Beiträge von vangaalsnase

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    Ich bin immer online bzw. angemeldet. Das heißt nicht, dass ich ständig hier bin. Ich hatte bereits einen Text in der Pipeline, ehe der Beitrag von Pocho kam. Es sei mir doch hoffentlich gestattet, dass ich sowas dann nutze, wenn es sich mit meinen Gedanken deckt, dabei aber effizienter formuliert ist. Zumal dieser Punkt bereits am Donnerstag thematisiert worden ist und hier nur mit Zahlen untermauert wurde. Ob diese Zahlen letztlich stimmen, oder wie diese ermittelt wurden, sind natürlich legitime Fragen. Auch ich kann mir diese hohen Werte nur schwerlich vorstellen. Aber selbst, wenn es "nur" 20% anstelle von 55% sind, finde ich das bedenklich. Und ich empfinde es ziemlich ignorant, wenn man dem einfach entgegnet, dass oben halt immer und überall Druck da ist. Wir reden hier nicht über Uniabsolventen oder akademische Eliten sondern über Kinder. Wir haben ja selbst bei gestandenen Profis prozentual mehr psychische Erkrankungen wie Burn out und Depressionen als im Rest der Bevölkerung. Eine enge psychologische Betreuung muss dahingehend zu einer Auflage für alle NLZ werden. Sicherlich machen das auch einige, aber es sollte Pflicht sein. Und ich behaupte mal, dass es 12-13jährigen nicht zugemutet werden sollte, wegen dieses Leistungsdrucks psychologisch betreut werden zu müssen. Also rauf mit dem selektionsalter.


    Bei einem NLZ kommen wir - anders als im ambitionierten Amateurverein - in einen Bereich, der speziell darauf ausgerichtet ist, Profis auszubilden. Das ist der direkteste und kürzeste Weg in den Profibereich. Schon dieser Umstand ist für mich ausreichend, NLZ anders zu behandeln und hier eine höhere Altersgrenze einzuführen. Das heißt nicht, dass Vereine mit NLZ keine Mannschaften im F- bis C-Bereich haben dürfen, aber es darf nicht aktiv selektiert und gesichtet werden.


    Wenn ich in einem ambitionierten Amateurverein bin, habe ich das Ziel, in ein NLZ zu kommen, um meinem Traum vom Profifußball näher zu kommen. Wenn ich aber bereits diese Hürde nicht nehmen kann, oder sogar in diesem Verein aussortiert werde, ist die Fallhöhe eher gering, weil das Profitum einfach noch zu weit weg war. Und wenn mir die Trainer sagen, dass ich auf dem besten Wege bin, Profi zu werden, nehme ich das in einem Amateurverein anders wahr, als in einem NLZ. Wenn ich es in ein NLZ geschafft habe, ist das Profidasein doch (subjektiv) schon zum Greifen nah. Erwarten wir dann von einem 12jährigen, dass er in dieser Situation die geistige Reife hat (Elternhaus hin oder her), um die geringen Erfolgschancen zu berücksichtigen?! Selbst wenn einem bewusst sein muss, dass es nur ein extrem kleiner Bruchteil tatsächlich schafft, ist man doch trotzdem total besessen von diesem Gedanken. Da können die Vereine noch so oft auf die geringen Chancen hinweisen... Wer den Fuß bereits in der Tür hat, will auch ganz durchgehen. Diesen Ehrgeiz hat man einfach. Man opfert so viel und wenn man am Ende mit leeren Händen dasteht, ist man hoffentlich reif genug, das zu verkraften. Diese Reife verknüpfe ich mit einem höheren Alter.


    Auch der RAE spielt hier eine Rolle. Er ist im Wesentlichen eine Folge aus einem falschen Talentverständnis und zu großem Leistungsdruck für Trainer. Nirgends ist der Leistungsdruck im Nachwuchsbereich größer als in einem NLZ. Das kann man mit dem Leistungsdruck in einem Amateurverein überhaupt nicht vergleichen. Es werden bevorzugt Spieler selektiert und gefördert, die aufgrund ihrer derzeitigen körperlichen Vorteile als talentierter gelten, obwohl sie nur vorübergehend bessere Leistung bringen als ihre Altersgenossen. Insbesondere im Alter, in dem die Pubertät einsetzt (10-14), haben wir zum Teil extreme Unterschiede im Körperbau. Da werden frühentwickelte nachweislich systematisch bevorzugt. Sie sind größer, schneller und stärker, sind aber im technisch-taktischen Bereich nicht zwingend besser. Oft sind sie sogar schlechter, weil sie mit ihren körperlichen Vorteilen technisch-taktische Defizite kaschieren können. Aber sobald die anderen körperljch aufholen, ist es schnell aus. Wenn wir die Altersgrenze anheben, kann das positiven Einfluss auf den RAE haben, weil die pubertätsbedingten körperlichen Unterschiede dann nicht mehr ganz so stark sind. Das wiederum kann die Ausbildung für die Vereine insgesamt effizienter machen, weil man weniger Spieler selektiert, die von vorne herein keine Perspektive haben.

