College Soccer

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  • Wie im anderen Thread beschrieben wird mein Sohn ab dem Sommer ins College wechseln. Daher habe ich mich (notgedrungen ;)) ein bisschen mit dem College Soccer auseinander gesetzt und da gibt es einige interessante Aspekte.


    Es gibt ca. 1000 Colleges in den USA, die Soccer anbieten. Der College Sport wird durch die NCAA organisiert. Im Soccer gibt es 3 Divisions. Die stärkste Division ist die Division I mit rund 200 Teams. Die Division I wird dann durch etliche Conferences gebildet, das sind kleinere Ligen mit 10 bis 12 Teams. In den Conferences wird vom Spätsommer bis November eine sehr knackige Saison gespielt (meist 2 Spiele pro Woche). Die Sieger der Conferences kommen dann in die Playoffs, das sind KO-Spiele, um den Bundessieger zu ermitteln. Im kompletten Frühjahr sind dann lediglich Freundschaftsspiele. Es gibt aber Planungen, das umzustellen und die reguläre Saison von Spätsommer bis Mai auszudehnen. Die Spielstärke der Top-Teams der D1 ist vielleicht Regionalliga-Niveau. Man findet etliche Spiele auf Youtube, da kann sich jeder selbst ein Bild machen.


    Die Colleges betreiben einen enormen Aufwand für ihre Sportteams und damit auch für den Fussball. Man bekommt einen Eindruck, wenn man "college soccer facilities" in Youtube eingibt, das hat tlw. Profi-Niveau. Sport und Studium sind eng integriert. Ein typisches Bachelor Studium am College dauert 4 Jahre. Die Colleges bieten oft sehr viele Fachrichtungen an. Für's Studium braucht man natürlich Abi und auch einen erfolgreichen Sprachtest, der ist aber nicht allzu schwer. Und das spannende für junge Kicker: Sehr viele Colleges bieten Sportstipendien an. Durch das Stipendium werden die Aufwände für das Leben (Kost/Logis) und die Studiengebühren getragen. Gerade letztere können je nach College 20-80 Tsd. € pro Jahr ausmachen. Wobei die Stipendien nicht immer 100% abdecken, das richtet sich wohl auch nach der sportlichen Einschätzung.


    Für solche Stipendien muss man sich bewerben, das läuft meist über Agenturen. Im Fall meines Sohnes kostet uns das rund 2500€ (wird nur im Erfolgsfall fällig). Man muss dann ein Bewerbungsvideo erstellen mit guten Spielszenen. Auch davon findet man etliche bei Youtube (Suche nach "college soccer recruiting highlight video"). Die werden dann den Trainern zugesendet. Und wenn die Interesse haben, kommen einige Telefonate zw. Spieler und Trainer, bevor es dann ein konkretes Angebot seitens des College gibt. Bei meinem Sohn ging das ratzfatz, die Entscheidung ist schon nach dem Video gefallen (da hat sich unsere Arbeit über die Weihnachtspause gelohnt :)). Aber es kann auch sein, dass die Trainer sich persönlich ein Bild machen wollen, die kommen dann rüber nach D, um dann verschiedene Spieler im Training/Spiel anzusehen. Wie gesagt, die treiben da mächtig Aufwand. Und man muss auch kein Toptalent sein, um so ein (Teil-)Stipendium zu kriegen, ich weiß mittlerweile von einigen ehemaligen Spielern der A-Jugend Verbandsliga, die auch den Sprung geschafft haben. Dann halt nicht in die Division 1, sondern D2 oder D3.


    Der College Soccer hat einige interessante Besonderheiten, die ich teilweise auch gerne in Europa sehen würde:

    • Es läuft eine Spieluhr, so wie hier im Basketball oder Handball. Wenn die abgelaufen ist, ist Schluss. Der Schiri kann Timeout anzeigen, z.b. bei Verletzungsunterbrechung oder Spielerwechsel. Das Zeitschinden entfällt, das finde ich prima.
    • Steht es nach 90 min unentschieden, gibt es Verlängerung mit Golden Goal. Endet die Verlängerung ohne Tor, bleibt's beim Unentschieden, außer in KO-Spielen natürlich, da gibt's 11m-Schießen.
    • Man kann Spieler aus- und dann wieder einwechseln. Auch das finde ich sehr gut, bei allen Sportarten ist das gang und gäbe, nur der Fussball hinkt hier hinterher.
    • Es gibt pro Team zwei Captains. Warum ist mir unklar, aber ich verstehe ohnehin nicht, warum es nach der Seitenwahl noch einen Kapitän braucht.

    Mein größtes Problem ab Sommer: Wie schaffe ich es, mal ein Spiel meines Sohnes zu besuchen? :/


    Grüße

    Oliver

  • Ich finde gut wie ihr mir der Situation umgeht.

