Beiträge von vangaalsnase

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    Auf dem Weg dahin schleichen sich aber Fehler in den Bewegungsablauf ein und diese kann ich nun mal am besten korrigieren, in dem ich Druckbedingungen rausnehme.



    Deshalb muss ich mein Training dementsprechend auch der Gruppe anpassen und auf jeden Fall isolierte Übungen immer in Spielformen übertragen, um den von dir angesprochenen Transfer zu haben.

    Aber generell Übungsformen auszuschließen ist doch sehr eindimensional und lässt so viele Erkenntnisse der Trainingswissenschaft außen vor.

    Es gibt keine Idealtechnik! Und Studien haben gezeigt, dass das isolierte Einschleifen eben nicht die beste Methode ist, um Techniken zu verbessern. Begründet wird das Einschleifen ja damit, dass Novizen gegenüber Experten eine größere Varianz in ihrer Bewegungsausführung aufweisen. Variabilität wird dabei als Gegensatz zur Stabilität verstanden und ist somit unerwünscht. Daher sollen diese Varianzen möglichst bereinigt werden, bevor man mit dem Spielen beginnt, weil sich dort die vermeintlichen Bewegungsfehler angeblich verfestigen. Zwar verringern sich die Abweichungen der gesamten Zielbewegung vor allem mit zunehmendem Spielerniveau. Allerdings steigen damit aber die Variationen in den Teilbewegungen der einzelnen Gelenke, um sich den situativen Anforderungen im Detail anpassen zu können. Das heißt also, dass die Ergebniskonstanz mit zunehmender Expertise größer wird, wobei aber die Bewegungskonstanz sinkt.


    Man hat dazu verschiedene Sportarten analysiert. Eine davon war das Sportschießen, wo also die Startsituation - anders als im Fußball - immer gleich ist. Hier war es so, dass die Experten in ihrem Trefferbild stabiler waren. Aber ihre Teilbewegungen in der Schulter und dem Ellenbogen variierten stärker als bei den Novizen. Demnach ist Bewegungsvarianz kein Hindernis für Erfolgsstabilität, sondern die Grundvoraussetzung (Quelle mit weiterführender Literatur: Die Anwendung nichtlinearer Verfahren zur Charakterisierung der menschlichen Variabilität aus Zeitreihen).


    Gabriele Wulf hat 2007 eine Review veröffentlicht, in der sie die Ergebnisse aus 10 Jahren Forschung zu Bewegungskorrekturen in vielen verschiedenen Sportarten beleuchtet (hossner_wulf.pdf). Die Quintessenz war/ist, dass Korrekturen, die auf die reine Bewegung (interner Fokus) abzielen, zu weniger Verbesserungen führen als ein externer Bewegungsfokus: z.B. Trefferzone am Tor vorgeben. Das bedeutet, dass dem Bewegungseffekt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss als der reinen Bewegungsausführung, wie das beim Einschleifen gemacht wird. Und der Bewegungseffekt hat in Spielformen die größte Relevanz.


    Wolfgang Schöllhorn, ein Pionier des differenziellen Lernansatzes, konnte übrigens zeigen, dass Isoübungen, in denen keine Schwankungen erzeugt werden (also Umstände, die zu Bewegungsfehlern im Rahmen einer vermeintlichen Idealtechnik führen), auf Kinder noch weniger Lerneffekte haben, als das bei Erwachsenen der Fall ist. Damit stößt er in die gleiche Kerne wie Patric Schubert aus meinem ersten Link.


    Wir können uns das eigentlich ziemlich einfach aus dem Straßenfußball herleiten. Einem Pele hat in seiner Kindheit niemand gesagt, wie er sich am Ball verhalten soll. Der hat auf der Straße mit Bällen aus Socken- und Zeitungsfetzen gespielt; teilweise barfuß. Die Generation um Beckenbauer, Netzer und Co. bestand überwiegend aus Straßenfußballern. Und ebendiese Generation gilt für viele auch heute noch als die wohl spielstärkste Generation des dt. Fußball.


