Aktuelle Situation der deutschen Nationalmannschaft

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  • RedDevil


    Du hast jetzt eine Menge von mir zitiert und zu allem einen halben bis ganzen Satz kommentiert oder eine Frage gestellt. Bitte respektiere, dass ich solche kurzen Kommentare auf Mehrzeiler nicht noch mit längeren Mehrzeilern beantworte, das ist mir echt die Mühe nicht wert.


    Aber eins sei gesagt: Du kannst nicht verleugnen, dass die Spitze im Fußball enger zusammengerückt ist. Argumente dafür geben uns Union, Stuttgart und Freiburg Woche für Woche in der Bundesliga.

    Wales und Island im Viertelfinale einer EM? Portugal Europameister und Nations Leauge-Sieger? Russland und Schweden im Viertelfinale einer WM? Kroatien Vize-Weltmeister? Wer ist amtierender U20-Weltmeister? Es hat immer schon Überraschungen gegeben, aber in der Fülle? Es gibt doch immer mehr vermeintlich große Teams, die über vermeintlich kleine Teams stolpern.


    Und das kannst du auch an den Spielern sehen, die in den jeweiligen Top-Teams spielen. Beispiel Schweiz: Schau dir den Kader von 2004 und den von 2018 im Vergleich an.

    2004 hatte die Schweiz im 23er-Kader der WM 12 Legionäre, das höchste der Gefühle war da schon Magnin, die Yakins und Wicky aus der Bundesliga. Ansonsten zu dem Zeitpunkt kaum internationale Klasse und 11 Spieler aus der im Vergleich zweitklassigen eigenen Liga.

    Bei der letzten WM 2018 waren es dann 22 Legionäre, darunter Stammspieler und CL-erfahrene Spieler von Gladbach, Dortmund, Basel, Juventus, Milan, Schalke, Benfica und Arsenal. Spieler dieses Formats suche ich 2004 vergeblich und das ist für mich eine Erklärung, warum die Schweiz 2018 auf dem sechsten Platz der Weltrangliste stand und nicht wie 2004 um Platz 40 herumgurkte.


    Die Kleinen werden größer, weil sie gut arbeiten und der Vorsprung der Großen schmilzt, obwohl sie vielleicht auch gut arbeiten. Die "Kleinen" holen einfacher die 30% auf, die ihnen in den letzten 20 Jahren gefehlt haben, während die großen für die 2%, die sie ganz oben halten, extrem viel schuften müssen. Wie man gute Spieler findet, ausbildet und filtert, ist inzwischen zu fast allen Verbänden der Welt durchgedrungen. Für den Weltmeistertitel oder für erfolgreiche KO-Spiele gibt es nunmal kein Patentrezept. Auch kann man Matchglück, Matchpech, schlechte Phasen oder einfach nur nicht die richtigen Spieler haben. Das muss eben langsam mal in den Köpfen ankommen und auch in die Bewertung eines Spiels gegen z.B. die Schweiz einfließen.

    Im Fußball können immer Nuancen entscheiden und niemand kann den Sieg pachten, weil er vor 6 Jahren mal Weltmeister war oder "in der Vergangenheit immer besser als der Gegner war". Wenn die Erwartungshaltung ist, dass Deutschland in einer Nations League-Gruppe mit dem amtierenden U20-Weltmeister (das ist ein Indikator für gute Arbeit), den Spaniern und den Schweizern (Kaderzusammebau weiter oben) den zweiten Platz holt und im Prinzip am letzten Spieltag alles für den Sieg selbst in der Hand hatte und man sich trotzdem über Ergebnisse echauffiert - tja, dann ist vielleicht auch der Bewertungsmaßstab das Problem.


    2018 hatte Löw das Mittel des Ballbesitzfußballs gewählt, was an sich keine schlechte Wahl war, hat Spanien jahrelang den Fußball dominiert und auch die deutsche Mannschaft vor einigen Wochen 6:0 geschlagen. Deutschland ist dann ausgeschieden und Löws Analyse war im Prinzip ziemlich treffend, denn Deutschland ist tatsächlich an der eigenen Chancenverwertung gescheitert. Man möge sich im Zweifesfalle nochmal die Highlights der einzelnen Spiele anschauen, man hat sich im Strafraum nicht besonders geschickt angestellt. Torschusstraining braucht man doch wohl mit einer Nationalmannschaft nicht zu machen, oder?

    Der Umschwenk ging mit dem "neuen" Spielermaterial auf Konter- und Tempofußball, was logisch ist, wenn man Werner, Gnabry, Sané und Havertz zur Verfügung hat. Dazu einige gute Passgeber und Umschaltspieler im Zentrum.

