In der Auswahl "verheizen"

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  • Hallo Leute,



    der ein oder andere hatte bereits Kontakt mit der "Auswahl". Wie aus meinem "Nick" zu entnehmen ist, gehts mir in erster Linie um den Torwartnachwuchs.


    Leider habe ich den Eindruck, das die "Auswahl-Torleute" sehr häufig einen falschen Weg gehen, bei dem sie "verheizt" werden!



    Doch nun der Reihe nach: die Kreis- und Stützpunkttrainer haben meist eine Doppelfunktion, denn sie haben auch noch einen Heimatverein, der auf Bezirksebene oder höher spielt. Weil diese Ligen aber nicht allein durch Spieler des eigenen Vereins zu halten sind, ist man permanent auf der Suche nach geeigneten Talenten. Obwohl es von den Verbänden "nicht gern gesehen wird", werden aus Angst, jemand anders könnte ein vermeintliches Talent wegschnappen, diese Kinder schon früh (E - D-Jugend) in den Heimatverein geholt. Den Eltern erzählt man denn das (bessere Förderung durch qualifiziertere Trainer für eine spätere Fußballerkarriere, usw.), was sie hören wollen! Die wissen auch gleich, was der Heimatverein als Einwand vorbringen wird und erklären, das ja dieser Verein nicht an der persönlichen Karriere interessiert sei, was ja nur in diesem Leistungsverein zu realisieren sei.



    Was ja in wenigen Einzelfällen richtig sein mag, ist jedoch bei den Torleuten fast immer falsch! Denn die sitzen als Jahrgangsjüngere auf der Reservebank und als Jahrgangsältere haben sie zu funktionieren und tatkräftig mitzuhelfen, die Saisonziele der Trainer zu erfüllen. Ansonsten erfolgt der Austausch und das Talent wird wieder weggeschickt.


    Die versprochene bessere Ausbildung findet nicht statt, denn gute Torleute bekommt man nur dann, wenn man sie auch auf dem Feld das Fußballspielen erlernen läßt. Da dürfen sie aber nicht mitmachen, weil sonst ein "Feldspieler" ja einen geringeren Spieleinsatz hat. Stattdessen erfolgt ein Drill als Torwart! Es heißt zwar immer: zum Verheizen gehören mindestens 2, aber gerade diese Vereine verstehen es sehr geschickt mit Versprechungen auf die Zukunft die Ahnungslosigkeit der für das Kind Verantwortlichen für sich auszunutzen. Wer sich selbst einmal davon überzeugen will, der sollte sich mal einige Stunden Zeit nehmen und durchs Internet die hohe Fluktuationsrate bei den Nachwuchstorleuten ansehen. Es ist nicht mit der Bemerkung des Kommen und Gehens oder dem Kommentar, das es ja nicht alle schaffen können, getan, sondern dahinter stecken Schicksale, die schon sehr jung scharmlos mißbraucht wurden. Fans, die meinen, in dieser vermeintlich heilen Welt ein zweites Zuhause gefunden zu haben, sollten sich mal die Mühe machen und auf den Trainings- und Spielplätzen in die Gesichter der Reservebank-Keeper schauen!



    Die Ausbildung in der Jugendzeit muß ganzheitlich sein. Selbst nach dem Finden der Position im mittleren Jugendbereich darf noch keine ausschließliche, sondern nur hauptsächliche Förderung auf der Torwartposition folgen. Sie muß immer wieder auch durch Erfahrungen als Feldspieler reifen. Torwartdrill, gepaart mit permanenter Leistungsmessung und der Angst, bei Nichterfüllung dieser Leistungsmerkmale den Platz räumen zu müssen, gehören leider noch vielfach zum deutschen Verständnis von Talent- und Eliteförderung.



    Wenn Trainer oder Eltern auf ähnliche Art angesprochen werden haben: mein dringender Rat! Laßt euch nicht blenden und unter Zeitdruck setzen! Holt ruhig eine zweite oder dritte Meinung ein und laßt bei geringstem Zweifel das Torwarttalent lieber im Heimatverein bei seinen Freunden statt in einem Fremdverein bei Trainern, die persönliche Eitelkeiten befriedigen wollen!



