Hallo zusammen,
um es vorweg zu sagen: Ich finde die Ideen und Konzepte dazu richtig klasse. Ich selbst habe 2009 die C-Lizenz erworben. Während des Lehrgangs wurden die Ziele speziell für die unteren Jugenden (G,F+E) theoretisch nur sehr kurz (nach dem Motto "nicht so wichtig") und praktisch überhaupt nicht vorgestellt. Auch in der Prüfung waren Lehrproben aus dem Bereich G bis E verboten. In 2010 habe ich dann in Hennef einen 2-tägigen Lehrgang (Training mit F+E) absolviert, den ich sehr lehrreich fand und bei dem (endlich) auch die Philosophie des DFB ganz deutlich erkennen konnte. Seitdem versuche ich, unser Training und auch unsere Spiele in diesem Sinne auszurichten. Leider gelingt mir das nicht immer, so kämpfe ich z.B. häufig noch gegen das immer wieder aufkeimende Gewinndenken meinerseits an. Eine große Hilfe und Bestätigung ist mir in dieser Zeit das Trainertalk-Forum geworden, auch wenn ich oft nur passiver Mitleser bin.
Ich habe aber (leider) dennoch starke Zweifel, dass sich die FPL und die KiFu-Richtlinien des DFB bundesweit durchsetzen können und werden. Warum?
1. In meiner knapp 3-jährigen Trainertätigkeit (G+F) auf dem Lande habe ich geschätzte 40-50 Mannschaften und deren Trainer-/Betreuerteam bei Spielen/Turnieren kennengelernt. Mit eigentlich allen habe ich mich gut arrangiert und - in Härtefällen - gute Miene zum bösen Spiel gemacht. Ich habe allerdings nur ein einziges Mal erlebt, dass der gegnerische Trainer nicht stur gewinnorientiert gespielt hätte. Mitgenommen werden nur die Stärkeren, zur Not spielt man auch ohne Auswechselspieler. Da, wo Nr.8 + Nr. 9 vielleicht nicht ganz so stark oder erfahren sind, werden diese erst eingewechselt, wenn man deutlich in Führung liegt. Wie, erst 9:0 - da geht noch was! Es wird geschrien, zusammen gestaucht, Ersatzspieler dürfen 39 min. Blümchen pflücken etc. Es gibt sogar Manschaften, die extra die meisten Qualifizierungsspiele verlieren, um in eine schwache Rückrundenstaffel gesetzt zu werden und dann alles wegzuhauen (könnte ich namentlich benennen, tue ich aber nicht).
2. Viele Trainer/Betreuer haben keinen Trainerschein (was sollte der aber bringen, wenn die Ki-Fu-Ziele - wie bei mir - dabei fast außen vor bleiben?). Es sind viele "alte" Fussballer, angesehen und bekannt bei Eltern, Verein und Dorfgemeinschaft. Wenn sie gewinnen, sich für die E-Leistungsstaffel qualifizieren, den Bambini-irgendetwas-Cup gewinnen, klopfen ihnen alle auf die Schulter. Und diese Leute kommen doch haufenweise nach. Oh, neue Mannschaft, wer macht es? Ja gut, der hat ja selbst lange genug gespielt (und dabei natürlich nicht die heutigen KiFu-Ziele kennengelernt), reicht, um qualifiziert zu sein. Das sind auch Leute, mit denen man m.E. überhaupt nicht diskutieren kann, die sind garnicht bereit, sich entsprechend der DFB-Philosophie zu ändern geschweige denn sich überhaupt damit zu beschäftigen. Totschlagargument: "Du hast nicht (bei uns) im Verein gespielt und Deine Teams verlieren stets - ich habe 15 Jahre gespielt und meins gewinnt." Das käme ja einer Gehirnwäsche gleich, jemanden vom jahrelang erlernten und anerzogenen abzubringen.
