Beiträge von vangaalsnase

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    Also Didi Hamann ist mit Abstand der schlechteste "Experte", der im deutschsprachigen Raum agiert. Wenn der was sagt, ist schon grundsätzlich das Gegenteil anzunehmen. Bei dem weiß ich nie, ob der das wirklich ernst meint, oder ob er nur provozieren will. Und dieses beinahe schon blinde Urvertrauen in die Expertise von ehemaligen Profis und Nationalspielern hat den deutschen Fußball erst in die Situation gebracht, in der er heute ist.

    Dann mach doch einfach Über-/Unterzahlspiele, in denen die Unterzahlmannschaft ein Tor verteidigen muss, wobei sie auf einer Linie verteidigt. Kannst es nach und nach steigern: erst zwei Verteidiger+TW gegen drei oder vier Angreifer auf 5m-Raumbreite. Da geht es darum, wie sich beide Verteidiger gegenseitig diagonal nach hinten absichern, wobei der ballnahe Verteidiger den gegnerische Ballführer stellt. Das ist ja DIE Grundlage für alle Kettenverteidigungen. Dreier- und Viererketten agieren nicht anders.

    Dann machst Du fünf oder sechs Angreifer gegen drei Verteidiger+TW auf Strafraumbreite. Und irgendwann bis zu acht Angreifer gegen eine Viererkette+TW bei kompletter Spielfeldbreite. Dann kannst Du noch eine Doppelsechs vor die Kette stellen. Weil die Verteidiger in einer z.T. erheblichen Unterzahl sind, sind sie ja dazu gezwungen, gemeinsam zu verschieben und den Raum zu bearbeiten, wobei ein starker Zentrumsfokus herrscht, weil die Außen erstmal weniger Gefahr für das Tor bedeuten. Wenn da einer meint, er müsse Manndeckung spielen oder lässt sich einfach aus der Kette ziehen, wird es für den Rest schwer. Das erkennen die Spieler recht schnell. Falls sie es nicht merken, frierst Du ein coacht das.


    Dann sind Referenzpunkte entscheidend:

    1. Wo ist der Ball? (ballnahen Raum verengen; ballferne Räume können erstmal vernachlässigt werden)

    2. Wo sind meine Mitspieler? (Abstände beachten, gegenseitig absichern)

    3. Wo sind meine Gegenspieler? (ballnahe Gegenspieler werden enger gedeckt; Antizipation; gegenseitiges Übergeben)

    4. Wo ist unser Tor? (je näher der Ball zum eigenen Tor ist, desto enger werden Gegenspieler gedeckt)


    Achte stehts auf die Abstände und darauf, dass nicht alle permanent auf einer Linie verteidigen. Also die typischen Verhaltensweisen einer Kette: Dreiecksbildung wenn der Ball im Zentrum ist und Halbmondbildung, wenn der Ball auf Außen ist. Das coacht man vielleicht zwei-dreimal; dann sitzt das. Die Prinzipien des ballorientierten Attackierens, Raumverengens und gegenseitigen Absicherns müssen halt in allen Spielformen aufgegriffen werden. Also darauf achten, dass keine Manndeckung gespielt wird. Und das Prinzip der kurzen Wege muss gelten: wer am nächsten zum Ball steht, attackiert ihn.


    Sowas sind recht simple Spielformen, die jetzt auch nicht wahnsinnig "taktisch geprägt" sind, sofern man nicht alle paar Sekunden anhält.

    Jetzt ist natürlich die Frage, was Du unter "Taktiktraining" verstehst. Sich an eine Tafel zu stellen oder ständig einzufrieren und alles vorzukauen, mag für die meisten klassisches Taktiktraining sein; es geht aber auch anders.