    Die Auffrischungsrate in den NLZs beträgt pro Jahr über alle Alterskategorien hinweg 25 – 29%. Von allen deselektierten Spieler haben 55% psychisch/klinik relevante Stresssymptome, die therapeutisch behandelt werden müssten. Das sind jedes Jahr 2.500 Kinder. Gerade Kinder, deren Identität sich sehr stark bis hin zu ausschließlich auf den Fußball gründet, haben im Falle der Deselektion besonders zu leiden. Es hilft Kindern daher ungemein, wenn sie abseits vom NLZ noch weitere identitätsstiftende Merkmale haben (bester Freund, Erfolg in der Schule, Zweitsportart, Musikinstrument). Andernfalls droht umso mehr, mit der Deselektion die Existenz weggezogen zu werden.

    Sir Alex: Das ist meine Antwort auf die Frage, warum in NLZ erst ab 15 Jahren selektiert werden sollte. Leistungsdruck gibt es zwar auch in Amateurvereinen, aber nicht in dieser fast schon identitätsbestimmenden Form.

    Es geht eher darum, dass ich vom 15. Lebensjahr gesprochen habe, ohne das zu relativieren und hervorzuheben, dass ich in allererster Linie NLZ meine. Ich habe nichts dagegen, wenn schon ab 13 Jahren selektiert und gefördert wird; jedenfalls außerhalb von NLZ. Aber wenn wir - wie im vorliegenden Fall - von 10-11jährigen sprechen, halte ich Selektion für eher schädlich; egal ob NLZ oder ambitionierter Amateurverein. Und ich würde auch grundsätzlich Eltern davon abraten, ihr Kind in diesem Alter in ein NLZ zu schicken. Vor allem bei früh selektierenden NLZ wird Kindern nicht selten suggeriert, dass ihr Weg direkt in den Profibereich führt und wer nicht mit spätestens 12 im Nachwuchs eines Profiklubs ist, wird es nie zum Profi bringen. Wenn man bedenkt, wie viele Talente in den NLZ einfach nur ausgetauscht werden und wie spät sich erst wirklich zeigt, ob es zum Profi reicht oder nicht, sollten wir unbedingt hinterfragen, ob sich die Talente wirklich in den NLZ weiterentwickeln oder außerhalb.


    Natürlich kann man das nicht verallgemeinern und Du hast absolut Recht, dass NLZ nicht gleich NLZ ist. Aber insgesamt sind Talentauswahl und -entwicklung (nur darauf beziehe ich mich hier) in Deutschland nicht unproblematisch. Da bedarf es einer stärkeren Sensibilisierung für gewisse Aspekte. Und anfangen sollten wir mit dem Alter, ab wann selektiert wird.

    Aus meiner Sicht macht es Sinn spätestens zur U12 vom Dorfverein weg und hin zu einem ambitionierten Verein zu wechseln und dann spätestens zur U15 zu einem NLZ.

    Wenn wir hier (überspitzt formuliert) "spätestens" mit "frühestens" ersetzen, bin ich dabei. Im Alter ab 13-14 Jahren sollte man höher spielen als Kreis- oder Bezirksliga. Aber vor dem 15 Lebensjahr, muss es wirklich noch nicht das NLZ sein. Das heißt jetzt nicht, dass alle verdammt sind, die schon vorher in einem NLZ waren/sind, aber wer es erst mit 16/17 dorthin schafft, hat mE keine Nachteile.

    Ich habe überhaupt nichts suggeriert. Dass auch in Amateurvereinen ohne NLZ selektiert wird, ist mir klar, aber vorliegend ging es nunmal um eines.

    Und dass man im Dorfverein bis zur U15 bleiiben kann und damit ausreichend gefördert sei, daas wage ich zu bezweifeln.

    Ich selbst bin erst mit 14,5 Jahren zu einem ambitioniertem Amateurverein gewechselt und war zuvor immer nur im Dorfverein meines Wohnortes. Dort haben wir in der Kreis- und Bezirksliga gespielt. Nach meinem Wechsel war ich sofort Stammspieler, spielte in der Landesliga und stieg später in die Regionalliga auf. Also recht spät in den Leistungsbereich gewechselt ohne große Probleme. 1,5 Jahre vor meinem Wechsel kamen Spieler in meinen Heimatverein zurück, die zuvor zu einem Leistungsverein gewechselt waren. Man kann nicht gerade behaupten, dass sie in der Zwischenzeit irgendwem fußballerisch enteilt waren.


