sind, die die Kinder völlig überfordern und den Spieltrieb ungünstig einschränken. Und das wollen dann einige Trainer ihren Kindern noch nicht antuen, was ich verstehen kann. Ich würde daher eher davon sprechen, dass es darum geht bei den Kindern die Basics für cleveres Spielverhalten zu legen. Und das sind für mich eigentlich die ersten Schritte die oft mit Individualtaktik benannt werden. Distanzen zum Mit- und Gegenspieler, Positionierung zum Gegenspieler, aber auch Dinge wie das Tempo hoch halten, z.B. im Dribbling. Oder den Gegenspieler durch eigenes Stellungsspiel zu locken. Manches davon schon früher, manches später. Aber all diese Dinge sind für mein Verständnis irgendwann erforderlich, wenn 'echte Taktik' umgesetzt werden soll. Das gute ist jedoch auch, dass so manche Kinder sogar schon ganz von sich aus vielleicht nicht die cleverste, aber zumindest doch clevere Entscheidungen treffen.



  • Ich finde jedoch auch, dass der Begriff Taktik im Kinderalter schnell falsch gedeutet wird und damit in der Praxis dann oft Dinge gemeint sind, die die Kinder völlig überfordern und den Spieltrieb ungünstig einschränken.

    Er wird nicht nur im Kinderbereich falsch gedeutet. Das ist ja die große Crux, wenn es von Leuten wie Hannes Wolf oder Mehmet Scholl heißt, es würde im Nachwuchs zu viel Taktik vermittelt. Da wird von einem falschen - oder zumindest zu engen - Taktikbegriff ausgegangen, was sich dann leider auf die Trainingsarbeit auswirkt. Und das merkt man eben auch in den Analysen über die derzeitige DFB-Situation. Es wird/wurde nicht zu viel Taktik geschult! Es werden/wurden zu viele Abläufe geschult, wo man hätte Prinzipien vermitteln sollen.


    Es gibt ein Video von Ralf Peter vom ITK 2012, das das sehr gut verdeutlicht. In dem Video coacht Peter verschiedene Pressingsituationen. Alles, was er sagt und anspricht, ist gut und richtig. Aber wenn auf diese Weise Pressing oder auch andere strategisch-taktische Elemente wie etwa der Spielaufbau vermittelt werden, ist das ein Problem. Und da ich mehrere Trainerlehrgänge beim DFB hinter mir habe, weiß ich, dass das so an die Trainer weitergegeben wird. Soll ich als Trainer den Spielern jede Eventualität erklären? Wie sollen sie dann selbständig Entscheidungen treffen? Zumal ohnehin jede Situation einzigartig ist. Darum ist es kein Wunder, wenn wir den Mangel an kreativen Spielern bedauern. Sie lernen ja nur, Abläufe abzuspulen, aber eben nicht, eigenständig Lösungen zu finden. Es muss viel stärker mit Prinzipien gearbeitet werden, an denen sich Spieler orientieren können, aber grundsätzlich eigene Entscheidungen treffen. Das muss endlich Einzug in die Trainerausbildung halten. Denn nur auf Funino und Spielnachmittage umzustellen, wird nicht reichen, wenn wir nichts an unserer Trainingspraxis ändern.


    Sorry, ich weiß: off topic. Aber Linksfuss hat mich provoziert. Sehr schönes Szenenbeispiel btw.

  • Zum Thema Taktiktraining stehe ich immer noch zu meinem Satz: Fußball ohne Taktik gibt es nicht!

    siehe: RE: Wie sollte man Kinder an Spielsysteme und Taktiken heranführen? oder die Diskussion Wieviel "Taktik" verträgt eine U8


    Ich würde ihn sogar erweitern und sagen "Spiele ohne Taktik" gibt es nicht.


    Überragend finde ich allerdings den Beitrag von Linksfuss hier: das Übungsbeispiel.

