Ohne Holland fahrn wir zur EM

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  • Liebe Trainerkollegen,


    zwar hatten auch wir gelegentlich Sorgenfalten bei der EM-Qualifikation, jedoch konnte unser Team sich letzendlich durchsetzen. Weitaus größere Motivationsprobleme sowie permanentes Störfeuer im Umfeld gabs bei unseren holzschuhklapernden Nachbarn. Ihr Konzept den Gegner durch ein frühes Tor dazu zu bewegen, ihr Abwehrbollwerk ein wenig zu lockern, um den traditionell guten Goalgettern den nötigen Raum zu verschaffen, ging mehrfach nicht auf. Lang, viel zu lang hielt man auch am Konzept des niederländischen Angriffsfussballs fest, statt sich für den jeweiligen Gegner eine erfolgreiche Tatik zu überlegen.


    Ja, ja ich weiß schon, was ihr jetzt sagen wollt! Es sollte auch mal einer zu Jurgi Löw gehen und ihm sagen, dass er nicht Bayern München, sondern die Deutsche Nationalmannschaft trainiert, damit nicht in Zukunft einfach lange Pässe Gegentreffern von ansonsten harmlosen Gegnern führen. Und schließlich ist eine Abwesenheit bei einer EM seit 30 Jahren viel schlimmer als sang- und klanglos auszuscheiden. Es gibt also auch keinen Grund, mit Häme auf das ideenlose Spiel unserer Nachbarn zu zeigen, gibt es doch bei uns ebenfalls genügend Baustellen.


    Eine wichtige Erkenntnis dieser EM ist jedoch auch, das über alle Mannschafts- und Gruppentaktik die Individualtaktik nicht vergessen werden darf. Denn wer gänzlich auf offensive Zweikampfaktionen verzichten will, der wird es immer schwerer haben, sich im internationalen Spitzenfussball halten zu können. Wir brauchen auch weiterhin Spieler mit überragender Technik und Handlungsschnelligkeit im 1 vs 1, weil es in den zu besetztenden Räumen immer weniger Raum für Kreativität gibt.


    Natürlich lade ich euch herzlich ein, mit mir über die Bedeutung von Individual-Taktik zu diskutieren. Denn m.E. wurde sie bei den Ambitionen nach perfekten Gruppen- und Mannschaftstaktiken zuletzt ein wenig vernachlässigt? Aber mein sujektives Bild kann auch täuschen, weshalb ich gern eure Meinungen dazu hören würde.

  • Häme gegenüber den Niederlanden ist sicher nicht angebracht, aber eins würde mich interessieren: Wie passt denn die Pleite der niederl. Nationalmannschaft damit zusammen, dass die niederländische Nachwuchsförderung immer so sehr gelobt wird, auch hier im trainertalk? Wo bleiben denn die geförderten Talente stecken?


    Grüße
    Oliver

  • Wie passt denn die Pleite der niederl. Nationalmannschaft damit zusammen, dass die niederländische Nachwuchsförderung immer so sehr gelobt wird, auch hier im trainertalk? Wo bleiben denn die geförderten Talente stecken?


    Ich hatte hier vor ein paar Monaten von meinen Beobachtungen im niederländischen Kinder- und Jugendfußball berichtet:


    http://www.trainertalk.de/fuss…?postID=102354#post102354

  • Häme gegenüber den Niederlanden ist sicher nicht angebracht, aber eins würde mich interessieren: Wie passt denn die Pleite der niederl. Nationalmannschaft damit zusammen, dass die niederländische Nachwuchsförderung immer so sehr gelobt wird, auch hier im trainertalk? Wo bleiben denn die geförderten Talente stecken?



    Grüße
    Oliver

    Das ging mir in der Nacht auch durch den Kopf. Interessanterweise hab ich das subjektive Gefühl als würde da nicht wirklich was nachkommen und nur altgediente auf dem Platz stehen.
    Vielleicht ist ja auch das niederländische Ligensystem die die Sache etwas komplizierter macht.

