Jugend neu übernommen - erste Fragen

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  • Um noch mal auf meinen "Problemfall" zurück zu kommen...warum sollte ich ihm nicht zustimmen dass er besser ist als andere? Die Kinder sind ja nicht blind und sehen schon wer gut ist und wer weniger. Meiner Meinung nach ist es wichtig, dass er versteht, dass auf den besseren Spielern auch mehr Verantwortung lastet. Oder ist das in dem Alter ein komplett falscher Ansatz?

    Im Training wirst Du niemanden umerziehen der von haus aus eingeredet bekommt er sei etwas besseres. Wir haben auch so einen. Wenn wir zurück liegen schießt der schon von der Mittellinie, bevor der einem anderen den Ball überlässt. Obwohl er technisch wirklich der beste und auch sehr schnell ist, bringt er die Mannschaft nicht weiter und wird auch bald einen besseren Verein finden. Er liebäugelt mit einem Verein aus der dritten Bundesliga, aber ich befürchte die erkennen seine Charakterschwächen auch.

    C-Lizenz seit 2013
    Seit 2017 ohne Verein

  • Leistungsunterschiede ganz normal und nicht zu verhindern.
    Als G/F-Jugend Trainer sieht man seine aktuelle Truppe und träumt insgeheim davon daraus eine tolle Mannschaft zu formen. Die Positionen der Kinder kann man sich natürlich auch schon vorstellen. Leider vergisst man erst mal, das sich im Breitensport so ein Jahrgang verändert. Wenn dann der erste 'Leistungsträger' in einen anderen Ort umzieht ist man dann erst mal sehr enttäuscht. Die Kinder der besonders ehrgeizigen Eltern machen schon in der F-Jugend das ein oder andere Probetraining in den 'höheren' Vereinen. Besondere Talente sind in der Regel auch spätestens in der E-Jugend auf dem Sprung.
    Statt dessen kriegst Du neue Spieler hinzu, die mit 9 oder 10 erst mit dem Fußball anfangen. Deshalb ist es leider so, das man versuchen muß aus der aktuellen Situation das beste zu machen und alle gleichermaßen zu fördern. Die Kinder die Du heute beim Spiel daheim lässt, weil sie zu schlecht sind, sind in zwei Jahren vielleicht unverzichtbar.


    Das ist doch mal insbesondere für uns Dorftrainer eine sehr schöne und griffige Begründung dafür, dass alle Kinder gleichermaßen mitgenommen werden müssen!!


    Ich akzeptiere, dass man da anderer Meinung sein kann: Aber dem vermeintlich besseren Fußballer in der F-Jugend sollte man keinerlei Sonderbehandlung zukommen lassen. Wer sich als F-ling über andere Kinder beschwert oder gar wütend wird, sollte nur geringe Chancen erhalten, das weiter tun zu dürfen. Schon gar nicht sollte man ihm bestätigen, dass er "besser" ist. Das kann dauerhaft nur in die Hose gehen.

  • PapaJoe: genau diese Beschreibung passt ganz gut. Leider ist er tatsächlich zu Hause der absolute Star, da er der einzige Sohn ist.


    Manndecker: gute Idee. Ihn spüren lassen dass er auch nicht alles kann. Werde ihn morgen beim Abschlussspiel ins Tor stellen.

  • Spielt doch mal Handball, oder American Football, oder Basketball, oder Hockey. Oder Krebsfussball, gerne als WarmUp....

    Prinzipiell gerne. Ist leider nicht so einfach da es bestimmt 1/3 meiner Mannschaft noch an der nötigen Koordination für solche Spiele fehlt. Fangen, werfen, den Ball dribbeln....Krebsfussball werde ich mal versuchen. Danke für den Tipp.

  • In der F-Jugend geht es nicht ums Gewinnen sondern ums Motivieren.

    Das erzähle mal dem Trainer ;)

    Bezüglich der Standards gefällt mir "der gefoulte schießt selbst". Dann kommt eben nicht jeder Ball weit nach vorne aber dafür ist es fair und jeder darf mal.

    Würde Ich auch für eine tolle Sache finden, aber der Trainer von uns zum Beispiel, der lässt immer die gleichen Zwei Spieler schießen. Wenn ein anderer fragt ob er mal schießen darf, dann kommt oft eine von drei Antworten.