    Ich habe vor einigen Jahren einen sehr ausführlichen Artikel über die Nachwuchsausbildung in Dtl. (Schwerpunkt RAE) auf Spielverlagerung.de geschrieben. Ich glaube darin kann man nachlesen, dass ich das Thema nicht pauschalisiere.

    Klar. Ist doch ein wahnsinniger Motivationsschub, wenn einen der Verein, von dem Fan ist, auf dem Schirm hat und einen sogar trainiert. Daher finde ich solche Modelle mit Extraeinheiten (bestenfalls mit einer echten Mannschaft mitzutrainieren) durchaus gut. Solange das bekannte Umfeld bestehen bleibt und man keine signifikante Fallhöhe hat, ist das das Optimum.

    Im unten verlinkten Kommentar ist wiederum ein Artikel verlinkt, der sich mit der frühen Talentförderung befasst. Ich kann den nur jedem Empfehlen, der sich mit der von Dir geschilderten Situation konfrontiert sieht. Leistungsselektion und ernsthafte Talentförderung macht vor dem 15. Lebensjahr wenn überhaupt nur bedingt Sinn. Der Druck, der mit solchen Sachen auf Kinder ausgeübt wird, ist für niemanden hilfreich. Kinder profitieren sogar davon, wenn sie nicht zu früh selektiert werden, sondern stattdessen länger in ihren Heimatvereinen spielen. Soziale Aspekte und Spaß am Spiel stehen da im Vordergrund. Und allzu oft ist die "Förderung" auch nur eine leere Worthülse, weil Spieler in NLZ häufig einfach nur gegen bermeintlich bessere ausgetauscht werden. Also mach Dir keine Gedanken, wenn Dein Kind dort nicht genommen wird. Macht da mit und wenn es nicht klappt, ist noch lange nichts vorbei. Schon gar nicht die sportliche Zukunft.


    RE: Mit 6 Jahren schon in eine U7 Mannschaft (NLZ) wechseln?

    Bei einem Wachstumsschub muss der Körper seine komplette (Tiefen)Wahrnehmung anpassen, weil vieles nicht mehr da ist, wo es vorher war. Die Füße sind auf einmal weiter vom Kopf/Gehirn entfernt etc. Wenn die Wahrnehmung infolgedessen beeinträchtigt ist, bedeutet das puren Stress für den Körper und die Leistung lässt automatisch nach. Signale vom Gehirn zum Muskel brauchen in dieser Phase etwas länger. Daher wirken viele Heranwachsende auch oft so unkoordiniert.

    Kann es nicht sein, dass viele dieser Punkte so fest zusammen hängen, dass das Kind einfach keine Möglichkeit hat an seine Leistungsspitze zu gehen.

    Den Körper muss man immer ganzheitlich betrachten. Also 'Ja'. Dettmar Cramer sagte dazu einmal "Wenn Du Dir am Hintern ein Haar rausziehst, fängt das Auge an zu tränen."


    Ein Experte auf dem Gebiet der Neuroathletik hatte dazu auch mal eine Anekdote. Er betreute eine (erwachsene) Ausdauerläuferin, die plötzlich nicht mehr ihre Zeiten erreichen konnte. Sie wurde langsamer, obwohl sie keine Verletzungen, oder ihren Lebensstil geändert hatte. Letztlich stellte sich heraus, dass sie eine Brille brauchte. Durch ihre schlechter werdende Sehstärke hat der Körper in den Sicherheitsmodus gewechselt, um mögliche Gefahren beim Laufen besser erkennen zu können. Denn wer nicht sieht, wo er auftritt, riskiert nunmal Verletzungen. Und das versucht der Körper zu vermeiden.

    Charles De Goal hat nicht Unrecht. Am Ende war es ein einziges Tor, das über das Weiterkommen entschieden hat. Entweder die Japaner schießen gegen uns ein Tor weniger oder wir eines mehr. Oder die Spanier schießen gegen Japan eins mehr bzw. Japan eins weniger. Wären wir weiter gekommen, wären wir höchstwahrscheinlich ins Viertelfinale vorgedrungen; vielleicht auch weiter. Dann hätte es all die Diskussionen nicht gegeben. Zwischenzeitlich war ja sogar Spanien ausgeschieden. Das zeigt doch, wie eng Erfolg und Schmach beisammen sein können. Italien ist dahingehend das beste Beispiel. Verpassen die WM; werden Europameister mit geilem Fußball, über den ganz Europa spricht; verpassen knapp das Finale der Nations League und qualifizieren sich dann erneut nicht für die WM. Welche Lehren kann man jetzt daraus ziehen? War in Italien 2022 alles super und nun alles schlecht?