    Zur Jahrtausendwende führte Klaus Roth die sogenannte „Spielmacherstudie“ durch, in der er Spieler, die als besonders kreativ und technisch beschlagen galten, über ihre Kindheit befragte. Darunter waren u.a. Mehmet Scholl sowie die Welthandballer Daniel Stephan und Magnus Wislander. Sie alle gaben an, das Spielen auf der Straße gelernt zu haben. Dabei haben sie aber nicht nur Fußball/Handball gespielt, sondern auch Hockey, Eishockey oder Basketball. Niemand war da, um ihre Bewegungen und technischen Ausführungen zu korrigieren. Sie haben dadurch eine große Bewegungserfahrung erworben und gelernt, situationsübergreifende Lösungen zu finden.


    Ich könnte jetzt noch darauf eingehen, inwiefern Technik, Wahrnehmung und Entscheidung im Zusammenhang stehen und daher unbedingt simultan trainiert werden sollten, aber dann sprenge ich hier jeglichen Rahmen.

    Uns wurde gesagt, man müsse in der Lage sein, mit Spielern einer Verbandsligamannschaft 10-15 Minuten im Trainingsspiel mithalten zu können. Ansonsten würden die Spieler einen nicht respektieren. Alternativ soll man als Trainer fähig sein, seinen Spielern Techniken (korrekt) vorzuführen.


    Der DFB will sagen können, dass man als Trainer in einer höheren Liga zwingend selbst auf hohem Niveau gespielt haben muss. Das ist quasi eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Habe das bei meinem Ausbildungsleiter für die B-Lizenz erlebt. Der hat immer wieder hervorgehoben, dass alle hochklassigen Trainer Profis waren oder kurz davor (Nagelsmann hat es verletzungsbedingt nicht geschafft, war aber Spieler in der A-Jugendbundesliga, Tuchel und Klopp immerhin Zweitligaprofis). Er selbst hat unabhängig von fachlicher Eignung all seine ehemaligen Schützlinge aus seiner Zeit als Auswahltrainer weitergelassen. Gleichzeitig hatten andere, die nicht so gut kicken konnten, nur geringe Chance. Er hat erzählt, dass sich Ex-Profis bei ihm über das geringe spielerische Niveau bei den A-Lizenzen beschweren, weswegen er keine spielerisch Schwachen mehr weiterlässt. Die bekommen dann vielleicht noch die B-Lizenz aber keinen NC für die nächsthöheren Lizenzen.


    Im Endeffekt führt es dazu, dass Einflüsse von außerhalb des DFB bzw. des "Establishments" klein gehalten werden, was nicht selten dazu führt, dass manche inhaltlichen Probleme nicht erkannt werden. Ich weiß nicht, ob es noch immer so ist, aber es gab mal eine verkürzte Trainerausbildung für ehemalige Nationalspieler. Raymond Verheijen hat mal gesagt, eigentlich müssten gerade Profis eine längere Ausbildung durchlaufen, weil sie eben oft erhebliche fachliche Mängel haben.


    Ich selbst finde auch, dass die spielerischen Fähigkeiten keine Rolle spielen sollten. Natürlich hat man als Ex-Profi am Anfang ein anderes Standing bei seinen Spielern. Aber sobald die merken, dass da inhaltlich nichts hinter steckt, war es das mit dem guten Ruf.

    Ja. Mittels Positionsspielformen. Aber nicht nur ab und zu, sondern bei jedem Training 2-3 solcher Spielformen. In derartigen Formen gibt es meist keine klare Spielrichtung, weswegen man sich ständig in alle Richtungen orientieren und umblicken muss. Entlang der Außenlinien können Neutrale eingebaut werden, was ständig zu Überzahlwechseln führt. Da der Raum regelmäßig eng ist, hat man ständig eine hohe Intensität mit etlichen Ballaktionen in sehr kurzer Zeit. Die Variationsmöglichkeiten sind endlos und erlauben eine recht präzise Steuerung der gewünschten Inhalte. Sogar Gegenpressing lässt sich wunderbar trainieren, indem man mehrere Zonen einteilt.

