Mittelfeldpressing aufs Spiel übertragen

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  • Hallo liebe Trainerkollegen/innen,


    Ich bin 23 Jahre jung, C-Lizenzinhaber und seit mittlerweile 6 Jahren Juniorentrainer.

    Ich habe damals mit einer E-Jugend im Heimatverein (aufm Dorfe) angefangen und bis in die B-Junioren hochgezogen.

    Seit Saisonbeginn trainiere ich eine U17 auf Bezirksligaebene.


    Wir trainieren drei mal die Woche. In der Vorbereitung und den ersten Trainingswochen lag der Schwerpunkt neben den üblichen Bausteinen wie Kondition/Koordination, Gruppentechniken und Spielaufbau schwerpunktmäßig auf dem Pressing Spiel und hier speziell auf dem Mittelfeldpressing.


    Wir saßen drei mal zusammen und haben es theoretisch am Whiteboard durchgegangen. Systematisch aufgebaut in die einzelnen Phasen des Mittelfeldpressings unter Anbetracht der einzelnen Positionen. Sind diverse Spielsituationen durchgegangen usw.


    Dann haben wir es auf dem Platz durchgekaut. Von der "Trockenübung" (auf dem ganzen Feld die 11 Mann angeordnet und mit dem Ball verschieben lassen und, wie auf dem Brett abgezeichnet, gepresst beim Pass in die zone) bis hin zur pressingübung unter Bezugnahme der verschiedenen Auslöser.



    Nuuuuuuun kommt mein Problem.

    Im Training sieht das oftmals echt nicht verkehrt aus. Man presst sauber, kommt schnell in die doppelsituation, schiebt sauber ein, bringt dich auch verbal gut in Aktion usw.


    Im Spiel frage ich mich dann oft... Was haben wir jetzt drei Wochen durchgekaut? Abstände sind zu groß, verschieben und einrücken klappt nicht wie trainiert, das anlaufen nicht mehr so aggressiv wie im Training..


    Wie kann ich so einen taktischen Schwerpunkt noch deutlicher vermitteln. Ist es normal, dass sich Trainingsresultate vom Spiel so drastisch von einander unterscheiden?


    Von einer U17 ist das ja nicht zu viel verlangt. Ich finde gerade in diesem Alter, wo technische Fertigkeiten größtenteils sitzen sollten, ist das Vermitteln und vorallem Verstehen von taktischen Wissen immens wichtig.



    Wie seht ihr das?


    Sportliche Grüße


    PS: Bin neu hier, sollte ich Gepflogenheiten missachtet haben, bitte drauf hinweisen :) danke

  • Der Unterschied ist wahrscheinlich einfach der Druck. Im Spiel müssen deine Jungs schnell Entscheidungen treffen, während sie in der Übungsform einheitliche Abläufe haben.

    Wie sieht es denn im Training aus, wenn sie sich in Spielformen schnell verschieben müssen?

  • Diese "Trockenübung" die du beschreibst ist immer noch theoretischer Natur. Ich würde das theoretisch erworbene Wissen noch in diversen Spielformen vertiefen um Automatismen zu erzeugen, die im Spiel unterbewusst abgerufen werden können.

    I've missed more than 9000 shots in my career. I've lost almost 300 games. 26 times, I've been trusted to take the game winning shot and missed. I've failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed. (Michael Jordan)

  • Danke erst einmal für die beiden Antworten.


    Also nach der "Trockenübung" um theoretisch erlangtes Wissen erstmals aufs Feld zu übertragen, habe ich diverse Übungen mit den Jungs durchgenommen.


    Vom Zonenspiel um das verschieben im Mittelfeld gegen den Ball und sauberes pressen in den einzelnen Zonen zu trainieren bis hin zum einfachen Pressingformen mit Umschaltspiel.


    So dass ich im Endeffekt alle Automatismen im Training abgedeckt habe, um diese dann eigentlich im Spiel blind abrufen zu können.


    Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass es schon mit der Einstellung die Taktik sauber auszuspielen in all ihren Facetten anfängt zu scheitern. Dann wird nur halbherzig verschoben und angelaufen. Dann werden trainierte Pressingauslöser übersehen. Dann wird dem Gegner beim Anlaufen Räume aufgemacht, die wir eigentlich bewusst schließen wollten. Trainierte Bogenläufe werden gänzlich unterlassen. Usw...