    Bei Deutschland sehe ich kurz- und mittelfristig eher die Spielerauswahl (warum wird bei der Sechserdiskussion eigentlich nie Julian Weigl genannt?) kritisch, aber grundsätzlich haben wir die Spielerqualität für große Erfolge. Langfristig müssen die Trainer- und Nachwuchsausbildung überdacht werden, wobei wir endlich von unserem fehlgeleiteten 1-gegen-1-Fokus und dem Zergliedern wegkommen müssen. Aber das Gegenteil wird der Fall sein und unsere Probleme weiter verstärken. Wir diskutieren ja bereits jetzt (wie immer) über irrelevante Zweikampfsituationen, wo Absicherungselemente (also gruppen- und mannschaftstaktische Elemente) viel gravierender waren. Dann kommen wir zu dem Schluss, dass wir mehr Musialas brauchen. Aber werden uns mehr Musialas einen besseren Sechser oder Weltklasse AV bescheren?


    Nicht falsch verstehen. Musiala war stark und sicher der beste Deutsche.

    Es ist kein Geheimnis, was ich von gegnerdrucklosen/isolierten Übungen halte (nämlich nichts), aber unabhängig davon ist das vorliegende Übungdesign äußerst problematisch.


    Ohne Gegnerdruck irgendwas von gegnerfernen Füßen zu coachen, ist sonderbar. Wie soll denn die Übertragung aufs tatsächliche Spiel erfolgen, wenn gar kein Gegner da ist?! Setze wenigstens einen halbaktiven Verteidiger ein, der selbst entscheiden darf, wie er Spieler B in dessen Rücken anläuft. Je nach Anlaufverhalten muss B sich dann entscheiden, in welche Richtung er dreht und welchen Fuß er dementsprechend nutzen will. Auf diese Weise ist B gezwungen, den Schulterblick einzusetzen, eine Entscheidung zu treffen und sich vorzuorientieren (Stichwort offene Stellung). Alles notwendige Voraussetzungen, damit das Coaching, welcher Fuß genutzt werden soll, überhaupt Sinn/Kontext bekommt. Spieler B kann auch Finten in der Ballan- und -Mitnahme nutzen.


    So wie die Übung designed ist, vermittelt man außerdem fragwürdige Verhaltensweisen: man steht mit dem Rücken zum gegnerischen Tor und soll sich mit Ball aufdrehen, während ein Mitspieler (hier A) alles im Blick hat. Das ist übertragen aufs echte Spiel unnötig riskant, kostet zu viel Zeit und ist ohne Schulterblick einfach dumm. Eigentlich ist der Ablauf einer Y-Passform so, dass Spieler A und B zunächst einen Doppelpass spielen und A den Pass zu C spielt, der wiederum auf B prallen lässt. B dreht sich nach dem Pass von A auf C auf und hat nun selbst das Spiel vor sich, um einen Tiefenpass auf C zu spielen. Wenn man schon Isoübungen nutzen will, sollten diese wenigstens sinnvolle Verhaltensweisen provozieren.

    Wenn ein Spieler mit so einer Bitte auf den Trainer zukommt, ist das eine wunderbare Gelegenheit, die gegenseitigen Wahrnehmungen und Denkweisen kennenzulernen. Grundsätzlich soll sich der Spieler auf seiner Position wohlfühlen. Wenn ich ihn als Trainer auf einer bestimmten Position sehe, er dort aber unglücklich ist, nehme ich das ernst. Ich will, dass er mir erklärt, warum er so denkt. Ist die Seite für ihn ungewohnt; sind die Eindrücken in seinem Raum zu viel und er fühlt sich überfordert? Da gibt es ja unzählige Möglichkeiten.


    Das kann für den Trainer eine super Möglichkeit für Feedback sein. Wenn sich ein Spieler bspw. überfordert fühlt, ich aber mit ihm zufrieden bin, kann das doch nur positiv sein. Ich kann ihm sagen, dass er meine Erwartungen erfüllt oder übertrifft, oder dass er mein volles Vertrauen genießt und er bei Fragen zu mir kommen kann. Mit meinen Spielern inhaltliche Diskussionen zu führen, ist für mich immer wieder interessant. Egal, ob wir übereinstimmen oder nicht.


    Vielleicht sieht ein Spieler sich auf einer anderen Position besser aufgehoben. Wenn er mir gut erklären kann, warum das so ist, kann das für mich als Trainer auch ein Augenöffner sein. Wenn ich anderer Meinung bin, erkläre ich ihm das wieso oder probiere es einfach mal aus. Vielleicht irre ich mich oder der Spieler sieht, dass er auf seiner eigentlichen Position tatsächlich besser aufgehoben ist.