    Leider beobachte ich diese "Talentvergeudung" Jahr für Jahr und ich habe das Gefühl, die Dummen sterben niemals aus!

  • Dass Stützpunkttrainer eine Doppelfunktion haben, ist mir völlig neu. Sowas sollte verboten werden, das ist Wettbewerbsverzerrung?!



    Finde ich unglaublich, dass das noch erlaubt ist.


    Motto: Gib niemals auf!
    Alter: 15

  • Das ist bei uns auch genau der gleiche Fall. Es gibt so einige Beschwerden, dass ein Stützpunkttrainer nicht im gleichen Jahrgang Vereinstrainer sein darf. Leider wird das aus Mangel an guten Trainern immer wieder abgelehnt. Mit den Torspielern ist ja sogar noch viel krizischer zu sehen. Mein Haupttorspieler ist auch beim Stützpunkt und ich hoffe nicht, dass er wechseln wird im Falle eines "Angebotes".

  • oTTo


    Wenn ihr ein kleiner Dorfverein seit und euer Keeper fleißig am Stützpunkttraining teilnimmt, dann ist es sehr wahrscheinlich, das den Eltern ein Wechsel nahegelegt wird. Weigert man sich zu wechseln, dann hält man nach einem anderen Keeper Ausschau. Denn das Motiv größerer Clubs auch Coaches als Kreistrainer oder Stützpunkttrainer zu "installieren" liegt in der guten Aussicht auf diesem Wege den ständigen großen Bedarf an "frischen Talenten" zu befriedigen.



    Beleg dafür ist, das die Spieler der älteren Stützpunktjahrgänge fast nur noch für ein paar größere Clubs kicken. Wenn man danach von vielen Talenten nichts mehr hört, dann schämen sich Eltern und Trainer der Heimatvereine dieser Talente häufig dafür, den falschen Versprechungen dieser Clubs blind vertraut zu haben. Manche haben dann immer noch nichts verstanden und trösten sich mit dem Versprechen dieser Stützpunkttrainer, das ja auch die Kinder, die "es nicht geschafft" haben, eine schöne Zeit hatten. In Wirklichkeit haben die Kinder über einen Zeitraum in ständig neu zusammengesetzten, seelenlosen Teams um die Erfüllung kurzfristiger Saisonziele der jeweiligen Trainer kämpfen müssen. Und bei den Reservespielern kam neben dem Trainingsdrill auch nach das Zuschauenmüssen während des Spielbetriebs dazu. Fussball lernt man nur, wenn man mit Freunden im gewohnten sozialen Umfeld nach Herzenslust spielen kann. Zielvereinbarungen, wie für erwachsene Profis, darf es im Kinderfussball nicht geben.

  • TW-Trainer
    Gerade was die Aus-/ und Weiterbildung der Torhüter in diesem Land betrifft oder anders betrachtet, die überprotional gute Auswahl im Spitzensportbereich, habe ich den Eindruck, dass innerhalb dieser Position kein "Nachholbedarf" gesehen wird. Nach dem Motto: "Eine Fußballnation, die solch eine Auswahl an international anerkannten Spitzentorhütern hat, kann nicht falsch ausbilden." Hat für mich schon ein Aussagewert, dass Jahr für Jahr Keeper in der Bundesliga zu sehen sind, die Spiel für Spiel,anders als ihre "Feldkollegen", konstant Spitzenleistungen erbringen. Liegt es daran, dass dieser elitäre Kreis ( meine dies auf aufgrund der gesonderen Stellung innerhalb einer Mannschaft ) die erworbenen Fähigkeiten auch besser weiter geben kann? Oder der Kreis deren, die es tatsächlich auch "beibringen" können, kleiner ist? Und daher fundierter ist?


    Zum Thema "verheizen" innerhalb einer Auswahl und was die Nebenwirkungen betrifft, gibt es hier im Forum vielfältig und oft Meinungsaustausch. Durchaus auch im kausalen Zusammenhang mit Interessenkonflikten von Auswahl-/Stützpunkttrainern und zeitgleich Vereinstrainern. Wäre interessant, wenn diese dies mal aus ihrer Sicht schildern.


