Beiträge von vangaalsnase

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    Man kann langsame Muskelfasern nicht in schnelle umwandeln, aber schnelle in langsame. Indem man schnelle Spieler unspezifisches und isoliertes Ausdauertraining machen lässt, erreicht man, dass sie langsamer werden. In der dänischen ersten Liga bspw. gibt es daher auch mehr Spielern mit langsamen Muskelfasern als im dänischen Bevölkerungsdurchschnitt.

    Da der DFB für die Braunschweiger Konzeptionierung sein höchstes Gütesiegel vergeben hat, ist es im Prinzip ein Einverständnis. Ob das nun tatsächlich dem DFB-Konzept entspricht, ist in diesem Fall eher zweitrangig. Der DFB bewertet die NLZ und vergibt entsprechende Prädikate (oder wie auch immer man das nennt). Wenn er 3 Sterne vergibt, und das NLZ solch desolate Ergebnisse einfährt, muss man sich auch auf Seiten des DFB fragen, wie das passieren konnte. Stattdessen heißt es nun nach dem Ausscheiden der N11 in Russland, man müsse wieder mehr auf die individuelle Ausbildung gehen. Ich kann nur hoffen, dass man sich da nicht zu sehr an Braunschweig orientiert.


    Der Aufbau - erst Individual-, dann Gruppen-, dann Mannschaftstaktik - ist ziemlich problematisch, weil der Fußball dort von hinten aufgebaut wird. Es gibt dabei einen sehr starken 1-gegen-1-Fokus. Dadurch werden die Kinder aber in isolierte Übungen gepackt. Und wenn sie danach in der Gruppe oder Mannschaft spielen sollen, haben sie in der Regel Probleme mit dem Transfer. Bei mir entsteht da immer der Eindruck, als würde man den Kindern nicht zutrauen, dass sie das Spiel erlernen könnten, wenn man sie gleich mit Spielformen konfrontiert. Dabei zeigt gerade die deutsche Fußballgeschichte, dass das sehr wohl der Fall ist: die Generation um Beckenbauer bestand überwiegend aus Straßenfußballern. Die sind in ihrer Kindheit über die Dörfer gefahren und haben ständig gezockt. Spielerisch gilt diese Generation noch immer als die stärkste des DFB. Danach fing man an, Kinder systematisch in Vereinen zu trainieren und instruieren. Die Folge davon war der Rumpelfußball der 1980er und 90er Jahre, der seinen traurigen Höhepunkt in der EURO 2000 fand.


    Indem man das Spiel in so kleine Teile zerlegt, dass man zuerst Individualtaktik vermittelt, geht der Spielsinn verloren. Auch die erlernten Techniken brechen unter dem spielnahen Gegnerdruck zusammen. Studien, die sich mit der Kreativitäts- und Bewegungsentwicklung in Sportspielen beschäftigen, zeigen eindeutig, dass man Kinder in vielen unterschiedlichen Spielformen und Sportarten frei agieren lassen soll. Die finden schon passende Lösungen.


    Zu deinem letzten Absatz:

    Das Ziel muss es sein, einen klaren Spielstil vorzugeben und zu vermitteln, in dessen Rahmen die Spieler die bestmöglich Entwicklung durchlaufen können. Im Idealfall führt das zu erfolgreichen Mannschaftsergebnissen bei gleichzeitiger Nominierung einiger Spieler für Auswahlmannschaften.


    Das ist jetzt natürlich stark idealisiert.

    Vielleicht ein bisschen off-Topic. Ich habe hier nicht alle Kommentare gelesen, sondern möchte zum Thema "Taktiktraining" generell ein paar Gedanken äußern.


    Zu meiner Frage nach Eurer Auffassung vom Taktikbegriff: Häufig liest man (damit meine jetzt gar nicht dieses Forum), "Taktik darf in Altersklasse XY keine Rolle spielen!" oder "Die Taktik verdrängt/unterdrückt die Individualität" etc. Manchmal wird sogar soweit gegangen, dass man nur die Defensive mit Taktik gleichsetzt: „Das Spiel (0:0) ist sehr von Taktik geprägt.“ All diese Aussagen gehen von einem sehr engen Taktikbegriff aus, der wenig mit der tatsächlichen Bedeutung zu tun hat.


