Beiträge von vangaalsnase

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    Van Gaal sagt, der Trainer macht die Übung. Der Coach gibt (verbale) Hilfestellung. Darum nennt er sich Trainer-Coach.


    Edit: ich rede hier übrigens nicht von mir in der dritten Person sondern vom echten LvG.

    "Es gibt eine Steigerung in der Ausbildungsqualität, indem individueller auf die einzelnen Trainer*innen eingegangen wird und über einen längeren Zeitraum Einfluss auf ihre Entwicklung genommen werden kann."


    Der DFB verkennt, dass es nicht nur Kritik an der neuen Struktur gibt. Die Inhalte sind schon seit Jahren überholt und qualitativ dürftig. Da nützt auch die beste Individualisierung nichts.

    Zudem wird ignoriert, dass es bereits um die Jahrtausendwende völlig berechtigte Kritik an den verkürzten Lehrgängen für Nationalspieler gab, weswegen das irgendwann beendet wurde. Und jetzt lässt man das quasi wieder aufleben.

    Ist schon interessant, dass der DFB auch seit Jahren propagiert, wie wichtig der Amateurbereich ist, um dann mittels solcher Reformen doch nur wieder die Kluft zum Profitum zu vergrößern.

    Als Ballführer treffe ich grundsätzlich Entscheidungen nach dem, was ich auch sehe. Gibt sicherlich Ausnahmesituationen, wenn ich bspw. hinterlaufen werde und der hinterlaufende Mitspieler kurz ansagt, dass er nun links/rechts an mir vorbeiläuft. Ansonsten sollte es ein Grundprinzip für alle Spieler sein, nur dorthin zu passen, was man auch sehen kann; unabhängig davon, ob Mitspieler rufen.


    Kommunikation seitens des Passgebers (bspw. den Zielspieler mit Namen ansprechen) wird im Training gerne fokussiert, ist in der Realität aber allzu oft nicht umsetzbar. Unter Zeitdruck habe ich gar nicht die Möglichkeit, den Namen meiner Mitspieler zu sagen, zumal man auch oft gar nicht sieht, wem man da überhaupt zupasst, weil man ihn eh nur aus dem Augenwinkel sieht. Man sieht zwar, dass da ein Mitspieler ist, man weiß aber nicht immer, wer es ist.


    Signale für den Zielspieler wie "Klatsch" oder "Dreh" können durchaus hilfreich sein, sollten aber dem Zielspieler nicht die Aufgabe abnehmen, sich vorher selbst zu vergewissern, was der Raum gerade erlaubt bzw. erfordert. Schulterblick und Umblickverhalten sollten immer erfolgen.


    Also sind im Endeffekt das Sehen und das Umblickverhalten viel wichtigere Aspekte als das Rufen. Gegenseitiges Coaching ist dennoch wichtig.

    Was sollen denn "normale" Vereine mit den Ergebnissen anfangen? Wird man jetzt stärker individualisieren, weil jemand den Ball nur dreimal hochhalten kann? Dafür hat man gar nicht die Kapazitäten.

    Und was sollen diese Werte bei Kindern aussagen, die noch nicht mal in der Pubertät sind? Es mag vielleicht für Spieler und insbesondere Kinder spannend sein, die Werte wettkampfmäßig untereinander zu vergleichen, aber erfahrungsgemäß wird seitens der Trainer ohnehin nichts mit den Ergebnissen angefangen. Für Trainer ist viel entscheidender, was die Spieler im Wettkampf bzw. auf dem Platz zeigen. In meiner Jugendzeit wurden diese Tests zweimal jährlich durchgeführt (mit Notenvergabe am Sportgymnasium), aber die Ergebnisse ansonsten nie weiter thematisiert. Es wurde auch niemals das Training angepasst, um etwa "dribbel-" oder "jonglierschwache" Spieler zu verbessern, obwohl das bei uns tatsächlich möglich gewesen wäre. Ich setze es deshalb in Anführungszeichen, weil viele meiner Mitspieler, die keine guten Testergebnisse hatten, auf dem Platz trotzdem starke Dribbler waren. In meiner B-Lizenzprüfung konnte ein Teilnehmer ums Verrecken nicht jonglieren, gehörte aber zu den spielstärksten Spielern des Lehrgangs. Insofern darf auch in Frage gestellt werden, ob diese Tests überhaupt spiel- bzw. fußballrelevante Fähigkeiten prüfen (Schwesig, René / Miserius, Marcel / Hermassi, Souhail / Delank, Karl Steffen / Noack, Frank / Fieseler, Georg; Wie valide ist die Leistungsdiagnostik im Fußball?; in: Sportverletzung Sportschade 30 (2016), H. 1, S. 26-30).


