Ich befürchte, dass sich die aktuelle Phase noch negativer auswirken wird, als die Unterbrechung im Frühjahr.
Im Frühjahr durfte nach gut 3 Monaten Unterbrechung zumindest mit Kleingruppentraining begonnen werden. Zum Zeitpunkt des Wiederbeginns war auch klar, dass einige Wochen später reguläre Punktspiele stattfinden sollten (unabhängig ob nun Saisonunterbrechung oder Neustart). Es bestand somit ein Ziel, worauf hin traininert werden konnte.
Die Erfahrungen aus der 1. Phase waren, dass eine sehr breite Differenzierung stattfand. Ich vergleiche es mal mit Goretzka und Süle: der eine kam als durchtrainierter Muskelberg zurück, der andere mit Übergewicht, obwohl beide wahrscheinlich die gleichen Rahmenbedingungen hatten.
Im Kinderbereich gab es kaum Kinder die gänzlich aufgehört hatten. Ein Teil der Kinder hatte aber in den 3 Monaten gar nix sportliches gemacht, ein Teil wenigstens etwas (z.B. Radtouren, Wanderungen) und ein (kleiner) Teil hatte tatsächlich versucht regelmäßig Sport zu treiben (Läufe, Stabis, Eigentraining). Online-Training wurde nur in ganz wenigen Vereinen angeboten. Die Folgen waren, dass die Schere zwischen starken und schwachen Kindern noch weiter auseinander ging. Übergewicht, fehlende Geschwindigkeit und natürlich auch technische Mängel waren bei einer Vielzahl der Kinder schon auffällig. Bitter war die Zeit natürlich für Kinder im goldenen Lernalter, diese Entwicklungsphase kommt halt nicht zurück.
Im Erwachsenenbereich waren meine Beobachtungen, dass schon mehr Spieler aufgehört haben. Familie, Job etc. gewannen einen deutlich höheren Stellenwert. In einigen mir bekannten Fällen wurde zwar nicht direkt aufgehört, die Spieler wollen aber zukünftig nur noch aushelfen und nicht mehr jede Woche auf dem Platz stehen. Auch bei den Erwachsenen hat ein Teil in der Unterbrechung gar nichts gemacht. Und so sahen die dann auch aus... Es gab auch Mannschaften, die haben im Juni kein Kleingruppentraining gemacht, sondern sind gleich in die Sommerpause bis Anfang/Mitte Juli gegangen.
Die aktuelle Phase dauert in manchen Regionen schon 3 Monate, ohne das absehbar ist, wann es wieder los geht. Wenn hier von Ostern gesprochen wird, heißt das Anfang April, also wäre die Pause über 5 Monate. Es fehlt ein konkreter Starttermin, der sicher auch für Motivation sorgen würde. Bislang sind mir schon einige Spieler im Erwachsenbereich bekannt, die entweder aufhören oder in niedrigere Klassen gehen werden, weil dort der Aufwand geringer ist.
Auch aus dem Schiedsrichterwesen höre ich ebenfalls, dass sich viele mit dem Gedanken tragen, aufzuhören oder zumindest kürzer zu treten.
Für den Kinderbereich kann ich es momentan noch nicht richtig einschätzen. Ich denke, die Folgen wird man erst sehen, wenn es wieder los geht. Ich vermute aber eine ähnliche Entwicklung wie im Frühjahr. Der dicke Paule wird nicht aufhören, sondern weiter mit seinen Freunden kicken. Er wird halt nur noch etwas dicker sein. Die intrinsisch motivierten Talente werden sicher zumindest joggen gewesen sein und die extrinsisch durch die Väter motivierten Kinder werden sicher auch in der Coronapause zum Training gezwungen worden sein.
Bei den leistungsorientierten Mannschaften läuft auch wesentlich mehr Online-Training als im Frühjahr.
Ich bin echt froh, dass gegenwärtig zumindest Schlitten gefahren bzw. Ski gelaufen werden kann. Denn so haben die Kinder zumindest die Möglichkeit sich zu bewegen. Dass es "verlorene" Jahrgänge werden glaube ich nicht, aber ich denke es wird in der Spitze deutlich weniger Kinder geben, weil die Basis an guten Kindern geringer wird.
Den Wechsel von Klein- auf Großfeld sehe ich nicht als vordergründiges Problem. Es ist sicher nicht schön, aber es ist handhabbar. Ich selbst bin als Spieler auch direkt vom Klein- auf Großfeld gewechselt und bis vor 2-3 Jahren wurde hier auf Kreisebene in der U12/U13 ohnehin noch im Kleinfeld gespielt.
Hinsichtlich der Anzahl der Mannschaften gab es hier in der ländlichen Region ohnehin Rückgänge in den vergangenen Jahren. Die Anzahl der 2. Mannschaften wird mglw. weiter zurück gehen, die Anzahl der Spielgemeinschaften zunehmen. Wie in anderen Bereichen auch (z.B. Kneipensterben) wird Corona eine ohnehin eingetretene Entwicklung noch verstärken.