Warum man auch als Trainer einer schwachen Mannschaft stolz ist...

Du bist noch kein Trainertalker? Registriere dich kostenlos und nehme an unserer Community teil!

Du bist Trainertalker? Zur Anmeldung
  • Hallo miteinander!


    Wir hatten gestern ein Meisterschaftsspiel, und wir kamen - wie erwartet - unter die Räder. Dennoch war ich mehr als zufrieden, und auch sehr stolz auf meine "Wilden Kerle"...


    Vorinformation


    Ich habe eine zusammengewürfelte Mannschaft, bestehend aus Spielern, die in der E1 und E2 "durchgerutscht" sind. Einige Spieler des Altjahrgangs hatte ich bereits in der letzten Saison in meiner Mannschaft. Frei heraus gesagt, es handelt sich um Kinder, denen teilweise jedes Verständnis für Fussball fehlt. Aber menschlich kommen wir alle super miteinander aus. Ich habe beim Training immer fast volle Trainingsbeteiligung. Die E1 und E2 trainieren oft gemeinsam, da jeder nur 4-5 Spieler beim Training hat. Ich hingegen habe von meinen 16 Jungs immer mindestens 11-12 Kinder da. Ich gehe sehr locker mit den Jungs um. Wir scherzen viel, sie machen Scherze auf meine Kosten ("Die Trainerin ist da!"), und sie bekommen dann ebenfalls einen Spruch "gedrückt" ("Klar bin ich da. Ich kann die jungen Damen ja nicht alleine lassen!"). Fazit: Wir lachen sehr viel miteinander, jedoch nie übereinander. Alle Rahmenbedingungen hier zu schildern, würde mehrere Beiträge in Anspruch nehmen.



    Vor dem Spiel


    Unser Torwart (der Junge gehört einfach ins Tor! Dort fühlt er sich wohl, hat auch das Talent, ist leider nur körperlich ein wenig unterentwickelt. Das macht er aber durch Einsatz und Mut wett.) ist auch der Kapitän. Die Binde gab ich ihm, um sein Selbstbewusstsein zu stärken. Er hält viele Dinger, bei denen ich mir denke "Meine Güte, wie macht der das?!". Aber wenn er dann am Ende des Spiels wieder 10 Tore kassiert hat, kreidet er sich das selber an. Völlig falsch, denn er macht zwar Fehler, aber er ist eben ein Kind! Die Binde benutze ich zur Motivation, und 2 andere Spieler haben diese bitter nötig. Daher sprach ich mit dem Jungen, und sagte ihm, das ich gerne jemanden mit der Binde "belohnen" würde. Ich schilderte ihm, warum ich das machen möchte. Und da ich ihm die Binde nicht einfach wegnehmen würde, fragte ich ihn halt, ob es okay sei. Am Ende unseres Gespräches grinste er mich an, mit seinen gefühlten 50 cm Körpergröße, und sagte "Okay! Das geht klar!". Zufrieden mit sich selbst marschierte er dann in die Kabine, um sich umzuziehen. In der Kabine dann übergab ich die Binde dem anderen Spieler, der sichtlich erfreut und megastolz war. Der Torwart grinste erst ihn, und dann mich an, und war sichtlich zufrieden darüber, das er seinen Teil dazu beigetragen hatte, das Lächeln auf das Gesicht des Mitspielers zu zaubern. Dann tat ich etwas, was ich bis dahin nie getan hatte: "So, Jungs! Heute geht keiner raus auf den Platz, bis der Letzte umgezogen ist! Ihr seid eine Mannschaft, ihr gehört zusammen! Deswegen kommt ihr ab heute auch gemeinsam aus der Kabine!" Die Kleinen schauten verdutzt, verstanden aber schnell, und fanden dieses neue Ritual dann auch richtig toll! Wir haben da so einen Spezialisten in der Mannschaft, der sich die Schuhe nicht richtig zumachen kann. Kurz bevor alle fertig waren, half ihm dann einer der Spieler dabei, die Schuhe zuzubinden. Sonst musste das immer Mama machen, oder eben der Trainer. Mama ging nicht, da ich die Eltern aus der Kabine verbannt habe. Ich selbst brauchte nicht eingreifen, weil der Spieler von alleine hingegangen ist und sagte "Ich helfe dir!". Geschlossen trottete die Mannschaft dann aus der Kabine. Irgendwie ein toller Anblick in dem Moment. Man kann mich dafür gerne auslachen oder komisch über mich denken, aber diese Geschlossenheit bei den Kindern fühlte sich für mich einfach gut an....