    Ich würde allenfalls die Fitnesswerte laufend erfassen, um so die Belastung zu steuern, damit Verletzungen vorgebeugt werden kann. Aber auch das ist in einem "normalen" Verein kaum möglich.

    Das sollte man ganzheitlich betrachten. Die offene Stellung erlaubt natürlich eine leichtere Ballverarbeitung. Insofern ist hier die technische Komponente ersichtlich. Eine schnelle Ballverarbeitung ist aber auch für das mannschaftliche Aufbau- und Angriffsspiel förderlich, weil die Aktionen halt schneller von statten gehen und somit schwerer zu verteidigen sind. Mittels der offenen Stellung erzeugt man außerdem Verbindungen, wodurch das Ganze einen weiteren strategisch-taktischen Charakter bekommt, weil man so (Pass)Optionen für seine Mitspieler schafft. Hieran sieht man, dass der Begriff "offene Stellung" zu kurz greift.

    Die Wahrnehmung kommt im sogenannten taktischen Handlungszyklus (siehe Anhang) vor der Entscheidungsfindung (taktische Komponente) und diese wiederum kommt vor der Ausführung (technische Komponente). Und alle drei beeinflussen sich gegenseitig. Wer mehr wahrnimmt, hat mehr Lösungsoptionen aus denen er wählen kann. Man hat also eine größere Entscheidungsvielfalt. Gleichzeitig ist diese vom technischen Vermögen abhängig. Denn wer keine gute Technik hat, muss sich auf für ihn umsetzbare Lösungsoptionen beschränken.


    Wahrnehmungsschulung wird leider zu oft auf den Schulterblick reduziert, wobei es sich lediglich um eine Bewegung handelt. Das Gesehene zu verarbeiten (wo stehen meine Mit- und Gegenspieler? Welche Passwege sind offen?) gehört jedoch ebenso dazu und ist der entscheidende Part, wenn wir von Wahrnehmung sprechen.


    Da das meiste auf dem Platz aus dem "Augenwinkel" wahrgenommen wird, spielt das periphere Sehen eine entscheidende Rolle. Das periphere Sichtfeld beträgt bis zu 180° in der Horizontalen. In Stresssituationen verringert sich das periphere Sichtfeld jedoch, was dazu führt, dass Optionen zur Lösung der Situation, nicht gesehen werden. Deswegen müssen Spieler lernen, stressresistent zu werden. Man hat festgestellt, dass erfahrene Sportler stressresistenter sind und grundsätzlich ein größeres/weiteres peripheres Sichtfeld haben als Anfänger, Amateure und Nichtsportler.

    Der deutsche Fußball hat zwei ganz wesentliche Probleme, die direkt in Verbindung stehen und sich auf viele weitere Bereiche auswirken:

    1. Er hat keine Ahnung vom Ballbesitzspiel und verstrickt sich in der Praxis in Widersprüche.

    2. Die Trainerausbildung ist überholt und es wird alles getan, damit das auch so bleibt.


    Wir sind die vielleicht weltweit führenden Experten für das Spiel gegen den Ball. Pressing, Pressing und nochmals Pressing. Aber bei eigenem Ballbesitz wird es sehr schnell sehr dünn. Im Angriff haben wir die standardisierten Mittel aus Doppelpass, Hinterlaufen, Kreuzen und Spiel über den Dritten. Und wenn das nicht reicht, muss der Unterschiedsspieler her, weswegen wir so viel Wert auf das 1-gegen-1 legen. Tiefergehende Ansätze - vor allem im kollektiven Aufbauspiel - sucht man vergebens. Stattdessen ziehen wir über "Querpass-Toni" her, glauben aber gleichzeitig, dass es ein Qualitätsmerkmal ist, wenn man einfach mehr Ballbesitz hatte als der Gegner. Allein die Art und Weise, wie Toni Kroos in Deutschland wahrgenommen wird (man erinnere sich an Uli Hoenneß' Tirade im Doppelpass nach der WM 2018), zeigt, wo wir ein gehöriges Verständnisproblem zum Spiel mit Ball haben. Sofern der Ball nicht direkt Richtung gegnerisches Tor gespielt wird, wittern wir bereits brotlose Schönspielerei. Zur selben Zeit wollen wir (mal wieder) dribbelstarke Straßenfußballer ausbilden, regen uns aber auf, wenn der F-Junior am zweiten Gegenspieler hängen bleibt.


    Wenn ich mir DAS Standardwerk des DFB zum Thema Angriffsfußball ansehe ("Angreifen mit System"), frage ich mich immer, wann das je funktioniert haben soll. Es werden Angriffe vorgestellt (Stichwort Abläufe), wo auch immer gleich die entsprechenden Reaktionen des Gegners mit aufgezeigt werden. Als ob die Autoren Hellseher sind und jedes Team der Welt auf die gleiche Art verteidigt. Der Leiter meines B-Lizenzlehrgangs meinte schließlich auch mehrfach, dass im Fußball ständig die gleichen Situationen vorkämen. Wenn alle im 4-4-2 spielen, wie es in fast allen dt. Amateurligen der Fall ist, mag das zu einem gewissen Grad stimmen. Aber die Realität in einem komplexen Spiel sieht einfach anders aus. Nur bereiten wir unsere Trainer eben nicht auf diese Wirklichkeit vor. Und wie sollen diese Trainer dann die fachliche Expertise haben, diejenigen Spieler auszubilden, die uns andere Nationen seit einiger Zeit voraus haben?


    So wie wir seit Jahrzehnten Trainer ausbilden, kann sich doch wohl niemand wundern, dass unser Wissen in manchen Bereichen einfach unterirdisch ist und bleibt. Es fängt schon damit an, wie der Begriff "Taktik" hierzulande wahrgenommen wird. Und zwar wird er entweder mit Defensive gleichgesetzt, oder mit einstudierten Spielzügen. Dass das viel zu eng gedacht ist, ist keine bloße Begriffskorinthenkackerei, sondern ein ernsthaftes Problem. Denn Taktik meint die Fähigkeit, in der jeweiligen Situation die richtige/passende Handlung vorzunehmen bzw. eine angemessene Entscheidung zu treffen. Taktik ist demnach in erster Linie das Spielverständnis des Spielers: Wann gehe ich ins Dribbling, wann spiele ich einen Pass; wohin spiele ich ihn? Dieses Verständnis wird in Wechselwirkung mit anderen Spielern zur Gruppentaktik (in welche Räume bewege ich mich, um für meine Mitspieler anspielbar zu sein oder mit ihnen den Raum zu verengen?) und schließlich zur Mannschaftstaktik (wie Verschieben wir als Verbund und wie Staffeln wir uns, um konstruktiv aufzubauen?). Wie man vor allem anhand der Individualtaktik sieht, besteht hier eine enge Verbindung zur Technik. Sie ist die Umsetzung einer Entscheidung. Die Erfordernisse zur Lösung einer Spielsituation ergeben sich also primär aus der taktischen Perspektive. Der Spieler nimmt die Spielsituation wahr, verarbeitet die wahrgenommenen Informationen, sucht Lösungen, trifft eine Entscheidung und führt diese aus. Die Ausführung – der technische Aspekt – erzeugt eine neue Situation, und der Prozess beginnt von vorn.


    Folgt man dieser Definition wird klar, dass es im Taktiktraining darum gehen sollte, Spielern die Fähigkeiten zu vermitteln, situativ passende Entscheidungen zu treffen und diese auch adäquat umzusetzen (Technik und Taktik werden als untrennbare Einheit verstanden). Da jede Situation einzigartig ist, kann man nur schwer mit festen Abläufen arbeiten und braucht stattdessen Prinzipien. Aber bitte nicht die oberflächlichen 08/15-Binsenweisheiten des DFB (bspw. So präzise wie möglich, so scharf wie nötig passen). No shit Sherlock. Wäre ich so nicht drauf gekommen...


