Umsetzen der Spielphilosophie

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  • Hallo an alle in die Runde,


    zum besseren Verständnis erstmal etwas zu meiner Person und Position. Ich bin aktuell Trainer einer U16 in der Bezirksliga. Es ist mein zweites Jahr als Trainer (vorher 4 Jahre Co-Trainer im unteren Breitensport). Im ersten Jahr (Jahrgang 97/98 ) haben wir den 9. Platz belegt, aktuell (Jahrgang 98/99) sind wir 7.
    Nun zu meinen eigtl. 2 Problemen/Fragen.


    Meine Spielphilosophie ist im Grunde das aggressive Spielen gegen den Ball gepaart vom schnellen Umschalten inkl. Torabschluss. Also kein langsamer Spielaufbau mit Ballbesitz. Das große Problem ist, dass ich in einem 4-2-3-1 agiere aber der Stürmer oftmals vollkommen alleine da steht, weil der Rest einfach nicht effektiv nachrückt. Dadurch kommen wir in den Spielen kaum zu Gelegenheiten und schiessen auch viel zu wenig Tore.
    Ich habe schon etliche Trainingseinheiten durchgeführt die auf dieses Spiel zugeschnitten sind (Pressing etc.) aber irgendwie will es im Spiel nicht so klappen.


    Habt ihr hier Lösungsvorschläge wie man das Problem angehen kann?


    Die zweite Frage betrifft die Trainingsplanung. Ich habe einen Kader von 27 Spielern und eine extrem hohe Beteiligung (mind. 24) pro Einheit. Dabei entsteht das Problem dass ich taktische Sachen kaum einstudieren kann, da ich ja nicht alle 24 Spieler einbinden kann. Wenn ich mir mal 10-14 Spieler rausnehme für eine solche taktische Einheit, sind die anderen natürlich nicht begeistert davon wenn sie stattdessen irgendwelche Passstaffetten abhalten müssen. Wie handhabt ihr so etwas? Zur Verfügung steht mir ein Co-Trainer.


    Vielen Dank für eure Antworten

  • Zur ersten Frage möchte ich mich nicht äußern, solche Sachen finde ich aus der Ferne ziemlich schwer einzuschätzen und der große Taktik-Guru bin ich jetzt auch nicht.


    Die zweite Frage finde ich recht einfach zu lösen: Aufteilen in zwei Gruppen, Wechsel der Gruppen nach 30 Minuten oder einer Dir angemessen erscheinenden Zeit. Wenn Du und Dein Co der Meinung seid, dass sich der Co auch in taktischer Hinsicht einbringen sollte, macht er eine andere Übung zum selben Thema, wenn Du taktische Themen lieber nur selber coachst, macht er halt eine andere Übung, sei es Passpiel, Torschuss, eine Spielform oder was auch immer.

  • EL-Fenomeno


    Erst einmal Glückwunsch, dass du den Sprung vom Breiten- in den Leistungsfussball so gut geschafft hast. Auch die hohe Trainingsbeteiligung deutet darauf hin, das deine Jungs es ähnlich sehen.


    Dir aufgrund der noch recht "mageren" Hinweise einen Rat zu geben, ist sicher nicht einfach. Deshalb fange ich mal mit den häufigsten Ursachen der Abschlußschwächen an.


    Der Angriff wird mit "langen Bällen" vorgetragen
    Wenn man ein schnelles Umschaltspiel in dieser Altersgruppe bevorzugt, dann versuchen die Jungs den Ball durch lange Pässe (statt schnelle Paßkombinationen) schnell nach vorn zu bringen. Weil sie beim langen Paß nicht schnell genug nachrücken können, entsteht so ein Loch im Mittelfeld. Dieses Loch kann der Gegner nach Balleroberung sehr gut nutzen. Denn ihm genügt es, lediglich 1 Anspieler in diesen leeren Raum zu stellen, der dann als Umschaltzentrale zwischen Abwehr und Angriff fungiert. Eine häufige Ursache für diese langen Bälle sind fehlende Anspielstationen im eigenen Drittel.