    Wer seinen Spielern aber dieser Mühle aussetzt, sollte diese vorher über mögliche Konsequenzen informieren/vorbereiten. Egal in welcher Altersklasse!! Und das gilt gleichermßen für Eltern wie auch für Trainer! Schon klar: Mehr als überehrgeizige Eltern/Elternteile ( und um die geht es doch hauptsächlich, oder??) warnen, kann man nicht!

  • Zunächst einmal muß man unterscheiden:


    Es gibt Talentschmieden, in der mit älteren Jugendlichen unmittelbar für den Profibereich ausgebildet wird.



    In der von mir beschriebenen Situation handelt es sich jedoch um den unteren und mittleren Jugendbereich, in der den Eltern und Trainern dieser Talente suggeriert wird, man würde auf Basis von seriösen Erfolgswahrscheinlichkeiten eine systematische Ausbildung betreiben. In Wirklichkeit wird nur der "Frischfleischbedarf" befriedigt.


    Dieses Thema wird meist als "Allerweltsthema" abgehandelt und es wird nicht "hinter die Kulissen" geschaut. Die Trainer in Doppelfunktion können ja auch nur deshalb ungehindert ihre "Arbeit" verrichten, weil es eine breite graue Zone im DFB-Eliteförderkonzept gibt. Denn es wird sogar gewünscht, das die hochveranlagten Talente schon in jungen Jahren in die Kaderschulen der Leistungsvereine wechseln. Was dort stattfindet, möchte man gar nicht so genau wissen! Auch aus den Medien findet man kaum Unterstützung. Welche Leser interessiert es schon? Und vor allen Dingen, welcher Sponsor schaltet dann noch Werbeanzeigen? Das Beispiel des Radsports hat ja gelehrt, das man nicht so viel von den Schattenseiten eines Sports berichten sollte.


    Wer als Erfolgstrainer auf der Karriereleiter in den Leistungszentren nach oben steigen will, dem verbietet es der Ehrencodex, über die Drillmaschinerie von Nachwuchsabteilungen mit "Erfolgsgarantie" zu sprechen. Verbands- oder DFB-Nachwuchstrainer ohne Doppelfunktion finden keinerlei Unterstützung durch ihre Funktionäre und müssen tatenlos zusehen, wie ihre Talente von diesen Clubs "verheizt" werden.


    Es geht mir um die kontinuierliche Förderung und um einen sauberen Umgang mit dem Talentbegriff und ehrlichen und fairen Umgang mit den Talenten. Das auch ein anderes Modell erfolgreich sein kann, davon überzeugt z.B. das Fördermodell von Twente Enschede. Wer dort aufgenommen wird, der kann sich sicher sein, auch bei Rückschlägen in der sportlichen Entwicklung genügend Unterstützung zu finden. Wie erfolgreich dort mit diesem Konzept gearbeitet wird, erkennt man daran, das In fast jedem Jahrgang der NFV-Auswahl deutsche Spieler von Twnte spielen. Auch die DFB-Auswahlteams greifen bereits auf Spieler dieses Vereins zurück. Wenn man so will, betreibt dieser niederländische Verein sogar Nachwuchsarbeit für die deutschen Verbands- und Nationalmannschaften. Das einzige, was die deutschen Proficlubs dabei stört, ist das Geld, was sie einmal an Twente für die ausgebildeten Profis zahlen müssen, nur weil sie ihre eigenen Hausarbeiten nicht vernünftig gemacht haben. Auch der FC Groningen wirbt bereits deutsche Scouts an und möchte ähnlich erfolgreich werden. Es gibt auch gute Chancen, weil dieses Thema in Deutschland weiterhin in den dunklen Kabinenräumen und entfernten Nebenplätzen abgehandelt wird.



    Auch, wenn in diesem Forum hauptsächlich über den Breitensport diskutiert wird, kann es bei Trainern und Eltern vorkommen, das sie irgendwann einmal in Kontakt mit einem Stützpunkttrainer in Doppelfunktion treten, der ein sehr junges Talent mit allerlei Versprechen (oder dem Versuch ein schlechtes Gewissen einzureden, falls man sich querstellt) Kinder mit Talentansätzen zu früh aus der gewohnten sozialen Umgebung zu locken. Mein Beitrag soll dazu dienen, sehr kritisch zu sein und nicht zu blauäugig über die Interessen des Kindes hinweg zu entscheiden. Es soll aber auch dazu dienen, danach sorgfältig hinzuschauen, was mit diesen Talenten geschieht und im Zweifelsfall unverzüglich einzugreifen, damit kein Kind "verheizt" wird. Denn das Kind selbst kann die Gesamtsituation noch nicht durchschauen.

