Hallo miteinander!
Wir hatten gestern ein Meisterschaftsspiel, und wir kamen - wie erwartet - unter die Räder. Dennoch war ich mehr als zufrieden, und auch sehr stolz auf meine "Wilden Kerle"...
Vorinformation
Ich habe eine zusammengewürfelte Mannschaft, bestehend aus Spielern, die in der E1 und E2 "durchgerutscht" sind. Einige Spieler des Altjahrgangs hatte ich bereits in der letzten Saison in meiner Mannschaft. Frei heraus gesagt, es handelt sich um Kinder, denen teilweise jedes Verständnis für Fussball fehlt. Aber menschlich kommen wir alle super miteinander aus. Ich habe beim Training immer fast volle Trainingsbeteiligung. Die E1 und E2 trainieren oft gemeinsam, da jeder nur 4-5 Spieler beim Training hat. Ich hingegen habe von meinen 16 Jungs immer mindestens 11-12 Kinder da. Ich gehe sehr locker mit den Jungs um. Wir scherzen viel, sie machen Scherze auf meine Kosten ("Die Trainerin ist da!"), und sie bekommen dann ebenfalls einen Spruch "gedrückt" ("Klar bin ich da. Ich kann die jungen Damen ja nicht alleine lassen!"). Fazit: Wir lachen sehr viel miteinander, jedoch nie übereinander. Alle Rahmenbedingungen hier zu schildern, würde mehrere Beiträge in Anspruch nehmen.
Vor dem Spiel
Unser Torwart (der Junge gehört einfach ins Tor! Dort fühlt er sich wohl, hat auch das Talent, ist leider nur körperlich ein wenig unterentwickelt. Das macht er aber durch Einsatz und Mut wett.) ist auch der Kapitän. Die Binde gab ich ihm, um sein Selbstbewusstsein zu stärken. Er hält viele Dinger, bei denen ich mir denke "Meine Güte, wie macht der das?!". Aber wenn er dann am Ende des Spiels wieder 10 Tore kassiert hat, kreidet er sich das selber an. Völlig falsch, denn er macht zwar Fehler, aber er ist eben ein Kind! Die Binde benutze ich zur Motivation, und 2 andere Spieler haben diese bitter nötig. Daher sprach ich mit dem Jungen, und sagte ihm, das ich gerne jemanden mit der Binde "belohnen" würde. Ich schilderte ihm, warum ich das machen möchte. Und da ich ihm die Binde nicht einfach wegnehmen würde, fragte ich ihn halt, ob es okay sei. Am Ende unseres Gespräches grinste er mich an, mit seinen gefühlten 50 cm Körpergröße, und sagte "Okay! Das geht klar!". Zufrieden mit sich selbst marschierte er dann in die Kabine, um sich umzuziehen. In der Kabine dann übergab ich die Binde dem anderen Spieler, der sichtlich erfreut und megastolz war. Der Torwart grinste erst ihn, und dann mich an, und war sichtlich zufrieden darüber, das er seinen Teil dazu beigetragen hatte, das Lächeln auf das Gesicht des Mitspielers zu zaubern. Dann tat ich etwas, was ich bis dahin nie getan hatte: "So, Jungs! Heute geht keiner raus auf den Platz, bis der Letzte umgezogen ist! Ihr seid eine Mannschaft, ihr gehört zusammen! Deswegen kommt ihr ab heute auch gemeinsam aus der Kabine!" Die Kleinen schauten verdutzt, verstanden aber schnell, und fanden dieses neue Ritual dann auch richtig toll! Wir haben da so einen Spezialisten in der Mannschaft, der sich die Schuhe nicht richtig zumachen kann. Kurz bevor alle fertig waren, half ihm dann einer der Spieler dabei, die Schuhe zuzubinden. Sonst musste das immer Mama machen, oder eben der Trainer. Mama ging nicht, da ich die Eltern aus der Kabine verbannt habe. Ich selbst brauchte nicht eingreifen, weil der Spieler von alleine hingegangen ist und sagte "Ich helfe dir!". Geschlossen trottete die Mannschaft dann aus der Kabine. Irgendwie ein toller Anblick in dem Moment. Man kann mich dafür gerne auslachen oder komisch über mich denken, aber diese Geschlossenheit bei den Kindern fühlte sich für mich einfach gut an....
Auf dem Platz beim Warmmachen
Die Jungs schickte ich zum Warmmachen. Sie liefen geschlossen in einer Reihe nebeneinander her. Das die Bande dabei quasselt und scherzt, unterbinde ich in der Regel nicht. Es sind halt Kinder. Aber keiner fiel zurück, die "Schnelleren" machten einfach etwas langsamer, damit die "Langsamen" in der Linie bleiben konnten. Ich machte indes den Torwart warm. Ihm redete ich auch noch gut zu. Ich sagte ihm, er sei auch ohne die Binde heute der Chef auf dem Platz. Wenn der Gegner den Ball hat, hat er das Sagen! Er darf meckern, wenn jemand keinen Gegenspieler hat, oder bei Ballverlust einfach stehenbleibt. Diese Tatsache gefiel ihm, das hat man gesehen!
