Ja, fak hat da schon eine gute Analyse erstellt. Für nicht wenige Trainerneulinge ist es einfach nur selbstverständlich, dass jedes Fußballtraining darauf abzielt, den Spielbetrieb ergebnistechnisch möglichst erfolgreich zu bestreiten, da wird dann teilweise bereits bei den Bambini, vielfach ab der F-Jugend, irgendwann muss ja schließlich der Ernst des Lebens beginnen und in die Schule gehen die Kinder ja inzwischen auch, einfach den Bayern und dem BVB nachgeeifert. Daneben gibt es aber auch viele Trainerneulinge, die das Gefühl haben, beweisen oder belegen zu müssen, dass sie ihre Sache gut machen. Und am naheliegendsten ist es da natürlich, wenn Spiele und Turniere gewonnen werden oder wenn das Spiel der Kinder schon möglichst bald ästhetisch befriedigend wirkt. Außerdem neigen Neulinge dazu, egal ob es jetzt Trainer oder Eltern sind, ihre Mannschaft und ihre Kinder mit anderen zu vergleichen: "Die junge F-Jugend des des FC Entenhausen spielt ja schon unheimlich abgeklärt, da läuft die Kugel ja wie an der Schnur gezogen und sie schießen ein ums andere Tor, während unsere Kinder noch herumlaufen wie ein Bienenschwarm und selbst die guten Spieler sich nur in Einzelaktionen verlieren." Vielleicht kommt das dem Einen oder Anderen hier auch bekannt vor. Wenn man es dann nicht besser weiß, so lässt man sich als Trainer davon natürlich beeindrucken, lässt daraufhin vor allem die stärkeren Spieler fast nur noch dort spielen, wo sie derzeit am besten zur Geltung kommen, und weist ihnen umfangreichere Spielzeiten zu als ihren Mannschaftskameraden. Wahrscheinlich forciert man sogar das Passen gegenüber dem Dribbling und dem offensiven 1:1, weil das ja das reifere Spiel ist. Um den hässlichen Schwarm einzudämmen und damit das Passspiel funktioniert, müssen auch unbedingt Positionen den Kindern zugewiesen und von ihnen eingehalten werden.
Zunächst sieht das dann auch viel besser aus. Aber dieses Vorgehen rächt sich nach bereits wenigen Jahren, denn:
- die mittelmäßigen und schwächeren Spieler haben den Anschluss verloren, sie haben an Selbstbewusstsein eingebüßt und hatten auch nur weniger Gelegenheit, ihre Fähigkeiten zu verbessern. Ihnen ist klar, dass sie 'nicht viel können.' Das Mannschaftsklima hat gelitten, sobald die Erfolge ausbleiben fängt es im Gebälk mächtig an zu knirschen. Viele der damals schwächeren Kinder und wahrscheinlich auch einige derjenigen aus dem Mittelfeld haben enttäuscht den Verein wieder verlassen.
- In Sachen Ballbeherrschung sind mittlerweile einige Mannschaften an der eigenen vorbei gezogen, vielleicht nicht bei den vier oder fünf Spitzenspielern, aber bei dem Rest. Haben die eigenen Spieler nun nicht mehr so viel Platz und Zeit für die Ballannahme, weil die Gegner es mittlerweile verstehen, geschickter und resoluter zu verteidigen, so bricht die Herrlichkeit des vermeintlichen Passspiels in sich zusammen. Und da man nur selten das 1:1 praktiziert hat, werden die eigenen Spieler von den anderen auf dem sprichwörtlichen Bierdeckel ausgespielt.
- Die Fixierung auf Positionen führt außerdem dazu, dass die eigenen Spieler praktisch überall auf dem Platz in Unterzahl sind, weil ihnen eingetrichtert wurde, ihre Position zu halten. Dadurch helfen sie einander auch nicht, schließlich sind sie ja nur für ihre Position zuständig.
Sicher trifft das nicht auf alle Mannschaften da draußen zu, in vielen Gesprächen mit Kollegen und Eltern bin ich jedoch zu der Überzeugung gekommen, dass man unheimlich schnell in dieses Muster hinein rutschen kann. Ich vergleiche es ganz gerne mit der Dunklen Seite der Macht aus dem Krieg der Sterne, dessen ursprüngliche Trilogie meine Kindheit erheblich prägte. Dieser Weg wird von vielen als angenehmer empfunden, man stößt zunächst auf weniger Widerstand und erntet Erfolge und anerkennende Schulterklopfer. Das dicke Ende kommt aber später, wenn die Erfolge ausbleiben und die erfolgsverwöhnten stärkeren Spieler zu grüneren Weiden weiter ziehen. Vielleicht reicht es dann noch für eine schwache Kleinfeldmannschaft, aber wenn es dann in die D-Jugend geht, können einem bereits die die Spieler für eine eigene Mannschaft fehlen. Zwei Jahre später braucht man dann wieder mehr Spieler und die Zeit, in der das Drop-Out-Risiko von vielen für am höchsten gehalten wird, beginnt. Spätestens da dürfte dann Schluss sein. Man hat dann dem kurzfristigen Erfolg die Nachhaltigkeit und die langfristige Existenz der Mannschaft geopfert.
Ich weiß, ich male den Teufel an die Wand, und Ihr habt Recht, so schlimm muss es nicht unbedingt kommen. Aber ich nenne bewusst den möglichen schlechten Ausgang der Geschichte, um alle Trainer dazu zu animieren, ihr Tun regelmäßig selbstkritisch zu reflektieren und stets das Wohl von Kindern und Mannschaft in den Vordergrund zu stellen. Dabei gilt es, die Interessen jedes einzelnen Kindes mit dem der Mannschaft möglichst gut in Einklang zu bringen. Ich warne auch in diesem Zusammenhang davor, der Versuchung zu erliegen, sich in die eigene Tasche zu lügen.
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass ich selbst diesen Prozess zu einem Teil durchlebt habe. Zum Glück hatte ich ganz gute Voraussetzungen und habe rechtzeitig, nicht zuletzt auch in diesem Forum, gemerkt, dass ich dabei war, auf den Holzweg zu geraten. Dadurch konnte ich noch das Ruder herumreißen und habe nur geringe Verluste hinnehmen müssen -- Verluste zumal, die mich, so denke ich heute, vermutlich ohnehin ereilt hätten.
