Definition von Prinzipien:
a) Grundsatz, den jemand seinem Handeln und Verhalten zugrunde legt
b) allgemeingültige Regel, bestimmte Idee, bestimmte Grundlage, auf der etwas aufgebaut ist, nach der etwas abläuft
Dieser Definition folge ich auch. Ich habe im Anhang einige Prinzipien aufgeführt, die ich beim Gegenpressing nutze. Diese sind jedoch keinesfalls abschließend. Ich könnte noch mehr aufführen und das Geflecht bzw. den Prinzipienbaum erweitern, bleibe aber vorliegend nur bei diesen.
Das erste Prinzip ist, dass schon die Staffelung bei eigenem Ballbesitz entscheidend dafür ist, wie ich nach einem Ballverlust umschalten und den Ball zurückerobern kann. Wenn die Spieler bei eigenem Ballbesitz zu weit auseinanderstehen oder (wie im Falle der N11) zu viele Leute auf einer Linie sind, wird es schwer, den Ball sofort zurückzuerobern, weil die Wege zu weit und die Räume zu offen sind. Zudem sorgen solch schlechte Staffelungen dafür, dass die Wahrscheinlichkeit eines Ballverlustes in Folge eines Fehlasses steigt.
Wenn meine Mannschaft in Ballbesitz ist, soll sie so gestaffelt sein, dass sie eine numerische und/oder strukturelle Überzahl am Ball hat. Das sorgt dafür, dass jeder Spieler, sofern er am Ball ist, gleich mehrere Kurzpassoptionen hat. Kurzpassoptionen sind technisch weniger anspruchsvoll, was die Gefahr eines Ballverlustes von vorne herein verringert. Darüber hinaus ist es für den Gegner schwer zu antizipieren und Pässe abzufangen, wenn der Ballführer gleich mehrere Passoptionen hat. Gleichzeitig ist der Gegner, wenn er doch den Ball erobert, zunächst in Unterzahl, was es meinen Spielern erlaubt, sofort Druck auszuüben. Für die Schaffung dieser GP-begünstigenden Staffelungen und Strukturen habe ich wiederum weitere Prinzipien. Das würde aber hier den Rahmen sprengen.
Ein nächstes Prinzip im GP ist, dass der Gegner nicht aus meinen GP-Strukturen ausbrechen darf. Solange der Gegner am Ball ist, ich aber Überzahl am Ball habe, will ich diesen Vorteil natürlich ausnutzen. Da wäre es fatal, wenn es dem Gegner gelingt, aus meiner Vorteilssituation auszubrechen. Um das zu verhindern, nutze ich weitere (Sub- oder Unter-)Prinzipien. So sollen meine Spieler ihren Vorteil dazu nutzen, aus möglichst vielen Richtungen Druck zu machen, damit dem Gegner am Ball die Zeit fehlt, sich zu orientieren und seine Mitspieler zu sehen, weil er nur damit beschäftigt ist, den Ball nicht zu verlieren. Gleichzeitig dient dieses Unterprinzip dem Prinzip der schnellen Ballrückeroberung.
Ein weiteres Unterprinzip ist das Abdecken möglicher Verlagerungsräume für den Gegner. So stelle ich Räume und/oder Gegenspieler, über die der Ballführer potentiell ausbrechen und verlagern könnte, in den Deckungsschatten (Sub-sub-Prinzip). Dabei spielt situativ das bogenförmige Anlaufen eine wichtige Rolle.
Das Zusammenspiel dieser Prinzipien und Unter-Prinzipien sorgt dafür, dass der Gegner keine Zeit am Ball hat. Er hat ständig Stress und kommt nicht aus dem für ihn nachteiligen Raum. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit einer schnellen Ballrückeroberung.
Das ist nur ein recht grober Anriss dieser Thematik, aber ich denke, er verdeutlicht ganz gut, was mit Prinzipien gemeint ist.
Um das zu trainieren, nutze ich Positionsspielformen, in denen die Teams unterschiedliche Ziele verfolgen (siehe Anhang. Hatte ich schon mal in einem anderen Thread geposted). Ein Team spielt auf Ballhalten, während das andere nach Balleroberung auf Tore abschließen soll. Die Tore simulieren die Verlagerungsräume, um aus den GP-Strukturen auszubrechen. Gleichzeitig werden in dieser Spielform diejenigen Prinzipien vermittelt, die für den Spielaufbau entscheidend sind. Aber wie gesagt: die lasse ich mal unerwähnt, weil es einfach sehr viele sind.
Natürlich erkläre ich meinen Spielern nicht jedes noch so kleine Prinzip. Die meisten sind nur für mich als Trainer relevant, um Spielformen zu entwerfen, mit deren Hilfe, ich die Spieler in Situationen bringe, in denen die Prinzipien notwendig sind. Also alles rein implizit. Trotzdem coache ich natürlich so etwas wie: „wir wollen den Gegner nicht ausbrechen/entkommen lassen“.
Über all meinen Prinzipien schwebt stets das „Prinzip der kurzen Wege“. Je weniger Abstand meine Spieler zum Ball haben, desto mehr Passoptionen bestehen, desto besser sind sie nach Ballverlusten abgesichert und desto eher sind sie in Überzahl und können so Druck gegen den Ball erzeugen, wenn der Gegner ihn hat. Natürlich sollen sie nicht alle auf einem Haufen stehen, aber das klassische Ziehharmonikaprinzip (bei gegnerischem Ballbesitz Raum eng machen. Bei eigenem Ballbesitz den Raum öffnen) finde ich halt unpassend, weil es meinem ersten GP-Prinzip widerspricht.
Bei Interesse werde ich mal etwas zu meinen Prinzipien bei eigenem Ballbesitz schreiben, aber das wird eine Weile dauern.