    Dass diese Spielweise nicht immer attraktiv aussieht und eben auch davon abhängt, ob der Gegner tief steht oder einem die Räume zum Kontern lässt, muss man dann in Kauf nehmen.

    Ich fasse zusammen: 2018 soll der Fußball angeblich schlecht gewesen sein, weil man ausgeschieden ist. Jetzt ist er schlecht, weil er nicht gut aussieht. Ist auch hier die Erwartungshaltung, dass man guten und erfolgreichen Fußball sieht? Es ist utopisch, das in der heutigen Zeit, in der es mehr Konkurrenten als je zuvor gibt, zu fordern.

  • Also, wenn man sich die Tabellen der Länder in den letzten 10 Jahren ansieht, dann kann man schwer zu der Meinung kommen, dass die Spitze zusammengerückt ist.

    In quasi jedem Land gab es Punkterekorde des Meisters in den letzten Jahren, vorbei die Zeiten, da man in Deutschland mit 70 Punkten (teilweise sogar unter 70) Meister werden konnte.

    In England reichten Liverpool keine 95 vor einem Jahr.


    Auch bei den N11 sehe ich das nicht so. In den späten 90igern und frühen 2000, da war alles enger zusammengerückt, danach haben aber die Fussballnationen ihre Ausbildung, etc. umgestellt und die Ergebnisse in den Qualispielen oä gehen wieder gerne mal 5:0 oä aus.


    Man könnte vlt behaupten - um deinem einzigen!!! Beispiel Rechnung zu tragen - dass Schweiz und Belgien mit den aktuellen Mannschaften deutlich über dem "normalen" Talent anzusiedeln sind. Ob das nachhaltig ist, wird sich in 20 Jahren zeigen.

    Chile (2010-2018), Kolumbien (90-98), Bulgarien (Mitte der 90iger), Belgien (in den 80ern), ... es gab immer mal Nationen, die eine gute N11 zusammenhatten, die 8-10 Jahre nahe dran war, an den Top10 Nationen. Ob das aber einfach eine "zufällig talentierte" Ansammlung ist oder ob das, wie bei den Top10 Nationen auch diese Spielergeneration überdauert, das wird man sehen.



    Alles in Allem sehe ich überhaupt kein Zusammenrücken der Spitze. Ganz im Gegenteil sogar.

    "Wenn zwei Menschen immer der gleichen Meinung sind, dann ist einer von ihnen überflüssig." Winston Churchill

  • Also, wenn man sich die Tabellen der Länder in den letzten 10 Jahren ansieht, dann kann man schwer zu der Meinung kommen, dass die Spitze zusammengerückt ist.

    In quasi jedem Land gab es Punkterekorde des Meisters in den letzten Jahren, vorbei die Zeiten, da man in Deutschland mit 70 Punkten (teilweise sogar unter 70) Meister werden konnte.

    In England reichten Liverpool keine 95 vor einem Jahr.

    Ja, es gibt Punkterekorde. Die haben aber nichts mit dem "zusammenrücken" der Spitze zu tun. Die "Spitze" ist nicht eine Mannschaft, die eventuell einen Punkterekord aufstellt, sondern es sind die Top-Teams einer Liga.

    Interessant, dass du die englische Liga nennst, in der keine 95 Punkte mehr reichen. Wer war dort vor 4 Jahren nochmal "Überraschungsmeister" (damals hätten 72 Punkte gereicht)? Schaue ich heute auf die Tabelle in England: Stehen dort tatsächlich die "großen" Vereine (City, Arsenal, Chelsea, Liverpool und ManUnited) oben? Nein, Arsenal ist 15. und City ist Achter. Stattdessen Stehen Leicester, Everton, Tottenham und Southhampton in den Top Sieben.

    Wo waren Inter, der AC Milan, ManUnited, Schalke und Chelsea in den letzten Jahren im Internationalen Geschäft? Denen ist zum Teil (wenn auch nur temporär) der Rang in ihrer Liga abgelaufen worden von? Bergamo, Lazio, Gladbach, Leicester oder Tottenham. Sind das die "großen" Teams der letzten 30 Jahre in ihren Ligen? Nein, aber die stehen plötzlich mehr oder weniger konstant in der Spitzengruppe.

    Die Top-Nationen haben unheimlich wechselhafte CL-Teilnehmer, das ist ein Indikator dafür, dass die Spitze zusammenrückt.

    Ja, hat es immer gegeben, aber vor der Fülle kann man doch nicht die Augen verschließen.

    Auch bei den N11 sehe ich das nicht so. In den späten 90igern und frühen 2000, da war alles enger zusammengerückt, danach haben aber die Fussballnationen ihre Ausbildung, etc. umgestellt und die Ergebnisse in den Qualispielen oä gehen wieder gerne mal 5:0 oä aus.


