let1612
Ich habe nicht den blassesten Schimmer, was diese Vereine anders machen. Wir könnten ähnliche Mannschaftsstärken bei uns im Verein haben, sind aber durch die Platzkapazitäten etwas eingeschränkt, der 2. Kunstrasenplatz fehlt noch. Für deren Dropout-Rate kann ich nicht sprechen, aber die Anzahl ihrer Teams lässt ja darauf schließen, dass die da - wie wir - doch eher wenig Probleme haben.
Die Anlage in Gievenbeck ist leider geil, mit 2 Kunstrasenplätzen und dem Stadion, und dann eben noch dem Rasenplatz nebendran, der wohl nur fürs Training genutzt wird. In Rheine und Vreden war ich noch nicht, Google Maps lässt aber darauf schließen, dass die eine ähnlich gute Infrastruktur haben.
Ich glaube aber tatsächlich, dass das auch immer ein wenig mit der Ligenzugehörigkeit zu tun hat. Je höherklassiger die Teams, desto geringer ist auch die Quote an - ich nenne es jetzt mal bewusst so - asozialen Menschen, die dort hinkommen. Damit meine ich Spieler (und natürlich Eltern), die aufgrund ihres Verhaltens und Umgang mit Mitspielern/Miteltern für Probleme sorgen. Weniger Pöbler auf und neben dem Platz. Bei mehr Ruhe im Vereinsumfeld hat man eine größere Zufriedenheit, und die wirkt sich sicher positiv auf den Dropout aus.
Ich habe ja mittlerweile alle möglichen Konstellationen im Jugendfußball durch: Den Wald- und Wiesenverein, den ambitionierten Emporkömmling der hoch hinaus will, und jetzt eben den etablierten Verein der mit allen Altersklassen (überhalb E-Jugend, natürlich) überkreislich vertreten ist. Und das auch noch in genau der Reihenfolge.
Im ersten Verein war es noch so, dass der Vorstand sich weitestgehend aus allem heraus gehalten hat. Der Vorstand des Gesamtvereins war stolz auf die Tennis-Abteilung und kannte den Rest der Abteilungen nur vom Papier. Dort hatten einzelne Trainer auch regelrecht mehr Einfluss als der Vorstand der Jugendfußball-Abteilung. Viele Egozentriker und Selbstdarsteller, die sich für sehr wichtig hielten und meinten, ihre Mannschaft sei ohnehin der wichtigste Faktor im Verein. Viele kennen das: "Wenn ich nicht das kriege was ich will, dann gehe ich und nehme die ganze Mannschaft mit!". Und die kamen damit oft genug auch durch, da war man auch froh über jedes Kind, das sich angemeldet hat. Allerdings auch viele Störfaktoren, viele Kinder aus sozial schwierigen Umfeldern, wenig Eltern bei den Spielen, Mitfahrgelegenheiten zu Auswärtsspielen waren nur extrem schwer zu organisieren.
Im zweiten Verein lief das schon ein wenig anders. Man war ambitioniert, wollte was erreichen, die Fußballabteilung war das Aushängeschild. Gute Infrastruktur, die Mannschaften halfen sich untereinander wo es ging und möglich war. Der Vorstand war bemüht den Trainern ruhiges Arbeiten zu ermöglichen. Kinder aus sozial schwierigem Umfeld waren da schon seltener, die Eltern waren auch interessierter an dem, was ihre Kinder da tun. Da bin ich zur "Hochzeit" weg, aus beruflichen Gründen. Mittlerweile ist der Verein mehr oder weniger aber im "Niemandsland" angekommen.
Der jetzige Verein war eigentlich immer das, was ich mir als "Moloch" vorgestellt hatte. Es gab und gibt ja immer die üblichen Gerüchte über Leistungsvereine.... Spieler werden regelmäßig aussortiert, passt die Leistung nicht gibts die Fahrkarte, die 1. Mannschaft steht über allem usw.
Aber ich habe vom ersten Tag an eigentlich nur das genaue Gegenteil erlebt. Jeder grüßt jeden, jeder Spieler grüßt jeden Trainer per Handschlag, Auftreten in Vereinskleidung ist üblich, man gehört sofort dazu. Der Vorstand und die Verantwortlichen der 1. Mannschaft schauen sich die Jugendspiele an, die Spieler der 1. bleiben nach ihrem Training auch mal stehen und schauen den Kindern beim Spiel zu. Gerade der Vorstand kennt auch so ziemlich jeden Jugendspieler mit Namen, einfach weil sie allesamt Interesse daran haben. Der Verein selber ist nicht zentral gelegen, sondern eher exponiert, man war immer ein "Dorfverein", das schweißt natürlich zusammen. Die meisten Spieler kommen eben auch aus diesem "Dorf", da gabs keinen zweiten Verein im näheren Umfeld, während andere Stadtteile teilweise 3-4 Vereine vorzuweisen hatten (mittlerweile aufgrund von Fusionen etc. auch nicht mehr). Das ist sicher ein großer Bonus wenn es darum geht, Spieler im Verein zu halten.