    Es wurde immer nur über das spanische Kurzpassspiel geredet, aber abgesehen von den Bayern, der N11 und einigen wenigen Vereinen in der BuLi war das immer die Ausnahme.


    Bei der Vermittlung von Individualtaktik gibt es DFB-seitig einen eng abgesteckten Handlungskatalog (Gegner frontal im Zentrum, Gegner im Rücken usw.). Viel Raum für Entscheidungen gibt es da nicht.


    Wie ich darauf komme, dass Entscheidungsfindung und Orientierung kaum eine Rolle spielen? Indem ich davon nie etwas höre oder lese, wenn ich mich bspw. in diesem Forum rumtreibe, Lehrveranstaltungen des DFB besuche oder ich Experten höre bzw. lese. Da ist "offene Stellung" schon das höchste der Gefühle.


    Ich habe mich in den vergangenen Jahren auf sehr vielen Trainingsplätzen in Berlin und Brandenburg rumgetrieben. Dort sieht man in aller Regel isolierte Passübungen, Dribbelparcours oder das 1gg.1. Ich habe bereits mehrfach in anderen Threads dargestellt, warum das 1gg.1 ein unpassendes Übungsdesign ist, indem es der tatsächlichen Komplexität des Spiels in keiner Weise gerecht wird (von Isoübungen ganz zu schweigen). Darum hat diese Übungsform auch nicht den erhofften Effekt, das Zweikampfverhalten oder Dribblingfähigkeiten tatsächlich zu verbessern. In der Folge denken wieder alle, dass man noch stärker individualisieren müsse und treibt es weiter auf die Spitze, was dann wieder nicht funktioniert usw. usf.


    Der Grund, warum der deutsche Fußball seit der EURO 2000 trotzdem gute Ergebnisse erzielt hat, ist die herausragende Infrastruktur der Stützpunkte. Es wird abgesehen vom RAE kein Talent übersehen. Aber Talente werden in diesem System lediglich selektiert und wieder ausgetauscht. Eine inhaltliche Förderung ist das jedoch nicht. Das hat einige Jahre trotzdem gut funktioniert, doch mittlerweile beklagen wir, dass wir Ländern wie England und Frankreich hinterherhinken. Das wird auch so bleiben, wenn wir nicht endlich unsere Inhalte überdenken.


    Ich hatte den ehemaligen Nachwuchsleiter von Eintracht Braunschweig in meinem Trainerlehrgang als Dozenten, nachdem er es in der Vorsaison geschafft hat, dass die U17 und U19 gleichzeitig aus der BuLi absteigen. Einer seiner Trainer war mal für einige Wochen bei einem guten Freund von mir zu Gast und hat davon geschwärmt, wie sie in Braunschweig viel stärker auf Individualtraining setzen und dafür weniger Mannschaftstrainings hätten. Das fand dann seinen traurigen Höhepunkt in der Saison 2017/18 als man wie gesagt abstieg. Man schmiss den Nachwuchsleiter in Braunschweig raus und holte ihn dann zum BFV. Da haben sie uns dann beim Lehrgang live gezeigt, wie sie jetzt Talente ausbilden. Waren tolle Jungs (zwischen 12 und 13 Jahre alt), aber von einem Mannschaftsspiel war da nicht mehr viel zu sehen. Das waren lauter Privatduelle, ohne dass sich gegenseitig unterstützt wurde. Zwar war es toll, dass die Spieler angehalten wurden, aktiv das Dribbling zu suchen, aber es wurde einfach ignoriert, dass da auch fürchterliche Entscheidungen getroffen wurden, indem man Dribblings suchte, wo ein Pass die beste Alternative gewesen wäre. Dadurch sorgt man aktiv dafür, dass sich gar nicht erst nach den eigenen Mitspielern gerichtet wird. Wahrnehmung und darauf basierende Entscheidungen spielten keine Rolle. Man achtete nur noch auf sich selbst. Das war kein Mannschaftsspiel mehr sondern Individualsport.