    Bei der Taktik handelt es sich um alle organisierten Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, die Spielziele situationsorientiert zu erreichen. Die Situationsorientierung bezieht sich auf die durch den Gegner beeinflussten Umstände von Raum- und Zeitdruck während des Spiels. Die taktische Fähigkeit ist also die Qualität, in der jeweiligen Situation die richtige Handlung vorzunehmen bzw. eine angemessene Entscheidung zu treffen. Taktik ist demnach unabhängig vom Spielmoment in erster Linie das Spielverständnis des Spielers: Wann gehe ich ins Dribbling, wann spiele ich einen Pass, wohin spiele ich ihn? Dieses Verständnis muss stets in Wechselwirkung mit anderen Spielern (in welche Räume beweg ich mich, um für meine Mitspieler anspielbar zu sein oder mit ihnen den Raum zu verengen?) und schließlich im Rahmen der gesamten Mannschaft (wie Verschieben wir als Verbund und wie Staffeln wir uns, um konstruktiv aufzubauen?) betrachtet werden.

    Das heißt also, jede einzelne Entscheidung, die ein Spieler auf dem Platz trifft, ist schon taktischer Natur. Und darum geht es doch in der Ausbildung. Die Spieler sollen lernen, für jede Situation möglichst eine adäquate Entscheidung zu treffen (Taktik) und diese dann auch bestmöglich auszuführen (Technik). Das zeigt die Untrennbarkeit von Technik und Taktik.


    Welche Lösung die Beste ist, kann man in den seltensten Fällen festlegen. Darum müssen wir den Spielern auch immer die Gelegenheit geben, EIGENE Erfahrungen zu sammeln. Denn manchmal kommen Spieler auf Lösungen, an die wir Trainer gar nicht gedacht haben. Und vielleicht ist diese Lösung auch besser als diejenige, an die wir dachten. Darum ist das beste Taktiktraining dasjenige, in welchem die Spieler mit spielnahen Situationen konfrontiert werden (Spielformen). Taktiktraining heißt also nicht, dass man die Spieler auf feste Positionen stellt und ihnen klare Anweisungen gibt. Und Taktik heißt erst recht nicht, dass man die Spieler den eigenen Strafraum zumauern lässt.


    Und ich widerspreche der Herangehensweise des DFB, man solle erst Individualtaktik trainieren, dann erst Gruppentaktik usw. Darin liegt für mich eine Fehlvorstellung über den Fußball selbst. Individualtaktik kann eigentlich nur das 1-gegen-1 sein. Passen ist schon per se keine Individualtechnik, da man dafür mindestens zwei Spieler braucht. Und selbst ein 1-gegen-1 hat wenig mit dem tatsächlichen Spiel zu tun. Denn Zweikämpfe sind doch niemals isoliert. Denn der Verteidiger muss im Spiel doch stets damit rechnen, dass der herannahende Dribbler einen Pass spielt. Es reicht also nicht, das Dribbling zu verteidigen, weil da noch unzählige andere Dinge nebenbei passieren. Wenn man sich auch mal Dribblings von Iniesta ansieht, erkennt man, wie er die Situationsdynamik ausnutzt, indem er das Tempo variiert oder den Körper nur leicht dreht, um einen Pass anzutäuschen. Wie will man sowas in 1-gegen-1-Übungen simulieren?


    Fußball ist und bleibt ein Mannschaftsspiel. Das bedeutet, dass die Spieler verstehen müssen, wie sie als Kollektiv funktionieren können. Erst in diesem Rahmen kann man dafür sorgen, dass sich die Spieler individuell entfalten. Umgekehrt vorzugehen – also erst Dribbling, allgemeine Ballverarbeitung etc. zu trainieren und dann das Ganze ins mannschaftliche Gefüge einzubauen – dürfte zu einigen Problemen führen.


