Ich fühle mich etwas missverstanden.
Ich habe wiederholt darauf hingewiesen, dass ich taktische Fouls niemals angesprochen und noch weniger gefordert oder gefördert habe. Und meine Einstellung zu taktischen Fouls finde ich auch überhaupt nicht widersprüchlich. Ein taktisches Foul zeugt von der Intelligenz und vom Spielverständnis eines Spielers, wie Follkao es auch beschrieben hat. Ich rede hier eben nicht von Kinderfussball, sondern von der U16. Die Jungs sind zum Teil sehr intelligent und bringen neben meiner fussballerischen Ausbildung, die weit davon entfernt ist, alle Facetten des Spiels abzudecken (die Zeit, die Zeit), einen Haufen eigener Überlegungen in der Spiel mit. Das taktische Foul ist da eine Mischung aus Siegeswillen, fußballerischer Intelligenz und - Fernsehen schauen. Nebenbei bemerkt ist es auch sehr selten bei uns, da wir nicht hochklassig spielen. Ich brauche also gar nichts fordern, der mündige Spieler entscheidet in so einer Situation ganz allein, zumal ich am Seitenrand auch eher der ruhige Typ oder mit dem Coachen der Viererkette beschäftigt bin. In der Praxis lehne ich das taktische Foul daher ab und bespreche es mit meiner Mannschaft nicht, in der Theorie ist es aber absurd, zu leugnen, dass sich darin die Intelligenz eines Spielers ausdrücken kann. Man kann also auch in einer falschen Handlung durchaus das dahinter stehende Potential erkennen, ohne damit die falsche Handlung zu forcieren.
Und da sich FB mit seinem Hinweis auf den Kampfsport ganz schön in die Nesseln gesetzt hat, ist es vielleicht erwähnenswert, dass Fussball als Kontaktsportart juristisch wirklich als Kampfsport ausgelegt wird. Und auch beim Kampfsport, wie bei jedem Sport, gibt es Regeln. Deshalb finde ich es etwas ungerecht, dieses Wort jetzt als Schimpfwort zu benutzen. Man macht Fussball nicht zum Kampfsport, er ist es. (http://www.jurablogs.com/de/kampfsport-fussball) Wir können jetzt natürlich eine langwierige Debatte darüber führen, wie hart Fussball denn nun sein darf. Ich habe festgestellt, dass bei vielen Leuten direkt nach dem Pazifismusbekenntnis der Ausdruck "Angelegter Arm!" kommt, einer der schönsten Euphemismen für das laut Regelwerk eigentlich auch verbotene Stoßen des Gegenspielers.
Und damit bin ich bei meinem letzten Punkt: dem Schiedsrichter. Es besteht Uneinigkeit in der Regelauslegung, deshalb braucht man ihn. Es haben Mannschaften schon hart gegen uns gespielt, mit dem Hinweis, dass das in höheren Ligen so üblich ist, und der Schiedsrichter hat diese Auffassung gedeckt, mit dem Ergebnis, dass wir untergegangen sind. Das ist, wie ich schon geschrieben habe, eine direkte Folge der Ausbildungsoffensive des DFB. Es gibt in unserer Liga außer meinem Team keine Mannschaft ohne Co-Trainer, jeder Trainer hat eine Lizenz und deshalb steigen sowohl Niveau als auch Härte. Es ist keine Freizeitliga und ich weiß auch nicht, was daran schlimm sein soll. Dem Schiedsrichter kommt hier doch eine zentrale Rolle zu. Was ich der Mannschaft über Zweikampfhärte etc erzähle, wird Makulatur, wenn der Schiedsrichter jede Berührung abpfeift. Der Schiedsrichter entscheidet über die Gangart in jedem Spiel, und der Fussball bekommt dadurch immer einen völlig anderen Charakter, ja wird fast zu einem anderen Spiel. Ich sage nicht, dass ich das gut finde, und dass es Regeln gibt, bedeutet zum Beispiel noch nicht zwingend, dass es auch einen Schiedsrichter geben muss. Da wir uns aber alle nicht einig sind, gibt es ihn, und seinen Einfluss auf das Spiel darf man nicht unterschätzen. Wenn der gegnerische Sechser also zu oft foult und zu hart spielt, ist die erste Stellschraube für mich nicht der gegnerische Coach, der seit Jahr und Tag seine Auffassung des Fussballs lehrt und sich von mir wahrscheinlich noch weniger belehren lässt als sein Spieler, der ja immer so spielt, sondern der Schiedsrichter, der, wenn er meine Auffassung der Zweikampfführung teilt, diese Härte unterbindet.
tl;dr (Kurzfassung).
Ich lehne taktische Fouls aus Liebe zum Spiel ab und spreche sie daher niemals an. Wenn ein Spieler es aber korrekt anwendet (im Rahmen seiner eigenen Wertung), erkenne ich, dass er Spielverständnis und Antizipation hat. Die Entscheidung über die generelle Gangart liegt letztlich auch nicht bei mir, sondern beim Schiedsrichter.
Letztlich hat das meine Spieler so beeinflußt, dass sie für mich deutlich erkennbar....bis auf die letzten 10 Minuten....restlos gehemmt spielten, was immer noch zum 1:1 reichte. Darüber war ich sauer....richtig sauer, was mir aber -glaube ich- keiner anmerkte. Dem gegnerischen Trainer habe ich das aber während des Spiels unter vier Augen sachlich schonend gesagt, was der sogar einsah. Da war es aber schon zu spät, schade.
Die Situation kenne ich nur zu gut. Eskalierende gegnerische Trainer sind mit das schlimmste, weil ihre Spieler das Gebrüll von Trainer und Eltern für einen Freifahrtsschein halten und locker noch mehr übers Ziel hinausschießen. Ich habe im Gespräch mit dem gegnerischen Trainer auch frühzeitig zu klären versucht, dass es hier ja um Fussball gehen soll und nicht um Psychokrieg. Es gab aber auch schon Exemplare, die das überhaupt nicht eingesehen oder mich sogar deswegen ausgelacht haben. Und da habe ich nicht den Mund gehalten, sondern dagegen gehalten. Ich habe meinen Spielern erklärt, dass ich das nicht gerne mache, aber ich habe früher immer eher den Mund gehalten, dem Gegner damit das Feld überlassen. Meine Jungs haben nicht nur gehemmt gespielt, sondern hatten auch Angst vor dem gegnerischen Trainer und den Eltern und wir haben das Spiel verloren, was noch frustrierender ist. Ich hatte das Gefühl, sie irgendwie im Strich gelassen zu haben. Seitdem bin ich auch Assi, wenn es gar nicht anders geht, freue mich aber jedesmal über einen zivilen Umgang und bedanke mich auch möglichst beim gegnerischen Trainer und seinen Spielern, wenn die Atmosphäre angenehm und das Spiel sportlich war, um das irgendwie zu honorieren. Drüber stehen funktioniert vielleicht für mich, aber oft nicht für meine Jungs.