    Anderes Bsp.: Seit dem Weggang von Guardiola bei Barcelona beklagt man, dass sich aus la Masia kein großes Talent mehr hervortun konnte. Barcas Spiel ist zudem seit 2015 kontinuierlich schlechter und schlechter geworden. Bereits 2014 wies mich René Maric (Co-Trainer bei M'Gladbach) darauf hin, dass Barca im Nachwuchs nun mehr auf Isoübungen und Individualtraining setzen würde. Wir vermuteten beide damals schon, was nun nicht mehr zu übersehen ist.

    Aber wir dürfen nicht vergessen, wozu der DFB-Stützpunkt da ist: Individuelle Förderung von Talenten! Das Individuelle wird also groß geschrieben, es soll keine Mannschaft aufgebaut werden. Wozu auch?

    Und genau das ist ein großes Defizit in der deutschen Fußballausbildung (Spieler- UND Trainerausbildung). Es wird überall impliziert, dass Technik und Kondition wichtiger sind als Wahrnehmung, Orientierung, Entscheidungsfindung und sämtliche kollektivistische Aspekte (gegenseitige Absicherung mit und ohne Ball, Verbindungen etc.). Das ist ein großer Irrtum und zeigt sich auch immer wieder als fataler Ansatz, wenn wir nach großen Niederlagen jammern, es gebe keine Kreativen (kaum einer vermag zu sagen, was unter Kreativität verstanden wird) mehr. Dann heißt es zum wiederholten Male, wir brauchen mehr Individualisten (mit Individualisten sind grundsätzlich Spieler gemeint, die stark im 1-gegen-1 sind). Dabei haben wir schon immer nur Individualisten ausgebildet. Also verstärken wir abermals den Fokus aufs Individuum. In meinen Augen ein Teufelskreis.


    Natürlich habe ich nichts gegen solche Spieler, die durch eine Einzelaktion wie dem Dribbling den Unterschied ausmachen können. Aber ich will keine Mannschaft, in der 10 dieser Spezialisten sind, die nicht in der Lage sind, ein kollektives Zusammenspiel zu betreiben und sich an irgendeinem Punkt nur noch festrennen. Ich will Spieler, die sich gegenseitig helfen können. Die einem gemeinsamen Plan folgen, in dessen Rahmen sich jeder einzelne gemäß seinen Eigenheiten möglichst optimal entfalten kann. Aber so etwas sehe ich leider nur sehr sehr selten.


    Wir verfolgen in Deutschland einen extremen Umschalt- und Pressingfokus und glauben, nur das ließe sich als Mannschaftstaktik trainieren. Der Gegner wird ständig unter Druck gesetzt und soll mittels schneller Konter überrumpelt werden. Steht er jedoch tief, ist man vom Egoshooter abhängig. (Offensiv)Strategien wie das Positionsspiel bieten demgegenüber so viel mehr Möglichkeiten. Nicht nur für das Team sondern auch für den Einzelnen. Dafür benötigt man aber Spieler, die mehr können, als nur dribbeln. Aber so lange man einen solch starken Individualfokus verfolgt, kann man nicht erwarten, dass das je umgesetzt wird.

    Ich stimme zu, dass man so früh noch nicht sagen kann ob es bei einem Kind für den Profisport reicht, man kann in dem Alter aber sehr wohl feststellen das es nicht reicht.

    Das ist Unsinn. Kinder können später noch unglaubliche Sprünge machen. Hatte mal einen Mitspieler, der bis zur D-Jugend im Tor stand, weil er ansonsten nix konnte. Kaum setzte die Pubertät ein, wurde er zum absoluten Leistungsträger, ging mit 15 zu Hansa Rostock (damals noch 1. BuLi) und war im nationalen Auswahlkader. Verletzungen haben dann letztlich Profikarriere verhindert.


    Ihr solltet euch vielleicht nochmal vor Augen führen wozu die DFB-Stützpunkte eigentlich da sind. Es geht nicht darum Spieler zu fördern die vielleicht später in der Kreisliga oder Bezirksliga ihres Dorfvereins eine gute Figur abgeben, sondern einzig und allein darum potenzielle Bundesligaprofis und Nationalspieler frühzeitig zu erkennen und zu fördern.