  • „Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft.“


    (Jean-Paul Sartre)




    Es ist ja auch ein sehr komplexer Ablauf, der sicher nicht von heute auf morgen funktionieren wird. Mir fällt noch ein, dass du gegen ein bewusst schwächeres/jüngeres Team Freundschaftsspiele absolvieren könntest, um diese Abläufe unter geringerem Druck nochmal auszuprobieren.

    I've missed more than 9000 shots in my career. I've lost almost 300 games. 26 times, I've been trusted to take the game winning shot and missed. I've failed over and over and over again in my life. And that is why I succeed. (Michael Jordan)

  • Ich denke, dass die Zeit an der Tafel sinnvoller genutzt werden kann.

    Wie hat Mourinho gesagt - der Klavierspieler lernt nicht das Klavier zu spielen indem er um das Klavier herum läuft. :)


    Ich würde das in unterschiedlichen Situationen immer wieder spielen.

    Am Anfang in einfachen Übungen mit konstruiertem Ballverlust, dann ggf. in einer Spielform mit wechselseitigem Ballbesitz, das nicht eine Mannschaft nur presst und die eine sich aus dem Pressing lösen muss und zum Schluß in einer freien Spielform, bei der du dich im Coaching nur auf das Pressing fokussierst.


    Wichtig ist auch, dass Pressing - vor allem Mittelfeldpressing nicht automatisch heißt, dass du den Ball gewinnen musst. Eine Verzögerung bzw. Verhinderung des Spiels in die Tiefe für den Gegner ist für mich oftmals auch schon gelungenes Pressing. Die Krönung ist dann die Balleroberung.


    In welchem System spielst du denn? Wo willst du hinlenken und den Ball gewinnen?

    Coacht du im Spiel deine Spieler im Pressingverhalten?

    Ich würde gezielt schauen und Abstände individuell korrigieren, wenn das mein Thema wäre.


    Grüße

    Björn

    „Erfolg ist ein Geschenk – eingepackt in harte Arbeit." (Ernst Ferstl)

  • Wenn ich deine Ausführungen richtig verstanden habe dann kann ich mir 2 Knackpunkte vorstellen:


    1. Das Training kann ja im 11 gegen 0 super laufen, aber wichtig ist immer dass die Inhalte spielnah sind, sprich dass es auch in Gleichzahl angewandt werden kann. Taktiktraining nach Lehrbuch sollte im Hauptteil immer eine hinführende Übungsform (Überzahlspiel; mit Anfang und Ende), eine Spielnahe Übungsform (Gleichzahl, mit Anfang und Ende) und einen dynamischen Schlussteil (hier bietet es sich an im 11 vs 11 gegen die U16 oder wer auch immer gegenüber trainiert) zu spielen


    2. Der Lieblingssatz meines Lizenzausbilders: Würden die so stehen? An der Tafel kommt alles so leicht daher, weil sich Magnete ja nicht alleine bewegen und du sie dahin schiebst wo es dir am besten passt. Daher werden im Spiel Räume bespielt an die auf der Tafel nicht zu denken war, oder in der Trainingsform. Das ist ne Sache die man überlegen könnte, ob man da nicht falsch gelegen hat. Passiert mir dauernd dass ich in der Übung die Positionen verändere, einfach weil eine starre Ordnung nicht realistisch ist.

    Auch deine Eigenen Jungs werden sich (wie du ja auch treffend beschreibst) nicht immer in der Ordnung befinden die du vorgesehen hast, da sich in der Verschiebebewegung immer Ungenauigkeiten einschleichen oder andere Faktoren die dich die Ordnung kosten. Letztenendes hängt es ja am Gegner ob ich den Schritt eher nach links oder nach rechts mache.


    Deshalb: nach jedem Hauptteil muss ein Schlussteil folgen in dem alles mehrfach ohne Unterbrechung geübt werden kann. Nur dann zünden die Synapsen ?

    "Der Chef auf dem Platz ist die Spielsituation" (Karsten Neitzel)

  • Doch manchmal habe ich das Gefühl, dass es schon mit der Einstellung die Taktik sauber auszuspielen in all ihren Facetten anfängt zu scheitern. Dann wird nur halbherzig verschoben und angelaufen. Dann werden trainierte Pressingauslöser übersehen. Dann wird dem Gegner beim Anlaufen Räume aufgemacht, die wir eigentlich bewusst schließen wollten. Trainierte Bogenläufe werden gänzlich unterlassen. Usw...