    Man könnte vlt behaupten - um deinem einzigen!!! Beispiel Rechnung zu tragen - dass Schweiz und Belgien mit den aktuellen Mannschaften deutlich über dem "normalen" Talent anzusiedeln sind. Ob das nachhaltig ist, wird sich in 20 Jahren zeigen.

    Chile (2010-2018), Kolumbien (90-98), Bulgarien (Mitte der 90iger), Belgien (in den 80ern), ... es gab immer mal Nationen, die eine gute N11 zusammenhatten, die 8-10 Jahre nahe dran war, an den Top10 Nationen. Ob das aber einfach eine "zufällig talentierte" Ansammlung ist oder ob das, wie bei den Top10 Nationen auch diese Spielergeneration überdauert, das wird man sehen.

    Wenn die großen Fußballnationen so überlegen sind: Warum scheitern dann seit einigen Jahren in peinlicher Regelmäßigkeit Nationen, die dazu zu zählen sind, in der WM-Quali (z.B. Italien, Niederlande, England)? Gab es das in den 90ern auch?

    Wie kommt es dann, dass das Vorrunden-Aus der deutschen kein Einzelfall bei den großen Nationen ist, sondern auch Frankreich, Italien, Spanien und Engländer es in den letzten Jahren schon genauso erlebt haben?

    Genau das sind Belege dafür, dass es eben nicht mehr so einfach ist, sich als Top-Nation durchzusetzen und das Spiel schon vor Anpfiff mit dem Namen gewonnen zu haben.


    In dieser Diskussion hat man nun die Wahl: Wird die deutsche Mannschaft (+ natürlich die anderen großen Nationen) schlechter oder werden die vermeintlich kleineren Nationen besser?

    Ausschließlich die erste Möglichkeit zu wählen und das für Deutschland dann auf Löw zu schieben, halte ich für weltfremd und blind, weil es eben anderen Nationen rechts und links genauso geht, aber in Deutschland angeblich ganz klar am Trainer liegen soll.

  • @Charles De Goal

    Ich trenne das mal in Nationalmannschaften und Vereinsfussball.


    Du nennst die Schweiz, ich nenne Tschechien. 2000 hatte Tschechien eine der weltweit besten Fussballmannschaften.

    2020 war das nicht mehr so. Island hat jetzt eine Generation an Top-Fussballern. Das ist aber kein Indiz, das die Spitze enger zusammengerückt ist.


    Ukraine wurde 2019 U20 WM. 2017 waren die nicht mal dabei. Wurde vorher schlechter gearbeitet? Oder kam eine Generation an Fussballern zusammen die großes erreichen können, siehe Island?


    Da hilft es hier wenig, wenn Bierhoff in einer Pressevorlesung...ach das war ja eine Pressekonferenz, die Nachwuchsarbeit beklagt.

    2015 U21 EM, Halbinale

    2017 U21 EM, Europameister

    2019 U21 EM, Vize-Europameister

    Da sind die Grundlagen nicht so schlecht. Aber auch für diese Turniere gilt, wichtig ist wen der Trainer nominiert.


    Mal hat man eine stärkere Generation, mal schwächere. Und manchmal passt der Trainer zur Mannschaft. Und manchmal wissen die Spieler was das Ziel ist.

    Nationalmannschaft: DFB soll Spielern während der WM das Internet gesperrt haben - WELT



    Zur Erwartungshaltung.

    Wenn die Nationalmannschaft einen Fussball spielen soll, den die Spieler in den Vereinen kaum Spielen, mache ich den Spielern keinen Vorwurf. Für die Nominierung hat der Trainer die Verantwortung. Und was wichtig ist und trainiert werden muss, ebenfalls.

    Ich gucke mir die Highlights an und erinnere mich an die Wichtigkeit von Standardsituationen.

    Flick: „Die werden doch nicht diesen Trick machen…“ - Sport - SZ.de



    Du nennst Union, Stuttgart und Freiburg

    Ich nenne Schalke, Mainz, Bremen. Ich könnte noch den HSV nennen.

    Schalke 2006-2014 regelmäßig CL gespielt.

    Mainz 2002-2004 nie schlechter als Platz 3.

    Bremen Spitenmannschaft von 2004-2010.


    Sind die anderen besser geworden, oder ist man selbst stehen geblieben, bzw. sogar schlechter geworden?