    Auf dem Platz beim Warmmachen


    Die Jungs schickte ich zum Warmmachen. Sie liefen geschlossen in einer Reihe nebeneinander her. Das die Bande dabei quasselt und scherzt, unterbinde ich in der Regel nicht. Es sind halt Kinder. Aber keiner fiel zurück, die "Schnelleren" machten einfach etwas langsamer, damit die "Langsamen" in der Linie bleiben konnten. Ich machte indes den Torwart warm. Ihm redete ich auch noch gut zu. Ich sagte ihm, er sei auch ohne die Binde heute der Chef auf dem Platz. Wenn der Gegner den Ball hat, hat er das Sagen! Er darf meckern, wenn jemand keinen Gegenspieler hat, oder bei Ballverlust einfach stehenbleibt. Diese Tatsache gefiel ihm, das hat man gesehen!


    Der Trainer des Gegners (ein Verein, der in allen höheren Jugendklassen auch höherklassig spielt, bereits in der E-Jugend abwirbt, aber in den unteren Jugendmannschaften auch Teams hat, in denen sich sogenannte "Beitragszahler" befinden, kam kurz zu mir. Ein junger Trainer, vielleicht 16-17 Jahre alt. Sein Co auch nicht älter. Er begrüßte mich per Handschlag, und sagte, einer von denen würde pfeifen, da ich ja scheinbar alleine wäre. Ich freute mich, so ein Verhalten erlebe ich leider selten. Allgemein hat das Verhalten des Gegners an dem Tag dafür gesorgt, das der Verein in meiner Gunst einige Punkte gestiegen ist.


    Die Ansprache vor dem Spiel


    Ich rief die Jungs zusammen, schnell die Aufstellung erläutert. Bei nur einem Auswechselspieler (der sicher ganz toll Sport in einer anderen Sportart betreiben kann... nur Fussball ist definitiv nichts für ihn!), war das schnell erledigt, rotieren ist da eh nur eingeschränkt möglich.
    Ich sagte meinen Jungs dann auch knallhart und ehrlich, wie es für uns aussieht. "Ich lüge euch nicht an! Das wird ein schweres Spiel, wir werden wahrscheinlich verlieren. Und das nicht zu knapp! Aber wir können ja immer noch was lernen! Heute dürft ihr alle Tricks, die wir mal in der Trickstunde beim Training geübt haben, ausprobieren! Egal welchen!" Man mag nun bemängeln, das ich als Trainer von Verlieren nichts erzählen sollte vor dem Spiel. Aber die Stärke des Gegners war klar, der Verein hat den Ruf, in allen Altersklassen den Ton anzugeben. Dazu kommt, das wir bisher jedes Spiel hoch verloren haben. Allerdings wissen meine Jungs, das Verlieren mir als Trainer nichts ausmacht, solange sie zumindest versuchen, Fussball zu spielen. Und ihnen scheint das Verlieren auch nichts auszumachen, denn alle sind mit Begeisterung beim Training dabei und brennen auf jedes Spiel. Mein Bemühen, ihnen viel Spaß zu bereiten, scheint da Wirkung zu zeigen.
    Die Begeisterung war groß, und alle brannten darauf, die Übersteiger, Scheren und sonstigen Tricks auszuprobieren, die wir zwischendurch immer mal wieder üben. (Die Trickstunde ist ein Element, auf das ich sehr viel wert lege! Sie fördert den Spaß, und die Jungs können auch Tricks mitbringen und der Mannschaft vorstellen. Das finden sie immer ganz toll!)