    Das ist jedem hier bewusst. Gemäß dem Bericht von Mittelfeldstratege lässt sich aber recht gut erkennen, dass mit diesen Trainern wohl kaum die vielversprechendsten Talente gefunden werden, sondern allenfalls diejenigen, die im Moment am auffälligsten sind. Die Talentkriterien vorzugeben ist das eine. Diese aber auch zu erkennen ist etwas ganz anderes. Und dafür hat der DFB keine zuverlässigen Instrumente. Davon unabhängig sind zweiminütige Spielbeobachtungen unseriös.

    Diese Art von Spieler ist ebene das oben beschriebene Beispiel. Sicherlich super für jeden Breitensportverein und eine Wohltat für jeden Mitspieler, aber kann und wird sich so ein Spieler jemals in einem Bundesliga-NLZ und U-Nationalmannschaften durchsetzen können? Höchstwahrscheinlich nicht. Deswegen wird er nicht selektiert und gefördert.

    Er wird deswegen nicht gefördert, weil diese Fähigkeiten nicht zu Talentkriterien gezählt werden, was davon zeugt, dass der Fußball gar nicht in seiner Komplexität verstanden wird. Wer nur laufstarke Dribbler selektiert, muss sich nicht wundern, wenn ein Vorrundenaus bei einem internationalen Turnier irgendwann nicht mehr nur die Ausnahme ist. Gemäß diesen Kriterien, dürften Leute wie Xavi oder Busquets nie den Sprung in den Profibereich schaffen.

    Ein Trainer sagte dann noch, das er sich ein Kind hier im Training 2 Minuten ansieht und dann bereits erkennt, ob es reicht oder nicht....

    Das allein sagt schon alles über die Qualifizierung dieses "Trainers".


    Beide waren häufig dabei, sich lange Notizen zu machen und sahen so viele Spielszenen überhaupt nicht.

    Sehr guter Punkt, der viel zu häufig unerwähnt bleibt.



    Alles, was Mittelfeldstratege schreibt, verdeutlicht die wesentlichen Mängel in der Talentauswahl der Verbände:

    So wird etwa viel zu früh selektiert. Vor dem 11. Lebensjahr braucht man damit gar nicht anfangen. Erst ab 15. Jahren lässt sich halbwegs verlässlich sagen, wer das Potenzial für den Profisport hat. Wer behauptet, bei einem Kind nach zwei Minuten zu erkennen, ob es sich um ein Talent handelt, sollte nichts mit der Auswahl und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen zu tun haben.


    Es werden technische und konditionelle Leistungsmerkmale überfokussiert, während strategisch-taktische Eigenheiten ignoriert werden. Spielübersicht und Entscheidungsfindung spielen wenn überhaupt nur eine untergeordnete Rolle. Ob ein Spieler seine Vorderleute klug absichert oder Verbindungen zwischen seinen Mitspielern erzeugt, wird schlicht nicht erfasst. Das sind oft die vermeintlich "unauffälligen" Spieler. Indem man diese aber ignoriert und stattdessen nur Laufwunder und Dribbelkünstler fördert, sorgt man dafür, dass wir letztlich 11 Einzelspieler haben, die aber kaum in der Lage sind, als Mannschaft zu funktionieren. Ständig wird gefordert, es müssten wieder vermehrt Individualisten ausgebildet werden... In Deutschland wurde nie etwas anderes getan!

    Man bildet die Spieler zwar im gemeinsamen Pressing aus (und behauptet dann, sie seien taktisch gut ausgebildet), aber vermittelt nicht, dass auch Spielaufbau und Angriffspiel auf einer mannschaftlichen Ebene funktionieren können (auch das ist Taktik!). Stattdessen setzt man auf sogenannte "Unterschiedsspieler".

    Ich bin nämlich auch der Meinung, dass das alles nicht zwingend gar nix bringt.