    Ich hätte spätestens in der C-Jugend etwas gesagt.

    zu Rüdiger: links annehmen und rechts spielen geht schneller - was will er mit dem Pass erreichen? In der Übung kann er Gosens rechts nach hinten anspielen.

    zu Gosens: wie steht er zum Minitor? mit welchem Fuß geht der Ball nach innen und mit welchem nach außen? Körperhaltung und Annahmetechnik gehören für mich zur Technik.


    Ich hätte da auch gerne ein zweites Tor (z.B. Tor für Steckpass statt Rückpass), dann könnte Gosens je nach Pass von Rüdiger entscheiden welches er besser bedienen kann und es wäre weiterhin eine Übung. Will ich dann noch einen Wettkampf daraus machen um Zeitdruck zu simulieren, könnte man es 2x aufbauen und zeitgleich machen lassen.

    Auf die Situation bezogen könnte man auch ein 2. Tor diagonal für einen Chipball aufstellen - rechts in der letzten Linie ist Gleichzahl (ansonsten ist rechts Überzahl - evtl. auch für einen 2. Ball interessant (auf dem Bild sind 9 Deutsche und 8 Japaner)) - d.h. links ist man gerade in Unterzahl.


    Wie könnte man aus eurer Sicht die Übung erweitern? (auch wenn ihr Spielformen-Fan seid ;-)) - ich fände die Ideen mal interessant.

  • Hey let1612 hier mal ein paar Anmerkungen zu deinem Posting:


    Die von mir skizzierte Übungsform sollte nicht dem Zweck dienen dafür zu trainieren, um die Situation besser zu lösen. Sie sollte lediglich die Spielszene runterbrechen auf die rein motorische Ausführung, die in der Szene von statten ging. Die skizzierte Übungsform könnte man im Training von mir aus 1000-mal durchlaufen lassen von den Spielern, den Effekt, dass die Spieler in einer sehr ähnlichen Situation in der Zukunft dann besser aus der Nummer raus kommen, würde ich persönlich davon jedoch nicht erhoffen! Weil ich finde, dass technisch gar keine nennenswerten Fehler passiert sind.


    Ob Rüdiger den Ball jetzt mit links oder rechts weiter spielt um ein paar Zehntelsekunden rauszuholen, macht in der Szene für mich den Kohl nicht fett, da er zuvor eh für sich die Entscheidung getroffen hat, dass die Aktion anscheinend keine Eile hat. Wenn es ihm wirklich um das schnelle Verlagern gegangen wäre, hätte er sich ja im Idealfall schon vor Kimmichs Pass orientieren können, wohin anschließend die Reise gehen soll. Kimmichs ganzer Bewegungsablauf deutete ja bereits an, dass er als nächstes den Ball bekommen wird. Das er sich vorher nicht orientiert hat, wird finde ich bei seiner Ballannahme deutlich. Die ist zwar technisch sauber, aber überhaupt nicht zweckmäßig, wenn sein Ziel gewesen wäre schnell weiter zu verlagern. Da ist ja Null Dynamik seiner Aktion, zudem prüft er auch noch kurzzeitig mögliche Passoptionen auf Brandt oder in die Spitze, wodurch noch mehr Zeit verloren geht und die Japaner zwischenzeitlich weiter rüber schieben können.


    Genau so gut könnte ich sagen, dass Kimmichs Pass an Rüdiger keine 'Message' hatte. Zumindest nicht die, dass schnell verlagert werden soll. Wäre das Kimmichs Ziel gewesen, hätte er ggf. viel explosiver andribbeln und dann auch deutlich früher einen Druckpass auf Rüdiger spielen können, möglichst so auf seinen linken Fuß (oder den Raum neben seinem linken Fuß), dass er die Option gehabt hätte auch nochmal direkt auf Gosens weiter zu verlagern. Wären sie wirklich aufeinander eingespielt, hätte Rüdiger sich ggf. noch nicht mal in Richtung Gosens vororientieren müssen. Die 'Message' die Kimmich durch die Passhärte und Richtung mitgegeben hätte, hätte Rüdiger dann direkt gesagt, dass links von ihm jemand anspielbar ist (in diesem Fall Gosens), weil Kimmich das vor seinem Pass schon antizipiert hat. Kimmich hat beim Dribbeln ja offensichtlich den Kopf oben und orientiert sich und blickt eindeutig auch in Richtung Gosens.