    Vorschlag: Trainiere den Spielaufbau über die Außenbahnen. Je nach Position des Ballgewinns kann es folgende Passkombinationen geben:


    1. IV passt zu AV, AV zum Außenbahnspieler, der sich fast an die Außenlinie postiert und dann nach innen in Richtung 16-Grundlinie sprintet. Je nach Paßhöhe spielt der Außenbahnspieler:
    - zum 1. Pfosten, wohin der Mittelstürrmer rückt,
    - auf den 2. Posten zum anderen Außenbahnspieler
    - von der Grundlinie flach in den Rücken der gegnerischen Abwehr zum nachrückenden 10-er oder einem offensiven 6-er



    Alternativen beim Spielaufbau im eigenen Drittel:
    1. Häufig stellt der Gegner nach Balleroberung die Außenbahn zu. In diesem Fall erfolgt der Doppelpaß des AV mit dem ballnahen 6-er


    2. Stellt der Gegner das Zentrum zu, sodass der IV nicht nach Außen passen kann, so läßt sich der ballnahe 6-er fallen, wodurch ihr eine größere Überzahl und mehr Anspielstationen im Spielaufbau habt.


    Alternativen beim Spielaufbau im mittleren Drittel:
    Kann der gegnerische AV die Außenbahn zustellen, so sollte sich der eigene AV ins Angriiffsspiel einschalten, indem er seinen Außenbahnspieler "hinterläuft" und somit das Dribbling zum gegnerischen Strafraum fortsetzt. Häufig gibt es bei diesem Pass sogar die Möglichkeit, dass der AV selbst zum Torabschluß kommen kann oder nur noch quer zum mitgelaufenen Mittelstürmer ablegen kann.


    Wichtig für einenden Torerfolg ist das richtige Timing. Denn es müssen beim finanlen Pass über die Außenbahn mindestens 3 Angreifer im oder am Strafraum sein, weil:
    - der Mittelstürmer mal einen ungünstigen Abschlußwinkel hat, sein Gegenspieler die "innere Linie" gut zugestellt hat, sodass er den Ball auf den 2. Pfosten durchläßt oder zum 10-er bzw. offensiven 6-er zurück passt
    - der erste Schuß nicht "sitzt", weil der Gegner den Ball "notdürftig" klären kann. Für diesen Fall hat man ballnahe Angreifer, die den 2. Ball im Nachschuß verwerten können.


    Der Spielaufbau über die Außenbahnen hat den Vorteil, dass für den Fall eines vorzeitigen Ballverlust genügend zentrale Abwehrspieler hinter dem Ball sind und den Fehler rasch wieder ausbügeln können. Bei einem Ballverlust im zentralen Mittelfeld oder sogar im Zentrum des eigenen Drittels hat der Gegner fast immer eine Großchance zum Torabschluß.


    Normale Torchancen kann man nicht über die gesamte Spielzeit verhindern, jedem dem Gegner keine Großchancen zu gewähren, das sollte sehr wohl mit ein wenig taktisches Rüstzug möglich sein.