    Einmal editiert, zuletzt von TW-Trainer ()

  • Ich gebe Dir Recht, und verstehe was du meinst.


    In diesem Zusammenhang haben mich ja auch immer lügende Trainer (auch mal als Thema von mir angestoßen worden) sehr gestört !


    Auch im kleinerem Kreis findet das ja statt ! Und irgendwie können Trainer sowas jahrelang machen, ohne
    da "negativ aufzufallen". Auch weil, so wie du es weiter iben beschrieben hast, damit von den "verheizten" Spielern das ja so keiner
    kommuniziert...


    Ich war ja selber Stützpunkttrainer bei der Mädchen, ich durfte, mit kritischem Blick, eine Jungenmannschaft parallel trainieren.
    Eine Spielerin spielte im Stützpunkt und auch bei mir in der Jungen-Mannschaft.


    Zu Problemen hat das nicht geführt:
    1. sind ja noch andere Trainer da, die das Kind beurteilen.
    2. das Mädchen war entsprechend stark (ist jetzt im erweiterten Jugend-Nationalmannschaftskader), so dass keine "Bevorzugung" unterstellt werden konnte.
    3. habe ich nie ein Mädchen empfohlen zu unserem Verein zu kommen o.ä.


    Im Bezug auf Torhütern möchte ich noch erwähnen, dass TW im Spiel natürlich auch dann besser werden, wenn sie entsprechend gefordert werden.
    Vor einigen Jahren gab es bei uns Vereine, die extrem "abgegrast" haben, und dann aber doch nur in Kreisebene gespielt haben mit der Jugend;
    da haben sich die Torhüter bei deren ständigen 14:0 o.ä. Siegen nicht wirklich weiterentwickelt.


    Schlimmer, dass was du beschreibst, ist die Situation der Ersatztorhüter einer Saison.....

  • Es geht mir um die kontinuierliche Förderung und um einen sauberen Umgang mit dem Talentbegriff und ehrlichen und fairen Umgang mit den Talenten. Das auch ein anderes Modell erfolgreich sein kann, davon überzeugt z.B. das Fördermodell von Twente Enschede. Wer dort aufgenommen wird, der kann sich sicher sein, auch bei Rückschlägen in der sportlichen Entwicklung genügend Unterstützung zu finden. Wie erfolgreich dort mit diesem Konzept gearbeitet wird, erkennt man daran, das In fast jedem Jahrgang der NFV-Auswahl deutsche Spieler von Twnte spielen. Auch die DFB-Auswahlteams greifen bereits auf Spieler dieses Vereins zurück. Wenn man so will, betreibt dieser niederländische Verein sogar Nachwuchsarbeit für die deutschen Verbands- und Nationalmannschaften. Das einzige, was die deutschen Proficlubs dabei stört, ist das Geld, was sie einmal an Twente für die ausgebildeten Profis zahlen müssen, nur weil sie ihre eigenen Hausarbeiten nicht vernünftig gemacht haben. Auch der FC Groningen wirbt bereits deutsche Scouts an und möchte ähnlich erfolgreich werden. Es gibt auch gute Chancen, weil dieses Thema in Deutschland weiterhin in den dunklen Kabinenräumen und entfernten Nebenplätzen abgehandelt wird.

    Was genau macht man in Enschede anders? Ich habe schon häufiger gehört, dass Kinder ab der D-Jugend über 100km nach Enschede zum Training abgeholt werden. Bislang habe ich das immer als ziemlich verrückt angesehen. Aber das muss ja offensichtlich gar nicht so sein.
    Dass in den NFV-Auswahlen oft Twente-Spieler vertreten sind, ist mir auch schon aufgefallen. Das ist umso bemerkenswerter, da Twente ja im Wesentlichen nur die westlichen 100 km von Niedersachsen "bedient".