    Alle Energie und Begeisterung in die neue Situation, nicht lange Dingen hinterhertrauern die man nicht änder kann.

    Ich wünsche auf alle Fälle viel Glück!


    Jedes Ding hat drei Seiten: Eine die du siehst, eine die ich sehe und eine die wir beide nicht sehen.

  • Ein paar Eindrücke kann ich gerne teilen, wobei wir als Familie jetzt wirklich sehr weit weg sind und alles nur aus den Berichten unseres Sohnes mitbekommen.


    Die erste reguläre Saison ist gerade rum, das Team ist in der Winterpause. Mein Sohn hat alle Spiele gemacht. Bei zwei Spielen pro Woche seit August ist er am Schluss ganz schön auf dem Zahnfleisch gegangen. Was ihn aber besonders genervt hat ist, dass durch die vielen Spiele eigentlich kein reguläres Mannschaftstraining stattfand. Oft lediglich Regeneration und dann schon wieder das nächste Spiel. Jetzt ist komplette Pause, das erste Mannschaftstraining ist dann erst wieder Ende Januar.


    Die oben beschriebene Regel mit der harten Zeitmessung hat für mächtig Drama gesorgt: Einmal haben sie die komplette Spielzeit geführt und dann 30 sec vor Schluss den Ausgleich kassiert. Sie haben es aber tatsächlich geschafft, in dem verbleibenden 30 sec nochmal vor's Tor zu kommen und den Siegtreffer zu erzielen. Ich hab's nur auf Video gesehen, aber da war natürlich der Teufel los...Ein anderes Mal hat der gegnerische Spieler mit der Schlusssirene einen Schuss abgegeben, der unhaltbar eingeschlagen ist. Hat nicht gezählt, der Ball war zu lang unterwegs :)


    Sportlich war das Team nicht so erfolgreich, wie sie es erhofft haben. Das Niveau im Team und auch in der Liga ist recht heterogen, verglichen mit Junioren-Bundesliga, wo eigentlich alle sehr gut ausgebildet sind. Ich habe einige Videos gesehen, da schien mir der Schiri Zweikämpfe strenger zu pfeifen als hier in Europa üblich. Aber das ist am Bildschirm schwer zu beurteilen.


    Mein Sohn hat gut gespielt, zumindest hat er diese Rückmeldung nach den Spielen von den Trainern bekommen und auch von Dritten, z.B. gegnerische Coaches. Dennoch hat der Trainer entschieden, dass er meinen Sohn loswerden will, denn er sei "not coachable". =OIch war nicht dabei, aber mein Sohn hat wohl einige Male die Taktik des Trainers kritisiert (der wollte verstärkt auf lange Bälle setzen, mein Sohn will lieber rausspielen). Ich kenne meinen Sohn, der ist 19 und hat ein gesundes Selbstbewusstsein. Vielleicht kam das dann zu schroff rüber, zumal für einen Amerikaner, der die direkte Art von uns Deutschen nicht so gewohnt ist. Auf jeden Fall hat der Trainer sich während der Saison eigentlich nie auf Diskussionen eingelassen. Und jetzt nach der Saison kommt so ein Urteil und er wird aus dem Team geworfen, das hat meinen Sohn erstmal kalt erwischt.


    Erste Reaktion war: Dann höre ich halt mit dem Fußball auf und konzentriere mich auf's Studium. Nach ein paar Tagen Überlegen hat er dann doch andere Optionen geprüft. Mit dem Ergebnis, dass er jetzt auf dem offiziellen "Transfer Portal" steht und Angebote von anderen Unis prüft. Eigentlich passt ihm das jetzt gut in den Kram, denn seine jetzige Uni ist in einer verschlafenen Kleinstadt und er versucht jetzt eher in eine Großstadt zu wechseln. Seine bisherigen Studienerfolge ("Credits") kann mitnehmen, das ist wohl insbesondere im ersten Jahr recht einfach. Er hat jetzt mehrere Zusagen, sein Favorit ist in einer Großstadt an der Westküste (Kalifornien). Das reizt ihn auch vom Klima her, bisher ist er an der Ostküste und wartet auf die kommenden Schneestürme...


    Er ist übrigens nicht der einzige Spieler, der aus dem Team geworfen mit. Auch ein weiterer Deutscher, der im Sommer hinzukam und ebenfalls sehr gut gespielt hat, muss gehen, er sei "not good enough". Mein Sohn schätzt das folgendermaßen ein: Das Team hat dieses Jahr nicht die Playoffs erreicht, d.h. sie haben die Erwartungen deutlich verfehlt. Dadurch wackelt der Stuhl des Trainers (Vollzeitstelle), d.h. er musste irgendetwas machen. Und die Schuld bei den Freshman abzuladen ist einfacher als Spieler weg zu schicken, die schon im zweiten oder dritten Jahr sind. Insofern nimmt er das jetzt auch nicht mehr persönlich auch wenn ihn der Umgang doch ganz schön geschockt hat (Hire and Fire).


