In anderen Threads wurde ja schon darüber gesprochen, ob ein Wechsel ins Internat sinnvoll ist oder nicht und welche Gründe da dahinterstehen. Aus aktueller Betroffenheit kann ich darstellen, wie es bei meinem Sohn steht. Für Feedback bin ich dankbar.
Mein Sohn spielt jetzt in der U15. Er ist seit der U10 in einem (kleinen) NLZ. Den Wechsel ins NLZ hatte ich damals auch hier im trainertalk diskutiert. Spätestens seit der U13 ragt er ziemlich aus seinem Team heraus, so dass er jede Saison Anfragen von anderen NLZs bekam (die gingen übrigens in keinem einzigen Fall über den Verein, sondern immer direkt an unsere Familie). In der U13 und U14 haben wir alles kategorisch abgeblockt, da er sich in seinem Verein gut aufgehoben fühlte. Kommende Saison in der U16 sieht das aber anders aus. Die U16-U19 spielen relativ hoch, aber nicht Juniorenbundesliga. D.h. es gibt NLZs, die jeweils höhere Ligen anbieten können. Gleichzeitig merkt man mittlerweile recht deutlich, dass die Finanzkraft des kleinen Vereins endlich ist. Bemerkbar macht sich das an den Traingsressourcen (Plätze, Kraftraum), aber vor allem am Personal (Physio, Arzt, Anzahl der Trainer usw.). Und letztlich kann man sich angucken, wieviel der Jungs aus den höheren Jugenden tatsächlich in die erste Mannschaft kommen. Da sieht bei uns im Verein traurig aus, kein Einziger in den letzten Jahren.
Ja, unser Sohn will Profi werden. Wir haben und als Famile vereinbart, dass wir ihm da soweit helfen, wie es geht - sofern der Plan B (Abitur) funktioniert. Das war schon die letzten 5 Jahre ein ziemlicher Kraftakt für die ganze Familie (Fahrdienste, Zeitaufwand). Und auch für meinen Sohn wird das immer schwieriger, vor allem weil die ständige Fahrerei extrem viel Zeit frisst. Zum Training braucht er mit dem Zug eine gute Stunde, wenn wir ihn fahren können geht‘s in 40 min (eigentlich 25 min, aber Berufsverkehr). Aber wir können ihn nicht 4-mal die Woche ins Training fahren. Aktuell fährt er mit dem Zug hin und wir holen in im Auto ab. Erstaunlicherweise ist mein Sohn trotz der vielen verlorenen Zeit ein sehr guter Schüler, er kriegt das gut organisiert. Aber die Frequenz der Trainings steigt, aktuell machen sie 5-mal. Den Preis, den mein Sohn schon heute zahlt ist die fehlende Zeit, um mit Kumpels rumzuhängen. Natürlich trifft er sich auch mal mit Schulfreunden, aber öfter sieht er natürlich seine Teamkollegen (nicht nur im Training). Aber ganz ehrlich, es wäre keine Option, wenn wir als Eltern ihm verbieten, soviel Zeit für den Fussball aufzubringen, damit er dann mehr Zeit für Freunde hat. Es ist seine Entscheidung.
Soweit die Ausgangssituation. Wie oben gesagt haben wir bisher die Anfragen von anderen NLZs abgeblockt, aber die Frage nach einem Internat schwelt schon seit ca. 2 jahre. Damals hat mein Sohn das für sich kategorisch abgelehnt. Mittlerweile ist er aber 2 Jahre älter und hat auch einen erheblichen persönlichen Entwicklungsschritt gemacht, ist erwachsener geworden. Und plötzlich scheint ihm der Wechel in ein NLZ mit Internat attraktiv:
- Optimale sportliche Förderung. Die Internatsspieler trainieren zusätzlich noch 2.mal vormittags (Fehlstunden werden dann individuell nachgearbeitet, siehe unten)
- Kurze Wege zu Schule und Training
- Gute schulische Betreuung durch Kooperation mit Eliteschulen. Neben dem Zeitverlust durch die Trainingsfahrten hat mein Sohn schon heute Fehlzeiten durch Turniere oder Verbandsmaßnahmen. Aktuell muss er das selbst auffangen. Ab Sommer wird er bei der Nacharbeit und den Hausaufgaben intensiv von den Lehrern der Schule betreut.
Aber klar, er zieht von zuhause aus – und das mit 15. Neues soziales Umfeld, im Internat wird er mit anderen Jungs zusammenleben. Statt der Eltern sind da Pädagogen die primären Ansprechpartner bei Alltagsproblemen. Wir werden in am Wochenende nach Hause holen, sofern das geht, aber das wird sicher nicht öfter als 2-mal im Monat klappen. Ich bin selbst ein bisschen ängstlich, ob das gutgeht. Aber wenn nicht, dann müssen wir reagieren.
Wir haben auch gerätselt, ob jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Vom Alter her fände ich einen Wechsel in ein oder zwei Jahren besser. Aber andererseits passt es schulisch jetzt sehr gut, so hat er noch ein Jahr „Eingewöhnung“, bevor es mit der Oberstufe losgeht. Randbedingung für den (vorgeschriebenen) Fördervertrag war auch, dass die Laufzeit das Abi abdeckt, so dass er nicht nochmal die Schule wechseln muss.
Vielleicht noch ein Wort zur Auswahl des NLZ/Internats: Für uns das wichtigste war, dass der Verein glaubhaft vermittelt hat, warum sie gerade unseren Sohn holen wollen und was sie mit ihm konkret vorhaben. Ein weiteres Auswahlkrieterium war die Durchlässigkeit. Er geht jetzt zu einem Verein, der Jahr für Jahr Jugendspieler in die Bundesligamannschaft einbaut (einbauen muss). Da gibt es extreme Unterschiede, in Bayern oder Leipzig stehen aktuell die Chancen schlecht, aus dem NLZ in die 1.te Mannschaft zu kommen (wobei man fairerweise sagen muss, dass etliche Spieler aus der Bayern U19 halt woanders Profi werden, d.h. die Ausbildung ist schon gut). Dann haben wir uns natürlich das Internat, das Trainingsgelände und die Schule angeschaut. Bei der Infrastruktur haben wir auch große Unterschiede gesehen, aber nach meiner Wahrnehmung sind die Biundesligisten da alle auf einem Top-Niveau, manche sind dann noch topper als die anderen, das halte ich aber nicht für entscheidend. Auch nicht entscheidend ist die Höhe der monatlichen Zahlung. Wir haben darüber erst gesprochen, nachdem die Entscheidung bereits gefallen war. Und wir müssen uns noch überlegen, wie wir das organisieren, denn ein 15-Jähriger braucht nicht viel Taschengeld. Wir werden das Geld irgendwo beiseite packen, vielleicht für’s Studium.
Sorry für den langen Text. Ich hoffe, es wird klar, dass uns die Entscheidung nicht leichtgefallen ist. Und ob es richtig war, werden wir erst später wissen (oder nie). That’s life.
BTW: ich habe das einem Kollegen erzählt, der kurz vor der Rente steht. Daraufhin sagte er mir, dass er damals schon mit 14 zuhause ausgezogen ist, wegen der Ausbildung. Für ihn war das ganz normal…
Grüße
Oliver