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    Einen weitereren, häufig beobachteter Fehler findet man, wenn die Abstände der einzelnen Spieler untereinander oder die Linien untereinander nicht passen. Hierbei entstehen Räume, die der Gegner für sich nutzen kann. Ich will hier auch nur den sehr häufig vorkommenden Fehler beschreiben, wenn die eigene 4-er Kette komplett bis an die Mittellinie vorrückt, weil man glaubt, so die eigene Offensive am besten unterstützen zu können. Jedoch kann der Gegner mit einem langen Paß in die Tiefe durch die Schnittstelle zwischen IV und AV oder über die beiden IV hinweg schon eine 1 gegen 1 Großchance genierieren, weil der Mittelstürmer oder einer der Außenbahnspieler mit hohem Tempo aus der eigenen Hälfte in den gegnerische Hälfte sprinten kann. Bis sich die eigenen IV oder AV umgedreht und Tempo aufgenommen haben, hat der gegnerische Angreifer schon 5 - 10 Meter Vorsprung. Aber selbst dann, wenn man den Vorsprung noch irgendwie aufholen kann, ist es schwierig mit dem Gesicht zum eigenen Tor zu verteidigen. Denn bei einer zu hoch stehenden Kette kann man keinen Druck gegen den Ball (d.h. ballführenden Gegner anlaufen, Passräume zustellen) ausüben. Besser ist es deshalb, wenn die beiden IV nur bis an den äußeren Rand des Mittelkreises vorrücken und die beiden 6-er (aber mindestens 1 Sechser) den Paßweg zum gegnerischen Mittelstürmer zustellen. Durch diese Staffelung kann der 6-er einen hohen Ball zum eigenen IV verlängern oder der IV noch einen Fehler seines 6-er bei der Ballverarbeitung korrigieren. Auch sorgt diese etwas tiefere Staffelung dafür, dass der Gegner lediglich eine Torschance, jedoch keine Großchance generieren kann.
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    Vorschlag zur Veränderung der Trainings:
    Weil deine Trainingsgruppe so groß ist, kannst du diese taktischen Varianten für den Spielaufbau über die Außenbahnen, dem Timing des Nachrücken bis hin zum finanlen Paß und Torabschluß direkt in Spielformen mit 2 Teams in Mannschaftsstärke machen.


    Hinführende Spielformen:
    1. nur 2 Ballkontakte im eigenen Drittel (damit trainiert man einen zügigen Spielaufbau und vermeidet ein gegnerisches Angriffspressing)
    2. Zeitlimit zwischen Balleroberung und Torabschluß setzen, wenn der Spielaufbau gut klappt (damit stellt man das Timing für die nachrückenden Positionen ein)


    So, dass soll es erst mal gewesen sein. Viel Spaß dabei!


    Wenn davon nichts bei deinem Team zutrifft und andere Fehler den Erfolg hemmen, werden differenzierte Infos benötigt.

  • "Das große Problem ist, dass ich in einem 4-2-3-1 agiere aber der Stürmer oftmals vollkommen alleine da steht" Vielleicht dann 4-4-2?

    Geht natürlich auch anders!

  • Leverkusener


    Nein, ich sehe es nicht als ein Problem des Mittelstürmers an, sondern das Problem liegt im mangelhaften Spielaufbau. Wenn du dein Spiel nicht gut aufbaust, dann können auch 2 Angreifer auf sich allein gestellt sein, weil die Pässe aus der Tiefe zu kurz sind und immer einer zurück laufen muß, um den Ball zu holen. Dabei geht viel Kraft verloren! Außerdem ist es schwieriger einen Angriff mit dem Rücken zum gegnerischen Tor starten zu müssen.


    Ein 4 : 2 : 3 : 1 ist ein neutrales Spielsystem. Es hat den Vorteil, dass man über 4 Linien die Tiefe und Breite des Spielfeldes sehr gut ausfüllen kann. Es wird häufig als System bei der Umstellung vom gegner- ins ballorientierte Spielsystem eingeführt, weil hier alle Mannschaftsteile nicht überfordert werden und in ihren Positionen hineinwachsen können. Jedoch können letzendlich indiviudellen Schwächen oder Stärken einzelner Spieler nicht als Systemschwächen oder -stärken identiviziert werden. Wenn ich z.B. einen zweikampfstarken, robusten und besonders antrittsschnellen Mittelstürmer habe, dann kann ich den fast immer erfolgreich anspielen, weil es ihn gar nicht interessiert, ob ihn 1 oder 2 gegnerische Abwehrspieler verfolgen. Dennoch wird es aufgrund dieser langer Pässe zu einem Loch im Mittelfeld kommen. Weil das jedoch nicht so häufig ist und der Mittelstürmer auch noch ein guter "Vollstrecker" ist, wird es bewußt oder unbewußt vernachlässigt.