    Kurz vor Weihnachten kommt er das erste Mal zurück nach Deutschland, darauf freuen wir uns!


    Grüße

    Oliver

  • Ok, dann gerne hier ein Update: Unser Sohn ist wie gewünscht letzten Winter nach Kalifornien gewechselt, wieder in ein Division I Team. Der Wechsel wurde wieder von einem Agenten vermittelt. Natürlich musste er sich ziemlich umgewöhnen. Das Klima gefällt ihm, es scheint halt oft die Sonne und schon im März waren einzelne Tage über 30 Grad. Er wohnt jetzt nicht mehr auf dem Campus im Studentenwohnheim, sondern etwas entfernt von der Uni in einer WG mit einigen anderen Fußballern. Die Apartment Preise sind exorbitant, er zahlt jetzt 800$ im Monat für das Bett in einem 2er Zimmer (die WG aus 4 Jungs hat 2 Schlafzimmer, Küche, Bad und ein Wohnzimmer). Sein Stipendium deckt das aber zum Glück weitgehend ab, aber für’s Leben steuern wir ihm noch etwas bei. Im Frühjahr war nur relativ wenig Training, so dass er sich verstärkt auf’s Studium konzentrieren konnte. Und er hat sich auch entschieden, im Sommer „drüben“ zu bleiben und Sommerkurse zu belegen, um damit ein wenig Druck aus dem Terminkalender im Herbst zu nehmen. Insgesamt findet er das Studium bis jetzt relativ einfach. Er hat bisher einen ausgezeichneten Notenschnitt (>3.7, das entspricht bei uns 1 minus). Das freut ihn und uns Eltern! :] Und auch seine Coaches, denn die können für ihn mit diesen Noten einen Groß-Teil seines Stipendiums aus dem Topf für besonders gute Studenten bekommen und entlasten so den Stipendiums-Topf für die Sportler.


    Es gab im Frühjahr/Sommer auch einige freie Tage, die hat er für Ausflüge genutzt. Sein bester Kumpel aus dem Sportinternat (der jetzt 2.Liga in D spielt, also den Sprung zum Profi geschafft hat) hat ihn besucht und sie sind mit einem roten Mustang Cabrio nach Las Vegas gefahren – viel mehr Amerika Klischee geht wohl nicht, aber sie fanden es großartig. Bei einem solchen Ausflug wurde ihm das Handy geklaut und in der Folge wurden dann auch seine beiden Kredit-/Debitkarten gesperrt, vermutlich weil der Dieb über das Handy illegitime Online Käufe getätigt hat und dort die Karten als Zahlungsmittel hinterlegt waren. Unser Sohn stand dann plötzlich ohne Zahlungsmöglichkeit da, aber zum Glück konnte er das klären. Und ich kenne jetzt eine gute Methode, um schnell und relativ günstig Geld von Deutschland auf ein amerikanisches Konto zu überweisen 😉.


    Wie oben beschrieben, ist die eigentliche Saison von Ende August bis Dezember. Im Frühjahr wird nur relativ wenig im Team trainiert, viel individuell / Kraft. Es gibt da wohl auch Vorgaben der NCAA , dass ein reguläres Team-Training nicht zulässig ist (den Grund kenne ich nicht). Es finden einige wenige Freundschaftsspiele statt. Da mein Sohn den Sommer in Kalifornien geblieben ist, hat er sich noch 2 Teams angeschlossen, die in sog. Summer Leagues spielen. Ich hab nicht rausbekommen, wie das organisiert ist, aber das sind wohl mehr oder weniger lose Zusammenschlüsse, die von Ende Mai bis Juli Spiele austragen. Das Niveaus ist wohl eine ganze Ecke unterhalb der Division I Teams. Mein Sohn wollte das gerne nutzen, um sich auf die Vorbereitung in seinem College-Team vorzubereiten 😊, die dann ab Anfang August startet. Leider hat ihn dann ein Virus erwischt und er musste 2 Wochen komplette Pause machen. Gerade ist er dabei, sich wieder ans Training zu gewöhnen. Er hat in der Zwangspause nach seiner Aussage 5 kg Muskeln verloren, die muss er sich erst mal wieder drauf schaffen. Er hat ein bisschen Bammel, dass er zum Start der Vorbereitung in zwei Wochen noch nicht ausreichend fit ist, denn natürlich will er spielen – und das klappt nur mit gutem Training. Und die Vorbereitung ist halt nur 2 Wochen und entsprechend knackig. Die Saison startet 16.8. und bis Ende Oktober sind dann 20 (!) Spiele. Im November folgen dann die Playoffs usw. aber dafür müssen sie sich erstmal qualifizieren.


