@Alter_Sack
Vielen Dank für den Link. Hab es mir mal durchgelesen. Dass ein Mädchenförderzentrum darum kämpft, dass es auch in Bayern eine seperate Mädchenförderung gibt, scheint auf den ersten Blick mit einem klar erkennbaren Motiv begründet.
Allerdings hält sie wissenschaftliche Analyse eine Reihe von Irrtümern bereit, wo sie nicht gründlich genug geforscht hat. Nachfolgend ein paar Beispiele:
1. Auswirkungen geringer Leistungsdichte bei den talentierten Mädchen
Zwar erkennt die Studie, dass der Fussball bei den Mädchen keine Massensportart ist. Sie erkennt jedoch nicht, dass genau diese geringe Talentdichte dazu führt, dass Mädchenleistungsteams ab der U 15 lieber in Jungenligen spielen, weil nur dort ein jährlich gleichbleibender Leistungslevel garantiert werden kann.
2. Warum spielen talentierte Mädchen bei den Jungen ?
Auch hier ist das häufigste Motiv der fehlende bzw. stark schwankende Leistungslevel, sodass Talente in reinen Mädchenteams in Mädchenligen nicht ausreichend gefordert werden.
3. Fehlender sportlicher Unterbau bis zur U 17
Erst mit der Einführung der U 17 Bundesliga vor ein paar Jahren wurde jeweils eine Verbandsliga zur Qualifikation für die neue Bundesliga erschaffen. Aber auch dort ist es teilweise so, dass man sich nicht einmal für diese Verbandsliga sportlich qualifizieren muß. Weil viele Vereinen die Mühen und Kosten scheuen genügt eine An- und Abmeldung für diese Liga.
4. Mädchenteams in Jungenligen
Weil es unterhalb der U 15 noch gar keine zuverlässige Mädchen-Leistungsligen gibt, werden einige U 15 Mädchenteams von Bundesligisten in Jungenligen angemeldet. Weil es dort nur über die sportliche Qualifikation läuft, muß von unten angefangen werden. Während die Jungen kaum Probleme haben gegen Mädchen zu spielen und auch deren Leistungen voll akzeptieren, sich der Blickwinkel von Trainern und Eltern häufig anders aus. Solange die Jungen gewinnen, ist auch bei ihnen die Welt in Ordnung. Aber wehe sie verlieren gegen Mädchen ...?! Dabei handelt es sich bei diesen Mädchenteam nur auf den ersten Blick um Vereinsmannschaften. Denn schaut man sich an, woher diese Mädchen kommen, wird rasch klar, dass es sich hierbei um eine Regionalauswahl handelt.
5. Bis wann kann - sollte ein Mädchen bei den Jungen spielen?
Immer vorausgesetzt, das Mädchen möchte auch in einem Jungenteam spielen, so gibt es mittlerweile sogar vereinzelt Mädchen, die noch bis in die U 19 hinein bei den Jungen kicken. Selbstverständlich muß man in diesem Zusammenhang die Ligazugehörigkeit des Teams sehen, um die jeweiligen Leistungsanforderungen in Betracht zu ziehen. Doch tendenziell ist zu beobachten, dass auch hochtalentierte Mädchen in Leistungsfussball des oberen Jungenbereichs erfolgreich vordringen.
6. DFB-Bestimmungen
Obwohl es seit einigen Jahren unterschiedliche Wege (in Jungen und Mädchenteams) gibt, wird beim DFB weiterhin die Ansicht vertreten, dass die Mädchen in den Nationalteams auch in einer Jungenmannschaft spielen müssen. Das kann teilweise zu kuriosen Konstellationen führen. So spielte eine National-Keeperin gleichzeitig in der untersten Jungenliga ihres Dorfvereins. Obwohl sie dort gar nicht angemessen gefordert wurde, war der DFB damit zufrieden.