    In der vom DFB vermittelten Methodik werden Spieler aber nicht dazu ausgebildet, eigene Entscheidungen anhand von Prinzipien zu treffen, sondern sie sollen klare Abläufe abspulen, die vom DFB/Trainer vorgegeben werden: "Wenn Spieler A auf Position Y den Ball hat, muss Spieler B dieses und jenes tun." Wird in der Umsetzung ein Fehler gemacht, wird diese Situation solange im Training durchexerziert, bis dieser Ablauf sitzt. Dieses Vorgehen ist nicht nur realitätsfern, weil es davon ausgeht, dass es ständig wiederkehrende Grundsituationen ohne Variation gibt und dass jeder Gegner dieselbe Reaktion zeigt. Es unterbindet auch die individuelle Entfaltung und Kreativität der Spieler. Wer denkt, dass nur so Taktikvermittlung stattfindet bzw. stattfinden kann, muss ja zwangsläufig Kritik üben. So sind für mich auch die Kritiken von Magath und Scholl zu verstehen.


    Ein weiteres Problem in Deutschland ist, dass bewusst Einflüsse von außen verhindert werden, indem man den Zugang von Amateuren zu höheren Lizenzen aktiv torpediert. Ehemalige Nationalspieler bekamen um die Jahrtausendwende verkürzte Trainerlehrgänge. Die Spielnote ist für das Bestehen der Trainerscheine noch immer relevant und die jüngste Lizenzreform hat es unterklassigen Trainern zusätzlich erschwert, an höhere Lizenzen zu kommen. Mehr kann ein Verband nicht zeigen, dass er gerne im hochklassigen Bereich ungestört unverändert weitermachen will. Dass sogar in einigen Lehrgängen offen kommuniziert wurde, nur Trainern aus hochklassigen Vereinen und ehemaligen Profis die für höhere Lizenzen notwendige Punktzahl zu geben, lasse ich mal außen vor.


    Dem DFB fehlen dadurch sehr oft akademische Denk- und Arbeitsweisen. Denn nur die wenigsten Profis haben studiert und machen als Trainer eher das, was sie von ihren Trainern kennengelernt haben. Ein kritisches Hinterfragen findet so nur selten statt. So ist es auch kein Zufall, dass die zwei besten deutschen Trainer (Tuchel und Klopp) studiert haben und bewusst anders arbeiten, als es der DFB lehrt.

    Frech? Sagt derjenige, der mich populistisch nennt. Wir beide haben völlig unterschiedliche Wahrnehmungen, wie wir miteinander diskutieren. Wo Du ein Umschiffen durch mich siehst, habe ich auf Argumente aus meinem Artikel verwiesen, weil ich mich nicht unnötig wiederholen wollte. Das hast Du immer ignoriert, was bei mir nur den Schluss zuließ, dass Du den Artikel nicht gelesen hast. Ich diskutiere gerne in diesem Forum und führe durchaus hitzige Debatten. Aber ich glaube, hier kommen wir einfach nicht zusammen. (That's what she said)

    Symptoms of Common Mental Disorders and Adverse Health Behaviours in Male Professional Soccer Players. (Vincent Gouttebarge et al. J Hum Kinet. 2015.) Mit weiterführender Literatur.


    Mir war schon fast klar, dass Du so antworten würdest. Finde ich unheimlich anstrengend, weil Du immer wieder Dinge weglässt bzw. ignorierst, die andere schreiben, damit es in DEINE Argumentation passt. So viel zu "ergebnisoffen".


    Ich weiß, wie Du zum RAE stehst. Die Diskussion hatten wir beide schon mal vor ein paar Jahren. Da hattest Du Dich übrigens geweigert, den Artikel von mir zu lesen. In diesem findest Du neben Lösungsansätzen (Ansätzen! Keinen heiligen Gral) etwa 20 weiterführende Literaturhinweise und Quellen. Aber Du wirst Ihn wahrscheinlich auch dieses Mal nicht lesen; also was soll's?!

