Alles anzeigenWas machen die Franzosen anders?
Die Franzosen haben keine Stützpunkte in dem Sinne.
Deutschland hat über 400 Stützpunkte, die zudem föderalistisch durch die vielen Landesverbände koordiniert werden.
Die Trainer versammeln sich über diverse Stützpunkte und NLZ´s.
In Frankreich gibt es 16 Akademien, die durch den französischen Verband koordiniert werden. Übergeordnet gibt es dazu noch das Leistungszentrum in Clairefontaine, welches die Creme de la Creme dann nochmal speziell fördert.
Die Akademien arbeiten eng mit den Vereinen zusammen, um talentierte Spieler zu identifizieren.
Es existiert also eine zentralistische Förderung. In den Akademien und in Clairefontaine werden nicht nur die besten Spieler mittels aufwendiger Auswahlprozesse angesammelt, sondern dort sind auch die besten Jugendtrainer versammelt.
Bei dem Beispiel Frankreich tue ich mir etwas schwer. Denn hier haben wir, wie du ja auch schon ansprichst, den Sondereffekt mit den ganzen Talenten aus dem Raum Paris. Wenn man die französische A-Nationalmannschaft sowie die U21 anschaut, dann kommen deutlich über die Hälfte der Spieler aus Paris. Dabei stellt der Großraum Paris weniger als 20% der Einwohnerzahl Frankreichs. Und die Talente, die nicht aus Paris kommen, sind dann oft aus Lyon oder Marseille.
Daher stelle ich mal folgende Frage: Wenn das Fördersystem Frankreichs so gut ist, und der Erfolg der Franzosen vor allem an diesem System liegt, warum produziert dann Frankreich nicht auch in anderen Regionen abseits von Paris ähnlich gute Spieler? Warum produzieren sie kaum weiße (bzw nicht-migrantische) Spieler, viel weniger als zB Deutschland? Wenn das System Frankreichs dem deutschen überlegen ist, müssten dann die „Bio-Franzosen“ (a la Olivier Giroud) in der Masse nicht auch besser sein als die „Bio-Deutschen“ (a la Thomas Müller)? Das ist aber überhaupt nicht der Fall, sondern sogar ganz im Gegenteil.
Oder anders ausgedrückt: wenn man eine Mannschaft aus Nicht-Migranten aufstellen würde, dann würde von der individuellen Klasse und Talent her Deutschland Frankreich sicherlich klar dominieren.
Das nährt für mich den Verdacht, dass der Erfolg der Franzosen weniger im System begründet liegt, als mehr darin, was sich in Stadtvierteln von Paris oder Lyon abspielt. Dass Frankreich unter Umständen also gar nicht das überlegene System in der Nachwuchsförderung hat, sondern einfach die bessere (migrantische) Straßenfussball-Kultur.
Für mich ist das bessere Beispiel für eine Top-Nachwuchsförderung ohnehin Portugal. Niemand produziert so viele Topspieler pro Einwohner wie Portugal. Auch nicht Frankreich.
Was ich bei dem Beispiel Portugal interessant finde, ist, dass es nicht immer so war. Früher hat Portugal im Nationalmannschaftsfussball eigentlich so gut wie keine Rolle gespielt, und das über viele Jahrzehnte. So waren sie zB in den 52 Jahren von 1930-1982 nur einmal bei einer WM dabei (1966 mit Eusebio), und in den ersten 20 Jahren des Bestehens von Europameisterschaften (1960-1980) kein einziges Mal bei einer EM.
Dann bekamen sie ab Ende der Achtziger bzw Anfang der Neunziger plötzlich eine sehr starke Generation an Nachwuchsspielern, die sie in der Folge begeistert als ihre „Goldene Generation“ tauften (mit Luis Figo und Co). Und seit diesem Zeitpunkt an produziert Portugal dann plötzlich nur noch solche Top-Generationen, sind seit der Generation Figo konstant in der internationalen Spitze dabei. In Wahrheit waren Figo und Co also gar keine Goldene Generation, sondern nur der Startschuss zu einem anhaltenden, generationenübergreifenden Fluss an portugiesischen Top-Spielern, der jetzt mittlerweile seit den späten 1980ern anhält.
Irgendetwas muss also in Portugal in den 1980er Jahren geschehen sein. Irgendwas müssen die damals in ihrer Nachwuchsförderung umgestellt haben, was dazu geführt hat, dass sie seitdem plötzlich angefangen haben, konstant Top-Leute zu produzieren - nachdem sie zuvor 50 Jahre lang im Weltfussball keine Rolle gespielt haben. Leider finde ich dazu keine weitergehenden Informationen.
Sehr interessant finde ich hier auch den Vergleich mit Griechenland. Portugal und Griechenland sind in vielerlei Hinsicht sehr vergleichbare Länder:
-sie haben eine vergleichbare Einwohnerzahl (etwa 10 Mio)
-sie haben einen vergleichbaren Lebensstandard/Wirtschaftskraft
-sie haben ähnliche klimatische Bedingungen (beides Mittelmeerländer)
-sie haben eine ähnliche Kultur/Mentalität
-und, vor allem: sie haben eine ähnlich große Fußballbegeisterung
Es sind also sehr ähnliche Länder. Und dennoch sind diese beiden Länder in Bezug auf die jeweilige Qualität des Fußballs wie Tag und Nacht. Ich kann mich zB nicht dran erinnern, wann Griechenland je in seiner Geschichte mal irgendeinen internationalen Topspieler produziert hätte. Nicht heute, nicht in den letzten 30 Jahren, nicht in den letzten 80 Jahren. Selbst Polen (Lewandowski), Bulgarien (Stoichkov), Österreich (Alaba), Schweden (Ibrahimovic) und Co schaffen es mal, irgendwann mal einen Topspieler zu produzieren - nicht aber Griechenland. Trotz all der Fußballbegeisterung dort, trotz ähnlicher Bedingungen (klimatisch, wirtschaftlich, kulturell) wie Portugal.
Es wäre interessant, wenn es dazu mal irgendeine Vergleichsstudie gäbe, welche Faktoren dazu führen, dass das fussballbegeister Portugal konstant so viel besseres Talent produziert als das fussballbegeisterte Griechenland.