    Wenn Du bspw. ein Rondo/Eckerl/Schweinchen in der Mitte machst, ist das schon gruppentaktisches Training, weil es darum geht, Pass- und Kombinationsverbindungen zu erzeugen und auszunutzen. Gleichzeitig versuchen die Unterzahlspieler in der Mitte, den Ball zu erobern. Die müssen sich natürlich was einfallen lassen, um an den Ball zu gelangen. Auch das ist unter Taktik zu verstehen. Taktik ist nämlich nicht nur, dass man Spieler auf feste Positionen stellt und ihnen sagt, was sie zu tun haben. Taktik ist auch nicht einfach mit Defensive gleichzusetzen oder mit irgendwelchen Telefonnummern wie 4-4-2 oder 4-2-3-1. Taktik ist in erster Linie die Entscheidungsqualität der Spieler. Also in der jeweiligen Situation eine passende Lösung zu finden und letztlich auch sauber auszuführen (Technik). Das zu fördern, indem man in Spielformen gezielt nach gewissen Prinzipien ausbildet, ist Taktiktraining.


    Insofern ist kann und sollte jede Spielform als Taktiktraining verstanden werden.

    Das ist derselbe Autor, über den wir bereits in diesem Thread diskutiert haben. Ist in der Theorie durchaus korrekt und schlüssig, aber die Umsetzung ist leider nur alter Wein in neuen Schläuchen. Solange sich nichts an der Umsetzung ändert, sind das wie so oft nur leere Worthülsen.

    In der D-Jugend kann man gewiss schon Positionsspielformen machen. Also Rondos in allen möglichen Variationen. Da ist das kollektive (in diesem Fall gruppentaktische) Zusammenspiel immer der Schlüssel und weil es keine feste Spielrichtung gibt, werden automatisch andere Passrichtungen als nur "nach vorne" behandelt. Ich würde auch gelegentlich folgende Kontaktbeschränkung nutzen: entweder maximal 2 Kontakte oder mehr als 4. Der Ballempfänger muss dann schon vor Erhalt des Balles wissen, ob er einen schnellen Pass spielt, oder ins Dribbling geht. Denn ein sauberes Aufbauspiel sollte nicht nur mit dem Passspiel in Verbindung gebracht werden. Wenn wir so gerne wollen, dass Kinder dribbeln, dann lasst sie das doch auch machen, wenn sie von hinten aufbauen. Dribbelnde Innenverteidiger waren ein wesentliches Element im Spiel von Holstein Kiel unter Tim Walter. Und wenn schon Zweitligaprofis hinten dribbeln dürfen, sollte man das Kindern erst recht erlauben.

    Spezitrainer für gewisse Positionen gibt es bereits. Hat T. Henry einige Zeit für die Stürmer der belgischen N11 gemacht. Gibt auch Spezialtrainer für Standardsituationen.


    Aber Spezialisten für Offensive bzw. Defensive halte ich für etwas problematisch, weil sich das immer gegenseitig beeinflusst und nicht starr getrennt werden kann wie im American Football. Ein gutes Pressing soll ja direkt zu Gegenangriffen/Kontern führen. Die Staffelungen bei eigenem Ballbesitz bilden demgegenüber die Grundlage dafür, ob und wie ich nach einem Ballverlust ins Gegenpressing oder wieder vor das eigene Tor komme. Somit sind die Spielmomente stets fließend und ganzheitlich zu betrachten. Natürlich gibt es Trainer, die sich offensiv/defensiv besser auskennen. Aber trotzdem müssen alle Spielmomente immer als Einheit betrachtet werden.


    Ich bin selbst ziemlich stark auf das Positionsspiel und Mittelfelpressing fokussiert. Daher habe ich einige Defizite, wenn es um das Angriffspressing geht. Da würde ich mir bspw. einen Trainer aus der "RB/Rangnick-Schule" holen, um diesen Bereich besser abzudecken. Aber es muss insgesamt zu meiner Spielidee passen.