    Die erste Halbzeit


    Anstoss für uns. Halbherzig den Ball gepasst, ein schneller Stürmer geht dazwischen, marschiert durch alle meine Spieler durch und feuert aufs Tor. Knapp daneben, meine Nerven fast schon blank, und ich werde kreidebleich. So hab ich mir das aber auch nicht gerade vorgestellt... Aber das war dann Gott sei Dank die einzige Fahrlässigkeit in den ersten Minuten. Sicher, der Gegner kesselte uns in unserer Hälfte ein. Aber da meine Jungs wissen, das ich immer ehrlich sage, was ich denke, wissen sie auch: Der Gegner spielt auch nur Fussball, egal, welcher Verein das ist! Also bemühten sie sich...
    Trotzdem, das 1:0. Der Ball rutscht durch beide Abwehrspieler durch, der Torwart kommt nicht mehr dran. Passiert halt mal...
    Das 2:0. Der Torwart hält den Ball, doch der rutscht über seine Hände, und fällt hinter ihm ins Tor. Er schaut mich bedröppelt an. Ich stand an der Seitenlinie, nahm aber meinen Auswechselspieler und ging mit ihm neben das Tor. "Mensch J.! Doofes Tor! Aber sowas passiert halt auch mal! Mach dir keinen Kopf!" Auch hier zeigt meine schonungslose Ehrlichkeit gegenüber den Kindern Wirkung. Mein Torwart sagt "Das war aber scheisse!" Sein Grinsen verrät mir, das er es aber doch nicht auf seine Kappe nimmt. Meine Mannschaft indes kommt sogar zu Torchancen, was ich nicht erwartet hätte. Mein Abwehrspieler, der aber - wie alle anderen auch - mit nach vorne gehen darf, rennt mit dem Ball auf der Aussenbahn und zieht zum Tor. Er spielt seine Schnelligkeit aus, und dank Körpereinsatz kommt er am Abwehrspieler vorbei. Schuss! Der zweite Abwehrspieler grätschte in dem Moment, mein Spieler segelte zu Boden, und der Ball landete im Toraus. Der Jungs haute während des Aufstehens mit der Faust auf den Boden, weil aus der Chance nichts wurde, und registrierte gar nicht, das wir eine Ecke bekamen, da der Abwehrspieler den Ball abfälschte. Der wäre sonst im langen Eck eingeschlagen....

  • Die Reaktion meines Spielers aber zeugte davon, daß sie das Einzige umsetzen, was ich wirklich von ihnen verlange: Den Willen, Fussball zu spielen, und nie aufzugeben. Ich war zufrieden. Ärgerte mich trotzdem, weil ich ihm das Tor gegönnt hätte. Aus der Ecke wurde nichts, die landete hinter dem Tor. Naja. Unser altes Schema eben.


    Das 3:0 und 4:0. Zwei Eigentore. Meine Jungs warfen sich hinten in jeden Ball, der aufs Tor kam. "Werfen" ist nicht untertrieben. Egal wie, sie wollten ihn einfach abwehren... Beide Male wäre der Torwart dran gewesen, aber abgefälscht leider in die andere Richtung. Torwart sauer, Spieler sauer. Über die dummen Tore konnte ich mich gar nicht ärgern, ich war damit beschäftigt, die Jungs aufzubauen :D "Mensch J.! Da hast du ja endlich ein Tor gemacht, was? Und J.? Den hättest du halten müssen! Du weisst doch, der schiesst auch im Training immer in die rechte Ecke! Allgemeine Erheiterung bei meinen Jungs. Der Zorn über die dummen Gegentore war bei ihnen mit einem Mal verflogen.


    Das 4:1. Einer meiner schwächsten Spieler setzt sich ausnahmsweise mal durch, was sicher auch daran lag, das sein Gegenspieler noch langsamer war, als jeder andere auf dem Platz. Schuss mit der Picke... mehr kann er nicht bzw. versucht nichts anderes. In die Ecke, da war das Ding drin. Wow! Ich freute mich, und die Jungs sich erst recht! Dazu muss man sagen, das wir vorher einen Freistoß knapp neben den Winkel setzten, und 2 meiner Spieler lieber auf den Torwart schossen, statt in die Ecke. Meine Güte, es hätte ja jetzt sogar 4:4 stehen können!