  • @Don


    Natürlich kann ich dir dazu auch nur meine subjektive Wahrnehmung der Probleme mitteilen.


    Man bildet zwar in den Niederlanden genügend Talente aus, die Schwierigkeiten stecken jedoch im Übergang zum Seniorenbereich.


    Einerseits ist es eine gute Idee, wenn sich mehrere Vereine zusammen tun, um sich die Kosten und Personalaufwendungen für eine Talentausbildung zu teilen, andererseits kann es aber auch dazu führen, dass die Strukturen dieser Ausbildungen nicht in regelmäßigen Abständen analysiert und angepaßt werden. Als Beispiel hierfür möchte ich das "in die Jahre gekommene taktische 4 : 3 : 3 nennen. Es stellt zwar sicher, dass eine größere Menge an Talenten in einem vergleichsweise gute Niveau das ballorientierte Spielsystem kennenlernt, andererseits fehlt dann im Seniorenbereich Wissen und die Fähigkeit sich rasch in anderen Taktiksystemen zurecht zu finden.


    In vielen Begegnungen mit niederländischen Topteams wurde auch deutlich, dass deren offensives System anfällig in der Rückwärtsbewegung ist. wenn es der Gegner versteht, schnell umzuschalten.
    Bemerkenswert ist, dass niederländische Offensiv-Spieler seit vielen Jahren in Top-Teams ausländischer Ligen begehrt sind, dies jedoch nicht in gleichem Maße für die Defensive gilt.


    Man wird die Jugend-Erfolge infrage stellen müssen, wenn sie mit großen Schwierigkeiten im Seniorenbereich verbunden sind. Erst waren es die niederländischen Vereine, die in den internationalen Wettbewerben an Bedeutung verloren, jetzt ist es auch die Nationalmannschaft. Da gilt es genau hinzuschauen, das Gute zu bewahren, aber die nicht mehr zum modernen Fussball passenden Elemente anzupassen. Ich bin jedoch sicher, dass der niederländische Fussball danach deutlich gestärkt zurück kommt.

  • anfällig in der Rückwärtsbewegung ist. wenn es der Gegner versteht, schnell umzuschalten

    ...und das dürfte immer mehr Teams gelingen, ist doch gerade das schnelle Umschalten in der Fußballwelt eines der Topthemen, oder ?


    Was mich bzgl. der niederländischen Ausbildung interessieren würde, ist der Schulsport.
    Wie sieht der beim Nachbarn denn aus ?
    Da die Niederländer ja scheinbar sehr früh fußballspezifisch ausbilden (siehe fussball training junior 04/15), überlassen Sie die vielseitigen Bewegungskonzepte weitgehend den Schulen.
    Da müßte der Schulsport dort schon wesentlich von unserem abweichen. Ist das so?


    Jedes Ding hat drei Seiten: Eine die du siehst, eine die ich sehe und eine die wir beide nicht sehen.

  • @open minded


    Für den theoretischen Hintergrund im Niederländischen Sportwesen kann ich die das Nachlesen zur Entwicklung der letzten 10 Jahre folgenden Link empfehlen: http://eads.de/cms/upload/down…demieschrift24s.1-192.pdf


    Zwar ist Schule in Deutschland Ländersache, aber auch in den Niederlanden gibt es in Sachen Sport keine enggesetzte Struktur, sondern allenfalls das Bemühen, die Qualität des Unterrichts zu steigern. Noch vor 10 Jahren hieß dort der Schulsport "Leibesertüchtigung". Erst ab 2004 setzte eine Veränderung hin zu grob skizierten Kernzielen des Schulsports ein.



    Der praktische Hintergrund der Entwicklung des Schulsports ist jedoch weitaus defiziler, sodass sich kaum ein einheitliches Bild abzeichnen läßt, da man hierbei immer auch die äußeren Rahmenbedingungen durch die Gesellschaft mit ins Kalkül ziehen muß.