    Natürlich kann es auch Spieler geben, die nur auf einer Position spielen wollen, weil sie dort mehr Prestige erwarten. Da muss man dann natürlich passend gegensteuern. Aber egal, wie die Situation ist, die Reaktion des Trainers war natürlich sub omni canone.

    Die vorgestellten Prinzipien und deren Allgemeingültigkeit habe ich an keiner Stelle kritisiert. Ich habe lediglich Prinzipien definiert


    Ich habe auch nirgends gesagt, dass die Spielformen (mit Gegnerdruck) aus dem Buch nichts bringen. Aber so wie sie verwendet werden, wird die Implizität beinahe gegen Null reduziert und die Eignung als Prinzipieneinstieg ist kaum gegeben. Man kann darin Prinzipien festigen und um Abläufe erweitern - da stimme ich zu -, aber wer damit Prinzipien einführen will, dürfte Probleme bekommen.


    Übungen mit Dummys haben bei mir keine Daseinsberechtigung. Warum braucht man die? Weil Spieler in ihnen falsche Laufwege gehen? Könnte mir in einer derart spielfernen Umgebung nicht egaler sein. Zumal die dort besprochenen "Lösungen" unter Gegnerdruck zusammenbrechen. "Timing- und Abstimmungsgeschichte" ohne Gegnerdruck trainieren zu wollen, halte ich für absolut abenteuerlich.


    Bei den Wenn-Dann-Regeln stimme ich Dir zu. Guter Punkt. Dann lass es mich unformulieren: Wer ohne Gegnerdruck gesagt und gezeigt bekommt, wie er sich wann in welche Räume zu bewegen hat, erlernt keine Prinzipien sondern Abläufe.

    Wir hatten in diesem Forum ja schon einige Diskussionen über Prinzipien. Insofern freut es mich, dass es nun ein Buch gibt, dass sich mit dieser Thematik befasst. Der Ansatz von "Fußball mit Prinzip" geht auch schon in die richtige Richtung, aber wie leider fast immer bei DFB-naher Literatur ist der Theorieteil gut, nur um dann im Praxisteil wieder in alte Muster zurückzufallen, die der Theorie sogar zum Teil widersprechen.


    Im Theorieteil werden sinnvolle Überlegungen präsentiert: Situationen im Fußball sind zu komplex, um jede vermeintlich korrekte Handlung des Einzelnen und/oder der Mannschaft durchexerzieren zu können. Also anstatt feste Abläufe einzustudieren, sollten Prinzipien genutzt werden, anhand derer sich alle gemeinsam orientieren können. So weit, so richtig. Leider ist die Antwort darauf im Praxisteil zunächst wieder eine gegnerlose Trockenübung, in der den Spielern schon von vorne herein die Möglichkeit genommen wird, Prinzipien zu erlernen. Denn wer ohne Gegnerdruck gesagt und gezeigt bekommt, warum er sich wann in welche Räume zu bewegen hat, erlernt keine Prinzipien, sondern wird mit lauter expliziten Wenn-Dann-Regeln konfrontiert, denen er zu folgen hat. Mit anderen Worten: Abläufe. Diese Regeln und Abläufe sind ja nicht falsch, haben aber nichts bei Prinzipien zu suchen. Im Anschluss an die Trockenübung geht es dann in eine Spielform mit fester Spielrichtung, in der typische Situationen simuliert werden. Auch das ist nicht per se falsch, aber in der Vermittlung von Prinzipien unpassend.


    Prinzipien sind Grundsätze, die jemand seinem Handeln und Verhalten zugrunde legt. Sie basieren auf einer bestimmten Idee der spezifischen Aufgabenbewältigung. Im fußballerischen Kontext sind Prinzipien Hilfsmittel, um einem zuvor festgelegten Spielstil inhaltliche Orientierungshilfen zu geben, wie sich grundsätzlich in bestimmten Situationen verhalten werden soll. Weil jede Situation im Fußball einzigartig ist, müssen Prinzipien eine gewisse Allgemeingültigkeit haben, die auch verschiedenen Situationskonstellationen Stand hält. Demgegenüber stehen Abläufe, welche keine Grundsätze sind, sondern klare Handlungsanweisungen. Aufgrund ihrer Klarheit zielen sie zwingend auf ganz präzise Situationen ab. Da Abläufe so gut wie nie eins zu eins umzusetzen sind, weil sich jeder Gegner anders verhält, müssen Abläufe auf Prinzipien basieren, um den Spielern Orientierungspunkte zu geben, sich situativ anzupassen.