    Halbzeit


    Da stand ich nun, mit 8 kleinen Jungs. Alle schauten bedröppelt zu Boden. Alle erwarteten, das ich wie gewohnt die schlechten, aber vor allem Guten Dinge ansprach. Pustekuchen! Was hatte ich denn zu meckern? Gar nichts. Die Jungs kämpften, mehr erwarte ich von ihnen ja nicht. Allerdings wollte ich sie auch nicht ganz ungeschoren davonkommen lassen... "Was sollte das denn jetzt in der ersten Halbzeit? Solltet ihr nicht Spaß haben und Tricks ausprobieren? Spaß hattet ihr, und ich hatte auch Spaß! Aber wo waren die Tricks?" Verdutzt schauten sie mich an, einige grinsten. "So sollt ihr spielen! Spaß haben, Fussball spielen, und gucken, was passiert!". Jeder der Kleinen hatte dann was zu nörgeln, sie pfiffen sich gegenseitig an, sprachen die Fehler der anderen an. Das passierte schon öfter, aber ich reagierte darauf nie großartig. Da fiel es mir aber von den Augen, wie ich zu reagieren hatte... Nachdem wirklich jeder genörgelt hatte, sagte ich "Und was sagt uns das? Jeder macht Fehler! Und? Trotzdem könnte es 4:4 stehen! Macht einfach weiter so!". Da waren die Jungs wirklich sichtlich zufrieden, und es wurde gescherzt, bis zum Beginn der zweiten Halbzeit.


    Die zweite Halbzeit


    Auweiah.... der Gegner gibt Vollgas, und meine Spieler zeichnen sich nur noch dadurch aus, das sie trotzdem jeden Ball erobern wollen. Das klappt auch ganz gut, manche Spielzüge waren schön anzusehen. Einige Pässe kommen "blind" (die Kinder kennen sich langsam), schöne Doppelpässe (sowas trainieren wir, immer verbunden damit, das ich sie Frage, Warum man Doppelpässe spielt, und das wird dann zusammen erarbeitet), aber vor dem Tor passiert nichts mehr. Die ein oder andere Chance gibt es noch, aber im Großen und Ganzen sind es eher Zufallsprodukte. Das wurde im Verlauf besser, aber dennoch nichts Aufregendes. Meine Abwehrspieler tauschten mit den Mittelfeldspielern die Positionen. Die Jungs sprechen sich dann mittlerweile von selbst ab, ich brauche nicht mehr eingreifen. Sie richten sich nur nach meiner Anweisung, das jede Position besetzt sein muss. Das klappt mittlerweile ganz gut. Der ein oder andere klebt an seiner Position. Der möchte gar nicht woanders spielen. Ich nehme das wohlwollend zur Kenntnis. Die Jungs finden ihre Lieblingsposition mittlerweile von selbst. Und die Lieblingsposition ist für sie mittlerweile der Teil der Aufstellung, wo sie ihre beste Leistung zeigen, das haben sie schnell gemerkt.


    Die weiteren Tore zum 5:1 bis 9:1. Zwei Unhaltbare, ansonsten wieder blöde Tore. Mehr Glück als alles andere. Keiner ist mehr bedröppelt. Sie schätzen das mittlerweile selber ein, das man nicht immer nur Tore schiesst, weil man gut ist, sondern das manchmal eben auch Glück eine Rolle spielt. Mein Mittelfeldspieler, der ziemlich wenig Kraft in den Beinen hat, haut daher auch endlich mal drauf. Vielleicht rutscht er ja mal rein. Bisher sagte er immer, wenn ich fragte warum er nicht mal geschossen hat "Der geht doch eh nicht rein, ich komme nicht so weit!". Von wegen! Er schiesst, der Ball rutscht auf dem nassen Rasen, unhaltbar ins lange Eck. 9:2! Die Kids freuen sich miteinander, eine Spielertraube entwickelt sich. Alle klatschen den Torschützen ab, sogar mein Torwart rennt ihn und gibt ihm "Fünf"! Mein schelmisches Grinsen kann ich kaum verbergen... Der Jubel auf dem Platz hat den Eindruck vermittelt, als hätten wir gerade das entscheidende 1:0 im Champions League-Finale geschossen... Die Freude bei meinen Jungs über diesen eigentlich unbedeuteten Treffer stimmte mich mehr als nur zufrieden. Ich freute mich innerlich so sehr für die Kinder...


