Ich möchte hier mal nachfolgenden Buchausschnitt zur kritischen Diskussion stellen:
Jeder ist seines Glückes Schmied – dies die Freiheit des Menschen als Individuum betonende Sprichwort hat einen neurobiologischen Hintergrund. So steuern schon Kinder ihre Entwicklung als Prozess des Selbstwerdens unwillkürlich selbst. Indem Gleiches als Geschick erfahren und erlebt wird, wachsen so unterschiedliche Persönlichkeiten heran, obwohl uns kein Geschehen unbeeindruckt lässt, zumal in besonders sensiblen Prägungsphasen von Kindern. Ihr Leistungsvermögen hat ca. 10 Prozent Talent als Ursache, 90 Prozent aber Training. Entscheidend ist also, wie sehr die dynamische Eigenmotivation, sein Freiheitsdrang als bloße Anlage zum Handeln im Selbstwerden stimuliert oder blockiert wird.
Verantwortungsbewusst Erziehende als Betreuer jener potentiellen Persönlichkeiten versuchen per möglichst genauer Beobachtung und Intuition die innere Selbststeuerung kindlich werdenden In-der-Welt-seins zu erahnen bzw. zu entschlüsseln, sodann die seinsmäßig relevante Lebenswelt – Mit- wie Umwelt – entsprechend zu optimieren. Denn unsere kreative Freiheit ist nie eine unbedingte, immer auch von optimalen Bedingungen abhängig, sie kann wie zumeist in den Erwachsenen verkümmern oder sich kultivierend aufbauen. Ein Günstling wird sich stets besser entwickeln können als jemand, der vernachlässigt wird, sei ihre Veranlagung auch als gleich gut zu beurteilen.
Pädagogisch ist die dynamische Eigentätigkeit und ihr selbstzweckhaftes Wesen, für welches das Spiel die ideale Lernstimulation bietet, die Ausgangspunkt, also kein Vormachen, Eintrichtern oder Einschleifen von Automatismen, die gleichwohl im Alltag per Routinisierung entlasten können, vor allem aber die unwillkürlich vagen Impulse zur freien Kreativität früh ersticken. Daher ist das Fordern von Leistung, Lernen oder Disziplin wie ein übergroßes Vorbild als Talentförderung immer auch kontraproduktiv! Die dem Kind eigensten Gaben werden quasi umgepolt auf die Person von Trainern und so in ihrer Zerbrechlichkeit bzw. relationalen Inexistenz als Kraft (dynamis) übermäßig belastet, d.h. apriori abgeblockt, indem sie für das Kind gar nicht mehr ins Blickfeld kommen können.
Es entstehen so technologisch reproduktive ‚Klone‘ der vorbildhaften Seinscharaktere statt eigene Persönlichkeiten. Indem Kinder vorab per fremdbestimmender Selektivität aufs sichtbare Talent als ausbaubares Potential reduziert werden, kann sich nichts genuin Eigenartiges, kein dem allgemeinen Blick verborgen bleiben müssendes Genie mehr entfalten und aufbauen. Psychologisch erfolgt dabei eine Art Vergewaltigung, also ein gegen das werdende Eigenleben gerichteter Gewaltakt, sei alles auch noch so gut gemeint. Daher scheitert die sog. Talentförderung schon im Moment der Sichtung ihrer Objekte, die den im Werden noch seinsschwachen Subjektcharakter der Kinder vergisst, aus pragmatisch auf sich als übermächtig handelnden Subjekt fixierten Gründen im Ausblenden des Genies unterschlägt, fortan per fremdbestimmter, allzu früher Fixierung aufs sichtbar Erfolgreiche die intrinsisch veranlagt motivationalen Energien -tragisch gutmeinend - untergräbt.
Man wird mehr eigenen Bedürfnissen, allem voran dem unkritisch artikulierten und der kindlichen Entwicklung aufoktroyierten Ehrgeiz, gerecht als denen der kindlichen Talente, so ihre Präsenz, die Aufmerksamkeit aufs Äußere der steril neutralisierten Bewertung und nackten Ergebnisse prägend. Gerade das Spielerische als mit dem Innenleben kompatibel katalytischerMovens geht verloren, so das wesentliche Spiel. Dieser pädagogische Grundirrtum führt zur hohen Ausfallquote bzw. ökonomisch ineffizienten Fluktuation im Talentfördern. Das Kind wird wie ein Rohstoff oder Speichermedium behandelt und so energetisch in Dissonanzen tendenziell ‚umgebracht‘, wobei natürlich verständige Ausnahmen in der Praxis das systemische Regeldiktat durchbrechen können und werden.