Auf dem Weg dahin schleichen sich aber Fehler in den Bewegungsablauf ein und diese kann ich nun mal am besten korrigieren, in dem ich Druckbedingungen rausnehme.
Deshalb muss ich mein Training dementsprechend auch der Gruppe anpassen und auf jeden Fall isolierte Übungen immer in Spielformen übertragen, um den von dir angesprochenen Transfer zu haben.
Aber generell Übungsformen auszuschließen ist doch sehr eindimensional und lässt so viele Erkenntnisse der Trainingswissenschaft außen vor.
Es gibt keine Idealtechnik! Und Studien haben gezeigt, dass das isolierte Einschleifen eben nicht die beste Methode ist, um Techniken zu verbessern. Begründet wird das Einschleifen ja damit, dass Novizen gegenüber Experten eine größere Varianz in ihrer Bewegungsausführung aufweisen. Variabilität wird dabei als Gegensatz zur Stabilität verstanden und ist somit unerwünscht. Daher sollen diese Varianzen möglichst bereinigt werden, bevor man mit dem Spielen beginnt, weil sich dort die vermeintlichen Bewegungsfehler angeblich verfestigen. Zwar verringern sich die Abweichungen der gesamten Zielbewegung vor allem mit zunehmendem Spielerniveau. Allerdings steigen damit aber die Variationen in den Teilbewegungen der einzelnen Gelenke, um sich den situativen Anforderungen im Detail anpassen zu können. Das heißt also, dass die Ergebniskonstanz mit zunehmender Expertise größer wird, wobei aber die Bewegungskonstanz sinkt.
Man hat dazu verschiedene Sportarten analysiert. Eine davon war das Sportschießen, wo also die Startsituation - anders als im Fußball - immer gleich ist. Hier war es so, dass die Experten in ihrem Trefferbild stabiler waren. Aber ihre Teilbewegungen in der Schulter und dem Ellenbogen variierten stärker als bei den Novizen. Demnach ist Bewegungsvarianz kein Hindernis für Erfolgsstabilität, sondern die Grundvoraussetzung (Quelle mit weiterführender Literatur: Die Anwendung nichtlinearer Verfahren zur Charakterisierung der menschlichen Variabilität aus Zeitreihen).
Gabriele Wulf hat 2007 eine Review veröffentlicht, in der sie die Ergebnisse aus 10 Jahren Forschung zu Bewegungskorrekturen in vielen verschiedenen Sportarten beleuchtet (hossner_wulf.pdf). Die Quintessenz war/ist, dass Korrekturen, die auf die reine Bewegung (interner Fokus) abzielen, zu weniger Verbesserungen führen als ein externer Bewegungsfokus: z.B. Trefferzone am Tor vorgeben. Das bedeutet, dass dem Bewegungseffekt mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden muss als der reinen Bewegungsausführung, wie das beim Einschleifen gemacht wird. Und der Bewegungseffekt hat in Spielformen die größte Relevanz.
Wolfgang Schöllhorn, ein Pionier des differenziellen Lernansatzes, konnte übrigens zeigen, dass Isoübungen, in denen keine Schwankungen erzeugt werden (also Umstände, die zu Bewegungsfehlern im Rahmen einer vermeintlichen Idealtechnik führen), auf Kinder noch weniger Lerneffekte haben, als das bei Erwachsenen der Fall ist. Damit stößt er in die gleiche Kerne wie Patric Schubert aus meinem ersten Link.
Wir können uns das eigentlich ziemlich einfach aus dem Straßenfußball herleiten. Einem Pele hat in seiner Kindheit niemand gesagt, wie er sich am Ball verhalten soll. Der hat auf der Straße mit Bällen aus Socken- und Zeitungsfetzen gespielt; teilweise barfuß. Die Generation um Beckenbauer, Netzer und Co. bestand überwiegend aus Straßenfußballern. Und ebendiese Generation gilt für viele auch heute noch als die wohl spielstärkste Generation des dt. Fußball.
Zur Jahrtausendwende führte Klaus Roth die sogenannte „Spielmacherstudie“ durch, in der er Spieler, die als besonders kreativ und technisch beschlagen galten, über ihre Kindheit befragte. Darunter waren u.a. Mehmet Scholl sowie die Welthandballer Daniel Stephan und Magnus Wislander. Sie alle gaben an, das Spielen auf der Straße gelernt zu haben. Dabei haben sie aber nicht nur Fußball/Handball gespielt, sondern auch Hockey, Eishockey oder Basketball. Niemand war da, um ihre Bewegungen und technischen Ausführungen zu korrigieren. Sie haben dadurch eine große Bewegungserfahrung erworben und gelernt, situationsübergreifende Lösungen zu finden.
Ich könnte jetzt noch darauf eingehen, inwiefern Technik, Wahrnehmung und Entscheidung im Zusammenhang stehen und daher unbedingt simultan trainiert werden sollten, aber dann sprenge ich hier jeglichen Rahmen.