Gruppen- und mannschaftstaktische Erwägungen haben in der E-Jugend noch nichts zu suchen. So ist es zumindest der allgemeine Tenor, dem ich mich grundsätzlich anschließe. Allerdings habe ich mich gefragt, wo diese Themen eigentlich anfangen. Hierzu eine kleine Rückschau zur unserer fast abgelaufenen E-Jugend-Saison.
Wir haben von Beginn der Saison an versucht den Ball nach eigenem Abstoß über die Außenverteidiger nach vorne zu tragen, möglichst ohne lang und weit nach vorne zu bolzen. Im Gegensatz dazu verfolgen fast alle gegnerischen Mannschaften in unserer Gruppe die folgende Spielweise: der Torwart spielt einen Außenverteidiger an, der den Ball weit nach vorne hinter unsere Abwehr schlägt, wo ein oder zwei schnelle Stürmer versuchen das Tor zu machen. Dabei steht die vordere Reihe beim Gegner meist sehr hoch, um die langen Bälle zu bekommen, die hintere Reihe bleibt hinten und sichert ab. Diese Spielweise (oder Taktik?) scheint mir ganz typisch zu sein in der E-Jugend. Eine Art kontrollierten Spielaufbau versuchten neben uns eigentlich nur 1 oder 2 andere Teams.
Wir haben auf diese Spielweise im Grunde zunächst nicht reagiert, sondern unsere Kinder weitestgehend "laufen lassen", d.h. unsere vordere Dreierkette macht gleich beim Abstoß des Gegners Druck und greift oft weit in der gegnerischen Hälfte an. Da es aber kein Abseits gibt, kann die hintere Kette nicht nachrücken und es entsteht sehr viel "freier Raum". Zudem spielt der Gegner sobald er angegriffen wird, fast immer den langen Ball nach vorne und drei unserer Spieler sind sofort aus dem Spiel. Unsere Verteidiger werden ein ums andere mal überspielt, kommen mit dem hohen, auftippenden Ball nicht zurecht, ein gegnerischen Stürmer läuft durch und es schlägt ein. Oft mussten wir selbst 5 oder mehr Tore schießen, um ein Spiel zu gewinnen. Typische Ergebnisse waren 5:6, 4:3, 8:6, 5:4, 7:4 usw. Schaut man nur auf die Ergebnisse, könnte man tollen Offensivfußball vermuten. Allerdings glich das Spiel bei den meisten Gegner mehr dem klassischen Tipp-Kick.
Vor drei Wochen spielten wir beim Tabellenletzten, der in der gesamten Saison erst 10 Tore geschossen hatte. In der ersten Hälfte schlug es wieder dreimal auf die beschriebene Weise bei uns ein und wir gingen mit 3:3 in die Halbzeit. Dann hatte ich genug. In der Hz. sagte den ich Jungs: "Wir machen jetzt ein Experiment. In der zweiten Hälfte lasst ihr den Gegner kommen und greift erst ab der Mittellinie ab. Bei Balleroberung spielt ihr möglichst schnell nach vorne." Das Bild beim ersten Abstoß des Gegners war unglaublich. Wie immer wird der Außenverteidiger angespielt, der den Ball stoppt und darauf wartet, dass er angegriffen wird. Aber keiner greift an. In den Moment wusste der Spieler überhaupt nicht, was er tun sollte, blieb erstmal ein paar Sekunden stehen und guckte ziemlich ratlos. Nach Zurufen von außen, legte er denn Ball ein paar Meter vor und tat, was er immer tut, den Ball hoch und weit nach vorne schlagen. Nun standen dort aber nicht 3 sondern 6 "Verteidiger". Fast alle langen Bälle blieben so hängen. Trotzdem änderte sich an der Spielweise des Gegners nichts. So ging die zweite Halbzeit mit 4:1 an uns.
Das nächste Spiel eine Woche später. Hinspiel 8:6. Der Gegner spielte ebenfalls fast nur mit langen Bällen auf einen schnellen Stürmer. Also sagten wir unseren Jungs: spielt es so wie in der 2. Halbzeit letzte Woche. Das taten sie. Und wieder war das Ergebnis völlige Ratlosigkeit beim Gegner. Am Ende stand es 9:1, obwohl wir völlig wild auf den Positionen rotiert hatten. Gestern Spiel beim Tabellenzweiten. Hinspiel 3:3. Wieder gleiche "Taktik". Endergebnis 5:1. Hatten wir ansonsten in 3 Spielen immer mindestens 10 Gegentore bekommen, waren es jetzt nur 3. Zudem erzielten wir trotz augenscheinlich "defensiverer Aufstellung" auch noch mehr Tore.
Nun muss ich mir natürlich selber die Frage stellen, ob das Zurückziehen der vorderen Kette beim Ballbesitz des Gegners nicht eine taktische und sogar ergebnisorientierte Maßnahme ist? Somit hätte sie in der E-Jugend nichts zu suchen. Andererseits frage ich mich aber auch, ob es nicht ebenso eine taktische und ergebnisorientierte Maßnahme ist, seine schnellen Spieler weit nach vorne zu stellen und sie mit langen Bälle zu "füttern". Ich mag dieses Spiel mit langen Bällen nicht und habe mich oft genug darüber geärgert, dass sie Mannschaften Erfolg (im Sinne von Spielergebnis) brachte, gegen Mannschaften, die versuchten "Fußball zu spielen". Wie also reagiert man auf eine solche Spielweise, wenn nicht auf die Art wie wir es taten? Oder ist es besser, einfach alles laufen zu lassen?
Interessant ist auch die Frage, was geschehen würde, wenn ich meinen Jungs am kommenden Samstag sage: So, heute gehen wir wieder ganz früh drauf? Werden sie sich dann nicht nach dem 2 oder 3 langen Ball, der sie überspielt, von selber zurückfallen lassen und selbständig ihr "neues Spielsystem" anwenden?
Mit gruppen- und mannschaftstaktischen Themen sollen wir in der D-Jugend beginnen. Heißt das dann, bis Ende E muss ich mich strickt davon fernhalten? Oder sollte ich einen "weichen" Übergang wählen. Und wenn ja, was ist okay und was nicht?