    Auch das Arguemnt, dass die jüngeren Spieler alle aufholen mit fortschreitendem Alter, weil die älteren ja nur physische Vorteile haben, technisch taktisch schlechter seien, kann man mit empirischen Daten nicht stützen.

    Das ist typisch für Dich. Niemand hat gesagt, dass ALLE jüngeren Spieler aufholen. Und dass ältere nur physische Vorteile haben, aber technisch-taktisch schlechter seien, hat auch niemand behauptet. Ist natürlich leicht gegen etwas zu argumentieren, was der Gegenüber so nie gesagt hat. Davon abgesehen gibt es sehr wohl Studien, die darauf hindeuten, dass körperliche Attribute wesentlich in der Talentselektion sind (Müller, Lisa / Müller, Erich / Hildebrandt, Carolin / Kornexl, Elmar / Raschner, Christian; Influential Factors on the Relative Age Effect in Alpine Ski Racing; in: PLoS One 10 (2015) 8, e0134744. Published online 2015 Aug 7. doi: 10.1371/journal.pone.0134744).

    RAE gibt es übrigens in JEDEM Land.

    Den RAE gibt es sogar in fast jeder Sportart. Sollen wir ihn deshalb einfach so hinnehmen, ohne mögliche Gegenstrategien zu ersinnen und auszuprobieren? Den "heiligen Gral" gibt es nicht, weil dieses Thema erst seit ein paar Jahren so richtig im Sport angekommen ist. Aber es gibt vor allem in der Schweiz und Österreich interessante Ansätze, dem RAE entgegenzuwirken. Ob diese bereits Wirkung zeigen, weiß ich tatsächlich nicht.

    Ich bin immer online bzw. angemeldet. Das heißt nicht, dass ich ständig hier bin. Ich hatte bereits einen Text in der Pipeline, ehe der Beitrag von Pocho kam. Es sei mir doch hoffentlich gestattet, dass ich sowas dann nutze, wenn es sich mit meinen Gedanken deckt, dabei aber effizienter formuliert ist. Zumal dieser Punkt bereits am Donnerstag thematisiert worden ist und hier nur mit Zahlen untermauert wurde. Ob diese Zahlen letztlich stimmen, oder wie diese ermittelt wurden, sind natürlich legitime Fragen. Auch ich kann mir diese hohen Werte nur schwerlich vorstellen. Aber selbst, wenn es "nur" 20% anstelle von 55% sind, finde ich das bedenklich. Und ich empfinde es ziemlich ignorant, wenn man dem einfach entgegnet, dass oben halt immer und überall Druck da ist. Wir reden hier nicht über Uniabsolventen oder akademische Eliten sondern über Kinder. Wir haben ja selbst bei gestandenen Profis prozentual mehr psychische Erkrankungen wie Burn out und Depressionen als im Rest der Bevölkerung. Eine enge psychologische Betreuung muss dahingehend zu einer Auflage für alle NLZ werden. Sicherlich machen das auch einige, aber es sollte Pflicht sein. Und ich behaupte mal, dass es 12-13jährigen nicht zugemutet werden sollte, wegen dieses Leistungsdrucks psychologisch betreut werden zu müssen. Also rauf mit dem selektionsalter.


    Bei einem NLZ kommen wir - anders als im ambitionierten Amateurverein - in einen Bereich, der speziell darauf ausgerichtet ist, Profis auszubilden. Das ist der direkteste und kürzeste Weg in den Profibereich. Schon dieser Umstand ist für mich ausreichend, NLZ anders zu behandeln und hier eine höhere Altersgrenze einzuführen. Das heißt nicht, dass Vereine mit NLZ keine Mannschaften im F- bis C-Bereich haben dürfen, aber es darf nicht aktiv selektiert und gesichtet werden.