    Ein extremes Negativbeispiel für diese Herangehensweise ist Eintracht Braunschweig. Die haben ihr Nachwuchskonzept so gestaltet, dass das Individualtraining nach und nach das Mannschaftstraining verdrängte. Das Individuum wurde quasi über das Kollektiv gestellt. Dafür hat das NLZ vom DFB 3 Sterne (Höchstwert) bekommen. In der vergangenen Saison ist dann nicht nur die Männermannschaft aus der 2. BuLi abgestiegen, sondern auch die U17 und U19 aus ihren jeweiligen Bundesligen. So etwas passiert eben, wenn man vielleicht als Einzelspieler eine Situation lösen kann, aber auf der mannschaftlichen Ebene fehlen die kollektiven Ansätze. Und dass man seitens des DFB eine so hohe Bewertung bekommen hat, zeigt leider, dass man auch beim DFB nicht über jeden Zweifel erhaben ist, wenn es um die Konzeptionierung bestimmter Ausbildungsmodelle geht.


    Klar; das Braunschweigbeispiel ist in einem höheren Altersbereich anzusiedeln und in diesem Forum dominiert der Kinderfußball. Aber die Prinzipien sind dennoch die Gleichen. Gebt Spielern die Möglichkeit, sich individuell zu entfalten. Lasst sie Erfahrungen sammeln und sich ausprobieren. Aber tut das im Rahmen des Kollektivs. Ich weiß nicht, ob ich das hier schon mal erzählt habe: Ein Kumpel von mir trainierte mal eine U9. Da war ein Spieler bei, der richtig gut zocken konnte (Finten, Tricks… das volle Programm). Der Rest war unterer Durchschnitt. Anfangs hat Minimessi alle nass gemacht. Mein Kumpel hat nur Spielformen genutzt und keine Anweisungen gegeben. Nach und nach fingen die anderen Jungs an, Minimessi nachzumachen. Zunächst hatten sie Probleme. Gar nicht mal was die technische Ausführung betraf. Sie mussten aber erst einmal ein Gefühl dafür entwickeln, in welchen Situationen, sie welche Aktion nutzen (Timing, Richtung usw. mussten selbstorganisiert justiert werden). Das klappte nach drei Trainings schon sehr gut. Das hätten sie so aber wohl nicht geschafft, wenn man das ohne einen situativen Bezug im 1-gegen-1 trainiert hätte.


    Ein anderer Effekt war, dass die Jungs mit zunehmender Dauer nicht mehr einzeln gegen Minimessi spielten, sondern ihn doppelten oder trippelten (ist das ein Wort?). Daraus folgte wiederum, dass Minimessi sich Lösungen einfallen lassen musste, um nicht in den Unterzahlsituationen den Ball zu verlieren. Also wählte er situativ passend das Abspiel.

    Ohne dass mein Kumpel auch nur ein Wort sagen musste, fanden diese jungen Spieler eigenständig Lösungen und probierten sich aus. Alles in einem spielnahen Rahmen im gruppen- und gesamtmannschaftlichen Bereich.


    Wenn ich also die Kritik höre, die Nachwuchsausbildung in Deutschland sei zu taktisch und wir hätten deswegen zu wenige Individualisten, kann ich nur den Kopf schütteln. Wenn man „Taktiktraining“ im Sinne der tatsächlichen Bedeutung machen würde, wäre jeder Trainingsansatz ganzheitlich und wir würden ganz im Sinn eines Horst Wein trainieren.


    Ich sage nicht, dass man kein Individualtraining machen soll oder dass dies schlecht sei. Aber wie das in der Praxis umgesetzt wird, ist leider zu oft falsch konzeptioniert. Das Individuum muss im Fußball immer im mannschaftlichen Kontext gesehen werden. Andernfalls haben wir 10 Individualisten auf dem Platz, die nicht in der Lage sind, gemeinsam als Team Lösungen zu erspielen.

