Was passiert mit unserem Fußball?

Du bist noch kein Trainertalker? Registriere dich kostenlos und nehme an unserer Community teil!

Du bist Trainertalker? Zur Anmeldung
    • Offizieller Beitrag

    Ich sehe die Kommentare von mrdunkee hier im Forum als Anlass, über die Entwicklung im Fußball allgemein nachzudenken. Wir lieben alle diesen Sport, aber ist die Entwicklung vielleicht das Todesurteil für den Fußball in einigen Jahren?

    Ich bin mir persönlich nicht sicher, ob die Entwicklung positiv oder negativ ist, denn ich freue mich über tolle Stadien, internationale Erfolge und Public Viewing. Aber in den Momenten abseits von Emotionen läuft mir ein kalter Schauer über den Rücken, wenn ich an die Zukunft denke.

    Fußball wird immer mehr zum Event mit Volksfestcharakter, so hat es Franz Beckenbauer gefordert, mit Blick in den amerikanischen Profisport. Was aber, wenn zum Beispiel „Champagner-Fans“ (Frank Rost) eines Tages Fußball nicht mehr schick finden? Was, wenn russische Milliardäre, Ölscheichs, ein Herr Hopp oder deren Erben und Nachfolger keine Lust mehr auf Fußball haben?

    Ausgrenzung von Fans (ja, die gibt es), fast Halbierung der Fernsehgelder für die Regionalliga in der nächsten Saison (geht natürlich zu Lasten der Jugendförderung) und die schleichende Entwicklung der Anstoßseiten in der Bundesliga sind Dinge, die mir Sorgen machen. Das Live-Spiel am Samstag um 12.00 Uhr konnte noch geblockt werden, in England gibt es sowas schon.

    Die Kluft zwischen den Vereine „oben“ und den Clubs „unten“ wird immer größer und ist durch sportliche Leistungen überhaupt nicht mehr schließen. Um international konkurrenzfähig zu bleiben kamen schon Vorschläge, den Abstiegsmodus zu verändern, damit Vereine Planungssicherheit für die nächsten Jahre haben.

    Ist das ein Zukunftsbild? 18 Vereine, die immer in der Bundeliga bleiben, ähnlich wie Freizeitparks? Klingt unwahrscheinlich, aber beim Eishockey war eine Begründung folgendes:
    Die meisten unserer modernen Spielstätten, auf denen das Wachstum der DEL zu einem großen Teil basiert, werden oder sind von privaten Investoren finanziert, die für ihre Vorhaben die wirtschaftliche Planungssicherheit eines kontinuierlichen und attraktiven Mieters in Form eines DEL-Clubs benötigen.

    Ich zitiere im nächsten Beitrag aus einem Kommentar, der zum Nachdenken anregen sollten.

    • Offizieller Beitrag

    aus http://fussball-kultur.org

    WM 2006:
    Jenes Publikum, das die bizarren Logen in den Stadien bevölkerte, während teils weitgereiste Fans draußen bleiben mussten. Es tat weh, die am Rande interessierten Besserseher mit ihren VIP-Armbändchen mitunter auffällig gelangweilt beim Fußball-Konsum erleben zu müssen - während der authentische Anhang traurig vor den Toren stand.

    Der vor über zehn Jahren mit der Europameisterschaft 1996 in England zu beobachtende Trend hat eine Dynamik entwickelt, die das Spiel immer weiter von seinen Wurzeln entfernt. Für Mister Jones, den englischen Zwillingsbruder von Otto Normalverbraucher, ist bald kein Platz mehr - so schrieben damals britische Zeitungen.

    Schrill und laut muss "das Produkt" sein; die grelle Verpackung interessiert die Vermarkter viel mehr als der Inhalt, für Zwischentöne bleibt kein Platz. Und seriöse Trainer klagen darüber, dass es immer schwieriger wird, Teamgeist zu vermitteln, ein Gemeinschaftsgefühl.

    Das Spiel, das hat der große Portugiese Luis Figo einmal gesagt, werde er immer lieben - das Umfeld aber ekle ihn an. Er meinte jene Wichtigtuer, Protze und Geschäftemacher, denen sich der Fußball fast schon komplett ausgeliefert hat - weil man deren Geld braucht, um es in einen (Schulden-)Kreislauf zu pumpen, der kaum mehr zu stoppen scheint. Vergleichsweise absurde Personalkosten belasten die überwiegend hoch verschuldeten Klubs; Spielergehälter bewegen sich in Dimensionen, in denen sich keine Vorstellung eines Verhältnisses zwischen Lohn und Leistung mehr entwickeln kann.

    Wie sich das Publikum darüber verändert hat, ist Woche für Woche in vielen Stadien zu beobachten: Die Konsumenten würdigen die Leistung der Spieler herab, es gibt immer weniger Verständnis für die Besonderheiten des Sports, der nur noch Teil einer gigantischen Freizeit- und Unterhaltungsindustrie sein soll. Von der Ernsthaftigkeit des Sports hat die Spaß- und Partygesellschaft keine Vorstellung.