    Ein 4 : 4 : 2 hat seine Stärken in der Defensive. Hier versucht bereits die vordere 4-er Kette mit seinen vorwiegend defensiven Aufgaben den Gegner in der eigene Hälfte durch Anlaufen zu Fehlpässen zu zwingen. Eventuelle Fehler der vorderen Kette können durch die hintere Kette korrigiert werden. Die Schwächen dieses Systems liegen in der Offensive, wo die beiden Angreifer sowohl als offensive Mittelfeldspieler (z.B.1 läßt sich fallen und leitet den Ball weiter) wie auch Angreiferaufgaben erfüllen muß. Hat man jedoch 2 variable Angreifer, können diese problemlos eine gegnerische 4-er Kette auseinander ziehen und kommen durch gut abgestimmte Laufwege häufig zu guten Torchancen. Jedoch kann auch hier bei schnellem Umschaltspiel durch lange Pässe ein Lock entstehen. Doch entsteht es hier im offensiven Mittelfeld und kann durch die beiden 4-er Ketten besser "aufgefangen" werden.


    In den obersten Ligen wird sehr gerne bei eigenem Ballbesitz ein 4 : 2 : 3 : 1 und bei gegnersichem Ballbesitz ein 4 : 4 : 2 gespielt. Dies zu trainieren, erfordert zunächst einmal vom Trainer sehr gute taktische Kenntnisse und vom Team einen erhöhen Trainingszeitaufwand. Weil jedoch in der B-Jugend die Positionsspezialisierung beginnt, sollte die variblere Mannschaftstaktik noch nicht oberste Prioriät genießen.

  • Hallo,


    wieso arbeitet man im Jugendbereich eigentlich auf solche Dinge wie schnelles Umschalten und direktes Spiel in die Spitze hin? Die Jungs befinden sich noch in der Ausbildung und da lernt man am meisten, wenn man den Ball am Fuß hat. Ergo sollte man hohe Ballbesitzquoten und Spielkontrolle anstreben. Ein hohes Pressing ist dafür sicher sehr gut geeignet, aber wenn man den Ball hat, sollte man auch mal den Ball in den eigenen Reihen halten und nicht direkt maximales Risiko gehen. Das wäre auch fair allen anderen Spielern gegenüber. Ich denke, die Mischung macht es und man sollte Wert auf hohe Variabilität und flexible Entscheidungsfindung legen. Das wäre eine Philosphie, die ich passender fände.


    Im Kreisligabreitensportfussball wird nach meinen Eindrücken in höheren Jahrgängen sowieso viel zu oft auf den riskanten Pass in die Tiefe und den schnellen, hektischen Torabschluss gespielt. Eindrücke von spielstärkeren Ligen habe ich keine. Deswegen möge man mich berichtigen, wenn es da grundsätzlich anders läuft.


    Gruß, Christoph

    C 1 Viktoria Buchholz


    Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren.
    Martin Rafelt

  • @Schimi


    Ich gebe dir da vollkommen recht, dass es wichtigeres gibt als das schnelle Umschaltspiel mit langen Bällen. Dass das gar nicht so richtig funktioniert, wenn der Ball zu schnell nach vorne getragen wurde, habe ich ja versucht zu erklären.


    Ich würde noch nicht einmal das höhere Risiko eines Fehlpasses als Grund gegen die langen Bälle angeben, sondern der geringere Lerneffekt. Denn je größer die Distanz, je geringer die Präzision bzw. je höher die Streuung. Wenn es schließlich eher ein Zufall ist, ob der Ball dort landet, wo er hin soll und der Angreifer auf sich allein gestellt immer nur den Zweikampf suchen muß, dann ist das aus taktische Hinsicht eine "magere Kost", weil es hierbei lediglich um inidividual taktsiches Verhalten, aber um einen hohen körperlichen Einsatz geht.


    Wenn immer nur lange Bälle auf die Nahtstelle der Abwehr gespielt werden, dann reicht ein kleiner Fehler der IV oder AV aus, um allein auf des Gegners Tor zulaufen zu können. Man kann also sagen, es wird der Torerfolg über die Positionsausbildung gestellt. Während man sich durch das Kurzpaßspiel und Balldomenanz Torchancen erarbeitet, kann man sich durch den langen Paß auch Großchancen erarbeiten mit höherer Torerfolgsrate erarbeiten. Jedoch ist der Lernerfolg gering, denn im obersten Jugend- oder Seniorenbereich wird diese weiten Bälle sehr viel einfacher abfangen und für sich nutzen können. Deshalb werden sie auch kaum noch gespielt, als Gepöhle gebranntmarkt. Weil der lange Ball nur eine Angriffsvariante ist, sollten auch die anderen Varianten ebenso trainiert werden.