    1. Du schießt nicht feste genug.
    2. Wir brauchen dringend ein Tor
    3. Zusatz zu Punkt 1: Der Ball könnte daneben gehen.


    u.s.w

  • Die meisten Eltern sind nicht gewillt. Wenn Du was von denen willst lächeln die nur müde. Die sind nicht mal in der Lage bei einem Turnier ein G-Jugend Spiel zu pfeifen. Für die ist oft der Flötenunterricht wichtiger als Fußball. Auf die Eltern kannst Du dich in unserem Verein nicht verlassen. Die Antworten zu 70% nicht mal auf EMails in denen man um konkrete Rückmeldung bittet. Dieses Verhalten scheint aber wirklich bei uns besonders ausgeprägt zu sein.


    Sei Dir mal nicht so sicher, dass das bei Dir besonders ausgeprägt ist.


    Ich bin in der Anfangszeit als F-Jugendbetreuer fast verrückt geworden. 18 Kinder und ich hatte Eltern dabei, die ich anrufen konnte, aber auch welche die nie ans Telefon gingen, welche, die ihr Handy nur anschalteten, um selber zu telefonieren und manche, die ihre SMS lasen. Dann die Härtefälle, die ich nur erreichte, wenn ich bei ihnen zu Hause vorbeifuhr. Fast jedes zweite Training hatte ich einen Stapel Zettel mit Infos für die Eltern in der Hand. Jeder Zettel hatte den Namen eines Kindes aus der Mannschaft, damit ich auch nachhalten konnte, wer informiert war und wo ich den Zettel noch einschmeißen musste. Was war ich verrückt (muss man meiner Meinung nach sein, wenn man sich das freiwillig antut ;) ). Dann hat mir mein Trainerkollege irgendwann das Phänomen WhatsApp erklärt und seitdem habe ich zumindest was die Informationsweitergabe betrifft keine Probleme mehr. Das waren meine ersten Begegnungen mit Eltern und deren Kindern.


    Doch ich schweife ab. Es ist in der Tat so, dass es immer die gleichen Eltern sind, die sich einbringen, die Tore aufstellen oder abbauen, die regelmäßig ihr Auto mit Kids vollladen, um zum Auswärtsspiel zu fahren oder einfach mal ein Kind zum Training mitbringen, für das sie einen Umweg fahren. Wenn man solche Eltern hat, ist das Gold wert. Aber man kann das nicht erwarten und es ändert sich auch bei bestimmten Eltern nie etwas - sehr zum Leidwesen ihrer Kinder. Ich habe damit Leben gelernt und bin froh, dass ich mit zwei weiteren Vätern heute unsere Truppe trainieren und betreuen kann. Daher wäre auch meine Idee Väter anzusprechen, die einem sympathisch sind. Wenn sie Dir nur Kleinigkeiten abnehmen, ist das schon eine tolle Sache. Wenn sie so begeistert sind, dass sie mit ins Training einsteigen, haben meist alle gewonnen. Denn dann kann man die Kinder in unterschiedliche Gruppen einteilen und sie nach ihrem Entwicklungsstand fördern ohne dass sich die einen langweilen und die anderen überfordert sind.


    Zu den Trikots kann ich Dir nur sagen, dass ich beste Erfahrungen damit gemacht habe, dass jedes Kind sein eigenes Trikot hat mit seiner eigenen Nummer. Anfangs gab es das nicht und ich war froh, dass ich einen alten doppelten Trikotsatz hatte. Die waren zwar alle etwas zu groß (für manche Kinder viel zu groß), aber immerhin hatte jedes Kind eins und ich musste mich nicht um die Wäsche kümmern. Dafür hatten die alle lange Ärmel und im Sommer haben sich alle kaputtgeschwitzt. Also wollte ich einen neuen Satz Trikots und zwar keinen Standardsatz, sondern für jedes Kind einen eigenen Trikotsatz in der passenden Größe+1, so dass die da auch noch ein bißchen reinwachsen können. Kostenpunkt 800€ inklusive Flock für zwanzig Trikotsets plus zwei Torwartkluften. Das war natürlich nicht zu machen mit unserem kleinen Verein. Also habe ich einen Sponsor gesucht. Letztlich hatte ich einen, der bereit war 200€ zu geben. Doch wie an den Rest kommen? Also haben wir ein Turnier veranstaltet und weil ich selber mit meinen Jungs fleißig auf Turniere gefahren bin, sind auch viele meiner Einladung gefolgt und wir hatten zehn Mannschaften auf unserem kleinen Dorfplatz. Die Pommesbude hatte reichlich zu tun und wir haben dem Verein gutes Geld gebracht - und ich bekam das fehlende Geld für die Trikots.