    Wenn ich in einem ambitionierten Amateurverein bin, habe ich das Ziel, in ein NLZ zu kommen, um meinem Traum vom Profifußball näher zu kommen. Wenn ich aber bereits diese Hürde nicht nehmen kann, oder sogar in diesem Verein aussortiert werde, ist die Fallhöhe eher gering, weil das Profitum einfach noch zu weit weg war. Und wenn mir die Trainer sagen, dass ich auf dem besten Wege bin, Profi zu werden, nehme ich das in einem Amateurverein anders wahr, als in einem NLZ. Wenn ich es in ein NLZ geschafft habe, ist das Profidasein doch (subjektiv) schon zum Greifen nah. Erwarten wir dann von einem 12jährigen, dass er in dieser Situation die geistige Reife hat (Elternhaus hin oder her), um die geringen Erfolgschancen zu berücksichtigen?! Selbst wenn einem bewusst sein muss, dass es nur ein extrem kleiner Bruchteil tatsächlich schafft, ist man doch trotzdem total besessen von diesem Gedanken. Da können die Vereine noch so oft auf die geringen Chancen hinweisen... Wer den Fuß bereits in der Tür hat, will auch ganz durchgehen. Diesen Ehrgeiz hat man einfach. Man opfert so viel und wenn man am Ende mit leeren Händen dasteht, ist man hoffentlich reif genug, das zu verkraften. Diese Reife verknüpfe ich mit einem höheren Alter.


    Auch der RAE spielt hier eine Rolle. Er ist im Wesentlichen eine Folge aus einem falschen Talentverständnis und zu großem Leistungsdruck für Trainer. Nirgends ist der Leistungsdruck im Nachwuchsbereich größer als in einem NLZ. Das kann man mit dem Leistungsdruck in einem Amateurverein überhaupt nicht vergleichen. Es werden bevorzugt Spieler selektiert und gefördert, die aufgrund ihrer derzeitigen körperlichen Vorteile als talentierter gelten, obwohl sie nur vorübergehend bessere Leistung bringen als ihre Altersgenossen. Insbesondere im Alter, in dem die Pubertät einsetzt (10-14), haben wir zum Teil extreme Unterschiede im Körperbau. Da werden frühentwickelte nachweislich systematisch bevorzugt. Sie sind größer, schneller und stärker, sind aber im technisch-taktischen Bereich nicht zwingend besser. Oft sind sie sogar schlechter, weil sie mit ihren körperlichen Vorteilen technisch-taktische Defizite kaschieren können. Aber sobald die anderen körperljch aufholen, ist es schnell aus. Wenn wir die Altersgrenze anheben, kann das positiven Einfluss auf den RAE haben, weil die pubertätsbedingten körperlichen Unterschiede dann nicht mehr ganz so stark sind. Das wiederum kann die Ausbildung für die Vereine insgesamt effizienter machen, weil man weniger Spieler selektiert, die von vorne herein keine Perspektive haben.

    Die Auffrischungsrate in den NLZs beträgt pro Jahr über alle Alterskategorien hinweg 25 – 29%. Von allen deselektierten Spieler haben 55% psychisch/klinik relevante Stresssymptome, die therapeutisch behandelt werden müssten. Das sind jedes Jahr 2.500 Kinder. Gerade Kinder, deren Identität sich sehr stark bis hin zu ausschließlich auf den Fußball gründet, haben im Falle der Deselektion besonders zu leiden. Es hilft Kindern daher ungemein, wenn sie abseits vom NLZ noch weitere identitätsstiftende Merkmale haben (bester Freund, Erfolg in der Schule, Zweitsportart, Musikinstrument). Andernfalls droht umso mehr, mit der Deselektion die Existenz weggezogen zu werden.

    Sir Alex: Das ist meine Antwort auf die Frage, warum in NLZ erst ab 15 Jahren selektiert werden sollte. Leistungsdruck gibt es zwar auch in Amateurvereinen, aber nicht in dieser fast schon identitätsbestimmenden Form.

    Es geht eher darum, dass ich vom 15. Lebensjahr gesprochen habe, ohne das zu relativieren und hervorzuheben, dass ich in allererster Linie NLZ meine. Ich habe nichts dagegen, wenn schon ab 13 Jahren selektiert und gefördert wird; jedenfalls außerhalb von NLZ. Aber wenn wir - wie im vorliegenden Fall - von 10-11jährigen sprechen, halte ich Selektion für eher schädlich; egal ob NLZ oder ambitionierter Amateurverein. Und ich würde auch grundsätzlich Eltern davon abraten, ihr Kind in diesem Alter in ein NLZ zu schicken. Vor allem bei früh selektierenden NLZ wird Kindern nicht selten suggeriert, dass ihr Weg direkt in den Profibereich führt und wer nicht mit spätestens 12 im Nachwuchs eines Profiklubs ist, wird es nie zum Profi bringen. Wenn man bedenkt, wie viele Talente in den NLZ einfach nur ausgetauscht werden und wie spät sich erst wirklich zeigt, ob es zum Profi reicht oder nicht, sollten wir unbedingt hinterfragen, ob sich die Talente wirklich in den NLZ weiterentwickeln oder außerhalb.