    Ich gebe dir recht, weil nicht das Ergebnis die Spielweise rechtfertigen darf, sondern das Ergebnis die logische Folge von guter und damit altersgerechter Ausbildung sein sollte.


    Aber schau dir mal die Berichterstattung dieser Spiele in den Medien an. Dort zählt immer noch: wer Erfolg hat, der hat recht. Denn wen interessiert schon, dass das unterlegene Team in der Spielanlage bereits deutlich besser war und hohe Spielanteile hatte, wenn der schlechtere Gegner mit ein paar langen Bällen und einem effektiven Mittelstürmern dennoch gewonnen hat?


    Dass es sich beim reinen Ergebnisfussball im Jugendbereich nicht um eine nachhaltige Ausbildung handeln kann, zeigt sich häufig schon, wenn einer der Schlüsselspieler (Paßgeber, Paßnehmer) wegen Verletzung, Krankheit, schul- oder berufsbedingt ausfällt oder in eine andere Altersklasse bzw. Verein wechselt.


    Fussball ist eine Mannschaftssportart, die man nicht auf die individuellen Qualitäten einzelner Spieler reduzieren sollte.

  • TW-Trainer. Mir geht`s gar nicht so um die langen Bälle, sondern um das Rangnick`sche Ideal vom Pressen und schnellen Umschalten (wenn ich den El-Fenomeno richtig verstanden haben kommt das seiner Spielidee ziemlich nahe).


    So eine Philosphie gehört für mich in den Profifussball, aber nicht in die Ausbildung. Dieser Ansatz kann (und sollte) zwar Teil der Ausbildung sein, aber man darf sich nicht nur darauf beschränken. Mir ist das sonst zu eindimensional. Wenn die Spieler später im Herrenbereich bei einem Trainer mit anderer Philosophie landen, werden sie ggf. scheitern oder tiefer spielen als es ihrem Potential entspricht.


    Gruß, Christoph

    C 1 Viktoria Buchholz


    Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren.
    Martin Rafelt

  • Sollte man nicht ein System wählen was den eigenen Spielern mit ihren Stärken und Schwächen entgegenkommt statt ein bestimmtes Spielsystem unbedingt anwenden zu wollen ? Bzw. sollte nicht erst eine Analyse der Spielertypen voranstehen und erst danach die daran angepasste Wahl eines Systems ?

  • Erstmal vielen Dank für die vielen Antworten.


    Ich habe ziemliche genaue Vorstellungen wie ein Spiel funktionieren und ablaufen sollte. Ich halte persönlich nicht viel davon mit langen Bällen zu agieren. Das machen unsere Gegner weitesgehend alle.
    Dieses, ich nenn es mal, kick`n`rush-Spiel hat in meinen Augen nicht sonderlich viel mit einem Fussballspiel zu tun, sondern ist, wie tw-trainer schon sagte, viel Glück.


    Ich habe also von Anfang an schlichtweg das schnelle Kurzpassspiel mit 1-2 Kontakten trainiert. Das Ding ist nur, dass wir keine wirkliche Tiefe in uner Spiel bekommen. Unser Stürmer und die Offensiv-Reihe dahinter steht immer relativ zurück gezogen so dass wir das Überspielen einer Linie so gut wie gar nicht anwenden können. Von der reinen Spielanlage der Startelf-Spieler ist es aber möglich dieses umzusetzen zumal diese schon seit geraumer Zeit darauf trainiert worden sind.


    Im Breitensport war es damals noch anders. Dort haben wir dann eher Wert darauf gelegt dass der Ball in den eigenen Reihen laufen gelassen wird und dass sdie Jungs Spass am FUssball haben.
    Jetzt im Leistungsbereich ist das anders. Die Spieler wollen taktisch und technisch weitaus mehr gefördert werden und nicht einfach nur "kicken".