Der Trainer des Gegners (ein Verein, der in allen höheren Jugendklassen auch höherklassig spielt, bereits in der E-Jugend abwirbt, aber in den unteren Jugendmannschaften auch Teams hat, in denen sich sogenannte "Beitragszahler" befinden, kam kurz zu mir. Ein junger Trainer, vielleicht 16-17 Jahre alt. Sein Co auch nicht älter. Er begrüßte mich per Handschlag, und sagte, einer von denen würde pfeifen, da ich ja scheinbar alleine wäre. Ich freute mich, so ein Verhalten erlebe ich leider selten. Allgemein hat das Verhalten des Gegners an dem Tag dafür gesorgt, das der Verein in meiner Gunst einige Punkte gestiegen ist.
Die Ansprache vor dem Spiel
Ich rief die Jungs zusammen, schnell die Aufstellung erläutert. Bei nur einem Auswechselspieler (der sicher ganz toll Sport in einer anderen Sportart betreiben kann... nur Fussball ist definitiv nichts für ihn!), war das schnell erledigt, rotieren ist da eh nur eingeschränkt möglich.
Ich sagte meinen Jungs dann auch knallhart und ehrlich, wie es für uns aussieht. "Ich lüge euch nicht an! Das wird ein schweres Spiel, wir werden wahrscheinlich verlieren. Und das nicht zu knapp! Aber wir können ja immer noch was lernen! Heute dürft ihr alle Tricks, die wir mal in der Trickstunde beim Training geübt haben, ausprobieren! Egal welchen!" Man mag nun bemängeln, das ich als Trainer von Verlieren nichts erzählen sollte vor dem Spiel. Aber die Stärke des Gegners war klar, der Verein hat den Ruf, in allen Altersklassen den Ton anzugeben. Dazu kommt, das wir bisher jedes Spiel hoch verloren haben. Allerdings wissen meine Jungs, das Verlieren mir als Trainer nichts ausmacht, solange sie zumindest versuchen, Fussball zu spielen. Und ihnen scheint das Verlieren auch nichts auszumachen, denn alle sind mit Begeisterung beim Training dabei und brennen auf jedes Spiel. Mein Bemühen, ihnen viel Spaß zu bereiten, scheint da Wirkung zu zeigen.
Die Begeisterung war groß, und alle brannten darauf, die Übersteiger, Scheren und sonstigen Tricks auszuprobieren, die wir zwischendurch immer mal wieder üben. (Die Trickstunde ist ein Element, auf das ich sehr viel wert lege! Sie fördert den Spaß, und die Jungs können auch Tricks mitbringen und der Mannschaft vorstellen. Das finden sie immer ganz toll!)
Die erste Halbzeit
Anstoss für uns. Halbherzig den Ball gepasst, ein schneller Stürmer geht dazwischen, marschiert durch alle meine Spieler durch und feuert aufs Tor. Knapp daneben, meine Nerven fast schon blank, und ich werde kreidebleich. So hab ich mir das aber auch nicht gerade vorgestellt... Aber das war dann Gott sei Dank die einzige Fahrlässigkeit in den ersten Minuten. Sicher, der Gegner kesselte uns in unserer Hälfte ein. Aber da meine Jungs wissen, das ich immer ehrlich sage, was ich denke, wissen sie auch: Der Gegner spielt auch nur Fussball, egal, welcher Verein das ist! Also bemühten sie sich...
Trotzdem, das 1:0. Der Ball rutscht durch beide Abwehrspieler durch, der Torwart kommt nicht mehr dran. Passiert halt mal...
Das 2:0. Der Torwart hält den Ball, doch der rutscht über seine Hände, und fällt hinter ihm ins Tor. Er schaut mich bedröppelt an. Ich stand an der Seitenlinie, nahm aber meinen Auswechselspieler und ging mit ihm neben das Tor. "Mensch J.! Doofes Tor! Aber sowas passiert halt auch mal! Mach dir keinen Kopf!" Auch hier zeigt meine schonungslose Ehrlichkeit gegenüber den Kindern Wirkung. Mein Torwart sagt "Das war aber scheisse!" Sein Grinsen verrät mir, das er es aber doch nicht auf seine Kappe nimmt. Meine Mannschaft indes kommt sogar zu Torchancen, was ich nicht erwartet hätte. Mein Abwehrspieler, der aber - wie alle anderen auch - mit nach vorne gehen darf, rennt mit dem Ball auf der Aussenbahn und zieht zum Tor. Er spielt seine Schnelligkeit aus, und dank Körpereinsatz kommt er am Abwehrspieler vorbei. Schuss! Der zweite Abwehrspieler grätschte in dem Moment, mein Spieler segelte zu Boden, und der Ball landete im Toraus. Der Jungs haute während des Aufstehens mit der Faust auf den Boden, weil aus der Chance nichts wurde, und registrierte gar nicht, das wir eine Ecke bekamen, da der Abwehrspieler den Ball abfälschte. Der wäre sonst im langen Eck eingeschlagen....