    Das Geld der Fußballvermarkter hat die Spieler reicher, die Vereine ärmer und das Publikum dümmer gemacht. Vor allem aber hat es das Gemeinschaftserlebnis Fußball zerstört. Spieler dürfen sich - auch - als Hampelmänner der Witzfiguren mit den Vip-Bändchen am Arm fühlen, haben aber genauso fast jeden Kontakt zu denen verloren, die für sie leben und leiden: Verzweifelt mutet der Kampf der Kurven um ihr letztes Biotop im Stadion an; Mister Jones und Otto Normalverbraucher bleiben ohnehin längst zu Hause. Wohin das führen kann, sieht man auf der Insel aber auch: Englands Kommerzfußball bescherte dem Land zuletzt halbleere Stadien, weil das neue Event-Publikum irgendwann wieder ausblieb - und der echte Fan verprellt war.

    Ähnliches erlebte und erlebt Italiens Serie A, einst die beste Liga der Welt - und heute tief versunken im Morast eines korrupten Systems, das inzwischen Neofaschisten und Rassisten nährt. Verführer bedienen sich der Verlierer der Vermarktung. Der totale Kommerz ist längst eine Seuche: für den Fußball so schlimm wie das Doping.

  • Hi Uwe,

    Hammerthema, ...wenn man das alles so liest, komme ich zu dem Gedanken, dass das sehr schlüssig ist. Ich habe mir ehrlich gesagt noch nicht so viele Gedanken bis weiter hinter die Tür gemacht, muß aber sagen, dass das nicht so abwägig ist, mit dieser Prognose, schließlich -so hast Du es ja auch geschrieben- gibt es Beispiele, die drei Schritte weiter sind als wir und man kann dort sehen, wohin der Weg führt. Es stünde für mich die Frage, was hier anders ist als in England, denn wen etwas anders ist, könnte der Weg in eine andere Richtung führen. Das sehe ich hier aber nicht.

    In "Frustminuten" habe ich mal geschrieben, dass mir das da oben sowas von
    Schei..... egal ist und nur das hier und jetzt zählt. Also gute Ausbildung ja und dann Spass und Ehrgeiz in der Gegenwart leben und maximal ein bischen um die Ecke in die Zukunft schauen. Das sage ich als "Förderer" des Breitensports. Im Bezug auf dein neues Thema, verstärkt sich hier mein Denken.

    Ich habe hier beobachtet, dass Trainer aus einem Nachbarverein, welcher immer höher gespielt hat als wir, zu uns in den Breitensport gewechselt haben. Das sind richtig symphatische und klasse Trainer. Die sagen, dass es ihnen bei uns super gefällt, weil der Umgang untereinander und auch zu den Eltern sowas von klasse sei, dass sie das nur mit einer Gänsehaut sagen können. Zudem sind talentierte Spieler, dessen "Karriere" altersbedingt bei weitem noch nicht beendet war, zurück in unseren Verein gekommen. Trainer und Spieler haben erzählt, dass im kommenden Jahr möglich ist, dass auch noch weitere Spieler in den Heimathafen kommen werden. Die Gerüchteküche sagt, dass man den krassen Ton "da oben", die unpersönliche Art, das Geschreie, den Wahnsinns Ehrgeiz einiger Funktionäre und Trainer nicht mehr ertragen möchte, um sich im Umkehrschluss auf den Faktor Spass konzentrieren zu können. Ich finde, vorausgesetzt, dass ist keine Scheisshausparole, das das unter dem Aspekt, dass die Jungs auch auf Geld verzichten, ganz schön bezeichnend. Ich persönlich finde diese Einstellung aber irgendwie klasse, weil man kommt zu alten Wurzeln zurück. Auf der anderen Seite denke ich aber auch, ....gute Nacht Spitzenfußball, der letzte macht das Licht aus. Gruß Andre

    Einmal editiert, zuletzt von Andre ()

  • Ich seh das eher pragmatisch.

    Wenn irgendwann die Abramowitsches dieser Welt wegbrechen, gibt es halt weniger Geld für die Spieler. Das ist doch das A und O - die Personalkosten. Es ist schon lange ein Punkt, der mich aufregt: Wieso soll die Allgemeinheit - der Steuerzahler - zum Beispiel für Polizeieinsätze rund um ein Fußballspiel aufkommen, wenn das Kapital dazu durchaus vorhanden ist?

    Profi"vereine" heutzutage sind nichts anderes als mittelgroße Wirtschaftsunternehmen in der Unterhaltungsindustrie. Die Bindung an die alten Fußballvereine und ihre Traditionen haben sie meines Erachtens seit einer Dekade verloren, siehe auch den Wandel der Publíkumsstruktur.

    Das muss nicht zwingend schlecht sein. Der Fußball an der Basis und in der Jugend hat sich für mich eigentlich dadurch nicht groß verändert und dieser Sport ist zu groß, als dass er durch so etwas ganz kaputt gehen wird.

    Wenn "oben" im Profibereich die große Krise ausbricht und Investoren in großem Stile wegbrechen würden, weil Fußball nicht mehr "sexy" ist, dann wird es trotzdem eine oberste Liga geben, in der dann halt für erheblich weniger Geld gespielt wird.