    Ich denke in diesen Aspekten kannst du durch dein Coaching (besonders im Spiel) entscheidenden Einfluss nehmen.


    Da hier relativ viele davon ausgehen, dass deine Trainingseinheiten evtl. nicht spielnah genug seien, wäre es mal interessant, wenn du eine Beispieleinheit aus der Vorbereitung posten würdest.

  • Pressing spielen ist ätzend. Man läuft und läuft und kommt dem Ball im schlimmsten Fall keinen Schritt näher. Bis man als Spieler das mentale und athletische Gerüst aufgebaut hat um ein ordentliches intensives Pressing zu spielen, dauert es eine Weile. Frag dich Mal, was du da eigentlich verlangst.(wenn du das nicht schon längst machst.) Versuch dich Mal an die E- und D-Jugend zu erinnern. Wie lange hat es gedauert bis die Spieler selbstbewusst im Spiel fintiert haben? Bei Einigen ging das sofort, andere werden es bis heute nicht gelernt haben. So ist es auch bei taktischen Aufgaben, bloß dass man hier halt immer alle Spieler braucht. Also behaglich weiter trainieren und die Spieler so gut es eben geht auf ihre Zeit als Senioren vorbereiten.


    PS. In Spielform und Spiel-Ausschnitt trainieren. Da lernen die Jungs taktisch am meisten. Bei sehr groben Fehlern einfrieren und die Situation durchspielen. Wenn keine groben Fehler mehr passieren, dass Ganze dann verfeinern usw.

  • Guten Morgen,


    Ersteinmal danke für die zahlreichen Antworten.


    1. Die Vermittlung meiner Spielphilosophie, hier das Spiel gegen den Ball, habe ich anfangs theoretisch am "Brett" vermittelt, da es für Jungjahrgänge Neuland war und man so einen ersten groben Einblick über die wichtigsten Rädchen in der komplexen Maschinerie erhält. Danach wurde es ausschließlich im Training praktiziert. Das ist hier glaube ich falsch rüber gekommen.


    Nach der Theorie hat man das ganze einmal trocken in der 11er Aufstellung auf dem Platz mit Verschiebwegen veranschaulicht.


    Aber danach wurde es in diversen Übungen mit gleichzahl über und unterzahl geprobt.


    Sowohl Übungsformen wo man zB Zonen bespielt mit einem pressingteam und einem Aufbauteam etc.

    Trainingstage immer aufgeteilt in die üblichen Phasen, wo zum Schluss das gelernte in individualisierte Spielformen eingebettet und gefestigt wird.


    2. Natürlich ist das Spiel ohne Ball ätzend und anstrengend. ABER auch das muss ab einem gewissen Niveau mit einem Plan bestückt sein. Diese Spielphase zu ignorieren finde ich falsch. Nun bin ich halt ein Freund des Mittelfeldpressings und gebe mir Mühe diese Leidenschaft an die Jungs weiterzugeben. Vorallem, weil wir im Spielaufbau bzw Spiel mit dem Ball kaum Defizite haben. Das sieht schon sehr gut aus. Ein schönes direktes Spiel in die Tiefe mit einer hohen Anzahl an Variationen im letzten Drittel.


    Doch wie gesagt, unser Manko ist es einfach derzeit noch das Spiel ohne Ball sauber und effektiv zu praktizieren.


    Sportliche Grüße

  • Pressing spielen ist ätzend. Man läuft und läuft und kommt dem Ball im schlimmsten Fall keinen Schritt näher.

    Ich finde dann macht deine Mannschaft aber etwas falsch.

    Wenn das Pressing nicht greift, muss ich abbrechen, ggf. tiefer stehen und den Gegner kommen lassen oder in den richtige Situationen pressen.


    Eine der Grundformen des Pressings spielt man schließlich während der gesamten Spieldauer.

    Die Frage die ich mir stelle ist ob die Spieler auch wissen, dass quer und Rückpässe erfolgreiche Pressingaktionen sein können.


    Ziel des Pressings ist aus meiner Sicht im Idealfall eine Balleroberung, in erster Linie aber eine Torverhinderungsstrategie.


    Grüße

    Björn

    „Erfolg ist ein Geschenk – eingepackt in harte Arbeit." (Ernst Ferstl)