    2019/20

    1.FC Bayern München

    2.Borussia Dortmund

    3.RB Leipzig

    4.Borussia Mönchengladbach

    5.Bayer 04 Leverkusen


    2018/19

    1.FC Bayern München

    2.Borussia Dortmund

    3.RB Leipzig

    4.Bayer 04 Leverkusen

    5.Borussia Mönchengladbach


    2017/18

    1.FC Bayern München

    2.FC Schalke 04

    3.TSG 1899 Hoffenheim

    4.Borussia Dortmund

    5.Bayer 04 Leverkusen


    Heute

    1.FC Bayern München

    2.Bayer 04 Leverkusen

    3.RB Leipzig

    4.Wolfsburg

    5.Borussia Dortmund


    8.Borussia Mönchengladbach


    Sind ziemlich häufig die gleichen Vereine.

  • Du schlussfolgerst aus Einzelfällen Allgemeingültigkeit.

    Vor allem aus dem Scheitern einzelner, dass der Grund "Zusammenrücken" ist und klammerst andere Lösungsoptionen dabei einfach aus. Kann es denn nicht sein, dass große Nationen, die früh scheitern auch einfach miese Trainer haben?


    Nur kurz, was mir sofort einfällt auf deine Frage . also ohne zu recherchieren:

    Ja gab es in den 90igern und davor auch! In den 2000ern sowiso. Und ich habe nur die WM genommen, keine EM.


    Vorrundenaus der Italiener 66 gegen Nordkorea.

    Brasilien 66 (mit Pele) Vorundenaus bei der WM.

    94 Frankreich und England nicht qualifiziert für die WM.

    England 74 und 78 nicht qualifiziert für die Wm

    Holland 82 und 86 nicht qualifiziert für die WM. (2002 ebenso nicht qualifiziert)

    Da gibt es sehr wahrscheinlich noch mehr.


    Seit 94 hat der Titelverteidiger fast immer versagt, ist in der Vorrunde ausgeschieden: 94 Deutscland, ok VF, 2002 Frankreich Vorrunde, 2010 Italien Vorrundenaus (hinter Paraguay, Neuseeland und Slowakei) - alles auch länger als 10 Jahren her.

    "Wenn zwei Menschen immer der gleichen Meinung sind, dann ist einer von ihnen überflüssig." Winston Churchill

  • Aus aktuellem Anlass und weil ich bei diesem Thema ja sehr vehement gegen Joachim Löw (bzw. seine Performance in den letzten 12-24 Monaten) argumentiert habe.
    Ich finde den Schritt gut und konsequent. Was jetzt die Gründe waren, dass er sich so entschieden hat, darüber lässt sich nur spekulieren. Bei aller Kritik der letzten Monate muss auch gesagt werden, dass Joachim Löw von Anfang an bis 2017 einen hervorragenden Job gemacht hat und vermutlich der beste Nationaltrainer war, den ich bisher erleben durfte (das beziehe ich nicht nur auf Deutschland!). Dass er sich vom Tiefschlag der WM2018 (im Gegensatz zum vercoachten Halbfinale der EM2012) nicht mehr erholt hat ist schade, aber umso richtiger der Schritt jetzt.
    Ich habe wirklich große Hoffnung, dass der nahende Abschied ihm, der Mannschaft und dem Umfeld den nötigen Schub gibt eine gute Leistung bei der EM abzuliefern - ob sich dass dann auch in Ergebnissen widerspiegelt wird man sehen, ist mir aber aktuell ehrlich gesagt weniger wichtig als die Art und Weise wie man Auftritt und wieder Identifikation mit der Mannschaft ermöglicht.


    Ob es unter dem Nachfolger Löws (mein Favorit wäre Rangnick, weil ich nicht glaube, dass Klopp in Liverpool hinschmeißt) dann automatisch besser wird steht in den Sternen.
    Ich glaube, dass die größten Probleme mangelnde Personalqualität & Formschwäche auf einigen Schlüsselpositionen (IV, AV zentrale Sturmspitze), sowie die Tatsache, dass sich der Kader im Moment aus sehr vielen verschiedenen Vereinen zusammensetzt, deren Spielstil vollkommen unterschiedlich ist.

  • Naja.


    Mal angenommen Löw nominiert Hummels, Müller Boatang nicht zur EM.

    Die EM wird ein Erfolg. Dann gewinnt er, aber so wie die Spiele in den letzten Jahren so gelaufen sind...

    Die EM wird ein Misserfolg. Dann wird der Druck auf Löw größer. Warum waren die nicht dabei?


    Mal angenommen Löw nominiert Hummels, Müller Boatang zur EM.

    Die EM wird ein Erfolg. Wie soll er danach zur WM in 2022 auf die wieder verzichten? Er muss eingestehen ohne klappt es nicht.

    Die EM wird ein Misserfolg. Dann wird der Druck auf Löw größer. Warum waren die dabei?


    Kann er denn ernsthaft noch gewinnen?