    Es sagt ja auch niemand, dass isolierte Technikübungen gar nichts bringen. Wenn man Spieler tagein-tagaus nur mit Isoübungen konfrontiert, wird natürlich ihre Technik sichtbar besser. Das ist keine Frage. Allerdings ist der Lernfortschritt auf die reine Bewegung beschränkt; es dauert länger, bis Verbesserungen einsetzen und die erlernten Techniken gehen schneller wieder verloren. Das ist ähnlich wie mit dem isolierten Konditionstraining. Es bringt zwar was, aber mittels Spielformen lässt sich die Kondition mindestens genauso gut steuern. Warum also überhaupt isoliert Kondition bolzen?


    Ich verstehe den Gedanken, dass man seinen Spielern Abwechslung im Training bieten möchte. Und wenn Spieler gerne Torschussübungen machen, weil sie Spaß daran haben, sollen sie das auch dürfen. Aber aus einer streng didaktischen und methodischen Sicht, bieten Isoübungen ggü. Spielformen keinerlei Vorteile. Ich würde allenfalls Isoübungen machen, wenn es sich um eine Regenerationseinheit handelt.

    Die Kritik von Künzel und Hossner steht nicht mehr im Raum. Sie hat mit Wissenschaftlichkeit nichts zu tun und wurde daher auch zurecht von anderen Wissenschaftlern (nicht Schöllhorn) abgelehnt.


    Tatsächlich ist Schöllhorn sehr isoliert unterwegs, aber zumindest zeigen seine Ergebnisse ergänzend zu Wulffs Review, dass die theoretischen Annahmen des klassischen Techniklernens ("Bewegungsfehler" und Varianzen müssen abgestellt werden, um Techniken erfolsstabil anwenden zu können) falsch sind. Daraus lässt sich ableiten, dass Techniken in einer "chaotischen" und ganzheitlichen Umgebung besser trainiert werden. Und dazu gibt es Studien, in denen stets der spielformenbasierte Ansatz ggü. dem klassichen Techniktraining Vorteile hatte. Ich muss mal FdF wieder durchforsten und die Studien raussuchen.

    Auf die Gefahr hin, dass es einigen auf die Nerven geht, aber hier nun zum dritten mal eine PDF, die ich vor Jahren schon gepostet habe. Ist quasi eine Kurzzusammenfassung von Fußball durch Fußball und ein klares Plädoyer für eine rein spielformenbasierte Trainingsmethodik. Faktische Belege für die Überlegenheit von Spielformen gibt es zu genüge. In Fußball durch Fußball werden etwa 100 Studien dazu zitiert.


    Zu Life Kinetik steht ebenfalls was in FdF (Rn. 413 auf Seite 213). Um die darin angerissenen Unzulänglichkeiten von Life Kinetik noch besser einordnen zu können, empfehle ich das 10. Kapitel "Neuroathletiktraining" zu lesen (Rn. 421ff.). Das Kapitel hat Lars Lienhard beigesteuert, der DIE Instanz für Neuroathletik im deutschsprachigen Raum ist. Er war 2014 im Campo Bahia und gehörte dort zum Athletikteam.


    Die Übungen der "Youtube-Stars" sind in der Regel altbekannte Übungen, angereichert mit bunten Kringeln, Rechenaufgaben oder was weiß ich und nennt es dann "kognitiv". Das ist nichts weiter als Marketing. Klingt fancy, also springen alle auf den Zug auf, ohne dass dieser Kram mal einer kritischen Würdigung unterzogen wird. Das ist nichts weiter als alter Wein in neuen Schläuchen.