    Der Begriff: "Sport fürs ganze Leben" hat dort eine weitaus größere Bedeutung als hierzulande. So ist das Sportgelände mehr als hier ein Event-Treffpunkt der Generationen. Man lebt hier mehr miteinander, statt das jede Generation für sich lebt. D.h. es wird sich hier auch über alles unterhalten, war nichts mit Sport zu tun hat.


    Ein besonderes Problem ist die urbane Gettoisierung von Menschen aus den ehemaligen niederländsichen Kolonien. Einerseits bilden sich hier Vorurteile dieser Kulturen, die vom rechten politischen Rand genutzt werden, andererseits gelingt es nur wenigen, ihre Situation perspektiv positiv zu verändern. Besondere sportliche Leistungen sind hier ein Mittel für Wohlstand. Denn wenn man fast nichts zu verlieren hat, dann ist das Risiko umso größer.


    Einerseits ist der Niederländer sehr stolz auf sein Land und sogar auf sein Königshaus, andererseits ist er ein Weltbürger, der es gewohnt ist, die Vorzüge aus anderen Kulturen kennen zu lernen, ohne es jedoch kopieren zu wollen. Eine Mischung, wie sie so in keinem anderen Land der Welt vorkommt. Genau deshalb bin ich davon überzeugt, dass man nunmehr nicht nur die gloreichen Zeiten der niederländischen Nationalmannschaft sieht, sondern nunmehr auch die jehrelang autoritär gehüteten Tabu-Themen (z.B. varialblere Taktik statt Einheitsbrei im 4 : 3 : 3) angeht.


    Nun hat man ja auch die Zeit dazu!

  • Ich denke schon, dass man genug Talente in den Niederlanden hat, gerade nach der letzten WM sind viele Abwehrspieler aus der niederländichen Liga zu größeren Vereinen gewechselt(Martins Indi zu Porto, de Vrij zu Lazio bspw.). Auch stand gegen Tschechien ein junger Abwehrspieler von Ajax in der startelf(Name weiß ich leider nicht mehr), der auch ein solides Spiel gemacht hat.
    Außerdem spielen dort mit Wijnaldum und Depay noch zwei Offensivtalente, die gerade erst den Schritt von der Eredivise in die BPL gemacht haben.
    Also an Talenten scheint es den Holländern nicht zu mangeln, dasselbe gilt übrigens auch für die Tschechen, weshalb ich die holländische Gruppe auch schon als schwerer als die deutsche einschätzen würde.


    Die Aufgabe der Holländer wird es nun sein, eine neue Mannschaft um die Jungen aufzubauen.
    Das einzig was ich jetzt nicht weiß, ist wie es in den U-Nationalmannschaften ausschaut, da waren sie ja soweit ich weiß nicht bei allen Endrunden dabei.

  • @d-rose1


    Das wird sicherlich nicht die einzige Baustelle sein! Die Situation des Bondscoach erinnert mich irgendwie an eine Phase bei uns so vor 10 - 15 Jahren. Damals gab es aus der Bundesliga sehr viel Kritik am Bundestrainer. Auch aus dem DFB-Vorstand mangelte es an Unterstützung. Schließlich wollte niemand (O.K. der Loddar hät`s gemacht) mehr den Job als Bundestrainer übernehmen.


    Ein absolutes Tal war erreicht, als der DFB-Trainer auch noch zum "Freiwild" für die Medien wurde!


    Ich kann mich noch gut an die "Brandrede" von Rudi Völler erinnern, als er Waldemar Hartmann gegenüber saß und ihm unmittelbar nach dem Spiel Rede und Antwort für die desaströse Leistung der DFB-Elf geben sollte. Ich glaube, "Tante Käte" begann mit den Worten: "Du hat gut reden! Du trinkst dir deine 3 Weizenbier während des Spiels und läßt es dir wohlergehen. Ich kann den Scheiß nicht mehr hören ..."