  • Sehe ich genauso. Als Trainer für nur noch ein unmittelbar anstehendes Turnier kann er alle Personalentscheidungen dem möglichst erfolgreichen Abschneiden bei dem Turnier unterordnen, die Entwicklungen danach müssen ihn nicht mehr interessieren. Im Grunde doch eine absolute Luxussituation für einen Trainer, er kann doch jetzt sehr befreit agieren.

  • Sehe ich genauso. Als Trainer für nur noch ein unmittelbar anstehendes Turnier kann er alle Personalentscheidungen dem möglichst erfolgreichen Abschneiden bei dem Turnier unterordnen, die Entwicklungen danach müssen ihn nicht mehr interessieren. Im Grunde doch eine absolute Luxussituation für einen Trainer, er kann doch jetzt sehr befreit agieren.

    Genau!


    Da Löw nun nicht mehr in der Verantwortung steht, einen langfristigen Plan zu verfolgen oder einen Kader für 2022 oder 2024 aufzubauen (Wo Müller und Hummels dann schon 34 bzw. 36 Jahre alt sind), muss er sich um einen jungen Kader oder Lerneffekte keine Gedanken mehr machen.


    Die Entscheidung, ob Müller und Hummels aktuell leistungstechnisch in die Nationalmannschaft gehören, steht mir nicht zu. Dass sie allerdings kurzfristig bis zum Sommer mehr helfen können als 17-Jährige Shooting-Stars oder Ersatzspieler von EL-Teilnehmern, ist für mich ganz klar.


    Ich denke, die mögliche Nominierung hängt mit dem Mangel an Alternativen (bzw. der Qualität der Alternativen) zusammen.

  • Nachdem Luca Becker auch Bezug zur Nationalmannschaft genommen hat, verlinke ich mal den Beitrag "1 gegen 1 Situationen am Flügel und warum es sich lohnt diese zu suchen" unter thefalsefullback hier in diesem Thread. Aus meiner Sicht wird dieses 1 gegen 1 (oder 2:1) sowohl in der U21 als auch in der A-Nationalmannschaft zu selten gesucht - und das obwohl es z.B. gegen Holland bei der U21 erfolgreich war (das 1:1 fiel nach einem gewonnen 1 gegen 1 am Flügel (Burkardt)).

  • Es hat sich ja leider auch nicht viel geändert seit dem letzten Debakel.
    Ich finde schon, dass der Trainerwechsel neuen Wind und neue Stimmung gebracht hat, aber das was ich schon vor der EM als Hauptproblem gesehen habe hat sich in keinem Fall verbessert, eher verschlechtert:

    ---

    Ich glaube, dass die größten Probleme mangelnde Personalqualität & Formschwäche auf einigen Schlüsselpositionen (IV, AV zentrale Sturmspitze), ...

    Hinzu kamen unglückliche Wechsel, die die Mannschaft letztendlich eher geschwächt haben, als wie gewünscht neue Frische und Stabilität zu bringen.
    Dass der Wechsel Goretzka für Gündogan dermaßen die Stabilität im Mittelfeld kippt, hat mich auch überrascht, weil ich mir diesen Wechsel kurz vorher auch gewünscht habe (so viel zu meiner Expertise ;)).
    Hofmann für Müller war aber in meinen Augen vornherein als Fehlgriff anzusehen. Hier hätte ich mir eher Götze gewünscht oder meinetwegen mit Adeyemi etwas mehr Speed auf der Außenbahn....
    Aber hinterher ist man als Trainer natürlich immer Schlauer. Festzuhalten bleibt aber, dass es bei Süle und Schlotterbeck in der aktuellen Verfassung einfach nicht reicht und dass Rüdiger ein sehr guter Innenverteidiger ist, der, wenn neben ihm ein Weltklassespieler wie Thiago Silva oder Alaba steht, überragend spielt, aber als Abwehrchef einfach überfordert ist.

  • Ergänzend zum Post oben noch folgende Anmerkung:

    Verglichen mit der Auftaktniederlage 2018 gegen Mexico ist die gestrige noch viel ärgerlicher. Gegen Mexico hat man einfach nicht gut gespielt, kaum Torchancen gehabt und das Ergebnis war zwar nicht zwangsläufig aber schon irgendwie verdient.

    Dieses Mal war die Niederlage völlig unnötig. Man hat das Spiel im Griff ohne überragend gespielt zu haben. Ausreichend Chancen zum 2:0 ohne den Gegner jetzt an die Wand gespielt zu haben und dann versucht man 20 Minuten vor Schluss in so einer engen Kiste auf Verwaltungsmodus zu starten. Dass dann gerade die Verteidigung und das Zentrale Mittelfeld plötzlich die Arbeit komplett einstellt kommt dann leider erschwerend hinzu.