7. Probleme bei der Talenterkennung
Weil Mädchen meist später in den Vereinsfussball starten, fehlt ihnen die Routine in der Technik wie auch in der Taktik. Ferner sind sie in bestimmten Disziplinen (wurde in der Studie bestätigt) den gleichaltrigen Jungen unterlegen. Vergleicht man also ihre Leistungen mit denen der Jungen, so wird das Ergebnis fast immer lauten, dass sie nicht für eine weitere Förderung ausreichende Fähigkeiten mitbringen. Das aber diese Ergebnisse genauso falsch sein müssen, als wenn man den RAE-Effekt (Real Age Effect) von beinahe 12 Monaten Altersunterschied innerhalb eines Jahrgangs nicht berücksichtigt, das ist vermutlich schon deshalb nicht in der Breite der Talentförderung vorgedrungen, weil der Fussball für die Mädchen keine Massensportart darstellt und deshalb kaum vergleichbare Werte und Erfahrungen vorliegen.
8. Viele Probleme sind lösbar
8.1. Geschlechtsspezifische Talentförderung
Zunächst einmal braucht es eine getrennte Talentförderung von Mädchen und Jungen, um eine optimale Entwicklung zu fördern. Dort, wo sie vorhanden ist, gibt es genügend Beispiele, dass sich dort diese Mädchen genauso gut entwickeln. Sie sind allerdings aufgrund der geringen Menge nicht zuverlässig messbar. Hinzu kommt, dass der DFB sagt, dass ein Mädchen es sich nicht aussuchen darf, wo sie gefördert wird. Wenn sie mit den Jungen mithalten kann, dann muß sie auch dort gefördert werden. Begründet wird dies mit dem dort vorhandenen höheren Level. Doch schaut man sich diese Mädchen nach Förderablauf an und vergleicht sie mit denen, die im Mädchenbereich gefördert wurden, so ist ein Unterschied kaum noch erkennbar. Allerdings sind hier die Ursachen in der Vereins-Talentförderung zu finden. Denn es macht schon ein Unterschied, ob man mehrfach wöchentlich trainiert und jedes Wochenende spielt oder ob man sich mit Talenten aus anderen Vereinen 1 x wöchentlich zum Talentfördertraining trifft. Denn wird im Verein gute oder schlechte Arbeit geleistet, so wirkt sich dies ebenfalls gut oder schlecht auf die weitere Talentförderung aus.
8.2. Gemeinsame Talentsichtung
Was für die Förderung im Jungenfussball noch nicht gut genug ist, kann für die Förderung im Mädchenfussball ausreichen. Denn gerade die fehlende Routine augrund des späteren Einstiegs in den Wettbewerbsfussball sowie mangelne Spielpraxis in Jungenteams kann in einer speziellen Mädchenförderung ausgeglichen werden. Denn hier unter Mädchen kann sich eine angstfreie Athmosphäre entwickeln, die für eine deutliche Leistungssteigerung unerlässlich ist. Um Erfahrungen darüber zu sammeln, erachte ich es für notwendig, dass Auswahltrainer im Jungenbereich bei der Talentsichtung im Mädchenbereich mitsichten und umgekehrt. Denn nur so können sie sich ausreichend dieser Unterschiede bewußt werden und dieses Know-How auch in ihre Heimatvereine weitertragen. Denn leider werden talentierte Mädchen nicht von ihren Trainern/Eltern für die Talentsichtung gemeldet, weil sie ihre Fähigkeiten mit denen der Jungen vergleichen und sie dann nicht für ausreichend halten.