    Na ja, beiden hat es wohl genützt. Waldi Hartmann hat einen Werbevertrag von einer Weißbierfirma bekommen und Rudi Völler wurde Manager bei Bayer Leverkusen.


    Erst mit Jürgen Klinsmann, der die Aufgaben auf mehrere Schultern verteilte, kamm wieder etwas mehr Ruhe hinein.


    Bei den Erfahrungen, dass man mit gegenseitiger "Selbstzerfleischung" keinen zuverlässig guten Weg gehen kann, haben unsere Nachbarn offensichtlich noch Nachholbedarf.


    Denn man kann nicht zu einer Mannschaft stehen, aber den Trainer infrage stellen - umgekehrt funktioniert es übrigens auch nicht. Denn Mannschaft und Trainer bilden eine Einheit, die nur gemeinsam erfolgreich sein können, wenn sich der nötigen Unterstützung aller Entscheidungsträger sicher sein darf.

  • Tja,


    ich weiss nicht, ob ich richtig liege!


    Denke ich an die Holländer, so habe ich irgendwo verankert, dass die gern offensive spielen und lieber 5:4 vom Platz gegen als mit einem 1:0.


    Nun schauten viele rüber und schauten sich auch was ab...


    Wer Offensivfußball spielen will, benötigt schnelle Leute....und da nicht nur zwei Stürmer oder drei Stürmer angreifen, sondern auch Aussen-VT...im Prinzip jeder....


    ....so müssen die gleichen Spieler auch schneller wieder hinter den Ball kommen bei Ballverlust.


    Genau das - kann ich mir bei so einem überalterten Team der Niederlande so nicht mehr vorstellen. Ich habe nicht ein Spiel von denen gesehen, noch bin ich da auf dem Laufenden...ich weiss nicht wie die tatsächlich gespielt haben. Die Namen in deren Team...sind die Namen von Gestern und ich denke, genau darin liegt der Hund begraben.


    Zudem....verbergen sich hinter diesen Namen Personen, die einzelne Star`s sind oder waren. Aus 11 Star`s bildet sich noch lange kein Team...was ein weiterer Grund sein könnte. (?)


    Dazu noch der Gedanke, dass die Gegner viele taktische Antworten - auch abseits der hier von mir erwähnten möglichen Antworten - fanden.

  • Hatte van Gaal nicht bei der WM im letzten Jahr den Offensivfußball abgeschrieben, weil er meinte, nicht die Spieler dafür zu haben, und hat stattdessen in einem 6:3 gespielt, also mit sechs Defensivkräften und den drei Stürmern van Persie, Robben und Sneijder, die es vorne zu dritt irgendwie richten sollten, ggf. unterstützt noch vom nachrückenden Dirk Kuijt? So, wie ich es damals vernahm, verlautbarte van Gaal, dass das zwar nicht so schön und eigentlich auch unniederländisch sei, ihm aber nichts anderes übrig bliebe, wenn man nicht sang- und klanglos untergehen wolle.


    Als entsprechend unattraktiv empfand zumindest ich dann auch die Spielweise der Elftal bei der WM in Brasilien.. Was aber seitdem genau passiert ist und wie die Entwicklung bis dahin war, entzieht sich meiner Kenntnis.


    Interessant fand ich übrigens deine Kritik am 4:3:3, @TW-Trainer. Ich gebe dir zwar darin Recht, dass heutzutage im Spitzenfußball ein hohes Maß an taktischer Flexibilität erforderlich ist und dass die Spitzenmannschaften, -spieler und -trainer dazu in der Lage sind und sein müssen, mehrere Systeme zu spielen, vor allem auch in Offensive und Defensive unterschiedlich spielen zu können. Aber ich halte das 4:3:3 für eine Grundordnung, in der sehr viele Varianten gespielt werden können. So hat, wenn ich das Buch "Mythos Niederländischer Nachwuchsfußball" richtig verstehe, van Gaal das 4:2:3:1 zunächst noch als 4:3:3 bezeichnet. Und auch das in den letzten Jahren sehr beliebte 4:1:4:1 kann man als Variante des 4:3:3 sehen. Ich denke daher, dass das System nicht das Problem ist. Vielmehr ist es meiner Meinung nach von Nachteil, wenn man seine Spieler eben zu früh auf nur eine Position in einer bestimmten Interpretation des 4:3:3 festlegt.