    Zum Thema Trainingsgestaltung:


    TW-Trainer: Mit 2 vollen Mannschaften ist es leider nicht machbar, da ich mir mit den 24-28 Spielern nur eine Platzhälfte habe. Daher auch die schwierigkeiten. Man kann taktische DInge sehr schwierig einstudieren meines Erachtens, oder mir fehlt es da an Ideen. Daher auch meine Frage

  • Mit 2 vollen Mannschaften ist es leider nicht machbar, da ich mir mit den 24-28 Spielern nur eine Platzhälfte habe.


    Das finde ich als Grundlage für jedes Training wirklich extrem. Habe als neuestes Büchlein gerade von Martin Hasenpflug 'Turbo-Lernfußball'. Da wird auch von einer bespielbaren Platzhälfte als Trainingsgrundlage ausgegangen, damit alles auch bei nicht so luxuriösen Trainingsbedingungen anwendbar ist. Aber der jeweilige Taktik-Schwerpunkt (z.B. Pressing oder Spielaufbau) soll mit möglichst nicht mehr als 14 Spielern gleichzeitig trainiert werden. Bei mehr Spielern sollen die überzähligen Spieler solange ums Feld laufen oder dribbeln oder in einer anderweitigen Spielform 'geparkt' werden mit regelmäßigem Wechsel. Aber ne Spielfeldhälfte für die reine Übung sollte schon sein. Die anderen einfach solange laufen schicken, wenn ansonsten wirklich kein Platz für gar nichts ist ? Kann es ja irgendwie auch nicht sein, gibt es tatsächlich null Möglichkeiten irgendwas anderes fußballerisch Sinnvolles im Wechsel zu machen ?

  • EL-Fenomeno


    Vielen Dank für den Hinweis über die beengten Platzverhältnisse beim Training. Damit habe ich insofern gar nicht gerechnet, weil heutzutage eher Plätze leerstehen, weil es immer weniger Mannschaften gibt.


    Tja, es steht tatsächlich zu vermuten, dass es damit etwas zu tun haben könnte, das mehr in die Breite statt in die Tiefe gespielt wird, wenn sich die 24 - 28 Spieler gegenseitig auf die Füße treten. Denn wie sagt man so schön: man kann nur das spielen, was man auch trainiert!


    Aber du hast ja schon einen ersten Hinweis bekommen, wie man trotzdem die gewünschten taktischen Veränderungen hinbekommt.


    1. Überlege dir deinen Trainingsschwerpunkt (z.B. Paßspiel)
    2. Teile deine Trainngsgruppe in 2 Teams auf
    3. Ein Team wird von dir und das andere von deinem Co-Trainer trainiert
    4. Während z.B. dein Kollege mit seinen Jungs an einem Seitenrand-Streifen an der technischen Verfeinerung beidfüssigen Paßspiels und der Ballverarbeitung arbeitet, trainierst du mit deiner Gruppe (im 6 gegen 6 oder 8 gegen 8) typische Spielszenen in der nach Ballgewinn das Spiel (über die Außenbahn) zügig in die Tiefe aufgebaut wird. Provokationsregeln (z.B. 2 Ballkontakte, Rückpaß nicht erlaubt) können helfen, den Ball in die gewünschte Richtung zu lenken.
    5. Nachdem deine Gruppe diesen Teil beendet hat, ist dein Kollege dran.


    Variante:
    Ihr könnt es auch so machen, dass ihr jeweils bestimmte Trainingsinhalte mit wechselnden Teams macht. So habt ihr besser den Vergleich, wer es schon ganz gut kann und wo noch weitere Korrekturen erforderlich sind.


    6. Abschlußspiel:
    Wählt die Teams so aus, dass sie in etwa gleich stark sind. So werden sie am besten gefordert. Damit ihr mit der großen Trainingsgruppe und dem beengten Spielfeld trotzdem gut üben könnt, wendet ganz einfach ein paar Futsal-Regeln (z.B. 4 Sek. Regel, permanenter, fließender Spielerwechsel), laß 8 gegen 8 spielen.


