Hallöchen,
Ich betreue die Bambinis jetzt ein halbes Jahr. Fast alle sind aus dem 05er Jahrgang. Ich habe mir früh das Buch vom DFB gekauft und auch früh hier mitgelesen.
Mein "Vorgänger" (04er Jahrgang), der mich am Anfang an die Hand genommen hat, ist zwar en dufter und netter Typ, aber vertritt mehr die klassischen Ideale des Erwachsenenfußballs (Ergebnisse, Kapitän, Position, die besten spielen, Druck von den Seitenlinie etc.).
Deswegen hat es einige Zeit gedauert bis ich mir selbst eingestanden habe, dass ich einen anderen Weg gehe.
Ich habe zwei seiner "Opfer" bekommen (04er, aber nicht stark genug für die Bambini 1), die am Anfang - für mich damals unverständlich - geweint haben und nicht trainieren wollten. Mittlerweile lachen sie aber wieder, kommen gerne zum Training. Sie haben zuletzt auch bei den Bambini 1 (da sie nächstes Jahr sowieso hoch in die F müssen) ausgeholfen und der Trainer empfing mich mit den Worten: "Was hast du mit ***** gemacht? Ich erkenne ihn gar nicht wieder"
Wir haben bis jetzt alle Meisterschaftsspiele verloren, allerdings sind auch viele dem Wetter zum Opfer gefallen. Unsere Gegner bestehen meist zu großen Teilen aus 04er Kindern. Ein Testspiel gegen 05er Kinder konnten wir gewinnen. Spielerisch hat mir das Spiel aber nicht gefallen. Da haben wir gegen stärkere Mannschaft viel schöner gespielt. Das Tor treffen wir regelmäßig, deswegen können die Kinder auch oft gewisse Erfolgserlebnisse mitnehmen.
Klassische Joystick-Trainer habe ich unter unseren Gegner nur einen erlebt (dessen Mannschaft führt die Liga auch an). Der hat seine Mannschaft wie ein Gorilla auf meine Kinder gehetzt und schrie noch bei einer zweistelligen Führung.
Das Spiel hat meine Kinder richtig eingeschüchtert. Im Spiel danach waren wir eigentlich fast auf Augenhöhe, haben aber dennoch klar verloren, weil die Jungs viel zu ängstlich und verunsichert waren.
Meistens liegt die Philosphie der gegnerischen Trainer zwischen den DFB-Richtlinien und dem Joystick-Trainer. Gesprächs- und Kompromißbereit sind sie aber fast alle. Ein Trainer hat mir sogar angeboten - als das Spiel entscheiden war - mit einem Spieler mehr zu spielen und ließ größtenteils seine schlechteren Kinder spielen.
Grundsätzlich vertrete ich auch die Meinung, dass das Ergebnisdenken von den Erwachsenen auf die Kinder übertragen wird. Den Kindern ist es fast egal, ob sie ein Tor beim Torschusstraining, im Trainings- oder im Meisterschaftsspiel schießen.
Ich habe aber auch mindestens zwei, drei Kinder, die selbst auch sehr ergebnisorientiert denken und leben. Alle gehören zu den stärkeren Spielern.
Den einen würde ich als fußballerisch besten bezeichnen (guter Schuss, schnell, dribbelstark), der andere ist mein Sohn
Da fließen nach einem verlorenem (Trainings-)Spiel oder einem unglücklichen Gegentor auch schnell die Tränen.
Ich weiß jetzt genau, was ihr denkt: Das kommt vom Papa. Nein, das kommt nicht von mir. Ich lebe den Fußball zwar sehr intensiv und das bekommt er auch schon sein Leben lang mit (mitfiebern im Fernsehen oder Stadion), aber Druck bekommt er von mir gar nicht. Im Gegenteil versuche ich ihm oft zu vermitteln, dass der Spaß im Vordergrund steht und eine Niederlage nicht so schlimm sei. Das ist sein eigener Ehrgeiz.
Der andere Junge ist das etwas zurückhaltender, leidet aber auch sehr unter Niederlagen (egal ob im Training oder im Spiel). Er ist zum Beispiel schon in der Lage, Gegenspieler bewusst zu umspielen und scheitert dann aber oft an der Knäuelbildung, was ihn noch mehr runterzieht. Auch hier würde ich vermuten, dass der Druck nicht von den Eltern kommt.
Diese Kinder sind es auch, die wenig Lust an Fang- und Laufspielen haben und lieber das ganze Training mit dem Ball vollbringen wollen.
Generell würde ich also nicht sagen, dass die Kinder kein eigenes Ergebnisdenken mitbringen, auch wenn das beim Großteil der Kinder bestimmt noch nicht so ist.
Mein Training richtet ich zur Hälfte nach den DFB-Idealen (Koordination, Athletik, Spaß, Fang-, Lauf- und Kletterspiele) und zur Hälfte nach eigenen Vorstellungen (ich versuche das, was im Spiel schlecht gelaufen ist, zu analysieren und denke mir eine Trainingsmethode aus bzw. suche eine geeignete hier oder auf der DFB-Seite, um dem in Zukunft vorzubeugen) sowie klassischen Trainingsinhalten (Dribbling, Torschuss).
Ich achte dabei immer darauf, dass die Kinder Spaß an der Sache haben und ich probiere sehr viel Verschiedenes aus. Wenn die Kinder gelangweilt sind, erachte ich diese Trainingsmethode als gescheitert. Ich habe so viele Kinder (14-15), dass ich „Anstellspiele“ meide oder nur durchführe, wenn mit ein zweiter Papa hilft und wir die Jungs aufteilen können.