  • Einen wesentlichen Unterschied gibt es schon mal bei der sehr gründlichen Auswahl der Talente, die in das Jugendleistungszentrum (D - A-Jugend) nach Hengelo, Kuipersdjyk 40 geholt werden. Dazu werden jährlich ca. 450 junge Spieler im E-Jugendalter in einem Radius von ca. 70 km um Enschede von erfahrenen Scouts ausgewählt und eingeladen. Um herauszubekommen, ob sich die Aufnahme lohnt, wird nicht nur darauf geschaut, was ein Kind schon technisch kann und wie schnell es ist, vielmehr interessiert die Talentsichter, wie schnell ein Kind Fortschritte macht. Zum Schluß bleiben denn nur ein paar besonders hoch veranlagte Talente übrig. Die dürfen sich dann aber gewiss sein, das alles Erdenkliche für sie getan wird, damit sie einmal an der obersten Leistungsspitze erfolgreich fussballspielen können. Sofern es aufgrund der Entfernung zum Heimatort Probleme gibt das häufige Training im niederländischen Leistungszentrum, wird das Angebot zum Schulbesuch und zum Training im deutschen Ahaus in Anspruch genommen. Dazu zählen dann auch später hinzu gekommene Kids, die außerhalb des Sichtungsrasters lagen und sich selbst beworben haben.



    Ab der A-Jugend messen sich die Vereinstalente dann mit europäischer Konkurrenz. Lassen sich schulische Leistungen nicht mehr mit dem Fussball in Einklang bringen, so wird mit den Eltern gesprochen und sich evl. vorläufig von dem Talent verabschiedet. Es kann aber auch einen "blauen Brief" vom Verein geben, wenn sich ein Kind beratungsresitent zeigt und den ihm vorgeschlagenen Weg über einen längeren Zeitraum schon verlassen hat.



    In den deutschen Leistungszentren wird sehr stark jahrgangslastig gearbeitet. Bei Twente kann es passieren, das ein besonders hoch veranlagtes Talente der B-Junioren bereits hin und wieder mit den Profis trainiert und in der A-Jugend spielt. Ein gleichaltriger Kollege, der von den Vereinsexperten etwas schwächer eingeschätzt wird, verbleibt hingegen in der B 1. Beide sehen sich dann aber wieder auf den Veranstaltungen für das Jahrgangsteam des DFB-Junioren-Nationalmannschaft.



    Ein weiterer, signivikanter Unterschied liegt im Trainings- und Spielbetrieb. In den Niederlanden wird deutlich häufiger, dafür etwas kürzer trainiert. Dies kommt dem Konzentrationsvermögen der jungen Talente mehr entgegen als der deutsche Versuch über sehr häufige Wiederholungen Automatismen zu trainieren. Ab der D-Jugend gibt es in den Niederlanden auch schon soetwas wie eine Landesliga, in der sich die Talente auf Augenhöhe messen können. Zwestellige Ergebnisse von Ausnahmeteams, wie in Deutschland, sind von daher eher eine Ausnahme. Über Kleinfeldtore oder 9 : 9 in der D-Jugend lachen unsere niederländischen Kollegen. Denn neben der Technik ist ihnen von Anfang an der läuferische, sportliche Ehrgeiz wichtig, sonst bildet man wohlmöglich filligrantechnisch perfekte Standfußballer aus! Und was Hänschchen nicht lernt, lernt Hans nimmer mehr. Umfangreiches individual taktisches Wissen, aber auch schon erste Kenntnisse über Gruppen- und Mannschaftstaktik wird vermittelt. Schließlich wird Fussball auch mit dem Köpfchen gespielt und es soll jedes Talent in der Lage sein, das eigene wie auch das gegnerische Spiel seinem Ausbildungsstand entsprechend lesen können.