    Schlusspfiff


    Der Schiedsrichter pfeift ab. Als Fazit nehme ich für mich mit, das der Gegner sehr fair gespielt hat, es gab im gesamten Spiel keine Unruhe auf dem Platz. Wurde mal Beinchen gestellt, gab man sich sofort die Hand, und alles war fein! So lobe ich mir das! Da beobachtete ich etwas, was ich immer ungemein toll finde: Alle Spieler klatschten sich gegenseitig ab mit dem Kommentar "Gut gespielt!". Dazu muss man sagen, die Jungs kennen sich untereinander gar nicht, was ja eher selten vorkommt. Aber wir spielten gegen einen Verein aus einem eher ländlich gelegenen Stadtteil. Daher sind die Kinder eher nicht in denselben Schulen. Meine Jungs gingen von ganz allein zu den Gegnern, um sich für das Spiel zu bedanken. Das fand ich gut, da ich sie sonst immer darauf hinweisen muss, das sowas dazu gehört. Ich wartete auf meine Jungs. Zu beobachten war dann, das sie untereinander Zwiegespräche hielten. Sie wiesen sich gegenseitig hin, was man falsch gemacht hat, aber jeder lobte den anderen auch für die guten Aktionen im Spiel. Bisher musste ich sowas immer übernehmen.


    Ich empfand das Spiel natürlich wieder etwas intensiver als die mitgereisten Eltern. Die waren der festen Ansicht, das wäre unser bestes Saisonspiel gewesen. Das empfand ich genauso, aber ich blickte etwas weiter hinter die Fassade und konnte sehen, das sich dort mehr getan hatte als nur das Spielen an sich. Der Mannschaftsgeist, der Zusammenhalt, das Füreinander-Kämpfen.... das vermisste ich immer. Plötzlich jedoch war all das auf einmal da! Ich war unglaublich stolz auf meine Jungs! Endlich verkörpern sie das, was ich als Trainer so gerne sehen möchte... eine Mannschaft! Jeder hilft jedem, keiner meckert bei Fehlern anderer. Die Kleinen sprachen lediglich die Fehler in aller Ruhe an, und die "Sündenböcke" sahen diese Fehler auch ein, gaben sogar Fehler zu, die ihre Mitspieler gar nicht gesehen hatten. Und bei allen war Zufriedenheit in den Gesichtern zu erkennen. Mit einem Lächeln kamen sie vom Platz.


    Und da tat auch ich als Trainer etwas, was ich bis dahin nie gemacht hatte. Statt der sonstigen Trost-Ansprache mit all den Floskeln ("Ihr wart trotzdem gut! Kopf hoch!" <- Alles Floskeln, die ich auch so sehe, und hinter denen ich stehe!) ging ich zu jedem hin und klatschte ihn ab. Die Jungs waren in dem Moment sichtlich stolz, und vor allem waren sie nicht minder stolz als ich!


    In der Kabine


    In der Kabine nach dem Spiel sprach ich mein Verhalten an. Ich wollte wissen ob sie bemerkt haben, was ich diesmal anders gemacht habe als vorher. Schnell kam die Antwort "Du hast uns abgeklatscht!" Das war mir aber nicht genug. Ich fragte, warum ich das wohl getan hätte. Die Mannschaft habe heute auch etwas anders gemacht als sonst... Schon prasselten die Antwortfetzen auf mich ein... "Wir haben heute mehr gekämpft als sonst!" "Nein, wir haben heute gekämpft. Sonst haben wir immer aufgehört zu kämpfen!" "Ja! Und wir haben heute auch auf unsere eigenen Fehler geguckt!" "Genau! Und wir haben nicht immer gemeckert, wenn einer was falsch gemacht hat!" Das ist nur ein kleiner Ausriss dessen, was in der Kabine passierte. Schnell waren sich alle einig, das an dem Tag all das gemacht wurde, was in meinen Augen den Sinn im Kinderfussball ausmacht. Spaß an der Sache, Jeder hilft jedem, keiner gibt auf! Man kann zwar verlieren. Aber es macht einen Unterschied, ob man verliert, oder ob man verliert aber wenigstens kämpft und sich was zutraut! Es war eindeutig zu erkennen, das die Jungs absolut zufrieden mit sich selbst waren. Doch die Jungs haben nicht aus dem Auge verloren, das wir auch weiterhin eher als bewegliche Zielscheiben herhalten müssen in der Hinserie. In der Rückrunde wird alles leichter, da die Staffeln neu gemischt werden, und wir wesentlich leichtere Gegner bekommen. Aber das werde ich ihnen vorerst gar nicht sagen, denn das ist bei dem neu entwickelten Mannschaftsgeist gar nicht nötig.