    Schade und wie gesagt unnötig. Hätte man den Stil der ersten 70 Minuten bis zum Ende fortgesetzt wäre man am Ende wohl mit 1:0 oder 2:0 vom Platz gegangen und der Thread hier könnte bleiben wo er war...

  • Ergänzend zum Post oben noch folgende Anmerkung:

    Verglichen mit der Auftaktniederlage 2018 gegen Mexico ist die gestrige noch viel ärgerlicher. Gegen Mexico hat man einfach nicht gut gespielt, kaum Torchancen gehabt und das Ergebnis war zwar nicht zwangsläufig aber schon irgendwie verdient.

    Dieses Mal war die Niederlage völlig unnötig. Man hat das Spiel im Griff ohne überragend gespielt zu haben. Ausreichend Chancen zum 2:0 ohne den Gegner jetzt an die Wand gespielt zu haben und dann versucht man 20 Minuten vor Schluss in so einer engen Kiste auf Verwaltungsmodus zu starten. Dass dann gerade die Verteidigung und das Zentrale Mittelfeld plötzlich die Arbeit komplett einstellt kommt dann leider erschwerend hinzu.

    Schade und wie gesagt unnötig. Hätte man den Stil der ersten 70 Minuten bis zum Ende fortgesetzt wäre man am Ende wohl mit 1:0 oder 2:0 vom Platz gegangen und der Thread hier könnte bleiben wo er war...

    Zur Einordnung des gestrigen Spiels stimme ich dir zu, das war wirklich bis zur 70. Minute richtig gut, nur die Tore haben gefehlt.


    Aber den Vergleich mit dem Mexiko-Spiel vor vier Jahren würde ich anders ziehen:

    In beiden Spielen gleich viele Torschüsse (26, auch ähnlich gute Chancen mit Pfostentreffern und einen zwischenzeitlichen Sturmlauf, in dem unfassbar gute Chancen vergeben wurden), beide Spiele mit deutlich mehr Ballbesitz (66 und 73%), beide Spiele überragende Passquote und gewaltigem spielerischen Übergewicht. Gegentore dann jeweils durch schlechte Absicherung bei Kontern. Ich sehe da so viele Parallelen in allen Bereichen, man findet die Highlights vom damaligen Spiel auch noch in den Weiten des Internets (wobei das erwähnte Video vom mexikanischen TV ist und somit die Auswahl der Highlights ein wenig voreingenommen ist).


    Ich komme da zu dem Schluss, dass man aus der WM 2018 überhaupt nichts gelernt hat und trotz neuem Trainer die gleichen Probleme hat.


    Wie die Mexikaner 2018 sind die Japaner 2022 natürlich auch keine Nation, die man im Vorbeigehen schlägt: fast alle Spieler spielen in den Top-Ligen, zum Teil ja sogar bei den Top-Vereinen. Wenn man dennoch spielerisch unterlegen ist, scheint es nach wie vor gegen die Deutsche Mannschaft zu reichen, diszipliniert zu verteidigen und Konter zu fahren - klar gehörte gestern auch vorne und hinten Glück dazu.


    Aber wenn sich die Dinge so oft wiederholen, ist Pech irgendwann kein Pech mehr, sondern einfach Unvermögen. Und da frage ich mich wirklich, ob man das nicht in den letzten vier Jahren hätte erkennen und entsprechende Maßnahmen ergreifen hätte können. Seit 2018 hat sich Ungarn (wie bei Japan spielen dort viele Spieler in Top-Ligen) zu unserem Angstgegner gemausert und wir haben uns im letzten Test zu einem 1:0 gegen den Oman gequält. Wie oft hat man Führungen aus der Hand gegeben oder sich wirklich gute Spiele durch dämliche Konter-Gegentore kaputtgemacht?

  • Das eine sind die vergebenen Chancen vorne, das andere ist die wackelige Situation defensiv.


    Selbst wenn eine der Chancen genutzt worden wäre und die 3 Punkte eingefahren worden wären, dann hat die Mannschaft angesichts der unglaubliche schlechten Abstimmung und Verfassung bei der Defensivarbeit nichts in späteren K.O. Runden einer WM zu suchen.


    Japan hat eine solide Mannschaft, klar, aber stellt doch keine Weltklasse dar. Sie haben ihr Heil zunächst in der Defensive gesucht und erst offensiver gespielt, als sie irgendwann mussten. Und prompt geht ein Schwimmen der Deutschen Mannschaft los, das ich wirklich unfassbar und gruselig finde. Null Souveränität, nie das Gefühl das die Lage im Griff ist, schwer zu begreifen das Ganze. Denn das jeder einzelne Spieler seine Qualitäten hat, ist doch auch klar. Sonst würden sie in ihren Vereinen nicht dort spielen, wo sie spielen.