Am Anfang lasse ich die Kinder immer 10-15 Minuten austoben, jeder mit einem eigenen Ball. Zum Schluss kommt immer das Abschlussspiel, wobei ich die Mannschaften bewusst klein halte (oft drittel ich die Kinder, so dass in jeder Mannschaft nur 3-5 Kinder sind und ein Teil Pause hat, was zumindest in der Halle ganz gut funktioniert).
Als ein Meisterschaftsspiel ausgefallen ist, haben wir auch schon einmal ein Trainingsspiel unter Meisterschaftsbedingungen gemacht. Das hat auch sehr gut geklappt. Ich habe die Mannschaften gleich stark eingeteilt und die Eltern haben gejubelt wie in einem richtigen Spiel (bei Toren auf beiden Seiten ). Das hat den Kinder IMHO auch viel gebracht. Sie haben stark gespielt und viel Spaß gehabt.
Bei diesem Spiel habe ich das Spiel auch bewusst mehrmals unterbrochen und bin auf die Kinder einzeln zugegangen und habe ihnen auf Augenhöhe erklärt, wie sie es besser machen.
Im Meisterschaftsspiel spiele ich mit zwei verschiedenen Torhütern. Jeder eine Halbzeit. Beide spielen auch als Feldspieler. Am Anfang habe ich beobachtet, dass unser erster Torwart (der will jetzt nicht mehr) oft frustriert und verunsichert war (die Eltern rufen rein, die Bälle kommen postwendend zurück. Wo soll ich hinspielen? Wie soll ich spielen?), so dass die anfängliche Euphorie in Frustration umschlug.
Deswegen habe ich ihn zur Halbzeit gefragt, ob er raus will. Das hat er bejaht und seitdem ist das bei uns ein Ritual, dass der Torwart zur Halbzeit wechselt. Damit sind die Kinder auch sehr zufrieden.
Da ich sehr viele Kinder habe, muss ich im Spiel auch viel wechseln. Das war am Anfang ein heilloses Chaos. Mittlerweile geh ich dazu über blockweise zu wechseln, also 4-6 Kinder auf einen Schlag, jeweils einmal pro Halbzeit, so dass jedes Kind Pi mal Daumen die gleiche Spielzeit bekommt. Im Zweifel bekommen die besseren Spieler mehr Spielzeit. Da kann ich auch oft nicht über meinen eigenen Schatten springen. Sollte ein Spiel mal eng sein, werde ich vermutlich einmalig zum Ende des Spiels auch mehr aufs Leistungsprinzip setzen. Das war aber bis jetzt noch nicht der Fall.
Spielerisch ist die Mannschaft in dem halbe Jahr auf jeden Fall gewachsen. Das sehen die meisten Eltern auch so, auch wenn die Erfolge (in Form von Siegen) noch ausbleiben.
Eine interessante Beobachtung habe ich auch noch gemacht. Kinder, die schon an der Spielkonsole Fußball zocken (mein Sohn ist auch dabei, die anderen haben sich über ihre Spielweise „geoutet“) entwickeln dadurch ein gewisses Spielverständnis und tendieren dazu den besser postierten Mitspieler zu suchen, den Kopf hoch zu nehmen und zu passen. Das klappt oft schon erstaunlich gut. Im Training schnalze ich oft mit der Zunge. Auch ein Tor in der Meisterschaft ist so schon gefallen. Diese Tore sind nicht durch Zuruf von mir entstanden, sondern aus eigenem Antrieb.
Trotzdem erwische ich mich immer wieder dabei, etwas ins Spielfeld zu rufen. Die Zurufe sind ausschließlich positiv und rat gebend, trotzdem habe ich manchmal im Nachhinein das Gefühl, dass ich den Kindern in dem einen oder anderen Moment ihre Spontanität und Kreativität geklaut habe.
Aber Emotionen lassen sich schwer steuern. Die Kinder sind auf jeden Fall stark trainerorientiert. Man muss bei den Bambinis sehr genau darauf schauen, was man sagt und vorlebt.
Woran ich noch arbeiten muss und wo ich meine größte Schwäche sehe, ist die Ansprache. Mir fällt es schwer die Kinder im Spiel zu erreichen und die letzten Prozent Einsatz und Lust aus ihnen raus zu kitzeln. Oft gucke ich nur in fragende Gesichter. Dann helfen nur noch klassische Fragen, die die Kinder mit einem lauten und kollektiven „Ja“ beantworten.
Eine ganze Zeit lang, habe ich auch das „Humba“ der Bundesligamannschaften zum Abschluss adaptiert. Das hat auch so lange gut geklappt, bis das Schubsen so stark wurde, dass das in Aggressionen umgeschlagen ist und die größeren und stärkeren Kinder die anderen zum Weinen gebracht haben.
Die Eltern stehen mir – soweit ich das mitbekomme – positiv gegenüber. Natürlich gab es Einwände wegen der vielen Wechseln und der Gleichberechtigung aller Kinder (speziell von den Eltern der „Guten“) und es wurden auch Siege eingefordert (Kommentar: Auf Dauer wird der Unmut steigen), aber wenn man offen seine Philosophie kommuniziert und Verständnis einfordert, bekommt man das ganz gut hin. Denke ich zumindest. Im Zweifel sitzt man als Trainer auch am längeren Hebel. Rückendeckung vom Verein habe ich auf jeden Fall bekommen (auf einem Elterntreffen während des Trainings sprach der stellvertretende Jugendkoordinator und vertrat den Standpunkt des DFB (ohne zu wissen, wie ich vorgehe)). Der Verein hat mir auch einen kostenlosen Trainerlehrgang angeboten, den ich auf jeden Fall mittelfristig wahrnehmen möchte.
Über Ergänzungen, eigene Erfahrungen, Kritik, Rückfragen oder gar eine fruchtbare Diskussion würde ich mich sehr freuen.
Gruß, Christoph