    Einmal editiert, zuletzt von Basti81 ()

  • Der Sinn dieser Geschichte


    Ich möchte keine Lobhudelei betreiben, was ich aus der Mannschaft gemacht habe. Ich habe lediglich den Schubs in die richtige Richtung gegeben, dorthin entwickeln müssen die Kinder sich von allein. Und das zählt für mich mehr als der sportliche Erfolg. Der kommt irgendwann von ganz allein. Gott sei Dank habe ich da die Unterstützung aller Eltern. Ich sehe nie die Entwicklung der Mannschaft als solche, sondern immer die Entwicklung der einzelnen Kinder. Wenn ich sehe, wie ein bis dahin schwacher Spieler sich im Spiel dann endlich was zutraut, in die Zweikämpfe geht, das lässt meine Augen leuchten. Und wenn er nur einen von 20 Zweikämpfen gewinnt, reicht mir das. Denn bis dahin hat er sich nicht einmal getraut, einen Zweikampf zu suchen. All diese individuellen Verbesserungen spreche ich im Training immer vor der gesamten Mannschaft an.
    Viel mehr als das fussballerische liegt mir der Mannschaftsgeist am Herzen. Ich brauche keine Topspieler, die sich gegenseitig ankeifen. Der soziale Umgang miteinander muss stimmen. Klar achte ich auch auf die sportliche Entwicklung. Diese versuche ich auch voranzutreiben, dafür bin ich Trainer und bilde mich ja auch fort.


    Sicher ist der Beitrag lang, und vielleicht auch ermüdend, wenn er durchgelesen wird. Wenn ich allerdings hier so im Forum rumlese und spezifische Fragen sehe, dann vermittelt sich mir schnell der Eindruck, als würden viele (ich weiss, ich irre mich da wahrscheinlich!) sich eher um die rein sportlichen Belange kümmern.


    In der Praxis sehe ich immer wieder Trainer, die wie Derwische am Spielfeldrand rumspringen und schimpfen, dirigieren, meckern, sicher auch mal loben. Und nach einem hart umkämpften 2:2 Unentschieden sieht man ihnen die Enttäuschung über die verlorenen Punkte an. Sowas verstehe ich nicht. Vielleicht bin ich noch nicht abgekocht genug, um das dann nachvollziehen zu können. Ich bin zwar auch oft enttäuscht, wenn wir z.B. letzte Saison knapp verloren haben, aber ich meinen Jungs den Sieg so sehr gegönnt hätte. Wir als Trainer zeichnen uns aber nicht durch Siege und Punkte aus. Wir erreichen in der Jugendarbeit nichts, was wir uns in den Lebenslauf schreiben können. Wir tragen eher einen entscheidenden Teil zur sportlichen, aber vorwiegend zur sozialen und persönlichen Entwicklung der Kinder bei. Und da sollte dann auch unser Augenmerk liegen, ganz gleich ob wir eine "Gurkentruppe" in der untersten Bauernliga trainieren, oder eine Leistungsmannschaft die höherklassig spielt.
    Ich bin kein Musterbeispiel für einen Trainer. Keine Lizenz der Welt bescheinigt uns, ob wir richtig handeln. Die Reaktion und Entwicklung der Kinder ist der einzige Maßstab, der das aufzuzeigen vermag.


    Ich hoffe einfach, das meine Schilderung dieses Spieltages dem ein oder anderen hilft, auch aus negativen Ergebnissen positive Dinge zu ziehen. Einfach mal über den Tellerrand eines Spiels hinausblicken, und nicht nur das sportliche im Auge behalten.


    Man sieht sich.

  • Wir als Trainer zeichnen uns aber nicht durch Siege und Punkte aus. Wir erreichen in der Jugendarbeit nichts, was wir uns in den Lebenslauf schreiben können. Wir tragen eher einen entscheidenden Teil zur sportlichen, aber vorwiegend zur sozialen und persönlichen Entwicklung der Kinder bei. Und da sollte dann auch unser Augenmerk liegen, ganz gleich ob wir eine "Gurkentruppe" in der untersten Bauernliga trainieren, oder eine Leistungsmannschaft die höherklassig spielt.


    DANKE FÜR DIESE SÄTZE!!! Das ist genau das, was ich bei vielen Trainern vermisse. Wir machen im Normalfall aus keinem Spieler einen Profi, aber wir haben eine Chance, an der Charakterformung von Kindern und Jugendlichen mitzuwirken. Das sollte man sich am Seitenrand immer mal wieder vergegenwärtigen.