    Darum ging es mir in dieser ja eigentlich Allerweltsszene. Zumindest in dieser Spielsituation war nicht die mangelnde Technik das Problem, sondern in gewisser Hinsicht eine Verkettung von ungünstigen Entscheidungen!


    Für mich sind übrigens nicht nur Ballaktionen motorische Ausführungen. Auch Laufbewegungen ohne Ball. Meiner Meinung nach hätte Rüdiger bereits während sein Pass auf Gosens unterwegs war sehen können/müssen, dass Gosens gepresst wird und eine ungünstige Stellung und keine Anspielstationen zur Verfügung hat. Er hat sich ja vorher selbst orientiert und gesehen, dass Brandt nicht anspielbar ist und Kimmich die Mitte nicht besetzt. Spätestens da hätte er sich meiner Meinung nach besser schräg nach hinten in Richtung Gosens absetzen sollen, da der andere Japaner ihn ja quasi auch zugelaufen hat und Gosens die Rückpassoption auf Rüdiger genommen hat (sehr clever gemacht). Mal ganz davon ab, dass er den Pass auf Gosens erst gar nicht hätte spielen brauchen. Rüdiger selbst wurde ja gar nicht unmittelbar attackiert. Gosens stand ungünstig ausgerichtet und direkt im 1 gegen 1. Rechts von ihm Süle hätte mit Kimmich in unmittelbarer Nähe deutlich mehr Optionen gehabt und sie wären in der situativen Überzahl geblieben.


    Viel hätte hätte, ich weiß. Aber der tatsächlich entscheidende Punkt ist für mich: Kimmich hatte ursprünglich den Ball. Deutschland im kontrollierten Ballbesitz. Was war in dieser Spielphase die vom Trainer vorgegebene Spielidee? Welche Prinzipien sollten von den Spielern bei eigenem Ballbesitz beherzigt werden, um in gute Abschlusspositionen zu kommen? Nur wenn man das weiß, kann man meiner Meinung nach die Situation wirklich aufarbeiten. Sollten die oben von nero verlinkten Prinzipien wirklich die einzigen Ideen für den eigenen Ballbesitz gewesen sein, kann ich jedoch auch verstehen, dass viele Spieler auf dem Feld ideenlos wirkten.



    let1612 Bezüglich der Erweiterung der Übung: Dazu habe ich keine Idee. Mit so einer Übung würde ich jedenfalls nicht das Trainingsziel verfolgen, dass meine Kinder ähnliche Situationen zukünftig cleverer / spielintelligenter lösen.

  • Kennt jemand gute Tipps/PDFs/Videos zum Thema Taktik, was für eine C-Jugend angemessen ist

    stefan1977 Entschuldigung, dass sich die Diskussion jetzt vermutlich doch sehr von deiner Ausgangsfrage entfernt hat.


    Ich finde dieses Video sehr informativ:

    Das Taktik-Seminar mit Ralph Gunesch & Tobias Escher | Bohndesliga Spezial


    Das ist nicht für die C-Jugend optimiert. Ich finde es interessant, da letztendlich die Gedanken hinter den Formationen erläutert werden. Und auch die Rollen erklärt werden, die Spieler in gewissen Formationen auszufüllen haben. Könnte mir vorstellen, dass das erstmal dein Bewusstsein für Positionen (Rollen und Aufgaben) schärft.


    Mal zu deinem Nachtrag, dass ihr eindeutig Breitensport und nicht Leistungssport seid.

    Kann mir vorstellen, dass der Unterschied in aller erster Linie im Grad der Perfektion auf dem Platz liegt. Brauchen, tut man das Taktikverständnis nach meinem Empfinden in beiden Welten. Ich denke man lässt auch im Breitensport viel Potential brach liegen, wenn man Taktik immer als etwas abtut, das eigentlich nur im Leistungssport Relevanz hat.

  • Ich verschiebe das Thema mal hierher.