    Natürlich kann man das nicht verallgemeinern und Du hast absolut Recht, dass NLZ nicht gleich NLZ ist. Aber insgesamt sind Talentauswahl und -entwicklung (nur darauf beziehe ich mich hier) in Deutschland nicht unproblematisch. Da bedarf es einer stärkeren Sensibilisierung für gewisse Aspekte. Und anfangen sollten wir mit dem Alter, ab wann selektiert wird.

    Aus meiner Sicht macht es Sinn spätestens zur U12 vom Dorfverein weg und hin zu einem ambitionierten Verein zu wechseln und dann spätestens zur U15 zu einem NLZ.

    Wenn wir hier (überspitzt formuliert) "spätestens" mit "frühestens" ersetzen, bin ich dabei. Im Alter ab 13-14 Jahren sollte man höher spielen als Kreis- oder Bezirksliga. Aber vor dem 15 Lebensjahr, muss es wirklich noch nicht das NLZ sein. Das heißt jetzt nicht, dass alle verdammt sind, die schon vorher in einem NLZ waren/sind, aber wer es erst mit 16/17 dorthin schafft, hat mE keine Nachteile.

    Ich habe überhaupt nichts suggeriert. Dass auch in Amateurvereinen ohne NLZ selektiert wird, ist mir klar, aber vorliegend ging es nunmal um eines.

    Und dass man im Dorfverein bis zur U15 bleiiben kann und damit ausreichend gefördert sei, daas wage ich zu bezweifeln.

    Ich selbst bin erst mit 14,5 Jahren zu einem ambitioniertem Amateurverein gewechselt und war zuvor immer nur im Dorfverein meines Wohnortes. Dort haben wir in der Kreis- und Bezirksliga gespielt. Nach meinem Wechsel war ich sofort Stammspieler, spielte in der Landesliga und stieg später in die Regionalliga auf. Also recht spät in den Leistungsbereich gewechselt ohne große Probleme. 1,5 Jahre vor meinem Wechsel kamen Spieler in meinen Heimatverein zurück, die zuvor zu einem Leistungsverein gewechselt waren. Man kann nicht gerade behaupten, dass sie in der Zwischenzeit irgendwem fußballerisch enteilt waren.


    Ich habe vor einigen Jahren einen sehr ausführlichen Artikel über die Nachwuchsausbildung in Dtl. (Schwerpunkt RAE) auf Spielverlagerung.de geschrieben. Ich glaube darin kann man nachlesen, dass ich das Thema nicht pauschalisiere.

    Klar. Ist doch ein wahnsinniger Motivationsschub, wenn einen der Verein, von dem Fan ist, auf dem Schirm hat und einen sogar trainiert. Daher finde ich solche Modelle mit Extraeinheiten (bestenfalls mit einer echten Mannschaft mitzutrainieren) durchaus gut. Solange das bekannte Umfeld bestehen bleibt und man keine signifikante Fallhöhe hat, ist das das Optimum.

    Im unten verlinkten Kommentar ist wiederum ein Artikel verlinkt, der sich mit der frühen Talentförderung befasst. Ich kann den nur jedem Empfehlen, der sich mit der von Dir geschilderten Situation konfrontiert sieht. Leistungsselektion und ernsthafte Talentförderung macht vor dem 15. Lebensjahr wenn überhaupt nur bedingt Sinn. Der Druck, der mit solchen Sachen auf Kinder ausgeübt wird, ist für niemanden hilfreich. Kinder profitieren sogar davon, wenn sie nicht zu früh selektiert werden, sondern stattdessen länger in ihren Heimatvereinen spielen. Soziale Aspekte und Spaß am Spiel stehen da im Vordergrund. Und allzu oft ist die "Förderung" auch nur eine leere Worthülse, weil Spieler in NLZ häufig einfach nur gegen bermeintlich bessere ausgetauscht werden. Also mach Dir keine Gedanken, wenn Dein Kind dort nicht genommen wird. Macht da mit und wenn es nicht klappt, ist noch lange nichts vorbei. Schon gar nicht die sportliche Zukunft.