    Ich glaube, AKjfv meint, dass die Vorgabe "Spiel breit machen!" kontextlos und zu unbestimmt ist. Für wen gilt sie? Nur die Flügelspieler? Was heißt "breit"? Und ist es überhaupt sinnvoll, breit zu stehen/spielen? Denn man sieht leider sehr oft, dass die Flügel quantitativ stärker besetzt sind, als die zentralen Räume. Die Folge davon ist in aller Regel, dass der Ballvortrag kaum kontrolliert abläuft. Auf dem Flügel ist man durch die Seitenlinie begrenzt, wohingegen man im Zentrum in alle Richtungen weiterspielen kann. Und wenn die Mitte eng besetzt ist, hat man einerseits mehr Optionen für das Ballbesitzspiel und andererseits kann man nach Ballverlusten sehr gut die wichtigen Räume zustellen.


    Dem Spiel Breite zu geben, ist ja durchaus richtig, aber die pauschale Vorgabe "Spiel breit machen!" ist ähnlich unklar wie "Kämpfen!"

    Zu 1.
    Absolute Zustimmung. Straßenfußballer spielen in diversen Konstellationen (Anzahl der Spieler, mit/ohne Torwart etc.) auf unterschiedlichen Belägen (Asche, Asphalt, Rasen usw.) mit allen mit möglichen Bällen (schlecht aufgepumpt, Gr. 4 oder 5 …). In solch einer wechselhaften Umgebung lernt man nachweislich am besten, wenn es um Sportspiele geht. Wenn man als Trainer relevant sein möchte, sollte man im Training ähnlich variable Umgebungen schaffen, indem die Kinder mit alle erdenklichen (spielnahen) Situationen konfrontiert werden, die sie selbständig lösen sollen.


    Zu 2.
    Das korrigierende Eingreifen/Coachen durch den Trainer ist sogar hinderlich, weil es erwiesenermaßen die Spielübersicht und Kreativität der Spieler von vorne herein beeinträchtigt. Insbesondere im Kindesalter ist das unangeleitete Spielen unbedingt zu empfehlen, weil Kinder aufgrund ihrer nicht vollständig entwickelten Gehirne und ihrer geringen Spielerfahrung noch nicht genügend Verständnis haben, um die Worte des Trainers umzusetzen.


    Zu 1. Und 2. gibt es zahlreiche empirische Befunde. Hier mal stellvertretend ein Satz, den man auch in anderen Studien und Arbeiten finden kann: „In diesem Sinne fanden z.B. Roth, Raab und Greco (2000) in einem Kulturvergleich, dass die frei und variationsreich spielenden brasilianischen Heranwachsenden mit zunehmendem Alter kreativer werden. Die spezifisch agierenden deutschen Vereinskinder handeln dagegen mit fortgeschrittenem Training weniger spontan und inspiriert.“


    Zu 4.
    Wenn man mit einer guten Methodik arbeitet und den Kindern eine altersgerechte Lernumgebung gibt, ist es egal, ob sie (vermeintlich) gut oder schlecht sind. Sie werden sich positiv entwickeln. Im Kindesalter kann man ohnehin nicht erkennen, in welche Liga es jemand einmal bringen wird.



    Ich kann jedem Kinder- und Nachwuchstrainer nur empfehlen, sich auch mit wissenschaftlichen Studien und dergleichen auseinanderzusetzen. Markus Raab, Daniel Memmert und Klaus Roth haben seit der Jahrtausendwende umfangreiche Forschung auf dem Gebiet der Sportspielentwicklungs- und Expertiseforschung betrieben. Viele ihrer Arbeiten sind im Internet frei zugänglich. Da stößt man dann auch unweigerlich auf Konzepte wie TGfU (Teaching Games for Understanding), was m.E. in keiner Trainerausbildung unerwähnt bleiben dürfte.