    Variante:
    Du kannst auch die Spielfeldhälfte nochmals halbieren und dann 2 x 6 gegen 6 spielen lassen. Hierbei können alle gleichzeitig spielen. Der Vorteil dieser Variante besteht jedoch in der Überschaubarkeit der Mannschaftsgrößen, sodass alle Spieler in Bewegung bleiben müssen, wollen sie ein attraktives Angriffsspiel realisieren.


    @Schimi
    Das Pressing gehört nach meiner Meinung auch als taktisches Mittel in den Leistungsfussball. Allerdings würde ich mit dem Abwehrpressing beginnen, weil diese Variante gleichzeitig das Verengen der Abstände untereinander wie in den Linien trainiert. Jedoch sollte das Team auch taktische Mittel in die Hand gelegt bekommen, wenn der Gegner seinen Vorsprung dadurch über die Zeit retten will, indem er sich nur noch den Ball im eigenen Drittel zupaßt und gar keinen echten Willen mehr zu einem Angriff zeigt. Nach meiner Meinung soll der Jugend-Leistungsfussball auch schon Elemente enthalten, auf die in späterer Phase aufgebaut werden kann. Sie gehört in der Positionsspezialisierungsphase der B-Jugend mit zur Ausbildung.
    Einzig die Frage, ob das Gegenpressing als Untervariante des Angriffspressing bereits in der B-Jugend forciert werden sollte, wäre nach meiner Meinung zu klären? Denn im Gegensatz zum Angriffspressing, in der auch trainiert wird, einen schwachen gegnerischen Abwehrspieler als Pressingopfer auszumachen und diesen bei Ballbesitz sofort zu attackieren, geht`s beim Gegenpressing darum, den Gegner erfolgreich am Spielaufbau zu hindern und gleichzeitig eine eigene Torchance zu generieren. Ich denke, es macht schon Sinn, gruppentaktische Elemente eher zu trainieren, als sich schwächere Spieler des Gegners auszuschauen, um dort die eigenen Vorteile zu suchen. Denn die gruppentaktischen Elemente kann man weiterentwickeln. Bei den individuellen Schwächen des Gegners ist man jeweils davon abhängig, wie homogen der Gegner und das eigene Team ist!


    Es wird und es darf in diesem Punkt auch durchaus unterschiedliche Philosophien in der Ausbildung geben. Denn der Fussball würde auch einen Teil seines Reizes verlieren, wenn alle Trainer den gleichen Weg und dabei den sogar den gleichen Takt gehen würden. Es würde die Kreativität sich weiterentwickeln zu wollen, einschränken. Denn es gibt im Jugendleistungsfussball eine ganze Reihe von jungen, engagierten Trainern, für die diese Stufe der Start in eine Fussballkariere ist. Dieser Lernprozess gelingt am besten durch eine gute Mischung von bereits bewährten Methoden und einem wachsenden Teil eigener Ideen.

  • Grundsätzlich bin ich der Auffassung das auch und gerade bei gewünschten gruppen-/mannschaftstaktischen Abläufen zu oft zu schnell auf und in großen Räumen trainiert wird, da die Spieler dies doch auch im Spiel auf dem gesamten Feld anwenden sollen. Ich hatte kürzlich zwei TE'en mit 20 C-Jugendlichen Bezirksliga. Thema war "schneller Spielaufbau von hinten mit komplettem Seitenwechsel" bevor ein Pass in die Tiefe nach vorne erfolgen durfte. Dafür brauchten wir vertikal nur eine Hälfte der Platzhälfte. Meine Philosophie ist da eher: Was sie auf engstem Raum im Training an Erfahrungen sammeln, können sie im Spiel mit mehr Platz als Alternative abrufen. Im besten Fall automatisiert, was jedoch mMn dann nur im absoluten Leistungsbereich so auch tatsächlich zu sehen ist. Der von TW-Trainer hier gegebene Hinweis, der vielleicht untergehen könnte wenn es zu "Systembedingt" abdriftet ( obwohl ich auch diese Diskussionen sehr interessant finde ), ist für mich vom praktischen Ablauf ideal und ich würde ihn mit 24-28 Spielern auf einer Platzhäflte so machen: Platzhälfte in der Länge halbieren und Spielformen im 6:6 durchführen.