    Ich bin was die motorische als auch die taktische Ausführung betrifft bei sämtlichen Gegentoren der Meinung, dass Katastrophale individuelle Fehler im Bereich der Basics (wie es Flick ja auch direkt nach dem Spiel gesagt hat) vorlagen. Das nimmt den Trainer nicht aus der Verantwortung, die Spieler dazu zu bringen, diese Basics auszuführen, ist aber leider Spiegelbild der teils katastrophalen Leistungen, die die deutschen Nationalspieler großteils auch in ihren Vereinen zeigen. Dementsprechend ist hier schon ein bisschen der Charakter und die Einstellung der Spieler zu hinterfragen.


    Beispiele:
    0:1
    Warum geht Rüdiger vom Gegner weggedreht mit dem rechten Fuß in den Zweikampf. Wäre er wacher und schneller gewesen, hätte er frontal mit dem linken Fuß versuchen können den Schuss zu blocken und dabei deutlich mehr mororische Kontrolle gehabt.

    Die Wahrscheinlichkeit, dann statt einem Eigentor eine Ecke zu fabrizieren wäre um einiges höher gewesen. Selbst wenn er zu spät gekommen wäre, weil er es mit links statt mit dem rechten Fuß versucht hätte, dann wäre der Ball nicht abgefälscht worden und Ter Stegen hätte ihn gehalten.


    1:2
    Schlotterbeck geht ohne festen Stand in Rückenlage "runter". => taktischer und motorischer Fehler

    Mit einem vernünftigen Stand mit richtigem körperschwerpunkt kann er die Bewegung des Japaners mitnehmen und ihn nach außen abdrängen. in der Situation (er war ja auch in Unterzahl) den Ball erobern zu wollen, kann gar nicht funktionieren. Da wäre es wesentlich sinnvoller den/die Gegner abzudrängen bzw. zu verhindern, dass sie vorbeikommen.
    Süle steht im 16er und schaut nur auf den Ballführenden Gegner und ist dann total überrascht, dass plötzlich einen halben Meter neben ihm ein Japaner frei zum Abschluss kommt! => muss man eigentlich gar nicht kommentieren...


    40. Spielminute:
    Chance für Japan. Ballverlust im Aufbauspiel, weil Schlotterbeck den Ball nicht sauber in den Fuß von Rüdiger spielt. Der darf aber unter Druck den Ball auch niemals durchlaufen lassen, sondern muss ihn früher sichern.

    1:3
    Man kann die Aktion von Rüdiger so lösen, wie er es gemacht hat, aber in der Position in der Gosens steht ist er eigentlich gar nicht anspielbar. Rüdiger hätte den Ball nicht kurz annehmen dürfen, sondern in den Lauf Richtung links mitnehmen und Gosens hätte das Spielfeld breit machen müssen indem er nach weiter nach links zieht. Damit hätte Rüdiger die Option der breiten Verlagerung auf den dann richtig stehenden Gosens oder des tiefen Balls auf Brandt im Halbraum gehabt. Ob das aufgrund seiner limitierten Fähigkeiten mit dem linken Fuß funktioniert hätte weiß man natürlich nicht, dementsprechend wäre es wichtig, dass der linke Innenverteidiger auch einen starken linken Fuß hat. Gosens selbst steht wie schon erwähnt zu weit innen und in der Situation sicher auch zu hoch. Wenn er den Ball dann so bekommt wie es passiert ist, dann bleibt in der Situation einfach nur Annahme mit links und Pass mit rechts. Ob der dann (wahrscheinlich am sinnvollsten) zurück zum Torwart geht, oder ein hoher Diagonalball wird, in der hoffnung, dass ihn vorne rechts ein Mitspieler bekommt läge dann im Entscheidungsspielraum des Spielers. Annahme mit links und Pass mit links ist in der Aktion aber ein Fehler, der auf Bundesliga- / Nationalmannschaftsniveau nichts zu suchen hat. Rüdigers Arbeitsverweigerung beim hinterherlaufen will ich eigentlich gar nicht kommentieren, ist aber dem Mitspieler gegenüber, dessen Fehler er durch sein Zuspiel mit provoziert hat eine Frechheit.