    „Grundsätzlich könnte man auch sagen, dass Fußball ab einer bestimmten Gewichtsklasse für Trainer ohne eine entsprechende Ausbildung einfach zu gefährlich ist?“ – Die einzig richtige Antwort ist ein ganz klares: JEIN!


    Zunächst ist es seltsam, eine bestimmte Alters- oder Gewichtsklasse zu wählen, ab der man dieses oder jenes gesondert trainiert. Das gilt für technisch-taktische Aspekte ebenso wie für athletische. Zumal Technik, Taktik und Athletik ohnehin ganzheitlich betrachtet werden sollten (https://www.trainertalk.de/fus…ungen-vs-spielformen-pdf/). Grundsätzlich lässt sich sagen, dass über passende Spielformen sowohl Stabilisation als auch Koordination simultan und ganzheitlich trainiert werden können. Spielformen in engen Räumen führen bspw. zwangsläufig zu vielen Zweikampfsituationen, in denen die fußballspezifische „Zweikampfkraft“ sowie die dafür spezifische Koordination automatisch mittrainiert werden.


    Das FIFA11+ ist zwar ein gutes Mittel, gewissen Verletzungen vorzubeugen bzw. die Verletzungsanfälligkeit zu minimieren – was mehrere Studien belegen (siehe Anhang) – aber es ist ein reines Erwärmungsprogramm. Dabei sollte schon die richtige Trainingssteuerung dafür sorgen, dass die Spieler einerseits ganzheitlich ausgebildet werden und andererseits möglichst vor Verletzungen verschont bleiben. Eine sehr gute Methode dafür ist die taktische Periodisierung/tactical periodization (http://spielverlagerung.de/2015/07/11/trainingssteuerung/), die ihren Ursprung in Portugal hat und von Trainern wie Jose Mourinho oder AVB angewandt wird. In Verbindung mit FIFA 11+ kann man nicht viel falsch machen. Leider wird die takt. Perio in Deutschland kaum vermittelt.


    „Ein Trainer mit entsprechender Ausbildung hätte das erkannt“ – Das denke ich nicht. Es gibt sogar auf höchstem Niveau Trainer, die das selbst nicht einschätzen können und/oder gar ignorieren. Man benötigt schon entsprechende Experten, die da ein Auge drauf haben. Für den Amateurbereich bleibt einem nichts anderes übrig, als Spielern auch mal eine Pause zu geben, wenn man merkt, dass sie einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Und wenn sie chronische Schmerzen in Gelenken und/oder Muskeln haben, ist das regelmäßig ein Zeichen für eine drohende Verletzung. Somit muss auch hier auf eine ausreichende Erholung des Spielers geachtet werden.

    Die Thesen von Don Quijote würde ich eher vorsichtig gegenübertreten. Denn was manche Trainer im Kinderbereich als Talent bewerten, ist häufig ziemlicher Unsinn. Zudem gehen manche Kinder unter, weil sie schlicht zu klein sind. Darum sehe ich Talentbewertung im Kindesalter grundsätzlich äußerst kritisch.


    Zur Frage von @Goncare kann ich auch wieder aus meiner Jugendmannschaft berichten: Dort gab es einen Spieler, der bis zur D-Jugend im Tor stand, weil er bewegungstechnisch äußerst mäßig begabt war. In der Pubertät machte der einen unfassbaren Sprung, kam in die Landesauswahl, ging zu Hansa Rostock (damals noch in der ersten Liga) und wäre wohl auch Profi geworden, wenn ihn sein Körper nicht aufgehalten hätte.

    Es gibt eine Studie, die zeigt, dass es lediglich 12% derjenigen (deutschen) Spieler in den Profibereich schaffen, die vor dem 15. Lebensjahr in einer DFB-Auswahl gespielt haben: „The younger their debut in a representative U-team, the lower was their probability to reach the first Bundesliga and the more likely were they to play below the second Bundesliga at a senior age.“ (Güllich, Arne; Selection, de-selection and progression in German football talent promotion; in: European Journal of Sport Science 14 (2014), Heft 6, S. 530-537).