    Fussball wird dort als Ganzes vermittelt und nicht in enge Leistungsspektren eingeteilt. Dies ist auch ein wesentlicher Unterschied zum deutschen System. Entspricht in Deutschland ein Talent in den gemessenen Disziplinen zum Messzeitpunkt nicht den Erwartungen, so wird es "ausgemustert" und gegen ein anderes ausgetauscht. In den Niederlanden wird vielmehr darauf geschaut, wie das Talent seine Anlagen und Leistungen "auf dem grünen Rasen" umsetzt. In der gesamten Jugendzeit wird das Talent in seinen Höhen und Tiefen begleitet. In der Ausbildungzeit wird der Weg als das Ziel vermittelt. In Deutschland findet die permanente Auslese (überspitzt forumliert) über erreichte oder versäumte Meisterschaftstitel seiner Trainer statt. Auch die Trainerfluktuation ist bei den niederländischen Kollegen sehr gering. Zwar wird nicht alles so, wie mit "preussischer Präzisionsarbeit" organisiert, dennoch versuchen die "Versorger" den Trainern das Drumherum bestmöglich abzunehmen und für eine rundherum gute Stimmung zu sorgen. Wenn der Kopf frei für die Aufgabe ist, dann kann man sich auch am besten darauf konzentrieren. In Deutschland sind Trainer nicht selten auch Mädchen für alles und müssen auch noch für Fehler anderer ausbügeln., weil die linke Hand nicht weiß, was die rechte macht!


    Auch die niederländischen Kollegen haben kein Erfolgsrezept. Aber sie schaffen es, deutlich mehr Talente für den Profifussball auszubilden als die deutschen Talentschmieden.

  • Gibt es in den Niederlanden nur Enschede, die das so handhaben? Und kann man Enschede mit irgendeinem NLZ in Deutschland vergleichen, so dass man die Unterschiede 1 zu 1 sehen kann?

  • TW-Trainer


    Interessante Infos. Vielen Dank.
    Wie handhabt man das mit der sprachlichen Komponente? In jeder Twente-Jugendmannschaft sind ja mindestens 2 deutsche Jungs. Die Standardfußballbegrife hat man sicher ruckzuck drauf. Auf lange Sicht dürfte das aber nicht reichen. Machen die Jungs zusätzlich zu deutscher Schule und Training auch noch Niederländischkurse?
    Die grenznahen Kinder können ohnehin basis-niederländisch - aber wenn man sich auf deren Website die letzten Vereine der Kinder ansieht, sind da auch viele bei, die aus der Gegend 50 - 100 km um Enschede stammen.


    oTTo
    M.W. ist der FC Groningen mittlerweile auch Stammgast bei E-Jugend-Auswahlturnieren in Deutschland.

  • Das Erfolgsmodell Twente Enschede, die sich übrigens ihre Jugendarbeit mit 2 weiteren Vereinen teilen, stammt nicht aus der Feder von Twente, sondern hat seinen Ursprung in der Ajax Schule, die es schon seit fast 30 Jahren gibt. Übernommen wurde auch die Ajax-Taktik 4 : 3 : 3 für den gesamten Jugendzeitraum. Sie bevorzugen das offensive Spiel.




    Hauptsächlicher Grund, warum wir Deutschen uns im grenznahen Raum etwas näher damit auseinandersetzen ist, das die über Scouts die Talente direkt aus den kleinen Dorfmannschaften in ihr Zentrum holen und eine erstaunlich hohe Erfolgsquote erzielen, während dessen hierzulande sich die Talente in den Nachwuchszentren der größeren Clubs die Klinke in die Hand geben und letzendlich sehr wenig dabei heraus kommt.




    Die Sprache im Training und Spiel ist niederländisch. Allerdings können die Trainer auch genügend deutsch, so das kommunikative Probleme kaum auftauchen.




    Bei den vermittelten Inhalten gibt es neben dem langfristigen auch mittel- und kurzfristige Ausbildungsziele. Lediglich die kurzfristigen Inhalte, die stark von den vorhandenen Einzelspielern abhängig sind, gestaltet das Trainerteam selbst. Die anderen Ziele sind vom Konzept her vorgegeben. Über ihre Scouts, aber auch mittels Videounterstützung von anderen europäischen Spitzenliegen werden die mittelfristigen Ziele immer wieder hinterfragt und ggf. angepaßt.




