Moin zusammen,
ich bin sicher nicht der erste und letzte mit einem deratigen Problem, allerdings wächst bei mir zunehmend die Ratlosigkeit... deswegen bin ich dankbar für jede Unterstützung hier!
Vorab: Ich trainiere eine U15 (Jg. 2008/2007 hälftig gemischt) im Breitensport/Kreisebene. Den Jungjahrgang habe ich bereits zwei Jahre im Vorfeld trainiert, da sind einige echt gute Kicker bei, die auch 2-3 Ligen höher spielen könnten (unser Kapitän sagt seit anderthalb Jahren konstant Oberliga-Anfragen des Nachbarvereines ab). Allerdings 3-6 Spieler aus dieser Kategorie, 3-4 solide und dann ein ziemliches Leistungsgefälle. Der 2007er Jahrgang war ewig die Trümmertruppe des Vereins und in den letzten Jahren wurden dann mal die F-Jugend Grundlagen gelegt (in Sachen Technik, Zuverlässigkeit, Vereinsfußball). Ein paar Spieler haben natürlich immense körperliche Vorteile, einige der schwächeren sind sehr lernbegierig und entwickeln sich, aber richtig brauchbar sind da nur eine handvoll.
Trotz einer heftigen Co-Trainer-Rotation in dieser Saison stehe ich bisher und vermutlich auch weiterhin zumeist allein als Trainer auf dem Platz. Wenn's gut läuft, habe ich von drei Einheiten 1-2x Unterstützung - bei einem Kader von 24 Spielern, von denen jetzt im Coronawinter ca. 14 pro Einheit im Training sind.
Mit einem Spezialfall gibt es regelmäßig Probleme. Der Junge ist Jahrgang 2007, fußballerisch unterer Durchschnitt aber mit ganz guten Anlagen im Tor (insb. Zielverteidigung) und einem harten Schuss ausgestattet. So gesehen also brauchbar und zudem aktuell unser einziger TW, der richtig Bock auf die Position hat... allerdings mit massiven Defiziten im Sozialverhalten. Ein paar Beispiele:
- wenn er keine Luist auf eine Übungs-/Spielform hat, zieht er als einziger Spieler so konsequent sein eigenes Ding durch, dass die Form für alle anderen zerstört wird. Im Rondo wird dann nur getunnelt, von 10 Bällen landen zwei beim Mitspieler und die eigene Frustration wird dann auch verbal an der Gruppe ausgelassen, bzw. wenn da einer was sagt, gibt's Gegenfeuer. In solchen Momenten, kann man ihn nur einfangen, wenn man in der Situation nur ihn minutenlang behutsam coacht - oder ihn komplett aus der Form nimmt. Aber auch das Bedarf dann ja einer Erklärung, sonst ist der Rest des Trainings ohnehin gelaufen. Kurzum: In soclhen Momenten braucht der Spieler eigentlich eine 1zu1 Betreuung...
- In Spielformen sieht er nicht seine Gruppe/Mannschaft sondern versucht quasi immer, selbst eine Lösung zu schaffen. Als TW bleibt ja eigentlich nur die Passoption, aber als Feldspieler spielt er erst ab, wenn er sich im Gegner festgerannt hat. Unglaublich selten sieht er, dass ein Pass seinem Team einen Vorteil bringen kann.
Wenn er zudem irgendwann als Keeper keine Lust mehr hat, läuft er in kleinen Spileformen einfach aufs Feld, dribbelt als letzter Mann 1 gegen alle oder bolzt aus 20m drauf (Jugendtor). Da das dann in zwei von zwanzig Versuchen klappt, sieht er auch nicht, wei sehr er damit seiner Mannschaft schadet.
- er reagiert hypersensibel und aggressiv auf wahrgenommene Kritik von anderen Spielern. Schon Coaching untereinander ist schwierig (á la 'ich lasse mir doch von denen nicht sagen, was ich tun soll') und wenn dann im Nachgang einer Situation was kommt, egal ob neutrale Hinweise ("rechts war XY frei") oder konkretere Kritik ("warum spielst du nicht ab?"), wird es noch schlimmer. Er nimmt so etwas sofort persönlich und reagiert entweder (verbal, aber völlig überzogen) oder kommt im Anschluss zu mir und erzählt mir, dass XY ihn provoziert/beleidigt/.. habe. Die Rede ist dann vom kleinsten und handzahmsten Mitspieler, der etwas wie oben geschildert angesprochen hat...