    "Be yourself; everybody else is already taken." (Oscar Wilde)

  • @tobn


    Ich weiß nicht, ob mich mein Gedächtnis täuscht, aber war das nicht die Taktik-Variante der Holländer, um das Ballbesitzspiel bereits im Mittelfeld zu unterbinden? Man glaubte auch zunächst an einen genialen Schachzug von van Gaal, bis sich herausstellte, dass das spanische Team über seinen Leistungszenit hinaus keine weitere Bedeutung mehr hatte.


    Auch die Brasilianer kamen mit diesem Mittelf- teilweise sogar Offensivpressing gar nicht klar.


    Allerdings hat er mit dieser Variante, das Mittelfeld zu stärken, um den Gegner hier am Spielaufbau zu hindern, Nachahmer gefunden.


    Eine WM zeigt immer auch den Puls der Zeit an und man justiert die Rädchen in einer Mannschaft neu. Im kleineren Rahmen ist das sicher auch bei der EM der Fall, weshalb ich mich schon jetzt darauf freue.


    Natürlich hat ein taktisches Grundkonzept in der Ausbildungszeit wichtig! Ich habe es deshalb auch heraus gestellt, weil es noch vor 10 Jahren hierzulande ein Sammelsurium von Taktik-Varianten im Nachwuchsbereich gab. Dies hatte zum Nachteil, dass die Spieler manchmal gar nicht mehr unterscheiden konnten, wie die Lauf- und Paßwege in welcher Variante waren. Aufgrund fehlender Vorgabee lernte der Nachwuchsbereich jeweils Puzzleteile und konnte sich kein taktisches Fundament aneignen.


    Andererseits ist es nir ipät, wenn erst in der U 19 Varianten intensiv zu trainieren und im Wettkampf auszuprobieren.


    Wichtige Litertur über die unterschiedlichen Taktiksysteme sind in den letzten 10 Jahren dazu entstanden. Denn die Weisheit, dass Fussball vom Kopf in den Fuss gespielt wird und man ein umfangreiches Verständnis dazu braucht, die ist so alt noch nicht!


    Gerade im mittleren und oberen Amateurbereich passieren derzeit taktisch sehr spannende Entwicklungswege. Allerdings gewinnt man hier auch die Erkenntnis, dass es nach dem Umstellen auf ein ballorientiertes System keinen Weg mehr zurück gibt. Dass das Runde ins Eckige muß, dass hat man immer schon gewußt, nur beim Wie gibt es jetzt weitere Hinweise!

  • Ich finde das besondere an Hollands Ausscheiden ist ja, dass dieses Ausscheiden nichts mit Pech zu tun hat. Auch nicht mit einem unglücklichen Modus oder einer schweren Auslosung.
    Holland war einfach klar schlechter, als Island, Tschechien und Türkei, gegen diese drei Gegner haben Sie genau einen Punkt geholt- und den sogar extrem glücklich in letzter Minute.


    Wenn man so klar und verdient Vierter in einer Gruppe wird, puh, da sollte man das schon mal ergebnisoffen alles analysieren.

    "Wenn zwei Menschen immer der gleichen Meinung sind, dann ist einer von ihnen überflüssig." Winston Churchill

  • Wenn man so klar und verdient Vierter in einer Gruppe wird, puh, da sollte man das schon mal ergebnisoffen alles analysieren.

    Das gebe ich dir 100 % - ig recht! Jede "Fussball-Nation" sollte von Zeit zu Zeit ihre Rahmenbedingungen überprüfen. Sonst landet man ganz schnell auf dem Boden der Tatsachen. Hab zwar vom letzten Spiel nur die Konferenzschaltung gesehen, aber schon das hat mir gereicht!