    Ich bin auch kein Anhänger von Eventfans, Cheerleadern oder der Hermes House Band usw und all dem Quatsch, den uns Eventmarketingmanager beschert haben. Aber der Sport selbst wird all diese Irrungen und Wirrungen überleben.

  • Zitat:


    Chris schrieb am 01.12.2008 10:57
    ... Aber der Sport selbst wird all diese Irrungen und Wirrungen überleben.



    Genau das denke ich auch. Was kümmern mich die Anspielzeiten und die Fernsehübertragungen. Entweder ich gehe zu Spiel und gehe eben dann, wenn es stattfindet, oder ich schaue mit die Zusammenfassungen in der Sportschau an. Wenn mich was spezielles interessiert, nehme ich es einfach auf und schaue es, wenn ich Zeit habe. So kann ich erst noch die Werbung übergehen.

  • Ich denke auch, dass der Fussball sich auch weiterhin, wie er es in der Vergangenheit getan hat, verändern oder auch anpassen wird. Wenn ich an die Zeit denke, wo ich als Fan in der Kurve stand, damals war ALLES anders, und es geht hier um die Anfang 90er, also nicht gefühlt vor zwei Weltkriegen. Wir haben so Malocher wie Eilts (ist ja später beim DFB noch zu Ehren gekommen als Trainer) oder Borowka verehrt, haben bis kurz vor dem Anpfiff unser Bier getrunken und sind dann auf unsere Plätze (Heute gibt es ein riesen-Rahmenprogramm lange vor Anpfiff) oder haben im Regen mit 10.000 Leuten Bremen gegen Uerdingen geschaut (ohne Dach geht Heute nix mehr und selbst beim überflüssigsten Freundschaftskick kommen Heute mehr Leute ins Stadion). Es fing damals irgendwann an, dass Fussball als Party entdeckt wurde. Dem echten Fan graulte es, dass irgendwelche Leute Platz beanspruchten, die nicht da waren, um IHR Team anzufeuern, sondern einfach nur um unterhalten zu werden und Spass zu haben. Das Resultat dieses Trends: Überall schmucke Stadien, eins schöner wie das andere, ein riesen-Erlebnis Bundesligaspiel, Weltklassespieler wie Ribéry fanden den Weg in die Bundesliga. Natürlich spielt der Fan noch eine Rolle, aber die Zeiten, wo Fans noch sagen konnten, der Club sind wir, die sind halt vorbei. Das ist ein wenig schade, aber davon alleine kann man keine schönen Stadien bauen und Weltklassespieler holen. Der Hoeness hat es zwar unmöglich rübergebracht, und ich mag ihn eigentlich nicht, aber er hatte recht, als er sagte, dass alles lässt sich von 7,50 Euro nicht finanzieren. Man kann nicht einerseits den kleinen Rahmen beibehalten und große Sprünge fordern. Man hat sich halt für die großen Sprünge entschieden, und ich denke, dass dies den Fussball eher am Rollen hält als wie sich dem Markt zu verschließen. Man muss natürlich aufpassen, dass es nicht übertrieben wird und aus ein paar Zugeständnissen eine komplette Veränderung unseres geliebten Sports wird. Die postiven Auswirkungen, nämlich die Präsenz des Fussballs Heute, hat uns zum Beispiel viele neue Kinder in den Vereinen beschert.

    "Sag es mir - und ich werde es vergessen. Zeige es mir - und ich werde mich erinnern. Beteilige mich - und ich werde es verstehen."
    Lao-Tse (chinesischer Philosoph)

  • Ich sehe es relativ entspannt. Jeder kann und wird für sich selbst entscheiden, ob er diesem Trend nachgibt, oder eben nicht.

    Niemand wird gezwungen den Fernseher (Bezahlfernseh) einzuschalten, oder ins Stadion zu gehen. Es gibt einen Punkt da entscheide ich das es vorbei mit lustig ist. Ich jedenfalls werden diesen übertriebenen Wahnsinn nicht mitmachen und falls erforderlich mir gar keine BL-, oder CL-Spiele ansehen.

    Der Kunde (Zuschauer, Fan etc.) ist alt genug und kann selbst entscheiden ob er sich für dumm verkaufen lässt, oder sich verweigert. Schließlich geht es um Geld. In dem Fall um mein Geld. Und da sollten sich die Marketingexperten nicht täuschen wie weit der für dumm gehaltene Kunde sich bringen lässt.

    Die absehbare Wirtschaftskrise wird dazu führen, das sich auch die Unternehmen sehr genau überlegen werden, wo bzw. wie sinnvoll sie ihr Geld investieren.

    Den Bundesligavereinen und dem DFB kann ich dabei nur zurufen: "Wer zockt, der muss damit rechnen, das er verliert".

    Wer kämpft kann verlieren - wer nicht kämpft hat bereits verloren

  • Die Banker haben diesen Spruch bereits leidvoll erfahren müssen.

    Wer kämpft kann verlieren - wer nicht kämpft hat bereits verloren