    Mich ärgert so etwas zunehmend, weil es eigentlich schon längst eine Art wissenschaftlichen Konsens über die Wirksamkeit von Spielformen ggü. Isoübungen gibt. Insofern ist das auch keine Frage von "Meinungen" mehr. Wir reden hier über Fakten. Das vermeintliche Argument, man könne nur in isolierten Übungen bestimmte Techniken und Tricks vermitteln, ist quasi der letzte Strohhalm für die Verfechter des Isotrainings. Dabei offenbart diese Auffassung einen erheblichen Denkfehler: Die Wirksamkeit von Finten ergibt sich nicht primär aus einer sauberen technischen Ausführung, sondern aus der Ausnutzung der Situationsdynamik. In einer tatsächlichen Spielsituation gibt es selten bis nie ein klares 1-gegen-1. Dort hat der Ballführer meist nicht nur die Option, an seinem Gegenspieler vorbeizudribbeln, sondern auch die Möglichkeit, einen Pass zu einem Mitspieler zu bringen. Vielleicht hat er sogar gleich mehrere Passoptionen. All diese Möglichkeiten muss die Verteidigung berücksichtigen. Andres Iniesta und Sergio Busquets sind bspw. Kandidaten, die solche Optionen oft für die Gegnertäuschung nutzen konnten, ohne 100 Übersteiger machen zu müssen. Da wird im passenden Augenblick das Tempo verändert und der Körper leicht gedreht, um anzudeuten, dass nun ein Pass erfolgt. Reagiert der Gegner darauf, erfolgt ein kurzer Antritt und der Gegner ist überwunden. Technisch ist das nicht sonderlich anspruchsvoll, aber das Erkennen und Ausnutzen der Situationen für solche Täuschungen erfordert ein präzises Timing, welches wiederum ein ungemein hohes Spielverständnis voraussetzt. Ein solches erwirbt man aber nicht in isolierten Übungsformen, wozu ich auch die klassische 1-gegen-1-Übung zähle. In einer 1-gegen-1-Übung fehlen nämlich grundsätzlich Passoptionen, auf die sich die Abwehr halt im Spiel ständig einstellen muss.


    Nicht falsch verstehen! Ich habe nichts gegen Finten, aber sie werden, wie so vieles in der klassischen Trainingslehre, falsch eingeschätzt.

    Finde es immer erstaunlich, wenn Ausrechenbarkeit als negativ angesehen wird. Wird es nicht als Merkmal einer guten Mannschaft angesehen, wenn sie einen klaren Spielstil hat. Es wusste bspw. jeder, was Barca unter Guardiola spielt. Trotzdem kaum zu stoppen. Man weiß auch immer, was Rangnickteams für einen Fußball spielen werden. Und was hat es Weltklasseverteidigern genützt, zu wissen, dass Arjen Robben nach innen zieht?

    Gelten nicht Mannschaften umgekehrt oft als schlecht, die keine Spielphilosophie haben?


    Ausrechenbarkeit ist ein völlig unpassendes Wort, um die Qualität einer Mannschaft zu beschreiben. Es geht nicht darum, ob ich ausrechenbar bin, sondern ob und wie ich meine Idee (situativ) umsetze. Selbst wenn mein Gegner weiß, dass ich nicht flanke, heißt das doch nicht, dass er es leicht gegen mich hat. Die Möglichkeiten, ohne Flanken zum Torerfolg zu kommen, sind recht zahlreich. Genügend Potenziale, den Gegner vor viele Probleme zu stellen.

    was habt ihr gegen Flanken?

    Statistische Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs ist gering. Laut https://www.premierleague.com/stats/top/players/total_cross hat Trent Alexander-Arnold 382 Mal geflankt und 13 Assists. Ich bin mal großzügig und unterstelle, dass alle Assists Flanken gewesen sind: 3,4% Erfolgsquote. Kevin De Bryune: 304 Flanken, 20 Assists ergibt max. 6,6% Erfolgsquote. Hier ein Video von allen Assists De Bruynes in der PL 2019/20: https://www.youtube.com/watch?v=fgbmE_awIvk.


    wie die zweite Studie richtig bemerkt, fallen auch nach der Flanke an sich viele Tore, weil die Verteidiger den Ball nicht richtig klären können --> Abpraller und 2. Ballbesitz oder Ecke + Standardsituation :)

    Ich würde ein Tor nach ca. 45 Flanken nicht gerade als "viel" bezeichnen.


    Hier mal ein extremes Negativbeispiel: https://www.watson.ch/sport/pr…eit-von-manchester-united.