3. Und das erlebe ich im eigenen Verein: Der E-Jugend-Trainer will den einzigen starken F-Junior mit raufziehen und bespricht das mit den Eltern und dem Kind aber nicht mit uns (der Junge ist dann aber doch bei uns geblieben). Eine ("schwache") E-Juniorin hingegen schiebt er zu uns ab. Das alles mit Wissen und Unterstützung seines besten Freundes, des Jugendleiters. Bitte jetzt nicht sagen "dann musste den Verein wechseln" - habe ich abgewogen und mich dagegen entschieden. In jeder Jugend bei uns (wir haben alles außer A + B) gibt es feste Positionen, keine Rotation. Die Ergebnisse unserer Jugendmannschaften werden jedes Jahr besser. Die Trainer untereinander verstehen sich umso besser, desto mehr man gemeinsam feuchtfröhlich feiern kann. Mit wem sollte man hier diskutieren, die Ziele des KiFu vorstellen? M.E. halten sich fast alle unsere Trainer weder beim Training noch beim Spiel daran. Alle rausschmeißen? Dann haben die Kinder gar kein Fussballtraining mehr. In unserem älteren F-Jahrgang haben wir mehrere sehr schwache und/oder unerfahrene Kinder. Ab Sommer wird diese Truppe von 3 Eltern für die E übernommen, die jetzt schon klarmachen, dass einige "ja sowieso bald aufhören". Ich trainiere diese Fälle ja gerade und ich weiß, dass diese Kinder gerne, wenn auch noch nicht so gut, Fussball spielen. Bei mir würden sie das auch weiterhin. Ich weiß aber auch, dass die neuen Elterntrainer froh sind, wenn sie weg sind, weil sie sich nicht um sie kümmern wollen ("sind ja hoffnungslose Fälle").
4. Zur Fair-Play-Liga: Super-Idee, wir nehmen schon dran teil. Praxis: Die Zwischenrufe der Eltern sind viel weniger geworden (+), die Kinder haben keine Probleme ohne Schiri (+), aber... die Trainer haben sich m.E. nicht geändert (-). Feste Positionen werden vorab besprochen und während des Spiels eingefordert. Nach wie vor geben die Fair-Play-Trainer mehr als "die nötigsten Kommandos", rufen lautstark dazwischen, beeinflußen die Kids z.B. durch ein lautstarkes "Ecke", "Schieß doch" oder stellen auch mal jemanden hinters Tor, um den "neuen" Torwart zu coachen. Auch hier versuche ich gegenzulenken, bringt aber nach meiner Erfahrung beim "gewinnorientierten" Trainer wenig bis nichts, keine Einsicht. Mir graut auch ein bisschen davor, dass vermutlich ab Sommer alle Teams nach den Fair-Play-Liga-Regeln spielen müssen, denn dann sind auch die FPL-Gegner allesamt dabei (dann dürfte es noch mehr Stunk geben). Dennoch befürworte ich die FPL, denn das Pluszeichen bei Eltern und Kindern ist es wert.
Nochmal zu meiner Eingangsthese: Wer sollte das neue Ki-Fu-Denken des DFB in die Landschaft transportieren? "Alte" Fussballer umpolen? Eltern überzeugen? Verein/smitglieder? Zuschauer? Dorfgemeinschaft? Wer lässt sich gerne vom Gegenteil überzeugen, wenn er es jahre- oder gar jahrzehntelang anders kennengelernt hat? Und das auch noch erfolgreich... (WM-Titel, Meisterschaft, Aufstieg etc.) Von wie vielen Köpfen reden wir, wie viele kann man überzeugen?
Ich persönlich habe damit im letzten Jahr bei meiner F-Jugend angefangen. Die Eltern ziehen größtenteils mit. Aber an die anderen Trainer unseres Vereins komme ich nicht ran (bin halt auch kein Dorf-Urgestein, sondern nur zugezogen). Bei den 20 Dörfern um uns herum kann ich da leider auch keine Ansätze erkennen. Also nur ein Tropfen auf den heißen Stein?
Gute Nacht! (wegen der Uhrzeit, nicht wegen Fussball-Deutschland )