    Nächstes Problem: Die Nummer.
    Natürlich will fast jeder CR7 oder Messi10 auf dem Trikot haben. Was bei mir schon Kids mit Trikots aufgelaufen sind...Was ein Wahnsinn, den Zwergen ein Vereinstrikot zu kaufen, aus dem sie ruckzuck rausgewachsen sind. Da stehen hinten natürlich die Idole mit den dazugehörigen Rückennummern drauf. Also durfte sich jedes Kind seine Nummer wünschen und ich habe mir die notiert und den Kindern gesagt, dass bei Mehrfachwünschen gelost wird. Gesagt getan und ich hatte nachher nicht den Eindruck, dass da wer unglücklich war. Der eine hatte halt etwas mehr Glück, der andere weniger, doch jeder hatte sein eigenes Trikot. Ein Kind bekam auf Wunsch der Eltern sogar auf deren Kosten ein zweites Trikot, weil er in der Freizeit das Trikot auch immer anziehen wollte :]
    Außerdem hat heute jedes Kind auch einen Trainingsanzug mit Nummer auf Hose und Jacke. So findet sich ruckzuck der Eigentümer wieder, wenn mal was liegenbleibt - und es bleibt immer was liegen. Da waren auch die Eltern bereit einen Eigenanteil zu übernehmen, damit jedes Kind seine eigene Sportkluft hat. Da ich beim Sporthändler vor Ort mit den Trikots für guten Umsatz gesorgt hatte, waren die Anzüge auch wirklich erschwinglich für alle und natürlich hat auch der Verein was beigesteuert.


    Was Deinen "Problemfall" betrifft gibt es vielleicht nicht "die Lösung", da Du als Kindertrainer natürlich auch erst einmal in Deine neue Rolle reinwachsen musst. So ging es mir jedenfalls am Anfang. Was war ich schockiert, wie die Kinder mit mir geredet haben - null Respekt und von hören-können mal ganz zu schweigen. Glücklicherweise hatte ich einen weiteren Neuling an meiner Seite, der die Linie "hart aber fair" vertrat. Der war immer für einen Spaß zu haben, doch es wurde trainiert, zugehört und nicht diskutiert. Wer sich nicht daran halten konnte, bekam eine Pause. Mehr als zwei 5-Minuten-Pausen waren nie nötig, da die Kinder sich bewegen und nicht auf der Bank sitzen wollten. Ich konnte das ganz und garnicht und habe erst mit den Jahren dazugelernt, dass man Kindern Grenzen setzen muss und die das auch wollen - insbesondere wenn die eigenen Eltern es nicht tun. Die Kinder wollen ihre Grenzen erfahren und wenn sie zu Hause der Prinz sind, wollen sie auch beim Trainer testen, ob sie damit durchkommen. Das musste ich erst einmal lernen und nach knapp vier Jahren kann ich das auch einigermaßen. Doch ich möchte auch wissen, woher das kommt und daher spreche ich natürlich auch mit den Eltern. Ich habe gelernt, dass es am besten ist, diese so früh wie möglich einzubinden. Man lernt so schnell, wieso die Kinder so sind und auch, ob einem die Eltern weiterhelfen können oder nicht. Ob man bei den Kindern auch manchmal mehr Verständnis haben kann - beispielsweise, weil die Mutter alleinerziehend ist. Doch alles hat seine Grenze und ich muss für mich klar haben, was geht und was nicht. Daher gibt es bei uns klare Regeln (keiner wird ausgelacht, es werden keine Schimpfworte benutzt, wir sind eine Mannschaft, wenn der Trainer redet hören die Kinder zu - oder auch mal lustiger: Wenn der Kuchen spricht, haben die Krümel zu schweigen). Wenn ein neues Kind dazukommt, sagen die Kinder die Regeln auf. Das funktioniert schon ziemlich gut und mit zunehmenden Alter regeln die Kinder das schon erstaunlich auf eigene Art und Weise ("jetzt hör mal mit dem Quatsch auf - wir wollen Fußball spielen" und das aus dem Mund eines 9jährigen). In vier Jahren musste nur einmal ein Traingsverbot wegen wiederholtem Gebrauch von Schimpfworten ausgesprochen werden. Die Kinder kennen die Regeln und wissen, was sie erwartet, wenn sie sich nicht daran halten, egal wer es ist - auch der Trainersohn.