    Oder führt das Ausbildungssystem dazu, dass niemand mehr echte Führung übernimmt ? Ist es ein Kopfproblem von Spielern, die in Leistungszentren groß werden und dort lernen, wenig Widerstand zu bieten um keinen Ärger zu bekommen und ausgemustert zu werden ? Werden zuwenig Führungsspieler groß ? An der rein fachlichen Ausbildung, am Wissen um taktisches Verhalten auf dem Platz etc. kann es ja eigentlich nicht liegen, aber irgendwo muss ein Fehler im System sein, das geht ja schon ein paar Jahre das keine defensive Stabilität mehr hergestellt wird und bessert sich nicht.

  • Es ist ja irgendwie auch bezeichnend, dass die Japanische Defensive wesentlich stabiler wirkte als die Deutsche, obwohl Deutschland die meiste Zeit Spielüberlegen war und ohne Zweifel in der Offensive über die größere individuelle Klasse verfügt.


    Charles De Goal :
    beim Vergleich der Spiele von 2018 und 2022 liegst Du vermutlich richtig. Ich glaube, damals habe ich das Spiel an sich in der Emotion und Enttäuschung negativer gesehen als es war und das Ergebnis wesentlich stärker bewertet.

    Fakt ist aber, dass wir weiterhin die Probleme auf den selben Positionen haben und mittlerweile vermutlich durch die vielen Rückschläge der jüngeren Vergangenheit gar nicht mehr in der Lage sind eine Spiel bis zum Ende durchzuziehen.

    Pech lasse ich in Zusammenhang mit diesem Spiel definitiv nicht gelten. Die Tore hat man fahrlässig zugelassen und wenn ich die vergebene Doppelchance von Gnabry und Hofmann sehe, dann war da mehr Unvermögen, Unkonzentriertheit und fehlende Gier das Tor zu schießen dabei als Pech.

  • Generell ist mMn das Thema Nationalmannschaft und deren Fußball(Spielidee) etwas ganz komplexes aber auch interessantes Thema.

    In einem meiner Bücher über Fußball-Trainer (wo u.a. Klopp, Pep auch Marcelo Bielsa und weniger bekannte Trainer) dargestellt werden, gibt es auch ein Kapitel über Löw.
    Da wird auch das Thema dargestellt, dass Fußball bei Nationalmannschaften was komplett anderes erfordert als Vereinsfußball.

    Du hast deutlich weniger Zeit mit den Spielern, musst daher gucken, dass du idR Spieler so zusemmn holst, die in den Teams ähnliche Systeme spielen um diese Systeme dann zu nutzen (das war Löws super Fähigkeit, dass er an keinem System ewig festgehalten hat, sondern stetig "mit der Zeit gegangen ist"). Sowas erfordert Zeit, so war bei löw und den verscheidenen Spielstilen gut erkennbar, dass nach neuen taktischen "Revolutionen" die ersten turniere eher mäßig waren, aber beim darauffolgenden Turnier es deutlich besser lief. So waren wir zwar oft im HF aber EM 2008 waren die Spiele dann doch eher enger.


    Darüber hinaus lässt sich über die Qualität des Kaders streiten, ob der im Vergleich zu z.B. 2014 wirklich deutlich schlechter ist, bzw. was da einfach fehlt

  • Ich finde, dass man es sich zu "einfach" macht, wenn man sagt, dass man ja eigentlich gut gespielt habe.

    Das wäre mM nach nämlich eine unzureichende Analyse und damit kann man die richtige Stellschrauben nicht drehen.


    Ja, wir hätten das 2:0 machen können, aber es ist auch nicht so, dass wir Torchancen in Masse hatten. Eigentlich nur in der Ohase kurz nach der Pause 3 stück, Musiala, Gündogan. Sonst war da wenig.

    Das Spiel im letzten Drittel war mau, man muss es nur mal mit Spanien vergleichen. Uns fehlte völlig der Zug zum Tor.


    Und das schlimme daran ist, dass Japan ja ähnlich viele gute Chancen hatte, wenn man ehrlich ist. Wir haben also nicht einmal defensiv gut gestanden, und deshalb die Offensive schleifen lassen.


    Im Gegenteil, wir haben das zentrale Mittelfeld nicht gesichert bekommen. Wir spielen ohne 6er aber auch oft ohne situativen 6er. Da gehen dann Gündogan/Goretzka und Kimmich raus aus der Position, sichern nicht.

    Das kann man bei Bayern ja auch oft beobachten, dass Kimmich keinen 6er geben will, er unbedingt seine Skills nach vorne zeigen will. Deshalb bekommt Bayern seit einiger Zeit viele Gegentore und lässt dazu viel zu.