    Unsere Jungs haben wenigstens ein paar gute Spiele abgeliefert, weswegen sie zur Recht teilnehmen dürfen.

  • Ich weiß nicht, ob mich mein Gedächtnis täuscht, aber war das nicht die Taktik-Variante der Holländer, um das Ballbesitzspiel bereits im Mittelfeld zu unterbinden? Man glaubte auch zunächst an einen genialen Schachzug von van Gaal, bis sich herausstellte, dass das spanische Team über seinen Leistungszenit hinaus keine weitere Bedeutung mehr hatte.

    Du sprichst das erste Spiel beider Teams an, in dem die Spanier grandios gegen die Niederlande verloren. Ich müsste es nochmal ansehen, um eine eigene Analyse erstellen zu können. Wenn ich mich recht erinnere, dann klappte aber an dem Tag bei den Spaniern so gar nichts und sie machten zum Teil haarsträubende Fehler, die ihnen in dieser Form und Häufung nie zuvor und später auch nie wieder unterliefen. Iker Casillas avancierte ja zur tragischen Figur, aber auch seine Vorderleute standen an diesem Tag scheinbar neben sich. Und dann gelangen auch gerade den niederländischen Offensivleuten an dem Tag Dinger, die sonst meistens daneben gehen. Van Persies Kopfballtor z.B., das ja unheimlich spektakulär und ungeheuer schwierig war. Die niederländische Kontertaktik, die darauf basierte, dass der Ball zwischen dem eigenen Strafraum und der Mittellinie erobert und dann direkt vertikal zu den drei Spitzen gespielt wird, ging gegen völlig indisponierte Spanier voll auf. Im weiteren Turnierverlauf trafen sie dann doch aber auf Mannschaften, die hinten nicht so offen standen und da so fehleranfällig waren, und das wurden dann unheimlich zähe und unattraktive Partien. Soweit ich mich erinnere zumindest. Ich weiß aber nicht mehr, wie viele Spiele der Niederländer ich komplett gesehen habe.


    Auch die Brasilianer kamen mit diesem Mittelf- teilweise sogar Offensivpressing gar nicht klar.

    Die brasilianische Mannschaft hatte ja aber das ganze Turnier hindurch deutliche Schwierigkeiten..


    Allerdings hat er mit dieser Variante, das Mittelfeld zu stärken, um den Gegner hier am Spielaufbau zu hindern, Nachahmer gefunden.

    Nun, bei der WM 2014 gab es doch ohnehin einen deutlichen Trend zu defensiv sehr stabilen Formationen. Die situative Fünferkette und 4-5-1- und 5-4-1-Formationen bei gegnerischem Ballbesitz sah man ja gar nicht so selten, verstärkt, naheliegenderweise, bei den eher weniger favorisierten Teams. Dabei war es dann ja ziemlich erstaunlich, dass die arrivierte Fußballnation Niederlande auch mit situativer Fünferkette verteidigte.


    Eine WM zeigt immer auch den Puls der Zeit an und man justiert die Rädchen in einer Mannschaft neu. Im kleineren Rahmen ist das sicher auch bei der EM der Fall, weshalb ich mich schon jetzt darauf freue.

    Ja, so sieht es zumindest ja auch der DFB. Wobei ich finde, dass die Spitzenvereine eigentlich näher am taktischen Puls der Zeit sind und heutzutage eher die Trends setzen, weil dort eben kontinuierlicher gearbeitet werden kann, wohingegen die Nationalmannschaften ja doch im Vergleich viel seltener zusammen treffen und auch in ihrer personellen Zusammensetzung stärkeren Schwankungen ausgesetzt sind.