    Um Prinzipien zu vermitteln werden im vorliegenden Buch Spielformen gewählt, in denen stets die gleiche Ausgangssituation gilt und jeder Spieler eine feste Position einnimmt. Dabei sind die Vorgaben jedoch derart eng, dass es sich bei den Lösungen nicht mehr um Prinzipien sondern schon um Abläufe handelt. Positionsspielformen bieten zur Prinzipienvermittlung die passendere Umgebung. Das sind Spielformen in denen die ballbesitzende Mannschaft in Überzahl ist und grundsätzlich auf Ballhalten spielt, wobei es keine feste Spielrichtung gibt. In solchen Spielformen geht es darum, dass die Spieler eine gemeinsame Staffelung erzeugen, die es ihnen ermöglicht, die eigene numerische Überzahl derart zu gestalten, dass der zahlenmäßig unterlegene Gegner keine Chance auf eine Balleroberung hat. Damit das nicht in einem heillosen Durcheinander endet, müssen gemeinsame Grundsätze gelten. Weil es keine feste Spielrichtung gibt, kann sich das Spielgeschehen in jede Richtung entwickeln, was die Situationsvielfalt enorm erhöht. Dabei festen Abläufen zu folgen, ist also nicht praktikabel. Es müssen Prinzipien her.


    Durch den regelmäßig engen Raum hat der Ballführer in Positionsspielformen selten Zeit, mit Ball am Fuß aufzudrehen. Denn oft naht im Rücken schon ein Gegenspieler. Außerdem kostet das Aufdrehen Zeit, die man in engen Räumen oft nicht hat. Daher lauten hier zwei mögliche Prinzipien: kein Aufdrehen ohne Schulterblick und/oder nur in Räume passen, die man sieht. Das führt automatisch zu einem schnellen Passspiel, was es dem Gegner erschwert, Zugriff zu erzeugen. Das Prinzip, sich in Schnittstellen auf Lücke anzubieten, wobei man zu den nahen Verteidigern den gleichen Abstand einnimmt, ist in solchen Positionsspielformen ebenfalls unerlässlich. Warum man das aber zuvor ohne Gegnerdruck machen Muss, erschließt sich mir nicht.


    Positionsspielformen dienen dazu, dass den Spielern zunächst Gelegenheit gegeben wird, sich mit einer Aufgabe selbständig (allein oder als Gruppe) auseinanderzusetzen. Aufgrund der endlosen Situationsvielfalt muss das im Anfangsstadium zwingend implizit ablaufen, da man ansonsten die Spieler überfrachtet. Erst bei gravierenden Problemen oder ausreichender Erfahrung der Spieler machen explizite Hilfestellungen in Form von Coaching Sinn. In den im Buch gezeigten Spielformen wird aber bereits von vorne herein durch den eindeutigen Übungsaufbau quasi vorgegeben, wie sich je nach Situation verhalten wird und worauf zu achten ist. Was daran implizit sein soll, wie es der Autor beschreibt, erschließt sich mir abermals nicht.


    Wenn-Dann-Regeln und klare Abläufe sind keineswegs falsche Ansätze. Aber sie sollten erst dann Einzug in die Trainingspraxis halten, wenn Prinzipien bereits implementiert sind. Denn Abläufe müssen auf Prinzipien basieren. Wer Abläufe ohne Prinzipien vermittelt, braucht sich nicht wundern, wenn seine Mannschaft am Wochenende nicht das macht, was unter der Woche trainiert worden ist. Den Spielern fehlen schlicht Grundsätze, mittels derer sie gemeinsam Situationen zuverlässig lösen können. Im vorliegenden Buch werden Prinzipien und deren Sinnhaftigkeit durchaus korrekt beschrieben, allerdings im Praxisteil wie Abläufe behandelt, wobei es sich zudem um Standardspielformen des DFB handelt. Also wieder mal alter Wein in neuen Schläuchen.

    Absolute Zustimmung Coach1976. Wer solch ein Verhalten von seiner Mannschaft fordert, zeigt (gewollt oder ungewollt) ein tiefes Misstrauen in die Fähigkeiten seiner Spieler; vorliegend ausdrücklich in den TW. Zudem verhindert er, dass der TW eigene Entscheidungen treffen kann. Was das für Auswirkungen auf die Wahrnehmung haben kann, will ich mir gar nicht ausmalen. Darüber hinaus macht er es dem Gegner recht einfach im Pressing, wenn gewisse Spieler ansagen, wohin der Ball zu gehen hat.

    Ich sehe allerdings eine mögliche Idee: Dadurch sollen die beiden explizit gezwungen werden, sich die gesamte Situation auf dem Feld anzusehen und so bereits im Kopf eine Spieleröffnung zu ermöglichen. Vielleicht ist es gar kein besonderer taktischer Kniff, sondern der Versuch, die beiden aktiver ins Spiel einzubinden? Einfach um sie weiterzuentwickeln.