    Generell ein dickes Lob an dich. Die eine oder andere Kleinigkeit gäb's vielleicht noch anzuregen (z.B. gib den Jungs zum Warmmachen einen Ball und lass sie nicht laufen), aber ich bin mir sicher - deine Jungs spielen fast komplett in der D und C auch noch Fußball, während die "guten" aus der E1 und E2 50 % Schwund haben werden.

  • Hat mir sehr gut gefallen, der Text. Vielleicht sollte man für so etwas eine eigene Rubrik bei Soccerdrills machen zur Verbreitung, zusammen mit Andre's Text zur goldenen Ananas ^^ Du hast schon recht, Fussball kann soviel Spass machen, auch wenn man keine "Siegertruppe" hat. Jeder Topf hat seinen Deckel, und die Jungs haben in Dir wohl ihren Deckel gefunden :thumbup: Es gibt sicher viele Mannschaften wie Deine, aber zu oft wollen die Trainer trotzdem auf Biegen und Brechen Sieger daraus machen, ohne die eigentlich vielfach möglichen Erfolge zu sehen, die Weiterentwicklung des einzelnen lässt sich halt nicht so einfach in der Zeitung abbilden wie ein Siegerergebnis..

    "Sag es mir - und ich werde es vergessen. Zeige es mir - und ich werde mich erinnern. Beteilige mich - und ich werde es verstehen."
    Lao-Tse (chinesischer Philosoph)

  • Wie gerne ich in alten Beiträgen stöbere....


    Seeehr langer Text, absolut lesenswert. Teilweise Gänsehaut. Besondern der letzte Abschnitt:

    Der Sinn dieser Geschichte



    In der Praxis sehe ich immer wieder Trainer, die wie Derwische am Spielfeldrand rumspringen und schimpfen, dirigieren, meckern, sicher auch mal loben. Und nach einem hart umkämpften 2:2 Unentschieden sieht man ihnen die Enttäuschung über die verlorenen Punkte an. Sowas verstehe ich nicht. Vielleicht bin ich noch nicht abgekocht genug, um das dann nachvollziehen zu können. Ich bin zwar auch oft enttäuscht, wenn wir z.B. letzte Saison knapp verloren haben, aber ich meinen Jungs den Sieg so sehr gegönnt hätte. Wir als Trainer zeichnen uns aber nicht durch Siege und Punkte aus. Wir erreichen in der Jugendarbeit nichts, was wir uns in den Lebenslauf schreiben können. Wir tragen eher einen entscheidenden Teil zur sportlichen, aber vorwiegend zur sozialen und persönlichen Entwicklung der Kinder bei. Und da sollte dann auch unser Augenmerk liegen, ganz gleich ob wir eine "Gurkentruppe" in der untersten Bauernliga trainieren, oder eine Leistungsmannschaft die höherklassig spielt.
    Ich bin kein Musterbeispiel für einen Trainer. Keine Lizenz der Welt bescheinigt uns, ob wir richtig handeln. Die Reaktion und Entwicklung der Kinder ist der einzige Maßstab, der das aufzuzeigen vermag.

    Fantastisch. Gegenwärtiger als jemals zuvor...

    "Some people think football is a matter of life and death. I don't like that attitude. I can assure them it is much more serious than that." - Bill Shankly

  • Kleeblatt das stimmt. Das würde mich auch interessieren!

    mal gesponnen : Positiv ungefähr so: Die Jungs entwickelten ein echtes Mannschaftsgefühl und Freundschaften entstanden.

    Sie merkten wieviel es zählt zusammen zu stehen, und darüber hinaus wurden einige der Jungs zu richtig guten Fußballern.

    Die Eltern waren dankbar und noch heute sind die Jungs ein Team.

    Negativ so:

    Die Jungs entwickelten ein echtes Mannschaftsgefühl und Freundschaften entstanden.

    Sie merkten wieviel es zählt zusammen zu stehen, und darüber hinaus wurden einige der Jungs zu richtig guten Fußballern.

    Leider entwickelten die Eltern zunehmend Anspruchsdenken und vergaßen woher die Mannschaft kam. Egoismen gewannen die Überhand letzlich übertrug sich das auf die Kids. Leider ist die Mannschaft darüber zerfallen.

    Bei einem Fußballspiel verkompliziert sich allerdings alles durch die Anwesenheit der gegnerischen Mannschaft (J.P.Satre)