    1:4

    Gosens lässt dem Japaner (der das technisch zugegebenermaßen hervorragend macht) zu viel Platz zum flanken (Abstand und Position im defensiven 1gg1).

    Der Rest der Kette ist völlig falsch positioniert.

    Rüdiger zu weit vorne, bewacht den leeren Raum obwohl weit und breit kein Gegner steht, der in diesen Raum vorstoßen könnte.

    Dementsprechend muss Süle zum ersten Japaner durchschieben und Kimmich hat dadurch zwei Gegenspieler. Dass er sich am Ende dafür entscheidet in der Mitte stehen zu bleiben und niemanden abzudecken krönt die Situation. Eigentlich war die Flanke lange genug in der Luft um zu erkennen, wo der Ball hingeht und Kimmich hätte ausreichend Zeit gehabt ins Kopfballduell zu gehen.

    Die ganze Situation wäre aber zu vermeiden gewesen, wenn Rüdiger seine Position gehalten hätte und dementsprechend alle drei Japaner im Strafraum einen Gegenspieler gehabt hätten...


    EDIT: der Beitrag sollte eigentlich in den Bereich "aktuelle Situation der Nationalmannschaft" verschoben werden. Ist mit leider nicht gelungen. Sorry dafür!

  • Fang doch mit ganz einfachen Spielprinzipien an (Handlunsgweisen) wie man vom Torhüter rausspielen will aus der Abwehr.
    Dann erklärst du deinen Spieler welche Rolle er übernimmt beim Aufbau.
    Das kann ein Aufbauspiel am besten in Überzahl sein. 1 TW, 4 Defensive, 1 Sechser. Gegen zuerst 2 Angreifer und dann 3 und 4 Max.
    Das Spiel beginnt immer beim Torwart. Ziel der Defensive ist es auf Minitore oder 3-4 Stangentore auf Höhe der Mittellinie zu überdribbeln. Wichtig ist dabei das die Außenverteidiger sich aus dem Deckenschatten der Stürmer lösen und immer anspielbereit entweder über die Innenverteidiger oder den Sechser bleiben. Sukzessiv den Druck erhöhen mit mehr Angreifer die die Verteiger pressen und die Verteidiger müssen Lösungen finden sich aus der Drucksituation zu befreien.
    Das habe ich bei einer U14 immer geübt am Anfang der Saison. Gib den Spieler nicht immer alles vor, stelle ihnen Fragen, wenn Sie etwas nicht hinbekommen haben. Hier ist natürlich vorausgesetzt, daß die Spieler auch technisch in der Lage sein müssen gute Pässe zu spielen und den Kopf heben und das Spielfeld scannen wo die Gegenspieler und Mitspeiler scannen.


  • let1612 Bezüglich der Erweiterung der Übung: Dazu habe ich keine Idee. Mit so einer Übung würde ich jedenfalls nicht das Trainingsziel verfolgen, dass meine Kinder ähnliche Situationen zukünftig cleverer / spielintelligenter lösen.

    Ich auch nicht :)


    ich bin ja auch ein Fan von Spielformen und von Wahrnehmung, Verstehen und interpretieren, Entscheidungsfindung und Technische Ausführung (Horst Wein). Und ich habe mir nur die technische Ausführung herausgegriffen und selbst mit der wäre ich in der Übung nicht einverstanden gewesen (im Gegensatz zu dir). Von den ersten dreien will ich gar nicht sprechen - sowohl Rüdiger als auch Gosens haben das Spiel vor sich.


    Nachdem viele Trainer noch sehr auf Übungen stehen, fand ich allerdings den Ansatz interessant und deshalb habe ich die Übung weiterentwickelt (ist aus meiner Sicht auch eine Trainerkompetenz).


    Übrigens haben die Spieler aus meiner Sicht in der Szene noch nicht einmal die offensiven Leitlinien des DFB erfüllt - da brauche ich nicht mehr Spielprinzipien, wenn die wenigen noch nicht mal umgesetzt werden. Und damit bin ich wieder beim Thread - weniger ist manchmal mehr :) - das wenige sollte allerdings dann auch angewandt werden.