Aktuell trainiere ich die F1 (2003er) eines Stadtteilvereins. Insgesamt ist das ein prima Haufen, der sich auch gut weiter entwickelt. Die Jungs sind nett, wir haben viel Spaß zusammen. Dennoch werden ich nach dieser Saison als Trainer aufhören, und zwar aus folgenden Gründen:
1) Ein Teil der Eltern ist sehr rührig und engagiert. Auch hat sich noch niemand der Eltern bei mir oder über mich beschwert. Ganz im Gegenteil, die Rückmeldung sind ausgesprochen positiv. Was mich aber mürbe macht ist, dass sich einige Eltern schlichtweg nicht um die Fussballaktivitäten ihrer Kinder kümmern. Sie kommen nie mit ins Training, fahren nie mit zum Spiel, helfen nie beim Kuchenstand. Permanent muss ich ihnen hinter her laufen und sie anrufen, um Termine abzuklären. Mich nervt das.
2) Die Ansprüche der Spieler (und ihrer Eltern) klaffen weit auseinander. Zwei der Spieler haben in der kompletten Saison jeweils erst einen einzigen (!) Trainingstermin versäumt. Andere kommen ohnehin nur 1-mal pro Woche (wegen Schwimmkurs o.ä.) und fehlen auch mal kurzfristig bei einem Spiel, weil sie spontan doch zum Opa gefahren sind. Das ist auch vollkommen ok, aber ich merke, dass mein Spaß als Trainer nicht allein durch die Gemeinschaft mit den
Kindern kommt, sondern dass ich durchaus auch sportlichen Fortschritte erzeugen will. Und das geht nicht bei Spielern, die weniger als 50% aller Trainings- und Spieltermine mitmachen.
3) Das Leistungsgefälle innerhalb der Mannschaft ist extrem groß. Wir haben einen sehr starken Spieler (dazu unten mehr), mehrere gute bis durchschnittliche, aber auch einige sehr schwache. Im Training und in den Punktspielen muss ich immer sehr aufpassen, wo und wie ich meine schwächsten Spieler unterbringe. Mir war das klar, daher habe ich offensiv vor der Saison bei allen Eltern angekündigt, dass wir rotieren werden, auch wenn wir dadurch mehr Spiele verlieren als in Bestbesetzung. Die Eltern ziehen dabei voll mit, das ist also prima! Erfreulicherweise hat das im Laufe der Saison auch soweit geklappt, dass ich einige Spieler, die ich anfangs noch deutlich zu den schwachen gezählt habe, mittlerweile bedenkenlos einsetzen kann. Dennoch habe ich weiterhin drei Spieler, die sehr stark abfallen. Einer der drei ist noch neu, aber der wird sich entwickeln. Bei meinen 2 schwächsten allerdings beisse ich mir als Trainer die Zähne aus. Die Gründe will ich jetzt gar nicht en detail diskutieren, aber beide scheinen nicht wirklich Spaß am Fussball zu haben. Und ganz ehrlich: Ich habe auch keinen mit den beiden.
4) Der oben erwähnte extrem gute Spieler ist mein Sohn (jaja, klassischer Trainersohn, ich weiss - aber ganz ehrlich, er war schon der herausragende Spieler seines Teams bevor ich Trainer wurde). Er ist ehrgeizig und leidet jetzt schon sehr unter der sportlich unbefriedigenden Situation. Glücklicherweise (Glück ist relativ...) motzt er nur mich an, wenn ich wieder mal aus seiner Sicht einen Sieg "weg-gecoacht" habe, weil ich unsere schwachen Spieler eingesetzt habe. Aber ich merke auch, dass die Situation auch für ihn alles andere als optimal ist.
5) Auch sportlich ist mein Sohn für das Team nicht nur positiv. Zum einen "verstecken" sich alle sehr hinter ihm (merkt man immer, wenn er ausgewechselt wird oder fehlt), zum anderen sind wir druch seine Leistung relativ erfolgreich und spielen daher in der Feldrunde gegen eigentlich deutlich stärkere Mannschaften. Bei diesen Spielen sind dann die schwächeren Spieler meines Teams hoffungslos überfordert.
6) Ich bin selbst kein Fussballer. Ich habe nie im Verein gespielt und merke zunehmend, wie mir da die Praxis fehlt. Zwar glaube ich, mich theoretisch schon einigermaßen fortgebildet zu haben (DFB-Lehrgänge, Bücher, trainertalk...), aber ich merke, dass meine Jungs auch mal einen "echten" Fussballer als Orientierungshilfe bräuchten.
Seit einiger Zeit mache ich mir nun Gedanken über die kommende Saison. Wir haben in unserem Dorfverein keine 2002er Mannschaft. Die sechs 2002er in unserem Verein spielen aktuell mit den 2001er als E-Jugend. Diese Mannschaft ist sehr ambitioniert und wird aller Voraussicht nach Kreismeister werden. Der Leistungsgedanke in dieser Mannschaft führt leider dazu, dass die 2002er vom Trainer der E-Jugend wenig Einsatzzeiten bekommen. Auch dadurch ist es für 2002er aus anderen Vereinen sicher wenig attraktiv zu uns zu stoßen, d.h. die 2002er werden kaum jemals eine eigene Jahrgangsmannschaft bilden können, sondern bleiben das fünfte Rad am Wagen. Kommende Saison werden die mit den meinen 2003ern zusammen die neue E-Jugend bilden. Das Problem ist dann, dass wir dann ca. 18-20 Spieler haben, die leistungsmäßig extrem weit auseinander liegen. Einzige Möglichkeit wäre es, weiter Spieler anzuwerben, um 2 Teams E1+E2 zusammen zu bekommen. Aber dafür gibt es bei uns weder einen Trainer noch ausreichend Trainingszeiten (wir haben nur einen Platz). Dennoch wollte ich das versuchen und habe unseren Jugendleiter darauf angesprochen. Erste Antwort "Interessiert mich nicht, ich bin dann D-Jugend" (er ist zugleich der Trainer der 2001er). Das war vermutlich als Scherz gemeint, lustig fand ich es aber nicht. Zweite Antwort war dann "Wir warten bis Ende Juni, dann sehen wir, ob wir eine oder zwei E-Mannschaften melden". Also keinerlei Bereitschaft, sich in dieser Sache ins Zeug zu legen. Von alleine wird sich das aber nicht regeln. Ich tue mich schwer, unter diesen Voraussetzungen Spieler anzusprechen.
Also wird es vermutlich keine zwei Teams geben, sondern nur eine E mit einem sehr heterogenen Mix aus 2002ern und 2003ern. Das sind 18 oder vielleicht 20 Spieler, die alle eingesetzt werden wollen. Ich sehe nicht, wie ich das als Trainer auffangen kann. Wir hatten dieselbe Situation in der Saison 2010/11, wo wir mit 20 Spielern als F-Jugend gespielt haben. Damals habe ich mit vorgenommen, das nicht nochmal zu machen. Dazu kommt jetzt noch meine Perspektive als Spielervater, der seinem Sohn eine zwischenmenschlich, aber auch sportlich optimale Förderung wünscht. Davon sind wir leider weit entfernt. Daher werde ich als Trainer eine Pause einlegen (und hoffentlich meinen Frust abbauen). Mein Sohn wird den Verein wechseln. Auch das entspricht jetzt wieder dem Klischee ("Protegierter Trainersohn wechselt zu leistungsstärkerem Verein"), aber ich hoffe die Gründe deutlich gemacht zu haben. Dem Forum bleibe ich erhalten, allerdings dann eher in der Rolle als Spielervater.
Viele Grüße
Oliver