    EL-Fenomeno

    aber der Stürmer oftmals vollkommen alleine da steht, weil der Rest einfach nicht effektiv nachrückt.

    Ich habe also von Anfang an schlichtweg das schnelle Kurzpassspiel mit 1-2 Kontakten trainiert. Das Ding ist nur, dass wir keine wirkliche Tiefe in uner Spiel bekommen. Unser Stürmer und die Offensiv-Reihe dahinter steht immer relativ zurück gezogen so dass wir das Überspielen einer Linie so gut wie gar nicht anwenden können.

    Der erste Teil ist für mich der Entscheidende. Ist aber auch gleichzeitig eine "Erscheinungsform", die zugleich häufig vorkommt als auch sehr langwierig zu trainieren ist, bis sie sich abschwächt. Dauerhafte Antizipation ist hier der Schlüsselbereich. Dein Gedanke mit dem Kurzpassspiel für diesen Bereich ist ja richtig. Bedingt ja, dass möglichst viele Spieler anspielbar sind. Okay. Dann möchtest Du das Spiel ( den Pass ) in die Tiefe. Selektiv trainiert kein Thema. Was passiert aber bei dem erfolgten Pass in die Tiefe mit dem Passgeber und den ihn seiner nähe stehenden Mitspielern ? Sie bleiben stehen. Oder im günstigen Fall rückt er mit einem weiteren nach. Mit wie vielen Mitspielern ? Ich vermute hier Dein Problem. Wie kann man dem entgegnen ? Jetzt kannst Du zwei Trainingsmethodiken anwenden: Auf ganzer Platzhälfte mit Einfrieren und Erläuterungen. Oder mit entsprechend "gelenkter" ( haut nicht drauf, mir fällt kein besserer Begriff ein :S ) Motivation. Spielformen mit Provoregeln.

    Hinführende Spielformen:
    1. nur 2 Ballkontakte im eigenen Drittel (damit trainiert man einen zügigen Spielaufbau und vermeidet ein gegnerisches Angriffspressing)
    2. Zeitlimit zwischen Balleroberung und Torabschluß setzen, wenn der Spielaufbau gut klappt (damit stellt man das Timing für die nachrückenden Positionen ein)

    Das z.B. sind sehr feine Stellschrauben für einen Trainer. Wäre einen eigenen Thread wert, wie man für gruppen-/mannschaftstaktische Abläufe kleine Coachingpunkte setzt, die im Gesamten große Wirkung zeigen. Und zwar ohne große Erklärungen.
    In Deinem Fall wäre mein Fokus also auf das Nachrücken des Mittelfeldes als Anspielstation für den Spieler.


    Also für die Praxis: Die Platzhälfte in der Länge nochmal hälften. Auf beiden Spielfelder ( halte hier nichts von seperaten Übungsformen für den "Rest", aber anderes Thema ). Pro Spielhälfte 6:6 mindestens zwei, obtimalerweise drei Zonen. Auf jeweils zwei Minitore. Machst Du hier nur ein Spiel auf ein Kleinfeldtor machen die abwehrenden Spieler den betreffenden Raum automatisch dicht und Du trainierst kontraproduktiv aufgrund mangelnder Erfolgserlebnisse. "Siehste. Wieder Ballverlust. Da bleib ich lieber gleich hinten." Regeln sind hier: Tor durch Stürmer zählt einfach. Tor ( nach Ablage ) durch nachrückenden Spieler zählt doppelt.


    Und wenn alle Spieler der angreifenden Mannschaft beim Abschluss in Zone Zwei bzw. Drei sind... zählt es dreifach. Mach das mal ´ne Zeitlang kontinuierlich im Abschlussspiel und vergrößere das Spielfeld nach und nach immer mehr.