    Grüße

    Oliver

  • Sorry, interessantes kann ich nicht berichten, weil ich aktuell selbst wenig mitkriege - unser Junior macht sich zurzeit ziemlich rar. Das interpretiere ich mal als Zeichen, dass es ihm gut geht, aber Infos für's Forum fallen daher leider flach. :)


    Grüße

    Oliver

  • Über Ostern haben wir unseren Sohn in Kalifornien besucht, daher kann ich wieder ein paar Infos geben. Während unserer Zeit waren zwei interne Testspiele, also Team A gegen Team B, der Kader ist ja groß genug. Das Niveau fand ich recht übersichtlich, ehrlich gesagt. Regionalliga war das nicht. Es kann sein, dass das täuscht, da es halt kein offizielles Spiel war, aber insgesamt doch eher schwach. Auf beiden Seiten gab es große Probleme beim Spielaufbau. Generell wurde sehr viele Einzelaktionen versucht, z.B. 6er geht ins Dribbling gegen zwei Gegenspieler, statt einen Pass zu spielen. Mein Sohn meinte, dass das daran liegt, dass jeder Spieler versucht, eine möglichst eindrucksvolle Situation mit Ball zu haben, um den Trainer zu beeindrucken. Ob’s funktioniert?! Die Spielweise führt dazu, dass es sehr viele Zweikämpe gibt, aber nur wenig Spielfluss. Die Zweikämpfe werden sehr körperlich/ruppig geführt, obwohl das ja wie gesagt nur interne Trainingsspiele waren. Was mir zudem negativ aufgefallen ist: Selbst im Trainingsspiel gibt es diese Unsportlichkeiten, um Zeit zu schinden, also Ball wegschlagen, obwohl abgepfiffen ist, schnelle Ausführung der Freistöße wird verhindert, Ball für den Gegner wird nicht geholt usw. Das hat mich wirklich überrascht. Aber mein Sohn meinte, der Trainer fordert das auch so ein. Very strange! Einmal gab es sogar eine Rudelbildung, so hoch kochen die Emotionen…Der Trainer des Teams ist Typ „alter Haudegen“, also sehr autoritär. Mein Fall wär’s nicht, aber mein Sohn kommt soweit ganz gut mit ihm klar.


    Es wird jetzt in der Spielfreien Zeit sehr viel trainiert, erstes Training meist um 8:00 morgens, danach Krafttraining. Das war letztes Jahr noch anders, da wurde weniger trainiert. Nachmittags/abends sind dann die Vorlesungen im College, manche Kurse gehen bis 22:00! Aktuell laufen die Planungen für das kommende Semester. Die Sportler haben separate „academic adivsors“, die die Kursplanung mit den Spielern machen. Ein großer Vorteil ist, dass die Sportler als erste ihre Kurse wählen, damit das zu den Trainingszeiten passt. Dadurch besteht kein Risiko, dass die Sportler nicht in stark nachgefragte Kurse reinkommen, das trifft dann erst die regulären Studenten. Die Uni fand ich erstaunlich aufgeräumt, alles sehr „clean“, ganz anders als ich das in meiner deutschen Uni vor 30 Jahren erlebt habe. Es gibt Studentenwohnheime direkt auf dem Campus, aber mein Sohn wohnt in einer Sportler-WG in unmittelbarer Nähe zum Campus. Wie alle dort hat er sich jetzt einen E-Scooter zugelegt, weil die Wege an der großen Uni per Fuß recht weit werden. Er überlegt auch, sich mit einem Freund ein Auto zu kaufen, da der ÖPNV nicht wirklich gut funktioniert und Taxi/Uber auf die Dauer auch teuer wird.


    Mein Sohn ist jetzt knapp 2 Jahre in den USA und überlegt aktuell, ob er nach dem Bachelor auch noch den Master in den USA machen soll. Ihm gefällt es dort also. Und als Familie war es super, das alles mal konkret vor Ort zu sehen. Nur mit dem Jetlag muss ich jetzt kämpfen :S


    Grüße

    Oliver

  • Generell echt interessante Einblicke.
    Ich hab 1-2 Punkte, die mir nur stichhaltig aufgefallen sind.

    körperlich/ruppig geführt

    Ist generell über den amerikanischen College-Fußball so bekannt. Generell wird in Nordamerika ja eher sehr körperbetont trainiert, das ist hier in DE ja eher deutlich anders.

    Der Trainer des Teams ist Typ „alter Haudegen“, also sehr autoritär.

    Auch das ist ja irgendwie ein typische Ami-Klischee. Man kennt es ja aus den Filmen, Reportagen und auch von amerikanischen Sportarten. Ist ja irgendwie deren Art