    Positionsspielformen in engen Räumen machen die Vororientierung und das Umblicken schon per se notwendig, weil in solch engen Räumen einfach überall ein Gegner in unmittelbarer Nähe ist. Eine gute Spielform ist folgende: ein rechteckiges oder quadratisches Feld aufbauen, in welchem zwei Teams mit gleicher Spieleranzahl (4 vs. 4 eignet sich hervorragend) gegeneinander auf Ballhalten spielen. Entlang jeder Außenlinien wird ein Neutraler gestellt. Diese Neutralen sind bei dem Team, das gerade in Ballbesitz ist. Die Neutralen dürfen sich den Ball nicht untereinander zuspielen. Um hier die Vororientierung zu forcieren nutze ich das Rückpassverbot: Wenn ein Neutraler zu einem Spieler im Feld passt (oder umgekehrt), darf dieser nicht zu dem Spieler zurückpassen, von dem er gerade den Ball bekommen hat. Das führt dazu, dass der jeweilige Passempfänger sich schon vor Erhalt des Balles zu einem dritten Spieler orientieren muss, um sofort weiterspielen zu können. Wenn man das noch mit Kontaktbeschränkungen verbindet (bspw. max. zwei Kontakte), kann man diese Aspekte noch stärker hervorheben.


    Hier gilt das Prinzip "wir spielen nur in Räume, die wir sehen". Und/oder man nutzt das Prinzip "kein Aufdrehen ohne Schulterblick."


    Wie aber überall reicht es nicht, diese eine Spielform nur einmal zu machen. Das muss immer wieder in unterschiedlichen Variationen trainiert werden, damit es zum intuitiven Verhalten wird. Nach einer Weile wird man auch merken, dass die Spieler ein ganz anderes Blickverhalten an den Tag legen.

    Tu mich immer schwer mit dieser Fokussierung auf solche mentalen Aspekte. Das nutzt sich vor allem als Analyse sehr schnell ab und ist oft Ausdruck davon, dass man sonst keine Erklärung für schwache Leistungen hatte (Hat der Gegner gewonnen, wollte er es mehr). Ist für mich einfach zu simpel. Der berühmte Schritt zu spät sieht oft aus wie mangelnder Einsatzwille, kann aber häufig auf schlechte Raumbesetzung zurückzuführen sein.


    Vielleicht ist bei Deinen Spielern auch einfach die Luft raus. Sie sind gepushed, wollen alles geben und hauen sich komplett rein. Irgendwann ist dann einfach die Kraft weg. Angriffspressing ist unheimlich Laufintensiv. Das hält man kaum 90min durch. Gönne Deinen Spielern im Rahmen des Spielstils auch mal ruhigere Phasen mit passiverem oder tieferem Pressing. Und im Training sollte ebenfalls darauf geachtet werden, dass genug Möglichkeiten für Erholung da sind (Stichwort "lohnende Pause"). Alles eine Frage der Belastungssteuerung. Fitness und Müdigkeit (mentale und körperliche) sind nämlich keine Widersprüche. Man kann super fit sein, aber wenn man überbelastet ist, tritt trotzdem schnell Ermüdung ein

    Van Gaal sagt, der Trainer macht die Übung. Der Coach gibt (verbale) Hilfestellung. Darum nennt er sich Trainer-Coach.


    Edit: ich rede hier übrigens nicht von mir in der dritten Person sondern vom echten LvG.

    "Es gibt eine Steigerung in der Ausbildungsqualität, indem individueller auf die einzelnen Trainer*innen eingegangen wird und über einen längeren Zeitraum Einfluss auf ihre Entwicklung genommen werden kann."


    Der DFB verkennt, dass es nicht nur Kritik an der neuen Struktur gibt. Die Inhalte sind schon seit Jahren überholt und qualitativ dürftig. Da nützt auch die beste Individualisierung nichts.

    Zudem wird ignoriert, dass es bereits um die Jahrtausendwende völlig berechtigte Kritik an den verkürzten Lehrgängen für Nationalspieler gab, weswegen das irgendwann beendet wurde. Und jetzt lässt man das quasi wieder aufleben.

    Ist schon interessant, dass der DFB auch seit Jahren propagiert, wie wichtig der Amateurbereich ist, um dann mittels solcher Reformen doch nur wieder die Kluft zum Profitum zu vergrößern.