Aber ich glaube, am stärksten zieht halt der Umgang der Trainer und aller sonstigen Verantwortlichen mit den Kindern. Mit allen neuen Spielern führen wir als Trainer ein Gespräch und sprechen in diesem Gespräch auch nur das Kind an. Mama und Papa dürfen natürlich Fragen stellen und bekommen auch was erzählt, aber der Spieler steht im Mittelpunkt. Mit solchen Kleinigkeiten fängt es eben für mich an. Ich will ja nix von den Eltern, ich will was vom Spieler. Der soll 3x die Woche zum Training kommen, und das regelmäßig und mit Spaß, und da soll er auch noch jedes Mal alles raushauen was geht. Da stehe ich dann beim Gespräch nicht mit der Kippe in der Hand mit den Eltern und quatsche darüber, wie toll alles im Verein ist. Das Kind ist der Star und fertig, unabhängig vom Leistungsvermögen. Und da werden die schwachen Kinder nicht anders behandelt als die Leistungsträger. Natürlich muss man im Leistungsbereich auch mal einem Spieler beibringen, dass es eben nicht ganz reicht, aber auch da ist eben wichtig, wie man es macht. Bei den wenigen Fällen wo wir bei uns im Kader tatsächlich mal Spieler aussortieren mussten und es keine interne Lösung gab haben wir uns immer bemüht, den Jungen woanders gut unterzubringen. Der potentielle neue Trainer im neuen Verein wusste von uns dann schon alles über das Kind. Stärken, Schwächen, Persönlichkeit. Immer das Positive herausgestellt. Und da Kinder ja Menschen sind, und nicht nur "Spielermaterial", guckt man sich dann auch mal das ein oder andere Spiel für den neuen Verein an, oder fragt halt auch mal per WhatsApp nach wie es so läuft, wie es dem Kind so geht. Kleinigkeiten eben, die aber für so ein Kind enorm wichtig sein können. Bei verletzten oder erkrankten Spielern fragt man ebenfalls mal zwischendurch nach dem Wohlbefinden, ganz unabhängig vom Fußball. Dass der ein oder andere mal aufhört weil die Freundin wichtiger wird lässt sich halt nicht verhindern. Wir legen Spielern die zu einem höherklassigen Verein wechseln können auch keine Steine in den Weg, die Tür steht ihnen immer offen wenn es dort dann nicht klappt.
Und ist ja als Trainern auch immer bewusst: wir haben zwar talentierte Kids, aber wir werden den Weg bis zur Bundesligakarriere nicht mit ihnen gemeinsam gehen, irgendwann trennen sich unsere Wege, und trotzdem wäre es für uns als Trainer das Größte wenn ein ehemaliger Spieler mal in der Sportschau zu sehen ist wie er in der 80. Minute eingewechselt wird und sein Profidebüt gibt. Genau so vermitteln wir den Kindern das immer auch.
Und andere Vereine auf dem Level machen das bei uns in der Gegend eben auch nicht anders. Wir haben so oft potentielle neue Spieler, denen wir aber keine Einsatzzeit in Aussicht stellen können und die wir dann an einen anderen Verein in ähnlicher Spielklasse vermitteln, weil die eventuell auf genau der Position eben einen Spieler brauchen können - und umgekehrt. Ich glaube, auf Kreisliga-Niveau wird es sowas wohl eher nicht geben, zumindest habe ich es dort nie so erlebt.
Zudem holen wir auch nicht beständig neue Spieler hinzu. Es muss keiner auf die Bank nur weil wir irgendwo einen Spieler gesehen haben, der doch noch einen kleinen Tick besser ist, wir arbeiten und bekennen und langfristig zu den Spielern. Im Kader unserer U15 sind 23 Spieler, die meisten davon sind seit der F- oder E-Jugend dabei. Im aktuellen Kader ist kein Spieler, den wir aktiv gescoutet haben, alle Neuzugänge kamen von sich aus, auf der anderen Seite haben 3-4 Spieler den Verein verlassen, weil sie Angebote aus NLZ hatten.
Für mich ist und bleibt der Schlüssel immer der persönliche Umgang mit den Spielern. Das wird bei den von dir genannten Vereinen nicht viel anders sein. Wichtig ist die Perspektive, was kommt nach der A-Jugend? Es kann ja nicht immer der komplette Altjahrgang A in die 1. Mannschaft integriert werden, vor allem muss was für die Jungs da sein, die vorher schon auch "nur" in der A3/B3/C3 etc. gespielt haben.
Was wir bei uns aber auch völlig anders machen: Unsere Jugenspieler ab der C-Jugend werden aktiv ins Trainerleben integriert. Interessenten dürfen bei einem erfahrenen Co-Trainer im unteren Jugendbereich reinschnuppern und dann, sofern sie möchten, da offiziell als Co-Trainer/Betreuer anfangen. Da wir ab der E-Jugend 3x die Woche trainieren und den Kindern und Eltern nicht noch mehr Zeit abgenötigt werden soll, werden die Trainingszeiten entsprechend angeglichen. Haben z.B. 3 C-Jugendliche Traineraufgaben in der E-Jugend, trainieren diese Mannschaften dann direkt vor der C-Jugend. Das bindet natürlich auch nochmal enorm an den Verein, und die übertragene Verantwortung ist natürlich auch nochmal ein bisschen Schulterklopfen und Wange streicheln für die Jungs.