    Wenn das tatsächlich die Intention des Trainers ist, sollte er die beiden Spieler lieber im Training auf die TW-Position stellen. Dann haben sie mal eine andere Perspektive. Wenn ihre Positionierung und Orientierung schon per se unpassend für eine gute Übersicht in der Eröffnung sind, ist explizites Coaching hilfreich. Aufzeigen, wo man je nach Ballposition stehen soll (Positionierung) und wie man sich passend orientiert (Vororientierung) und jeweils das Warum erklären.


    Und oft ist es keine Entscheidungsschwäche der Spieler am Ball sondern einfach ein Mangel an guten Optionen, aus denen sie wählen können. In diesem Fall muss wiederum ein gänzlich anderer Ansatz gewählt werden, weil es nun die gesamte Mannschaft betrifft. Aber egal, was er nun letztlich bezwecken wollte: der oben beschriebene Weg ist keine geeignete Maßnahme.

    Kunstrasen ist nicht gleich Kunstrasen. Es gibt unzählige Varianten mit etlichen Auswirkungen. Manche haben Sand, manche Granulat (grün, schwarz etc.); mancher Belag ist hart, andere Beläge sind weich oder gar elastisch/federnd. In meiner Heimatstadt war der erste Kunstrasen (Mitte der 1990er) sehr hart mit Sand. Der Ball wurde darauf so schnell, dass jeder Pass genau in den Fuß gespielt werden musste, weil man ihn sonst einfach nicht bekam. Später habe ich dann einen Kunstrasen kennengelernt mit schwarzem gummiartigen Granulat und fast schon federndem Boden. Dort war der Ball immer recht langsam unterwegs, aber man hatte sehr viel Kontrolle.


    Ich persönlich habe gerne mit Hallenschuhen auf Kunstrasen gespielt. Vor allem auf langsamen Belägen empfand ich das als angenehm und bin nie weggerrutscht. Sofern der Platz nass war, habe ich zu normaler Nocke gewechselt, weil ich sonst nur wegrutschen würde. Auch sandige Kunstrasenplätze sind für Hallenschuhe weniger geeignet. Da habe ich ebenfalls zu Nocken gegriffen. Multinocken habe ich hingegen nie gemocht und auch nie die Notwendigkeit gesehen.


    Aber das sind halt alles meine individuellen Eindrücke. Da muss sich jede/r durchprobieren. Ich kann nur empfehlen, sich drei Paar Schuhe (Halle, Nocken, Multinocken) einzupacken und es in der Erwärmung auszuprobieren. Womit habe ich einen stabilen Stand und rutsche bei plötzlichen Richtungsänderungen nicht weg? Wie fühlen sich meine Gelenke an?

    Ich empfinde den Threadverlauf bisher ebenfalls als rein sachlich. Wenn jemand sagt, dass er mit Frauenfußball nicht viel anfangen kann, ist das absolut legitim. Ich persönlich schaue kein Frauentennis, wenngleich das akustische Gründe hat... Dass Frauenvolleyball ansehnlicher ist als Männervolleyball, finde ich auch. Da wäre es wohl wirklich angebracht, die Netzhöhe bei den Männern anzuheben. Umgekehrt sollte man bei den Fußballfrauen, die Feld- und Tormaße reduzieren. Dadurch würde es mehr Ballaktionen geben und technisch-taktische Aspekte stärker in den Vordergrund treten. Aber eine Reduzierung des 11-gegen-11 auf ein 9-gegen-9 lehne ich ab.


    Leider war das Halbfinale gegen Frankreich bisher das einzige Spiel, was ich von der deutschen N11 bei dieser EURO sehen konnte. Ich sage "leider", denn das war das beste Spiel, das ich je von dieser Mannschaft gesehen habe. Und wenn diese Art und Weise bisher die Norm in diesem Turnier war, stimmt mich das sehr zufrieden.


    Ich verfolge den deutschen Frauenfußball seit 2003 und vor allem die Jahre nach 2007 waren seitens der DFB-Elf primär dadurch geprägt, dass man sich zu sehr auf die überlegene Physis verlassen hat, während andere Nationen (allen voran Japan und Spanien) sich stärker an den strategisch-taktischen Entwicklungen des Männerfußball orientierten. Die Folge davon waren oft Spiele, in denen die N11 schon davon überfordert war, wenn der Gegner nur ein halbwegs ordentliches Pressing beherrschte. Im Spielaufbau war man weit davon entfernt, kontrolliert von hinten rauszuspielen. Lange Bälle, ein extremer Flügelfokus und Flanken prägten das Bild. Das Zentrum war oft eine Zone, die großzügig gemieden wurde.