  • Ich steigere mich wieder rein und prompt ist der Post wieder zu lang :O


    Trotzdem geht es noch ein wenig weiter...


    Doch es ist halt auch nicht immer alles gut. So hat vor einiger Zeit ein
    Junge in meiner Mannschaft aufgehört, der tolle Anlagen fürs
    Fußballspiel hat: technische Begabung, gutes Körpergefühl, kann sich
    sehr gut artikulieren und war auch einige Zeit der Kapitän. Aber er war
    auch launisch und mit zunehmender Zeit wollte er immer mehr sein Ding
    machen, wie er das wohl bei seinen Eltern auch immer tut. Das gipfelte
    soweit, dass er absichtlich schlecht spielte, weil er nicht das machen
    durfte, was ihm vorschwebte. Er wollte durchsetzen, dass er das machen
    kann, was er will. Das hatte jedoch nicht mehr viel mit Mannschaftssport
    zu tun. Also kam er nicht mehr bei den Spielen zum Einsatz und wir
    haben ihm persönlich erklärt, wieso wir sein Verhalten nicht tolerieren -
    egal wie gut er Fußballspielen kann. Also kam er von sich aus eine
    Weile nicht zum Training und dann musste er merken, dass er den
    Anschluss ein wenig verloren hatte und andere Kinder ihn überholt
    hatten. Doch anstatt sich etwas anzustrengen, kam da wenig. Ich sprach
    mit der Mutter, die nicht wusste, was los war und ich sagte ihr, dass
    wir eine klare Linie haben und die Kinder wissen, was es für Regeln gibt
    und das wir davon auch nicht abrücken. Es sei daher sehr schade, wenn
    ihr Junior nicht mehr mitmachen wolle, gerade weil es ihm mit dem
    Fußball soviel leichter fallen würde als anderen Kindern. Er müsse sich
    nur ein Stück weit einordnen können. Ich glaube, dass ich den Jungen
    nicht mehr sehen werde, was ich sehr schade finde. In meiner Anfangszeit
    als Trainer hätte ich das niemals akzeptieren können, dass einmal ein
    Kind auf diese Weise aus der Mannschaft ausscheidet. Doch mittlerweile
    weiß ich, dass ich sie nicht alle dabei behalten kann und das es ohne
    klare Linie und Regeln für alle nicht geht. Die Kinder müssen lernen,
    dass ein Verstoß gegen die Regeln eine Konsequenz hat und das ich diese
    auch einhalte. Auf der anderen Seite lernen die Kinder aber auch, dass
    ich ein verlässlicher Partner bin und sie fordere und fördere und das es
    so etwas wie Respekt, Höflichkeit und Fairplay gibt. Trotzdem verliere
    ich nicht aus den Augen, dass sie noch kleine Jungs sind und wild und
    voller Tatendrang. Keiner wird weggeschickt und auch der Junge mit
    geistiger Behinderung ist bei jedem Training mit Begeisterung dabei und
    von den anderen akzeptiert. Doch das hat alles seine Zeit gedauert und
    hat sich nicht von heute auf morgen entwickelt. Daher habe auch ich
    viele Fehler gemacht und hoffe, dass ich auch daraus gelernt habe.


    Ergo:
    Hab keine Angst auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen und halte Dir
    vor Augen, dass in diesem Alter der Kinder noch viel passieren kann.
    Selbst die besten Spieler haben plötzlich unerklärlich lange schwache
    Phasen und das Kind, was immer hintendran hing, macht plötzlich einen
    Entwicklungsschub und überrascht Dich mehr und mehr. Man hat am Anfang
    immer die "guten" Kinder im Blick, weil man auf diese die Hoffnung setzt
    und weil man auch Erfolge haben will. Es ist viel schwieriger die
    Kinder ohne das augenscheinlich große Talent zu fördern und an die
    "guten" Kinder heranzuführen. Doch das sind nachher die Kinder, die Dich
    am meisten überraschen, glaub es mir.