- Sein Umgangston auf dem Platz ist unmöglich. Wenn er emotional wird, haut er Beleidigungen raus, die ihm offenbar nicht mal bewusst sind. Ich habe ihn mal direkt nach so einer Situation angesprochen und ihn gefragt, was er gerade gesagt hat- das konnte er nicht wiedergeben. Und als ich dann den Wortlaut wiederholt habe, guckte er mich mit großen Augen an: "Das hab ich nicht gesagt". "Halt's Maul, Junge [...]" / "Du W*chser, ich hab doch ein Tor getragen" sind bei ihm irgendwie ganz normale Sätze, das realisiert er gar nicht, wenn er das echt laut auf dem Platz äußert. Macht sonst kein anderer Spieler. Wenn die Jungs untereinander so reden, klar, ok... aber im Training verhält NUR er sich so.
Ich habe schon mehrfach in Ruhe Einzelgespräche mit ihm geführt, in denen er sich dann auch immer relativ reflektiert zeigt (von der fehlenden Selbstwahrnehmung im Bezug auf die Äußerungen abgesehen). Ich habe mit seinem Vater gesprochen/geschrieben, der mir erzählte, dass bei dem Spieler wohl auch ADHS diagnostiziert sei und er für die Schule Medikante bekäme. Und das einen "Rebound-Effekt" beim Training auslösen könnte. Und ich habe versucht in diesen Gesprächen ihm konkret Lösungsansätze für das derzeit markante Problem an die Hand zu geben, auch wenn ich natürlich kein Pädagoge bin (ein Beispiel: mein letzter Ansatz war ihm nahezulegen, dass wenn er sich durch irgendeine Äußerung eines Mitspielers im training provoziert/beleidigt fühlt, er nicht in der Situatuon reagieren soll, sondern kurz in der nächsten Pause mit dem beteiligten oder mir das Gespräch sucht. Habe ihm auch erklärt, dass man aus der Emotion auf dem Platz ja oft die Dinge unterschiedlich wahrnimmt. Mäßiger und kurzfristiger Effekt für die nächsten Trainings...). Und ich habe ihn jedes Training im Blick und versuche einzuschätzen, wie er drauf ist und ggf. präventiv das Gespräch zu suchen.
Mein Problem ist: Die 1zu1 Betreuung, die er quasi immer braucht/bräuchte, kann ich auf dem Platz nicht leisten. Kein Spieler hat persönlich mit ihm Probleme (im Sinne irgendwelcher Konflikte außerhalb des Platzes), aber alle sind genervt von seinem Verhalten. Und ich habe das Gefühl, dass ich entweder mein Training um den Spieler herumplanen oder ihn potenziell aus vielen Trainingsformen einfach rausnehmen muss, damit das funktioniert. Beides nicht optimal, aber nur eins im Mannschaftssinne.
Was habt ihr vielleicht für vergleichbare Erfahrungen gemacht und wie würdet ihr mit so einem Spieler umgehen?
Hatte aktuell noch die Überlegung, vll. mal eine Mannschaftsbesprechung im Stile eines heißen Stuhls (positiv heißt es glaube ich: Honig-Dusche zu machen, bei dem er konkret von seinen Mitspielern hört, was sie an seinem Verhalten stört, aber auch, was sie an ihm als Person schätzen. Weiß noch nicht, ob das erfolgsversprechend ist und ob ich damit meine Kompetenzen überschreite.
Ein weiterer Ansatz wäre, mit dem Spieler jedes Training zwei Minuten zu sprechen, im Sinne von "wie fühlst du dich? was sind deine Ziele fürs Training heute?".
Die Praxis auf dem Platz, frustriert mich jedoch zunehmend.
Danke für eure Tipps!!!