    Silvia Neid war in dieser Zeit die völlig falsche Person auf dem Trainerposten. Nach der WM 2011 konnte man keine Änderung in der sportlichen Ausrichtung erkennen, obwohl das Turnier gezeigt hat, dass sich der Frauenfußball ggü. 2007 enorm weiterentwickelt hat. Es gab Ausschnitte aus der Doku zur WM, in denen Neid fachlich keine gute Figur machte. Es gab bspw. mehrere Szenen aus dem Training, in denen sie komplett überfordert und planlos wirkte. An einer Stelle wurde ein klassisches 4-gegen-2 (Rondo) gespielt und irgendwas gefiel ihr nicht. Ihr Coaching: "Mädels! Ihr braucht doch mal Ideen!" Wer so coacht, ohne Lösungen aufzuzeigen oder überhaupt auszudrücken, was ihr missfällt, sollte keine Nationalmannschaft betreuen. Und das war nur ein Beispiel von mehreren.


    Als jemand, der es stark kritisiert, dass ehemalige Profis ihre ersten Trainerstationen quasi hinterhergeworfen bekommen, war die Situation mit Steffi Jones für mich alles andere als nachvollziehbar. Dennoch konnte man unter ihr sehen, dass man die Zeichen der Zeit erkannt hatte, auch wenn die Ergebnisse das noch nicht widergaben. Doch das, was ich gestern im Spiel gegen Frankreich gesehen habe, war endlich das, was man von einer Spitzenmannschaft im Jahr 2022 auch erwarten darf; unabhängig davon, ob es sich um Männer oder Frauen handelt. Der Spielaufbau war kontrolliert und insgesamt stärker Zentrumsfokussiert. War der Ball auf dem Flügel, gab es immer eine Verbindung in die Mitte, die auch situativ adäquat genutzt wurde. Es gab keine dummen Pässe. Im letzten Drittel waren Schnittstellenpässe in den Halbräumen das erste Mittel der Wahl, um Abschlüsse vorzubereiten. Und hätten die Französinnen nicht solch gute Verteidigerinnen gehabt (ausgezeichnetes Stellungsspiel), wären da wohl noch mehr Chancen rausgesprungen. Das Umschaltverhalten der Deutschen nach Ballverlust war sehr stark. Wie schnell die immer am und im eigenen Strafraum waren, zeugte nicht nur von deutschen Tugenden. Dafür braucht man vor allem eine gute Raumaufteilung. Das hat die Französinnen insbesondere in der ersten Halbzeit vor unlösbare Herausforderungen gestellt.


    Die erste Halbzeit war von beiden Teams auf sehr hohem Niveau. Rein taktisch kann das durchaus mit dem Männerfußball mithalten.

    Ich wollte mit meiner sehr engen Definition lediglich ausdrücken, dass es keine Technikkorrektur ist, wenn man jemandem sagt, er könne außer der Pike noch andere Bereiche des Fußes nutzen. Es geht hier außerdem nicht nur um die Definition von Technikkorrekturen, sondern ebenso um die Nutzung isolierter Übungen, um Techniken vermeintlich zu verbessern; sei es durch explizite "Besprechungen", Vorzeigen, oder was auch immer. Nach wie vor macht diese Praxis bei der überwiegenden Mehrheit einen erheblichen Teil des Trainings aus. Etwa als "hinführende Übung", als Technikkorrektur (wie auch immer man das nun für sich definiert) oder als Übung zur angeblichen Verbesserung der Individualtaktik. Dieses Vorgehen kritisiere ich. Und da reicht es mir nicht, zu behaupten, es würde schneller zu Verbesserungen führen. Erstens fehlen dafür empirische Befunde und aufgrund meiner Erfahrungen mit der klassischen und der ganzheitlichen Spielfomenmethode habe ich andere Beobachtungen gemacht. Darüber hinaus lässt man halt ganz viele Aspekte außer Acht und ignoriert die komplexen Zusammenhänge des Fußball. Denn eine Technik isoliert zu betrachten, führt in aller Regel dazu, dass die tatsächlichen Probleme nicht erkannt werden.

    Und warum soll ich dem Spieler, der permanent versucht mit der Pike oder Vollspann zu flanken nicht mal den Tipp geben, dass er es auch mal mit der Innenseite versuchen könnte weil er damit seinen Mitspieler besser treffen würde und dieser nicht permanent Kopfschmerzen hätte.

    Zu sagen, ein Spieler solle lieber die Innenseite anstelle der Pike nehmen, ist keine Technikkorrektur. Das kann man gerne machen, wenn es denn ein gravierendes Problem ist, von dem der Spieler sich alleine nicht abbringen lässt. Das lässt sich tatsächlich in Spielformen umsetzen. Mit Korrektur meine ich, dass man dem Spieler eine Idealtechnik vorgibt und solange (isoliert) daran rumwerkelt, bis die Ästhetik stimmt. Insofern Zustimmung.