    Frühe Erfolge (damit sind all jene gemeint, die vor dem 14.-15. Lebensjahr liegen) sind für die Talententwicklungsprognose äußerst unzuverlässig. Denn durch die unzähligen Einflussfaktoren auf die psychosoziale und körperliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ist es kaum möglich, vorherzusehen, wie sich junge Talente in Zukunft entfalten werden. Ich hatte bspw. mal einen Mitspieler, der als größtes Talent in meinem Bundesland (Jahrgang 1988) galt, mit 14 Jahren zum BVB ging und in der U15/16 Nationalmannschaft spielte. Nach zwei Jahren beim BVB hatte er keine Lust mehr, weil er lieber Party machte. Ein anderer Mitspieler hörte von heute auf morgen auf, weil er mit 12 Jahren nicht mehr ins großstädtische Internat sondern lieber zu Hause in der Provinz spielen wollte.
    Mats Hummels (ebenfalls Jahrgang 1988) kam erst 2007 zu seinem Debüt in einer U-Nationalmannschaft. Die meisten anderen Spieler der Weltmeistermannschaft von 2014 haben zwar fast alle Mannschaften ab der U-16 und U-17 durchlaufen, aber davor wohl eher nicht (weiß nicht, wie präzise Wikipedia dahingehend ist).


    Sicherlich haben Minimessis (ist das nicht ein Pleonasmus?) die besten Voraussetzungen, wenn man sich auf die spielerischen Komponenten fokussiert. Aber im Laufe der Kindheit und Jugend kann so viel passieren: schlechte Erziehung, Arroganz, schlechte Förderung, falsche Periodisierung/Verletzungen, das bloße Einsetzen der Pubertät etc.


    Es macht tatsächlich erst Sinn, einem Spieler Profipotenzial zu attestieren, wenn er das 15. Lebensjahr erreicht. Und von da an wird es erst richtig hart. Das soll nicht heißen, dass man Überflieger im Kindesalter trotz ihres Talents ignoriert. Aber man kann unmöglich voraussagen, wie sich Talent in diesem Altersbereich entwickeln wird.

    Die Ursachen und Auswirkungen des RAE sind unfassbar komplex. Ich habe über drei Monate an dem Text gearbeitet. Daher seht es mir bitte nach, dass ich das nicht mal eben in fünf Minuten hier zu "Papier" bringen kann. Also habe ich die "faule" Alternative gewählt und den Link gepostet. Ansonsten hätte ich mich ja nur selbst kopiert.


    In dem Artikel werden zunächst die Geburtsdaten bei den letzten zwei U17-Weltmeisterschaften sowie die Daten der U17- und U19-BuLi der vergangenen Saison aufgeführt. Daran anschließend geht es um die Ursachen für die Entstehung des RAE und die Auswirkungen (Matthäuseffekt). Darauf aufbauend werden mögliche Lösungsansätze diskutiert (u.a. kleinere Teams nach Halbjahren oder Quartalen zusammengestellt, Berücksichtigung des biologischen Alters, stärkere Fokussierung auf technisch-taktische Aspekte, spätere Selektion von Talenten). Die Ursachen und Lösungsansätze (Ansätze! Keine finalen Lösungen!) stehen in einem komplexen Gegenseitigkeitsverhältnis, was schlicht den hiesigen Rahmen sprengen würde, wenn ich das hier nochmals aufdröseln würde.

    Der letzte Link ist nicht wissenschaftlich, sondern eine Analyse über den Zustand des deutschen Nachwuchsfußball. Ist nur eine Leseempfehlung. Ich bin auf die Fragen eingegangen. Wenn dir meine Ausführungen nicht gefallen, ist das eben so. Anstelle von Gegenargumenten kommen nur Vorwürfe, ich wäre populistisch. Ist unter diesen Voraussetzungen schwierig zu diskutieren.