    Zur taktischen Analyse sind die TV-Übertragungen aber leider ja nur bedingt geeignet, da sie ja häufig nur die unmittelbare Umgebung des Balles zeigen. Und, wie es ein Kollege hier neulich schon schrieb, für die taktische Analyse ist ganz wichtig zu sehen, wie sich die anderen Spieler bewegen, nicht nur diejenigen, die sich innerhalb eines Zehnmeterradius um den Ball befinden.


    Natürlich hat ein taktisches Grundkonzept in der Ausbildungszeit wichtig! Ich habe es deshalb auch heraus gestellt, weil es noch vor 10 Jahren hierzulande ein Sammelsurium von Taktik-Varianten im Nachwuchsbereich gab. Dies hatte zum Nachteil, dass die Spieler manchmal gar nicht mehr unterscheiden konnten, wie die Lauf- und Paßwege in welcher Variante waren.

    Ich muss zugeben, dass ich keine Ahnung davon habe, wie ab der B-Jugend aufwärts mannschaftstaktische Inhalte typischerweise oder auch nach Lehrbuch vermittelt werden. Ich weiß zwar, wie es auf dem Platz aussehen soll, wie nach gängiger Meinung aber die Didaktik aussieht und was man da in welcher Reihenfolge macht, das weiß ich nicht. Vielleicht überschätze ich diesen Bereich aber auch.. Ich habe halt selbst noch keine praktischen Erfahrungen mit ihm.


    Aufgrund fehlender Vorgabee lernte der Nachwuchsbereich jeweils Puzzleteile und konnte sich kein taktisches Fundament aneignen.

    Hier hätte ich halt gedacht, dass man den Junioren, die ja hoffentlich schon individualtaktisch qualifiziert sind, erst einmal grundsätzliche gruppentaktische Lösungen vermittelt, welche dann, indem man den Fokus immer weiter auf die ballfernen Bereiche erweitert, in die Mannschaftstaktik münden. So würde ich das zumindest angehen.


    Wichtige Litertur über die unterschiedlichen Taktiksysteme sind in den letzten 10 Jahren dazu entstanden. Denn die Weisheit, dass Fussball vom Kopf in den Fuss gespielt wird und man ein umfangreiches Verständnis dazu braucht, die ist so alt noch nicht!

    Ich habe den Eindruck, dass die taktischen Systeme in den letzten zehn Jahren immer flexibler und fluider interpretiert werden. Und dass man bestehende Systeme nimmt und mit punktuellen Anpassungen entweder auf deren Schwächen oder auf spezielle Stärken des Gegners reagiert. Siehe z.B. den Sechser beim 4-1-4-1, welches man defensiv ja als Abwandlung des 4-4-2 mit flacher Vier ansehen kann, bei dem man einen zusätzlichen Spieler im Zentrum hat, um im besonders torgefährlichen Bereich Überzahl herzustellen. Der Sechser wandert dort ja zwischen den Linien und agiert fast dem früheren Libero etwas ähnlich. So kann man der sonst beim Gegner im zentralen Mittelfeld vorhandenen Überzahl z.B. beim 3-5-2 oder dem 4-3-3 mit offensiven AV -- das sieht dann ja aus wie ein 2-5-3 oder 2-1-4-3 -- begegnen. Und in dem Buch über den niederländischen Nachwuchsfußball klingt es, wie ich sagte, schon so, als hätte van Gaal damals das 4-2-3-1 erfunden, indem er das 4-3-3 nahm und die vertikale Ausrichtung der Mittelfeldspieler veränderte, also aus einem Sechser und zwei Achtern Doppelsechs und Zehner machte. Ich müsste es mal nachlesen, aber ich glaube, Hyballa und te Poel zitieren ihn auch hinsichtlich seiner Überlegungen dazu.


    Außerdem passen Trainer in den letzten Jahren, so sie denn müssen, häufiger ihre Taktik an das vorhandene Personal an. Also z.B. die Nationaltrainer oder auch Trainer, die eine bestehende Mannschaft neu übernehmen.

    "Be yourself; everybody else is already taken." (Oscar Wilde)