8.3. Erleichterung eines Übergangs in eine Frauenmannschaft
Ein Teil der Probleme für einen nicht harmonischen Übergang von Mädchen in eine Frauenmannschaft sind "hausgemacht"! Aufgrund des insgesamt sehr geringen sportlichen Unterbaus im Jugendbereich werden die talentieren Mädchen oft schon sehr früh in den Frauenfussball gedrängt. Hier treffen B-Juniorinnen auf Frauen, mit denen sie kaum gemeinsame Interessen außerhalb des Fussballs verbindet. Einige Talente wechseln schon aus diesem Grund dann lieber den Verein, um dort entweder mit Mädchen oder Jungen in einem Jugendteam zu spielen, anstatt sich einem Spießruten ähnlichen Verhaltenscodex in einem Frauenteam anzuschließen. Das U 19 Juniorinnen-Modell fand jedoch kaum Anhänger. Dort wo es einen Staffelwettbewerb gibt, ist es vielfach zu einer Resterampe für die geworden, deren Leistungen nicht für ein Frauenteam reichte.
Anders als bei den Jungen, in denen der Übergang in den Seniorenbereich in aller Regel erst nach der U 19 stattfindet, muß beim Übergang der B-Juniorinnen gleichzeitig auf die Altersstruktur in der Frauenmannschaft geachtet werden, statt als einziges Merkmal den Leistungsvergleich heran zu ziehen. Denn stimmt die "Chemie" nicht, weil der überwiegende Teil der Mannschaft deutllich älter ist als die ins Frauenteam wechselnde B-Juniorin, dann ist der Stress vorprogrammiert. Meist wird die B-Juniorin den kürzeren ziehen und leider viel zu häufig findet es ein jähes Ende, indem sie ihre Fussballschuhe an den Nagel hängt.
8.4. Leistungstief nach kurzer Zugehorigkeit
Um ein gutes Standing in der Mannschaft als hochrückende B-Juniorin zu erreichen, bemüht sie sich durch besonderes Engagement und Leistungen um Anerkennung. Sobald sie dies gefunden glaubt, lassen jedoch ihre Leistungen nach, weil sie sich an ihr vorläufiges Ziel glaubt. Die Ursachen für ihr Leistungsloch erkennen viele Mädchen jedoch selbst nicht, ist doch die Mannschaft, das Training und der Wettkampf gleich geblieben. Erst nach einiger Zeit erkennt sie selbst, dass 80 % Leistungsbereitschaft nicht reichen, um an den gestiegenen Forderungen im Frauenfussball mitzuhalten.
8.5 Schwierige Leistungsprognose
Wie schon bei den Jungen ist auch die Leistungsprognose bei den Jungen schwierig. Doch während sich bei den Jungen die Zunahem an Körperlänge und Muskelkraft für den Fussball als positiv erweisen, wirken sich die weiblichen Rundungen und insbesondere das breiter werdende Becken eher negativ aus. Die Beweglichkeit, die sie besondere vor und während der Pubertätsphase gegenüber den Jungen auszeichnete, reduziert sich. Denn nach dem Erreichen der Endgröße geht es nur noch in die Breite, sodass Mädchen/Frauen mit einem schmalen Becken meist im Vorteil sind. Desweiteren ist die Ernährung auch fir die Mädchen-/Frauen ein wichtiger Index. Denn nimmt der BMI zu stark, so leidet auch die Sprintfähigkeit darunter. Diese Entwicklungen sind jedoch weitaus weniger innerhalb des Fussballs steuerbar, was eine Erfolgsprognose weiter einschränkt.
Fazit:
Eigentlich kann man gar kein seriöses Fazit ziehen. Entweder fehlen belastbare Daten auf Basis emphirischer Untersuchungen. Andererseits werden selbst markante Ergebnisse durch Vorurteile bezüglich des Mädchenfussballs überlagert. Was bleibt ist weiterhin Forschung zu betreiben, um hier Stück für Stück nützliche Entscheidungshilfen für die Vereine, Verbände und den DFB zu liefern, um irgendwann von einer flächenabdeckenden und niveauzuverlässigen Mädchenförderung sprechen zu können. Denn noch gibt es hier zu viele Zufälle, die in günstigen Normen gegossen werden wollen.