    Provokationsregeln gehören auch eher in Spielformen ohne Spielrichtung und Tore (Positionsspielformen wie el rondo etc.). Dort kann man das Spiel zu einem gewissen Grad "verfälschen", um bestimmte Prinzipien zu fokussieren. Über Rückpassverbote (nach Pass zu einem Mitspieler darf dieser nicht direkt zum Passgeber zurückspielen) vermittle ich etwa das Spiel über den Dritten. Oder ich baue ein Feld mit sechs Zonen auf, die bespielt werden müssen ("bespielt" heißt, dass innerhalb einer Zone ein Pass zu einem Mitspieler gelangt), um Punkte zu machen. Damit schule ich Strukturbildung in engen Räumen und Stressresistenz.


    Das, was ich in diesen Positionsspielformen mache, will ich dann in einer freien Spielform ohne Provokationsregeln (X vs. X auf Tore) sehen.

    Bei uns gibt es ein Konzept, dass ab der C-Jugend in Viererketten gespielt werden soll, damit der Übergang in den Seniorenbereich fließend erfolgen kann.

    Das hörte sich für mich erst einmal gut und interessant an.

    Ein paar Monate später höre ich einen Podcast über die Jugendabteilungen des BVB. Und hier dürfen die Trainer der Jahrgänge selbst entscheiden, ob sie mit Dreier- oder Viererkette arbeiten wollen. Damit sollen die Spieler flexibler bleiben.

    Hier ist in unserem Verein das "Gut gemeint" vielleicht eher negativ als positiv.

    Vielleicht einfach nur dahingehend korrigieren, dass das ballorientierte Verteidigen vermittelt und gespielt wird. Dann ist es egal, ob Dreier- oder Viererkette.


    Selbst große Vereine wie der FC Arsenal lassen zuweilen Konzepte vermissen (https://tribuna.com/en/arsenal…-on-lack-of-quality-of-a/).


    Ich denke auch, dass man außerhalb von NLZ allenfalls grobe Prinzipien vorgeben kann. Denn wenn man es tatsächlich so leben würde, wie es auf dem Papier steht, bräuchte man zwingend in allen Mannschaften Trainer, die sich diesem Konzept einerseits verpflichtet fühlen und andererseits die Fähigkeiten haben, das auch so umzusetzen. Dafür wiederum bräuchte man eine Kontrollinstanz (Traineranalyst, Trainerscout), die weder Nachwuchsleiter noch Trainer einer Mannschaft innerhalb des Vereins sein darf. Dieser Scout beobachtet regelmäßig die Trainings und Spiele. Auf dieser Grundlage bewertet und bespricht er in ständigem Austausch mit den Trainern Inhalte und Methodik. In regelmäßigen Abständen (1x monatl.?) setzen sich alle Trainer zusammen und diskutieren unter Führung des Trainerscouts aktuelle Themen (Umgang mit Talenten, Maßnahmen zu Erreichung saisonaler Zielsetzungen, Austausch über Spielformen).

    Denn ohne die richtige Technik nützt der Rest nix.

    Tu' mich immer sehr schwer mit solchen Aussagen, weil es eine isolierte Betrachtung von Technik ist. Lehne ich auch im Hinblick aufs Kurzpassspiel ab. Auch dazu könnte ich einen ellenlangen Text schreiben, wie Staffelungen/Strukturen, Orientierung und Wahrnehmung genutzt werden können, um Spielern ein technisch viel leichteres Passspiel zu ermöglichen. Wenn wir den Fußball und seine einzelnen Elemente nicht immer zuerst von einem technischen Standpunkt aus betrachten, sondern zunächst strategische und taktische Merkmale analysieren, könnten wir viel effizienter trainieren.

    Oder sie haben 20.689 Pässe gespielt, um 100 Tore zu erzielen -> ca. 207 Pässe für ein Tor - viel oder wenig? Lohnt sich passen?

    Dieser Vergleich zwischen Pass und Flanke hinkt, weil Flanken in der Regel direkt zum Tor führen sollen, wohingegen Pässe noch andere Funktionen erfüllen (Ballvortrag/Raumgewinn und/oder Ballsicherung). Zudem kann man Pässe defensiv nutzen, indem dem Gegner über viel Ballbesitz keine Möglichkeit gegeben wird, selbst anzugreifen. Insofern kann man über die Quote von Tor je Pass keine Aussage über die Effizienz treffen. Bei Tor je Flanke hingegen schon.