    Deutsche und in einer späteren Phase andere ausländische Talente erlernen die niederländische Sprache über Kurse. Desweiteren gibt es z.B. die Schulkooperation in Ahaus, wo ebenfalls niederländisch unterrichtet wird. In Ahaus werden übrigens auch die Vormittagstrainingseinheiten für die deutschen Twentespieler abgehalten. Für die medizinische Unterstützung pendeln Physiotherapeut und Arzt pendeln zwischen Hengelo und Ahaus.


    Beim FC Emmen ist das Projekt Jugendleistungszentrum im vergangen Jahr gestartet. Allerdings liegt das Zentrum weiter landeinwärts, so das jetzt kaum noch deutsche Talente dort spielen. Und wie bereits erwähnt, möchte sich der FC Groningen gerne aus dem großen Talenttopf von der Nordsee bis ins nördliche Emsland bedienen.


    Hinter vorgehaltener Hand lachen die sich Niederländer über die deutschen Deppen (hier Werder Bremen, VFL Osnabrück) ins Fäustchen. Man schaue sich nur einmal die teilweise sehr Vereinslegenden der A oder B-Jugendspieler von Werder an. Die haben doch nicht immer freiwillig den Verein gewechselt? Und wieviele mögen wohl durch das Vereinshopping irgendwann die Nase gestrichen voll gehabt haben und ihre Leidenschaft, den Fussball an den Nagel gehangen haben?




    In Deutschland gibt es in Bayern den ersten Versuch aufgrund der geografischen Probleme Jugendleistungszentren einzurichten, um die Talente in ihrer gewohnten Umgebung ausbilden zu können. Ob man dort allerdings bereits ein ganzheitliches Konzept für die gesamte Jugendzeit entwickelt hat, weis ich nicht.




    Aber dem Sommer soll es im Emsland beim ehemaligen Zweitligisten Meppen auch ein Jugendleistungszentrum geben. Das Emsland und auch die umliegenden Proficlubs setzen Erwartungen darin, die so nicht erfüllt werden können. Denn es steht nur auf der Hülle: Jugendleistungszentrum! Nach wie vor steckt der SV Meppen mit seinen Trainern und Mannschaften drin. Aus dem SV Meppen Ausbildungsmodell mit einer Leistungsmanschaft im C, B und A-Jugendbereich hat man aufgrund der hohen Fluktuationsrate immer mal ein paar Ergänzungsspieler, aber schon lange keine Leistungsträger mehr rekrutieren können! Aber der Zweitligaclub dümpelt seit Jahren in der 5. Liga, Werder Bremen und VFL Osnabrück schauen nur mal gelegentlich zu. Was soll sich Großes daran ändern, solange genügend Sponsoren und mit viel Geld für neue Spieler vorhanden ist?




    Präzise darin liegt ein wesentlicher Grund für das niederländische Ausbildungsmodell. Dort gibt es sehr viel weniger Unterstützung von Sponsoren, so dass man sich teure ausländische Spieler gar nicht leisten kann. Damit einhergehend gibt es auch keine Einmischung ins Ausbildungskonzept und Vereinstrategien durch Sponsoren, deren Hobby der Fussball ist, aber sonst nichts davon verstehen.

  • Hallo zusammen,
    ich denke, das vorgehen der Eltern ist meist falsch. Der Werdegang eines Torwartes sollte in meinen Augen so aussehen. Heimatverein, dann Auswahlmannschaft. Auf keinen Fall ein früher Wechsel in einen großen Club und wenn doch, dann nur in eine Jahrgangsmannschaft. Ab der C relativiert sich das ganze, aufgrund der Körpergröße. Soll heißen, ein Torwart, der in der c noch Auswahl spielt, der ist eh körperlich meist größer als die Norm und wird sich auch in einem grossen Verein gegen den Jahrgangsälteren durchsetzen.
    Und wenn man das nun auf einen grossen Landreis ausdehnt, dann kommt man pro Jahrgang auf 1 bis 2 Torwarte die es schaffen. Alle anderen werden verheizt, aber in erster Linie durch ihre Eltern, die keinen Plan haben. Verfolge gerade genau das bei einem E Jugend Torwart bei uns. Ich verwette mein Haus, dass er spätestens in 2 bis 3 Jahren mit Fußball aufhört.


    Gruß Alex