    RE: Mit 6 Jahren schon in eine U7 Mannschaft (NLZ) wechseln?

    Bei einem Wachstumsschub muss der Körper seine komplette (Tiefen)Wahrnehmung anpassen, weil vieles nicht mehr da ist, wo es vorher war. Die Füße sind auf einmal weiter vom Kopf/Gehirn entfernt etc. Wenn die Wahrnehmung infolgedessen beeinträchtigt ist, bedeutet das puren Stress für den Körper und die Leistung lässt automatisch nach. Signale vom Gehirn zum Muskel brauchen in dieser Phase etwas länger. Daher wirken viele Heranwachsende auch oft so unkoordiniert.

    Kann es nicht sein, dass viele dieser Punkte so fest zusammen hängen, dass das Kind einfach keine Möglichkeit hat an seine Leistungsspitze zu gehen.

    Den Körper muss man immer ganzheitlich betrachten. Also 'Ja'. Dettmar Cramer sagte dazu einmal "Wenn Du Dir am Hintern ein Haar rausziehst, fängt das Auge an zu tränen."


    Ein Experte auf dem Gebiet der Neuroathletik hatte dazu auch mal eine Anekdote. Er betreute eine (erwachsene) Ausdauerläuferin, die plötzlich nicht mehr ihre Zeiten erreichen konnte. Sie wurde langsamer, obwohl sie keine Verletzungen, oder ihren Lebensstil geändert hatte. Letztlich stellte sich heraus, dass sie eine Brille brauchte. Durch ihre schlechter werdende Sehstärke hat der Körper in den Sicherheitsmodus gewechselt, um mögliche Gefahren beim Laufen besser erkennen zu können. Denn wer nicht sieht, wo er auftritt, riskiert nunmal Verletzungen. Und das versucht der Körper zu vermeiden.

    Charles De Goal hat nicht Unrecht. Am Ende war es ein einziges Tor, das über das Weiterkommen entschieden hat. Entweder die Japaner schießen gegen uns ein Tor weniger oder wir eines mehr. Oder die Spanier schießen gegen Japan eins mehr bzw. Japan eins weniger. Wären wir weiter gekommen, wären wir höchstwahrscheinlich ins Viertelfinale vorgedrungen; vielleicht auch weiter. Dann hätte es all die Diskussionen nicht gegeben. Zwischenzeitlich war ja sogar Spanien ausgeschieden. Das zeigt doch, wie eng Erfolg und Schmach beisammen sein können. Italien ist dahingehend das beste Beispiel. Verpassen die WM; werden Europameister mit geilem Fußball, über den ganz Europa spricht; verpassen knapp das Finale der Nations League und qualifizieren sich dann erneut nicht für die WM. Welche Lehren kann man jetzt daraus ziehen? War in Italien 2022 alles super und nun alles schlecht?


    Bei Deutschland sehe ich kurz- und mittelfristig eher die Spielerauswahl (warum wird bei der Sechserdiskussion eigentlich nie Julian Weigl genannt?) kritisch, aber grundsätzlich haben wir die Spielerqualität für große Erfolge. Langfristig müssen die Trainer- und Nachwuchsausbildung überdacht werden, wobei wir endlich von unserem fehlgeleiteten 1-gegen-1-Fokus und dem Zergliedern wegkommen müssen. Aber das Gegenteil wird der Fall sein und unsere Probleme weiter verstärken. Wir diskutieren ja bereits jetzt (wie immer) über irrelevante Zweikampfsituationen, wo Absicherungselemente (also gruppen- und mannschaftstaktische Elemente) viel gravierender waren. Dann kommen wir zu dem Schluss, dass wir mehr Musialas brauchen. Aber werden uns mehr Musialas einen besseren Sechser oder Weltklasse AV bescheren?


    Nicht falsch verstehen. Musiala war stark und sicher der beste Deutsche.