    Gerade bei einer WM, da muss man aber sicher stehen und da ist das zentrale Mittelfeld elementar - nicht nur die Abwehrkette.

    Ich finde Kimmich ist ein herausragender SPieler, dass er aber scheinbar unantastbar ist und nicht kritisiert werden darf, das missfällt mir. Er uss und hätte einen 6er geben sollen. Punkt. Es geht ums Team, um die Balance, nicht darum, dass es ihm besonders gefällt, wie er spielen kann/darf.


    Da erwarte ich gerade von Führungsspielern - und das ist Kimmich und will er auch sein - deutlich mehr, als von anderen.

    (Gestern war doch nur Gündogan und vlt Neuer gut, der Rest war mau, Kimmich, Goretzka und Müller besonders mau, als Führungsspieler.)


    Meiner Meinung war Japan keine besonders gute Mannschaft gestern, Deutschland nur selbst einfach nicht gut.

    Es hilft wenig, wenn man jedes Spiel zwar 70% Ballbesitz und 950 Pässe hat, aber dem Gegner 4-7 dicke Chancen aus dem Spiel heraus gibt und 1-3 Gegentore bekommt, aber selbst nicht mal gegen den Oman treffen kann.

    Deutschland hat von den letzten 10 Spielen nur gegen den Oman und die B-Elf Italiens gewonnen, da kam das Spiel gestern eigentlich nicht überraschend.

    "Wenn zwei Menschen immer der gleichen Meinung sind, dann ist einer von ihnen überflüssig." Winston Churchill

  • Sir Alex :
    Ich stimme absolut mit Dir überein, dass das Spiel der deutschen Mannschaft nicht als sehr gut bezeichnet werden kann und selbst bei einem Sieg alles andere als eine Bewerbung für den Favoritenkreis gewesen wäre.
    Aber nach dem Spielverlauf mit relativer Dominanz über die meiste Zeit, Torchancen (wenn auch nicht en Masse) hätte es angesichts der - wie Du ja selbst schreibst - alles andere als starken Leistung der Japaner (die natürlich trotzdem keine Laufkundschaft waren) bei konsequenter und disziplinierter Beibehaltung der in den ersten 70 Minuten gezeigten Leistung zu einem glanzlosen aber trotzdem verdienten Sieg reichen müssen.


    CoachT
    Bei der Qualität des Kaders zwischen 2014 und heute sehe ich schon deutliche Unterschiede, v.a. im kompletten Defensivverbund.

    Hinzu kommt, dass der Großteil der Defensive die Nachteile in Qualität und Potential gegenüber ihren Kollegen aus anderen Nationen nicht durch absolute Topform und erreichen Ihres Leistungsmaximum kompensiert, sondern ganz im Gegenteil, der Rückstand im Potential sich durch die vorhandene Formdelle der meisten sich sogar noch vergrößert.

    Das ist dem Nationaltrainer natürlich nicht anzulasten, sondern in erster Linie den Spielern und in zweiter evtl. dem Vereinstrainer.

    Kimmich sehe ich, obwohl ich schon in seiner Leipziger Zeit ein Fan von ihm war mittlerweile sehr kritisch.

    Sir Alex bringt es auf den Punkt. Er spielt alles ein bisschen und nichts richtig. So kann man als Topspieler einer Breitensport- oder Jugendmannschaft agieren aber nicht auf Profiniveau. Wenn er unbedingt auf der 6 spielen möchte, dann soll er sich bitte auch an die zentrale Aufgabe dieser Position halten und das Zentrum stabilisieren. (der Japaner Endo hat das trotz deutlich weniger Talent gestern eindrucksvoll vorgemacht). Wenn er den Anspruch hat sich permanent durch tiefe Läufe in die Offensiver einzuschalten, dann soll er sich bitte wieder hinten rechts aufstellen lassen, (da ist die Not im Team eh größer als im Zentrum) und 90 Minuten die Linie rauf und runter sprinten...


    Insgesamt sehr Schade, weil das Team grundsätzlich schon Potential und Perspektive hat und so ein Auftaktsieg, wenn auch nicht überragend und euphorisch herausgespielt wie bei den Engländern, Franzosen oder Spaniern trotzdem den Schalter in die Richtung hätte legen können um Leichtigkeit und Spielfreude für den Rest des Turniers zu erzeugen.

    Jetzt ist es wahrscheinlicher, dass man schon am Sonntag ausscheidet, als dass es im dritten Gruppenspiel überhaupt noch um etwas geht und die daraus entstehende Hypothek für die Vorbereitung auf die EM im eigenen Land hat zur Folge, dass bis dahin weiter der verkrampfte Fußball der letzten Jahre zu sehen ist mit der Angst, in der Schlussphase gegen jeden Gegner das Spiel vergeigen zu können.