    Als Ballführer treffe ich grundsätzlich Entscheidungen nach dem, was ich auch sehe. Gibt sicherlich Ausnahmesituationen, wenn ich bspw. hinterlaufen werde und der hinterlaufende Mitspieler kurz ansagt, dass er nun links/rechts an mir vorbeiläuft. Ansonsten sollte es ein Grundprinzip für alle Spieler sein, nur dorthin zu passen, was man auch sehen kann; unabhängig davon, ob Mitspieler rufen.


    Kommunikation seitens des Passgebers (bspw. den Zielspieler mit Namen ansprechen) wird im Training gerne fokussiert, ist in der Realität aber allzu oft nicht umsetzbar. Unter Zeitdruck habe ich gar nicht die Möglichkeit, den Namen meiner Mitspieler zu sagen, zumal man auch oft gar nicht sieht, wem man da überhaupt zupasst, weil man ihn eh nur aus dem Augenwinkel sieht. Man sieht zwar, dass da ein Mitspieler ist, man weiß aber nicht immer, wer es ist.


    Signale für den Zielspieler wie "Klatsch" oder "Dreh" können durchaus hilfreich sein, sollten aber dem Zielspieler nicht die Aufgabe abnehmen, sich vorher selbst zu vergewissern, was der Raum gerade erlaubt bzw. erfordert. Schulterblick und Umblickverhalten sollten immer erfolgen.


    Also sind im Endeffekt das Sehen und das Umblickverhalten viel wichtigere Aspekte als das Rufen. Gegenseitiges Coaching ist dennoch wichtig.

    Was sollen denn "normale" Vereine mit den Ergebnissen anfangen? Wird man jetzt stärker individualisieren, weil jemand den Ball nur dreimal hochhalten kann? Dafür hat man gar nicht die Kapazitäten.

    Und was sollen diese Werte bei Kindern aussagen, die noch nicht mal in der Pubertät sind? Es mag vielleicht für Spieler und insbesondere Kinder spannend sein, die Werte wettkampfmäßig untereinander zu vergleichen, aber erfahrungsgemäß wird seitens der Trainer ohnehin nichts mit den Ergebnissen angefangen. Für Trainer ist viel entscheidender, was die Spieler im Wettkampf bzw. auf dem Platz zeigen. In meiner Jugendzeit wurden diese Tests zweimal jährlich durchgeführt (mit Notenvergabe am Sportgymnasium), aber die Ergebnisse ansonsten nie weiter thematisiert. Es wurde auch niemals das Training angepasst, um etwa "dribbel-" oder "jonglierschwache" Spieler zu verbessern, obwohl das bei uns tatsächlich möglich gewesen wäre. Ich setze es deshalb in Anführungszeichen, weil viele meiner Mitspieler, die keine guten Testergebnisse hatten, auf dem Platz trotzdem starke Dribbler waren. In meiner B-Lizenzprüfung konnte ein Teilnehmer ums Verrecken nicht jonglieren, gehörte aber zu den spielstärksten Spielern des Lehrgangs. Insofern darf auch in Frage gestellt werden, ob diese Tests überhaupt spiel- bzw. fußballrelevante Fähigkeiten prüfen (Schwesig, René / Miserius, Marcel / Hermassi, Souhail / Delank, Karl Steffen / Noack, Frank / Fieseler, Georg; Wie valide ist die Leistungsdiagnostik im Fußball?; in: Sportverletzung Sportschade 30 (2016), H. 1, S. 26-30).


    Ich würde allenfalls die Fitnesswerte laufend erfassen, um so die Belastung zu steuern, damit Verletzungen vorgebeugt werden kann. Aber auch das ist in einem "normalen" Verein kaum möglich.

    Das sollte man ganzheitlich betrachten. Die offene Stellung erlaubt natürlich eine leichtere Ballverarbeitung. Insofern ist hier die technische Komponente ersichtlich. Eine schnelle Ballverarbeitung ist aber auch für das mannschaftliche Aufbau- und Angriffsspiel förderlich, weil die Aktionen halt schneller von statten gehen und somit schwerer zu verteidigen sind. Mittels der offenen Stellung erzeugt man außerdem Verbindungen, wodurch das Ganze einen weiteren strategisch-taktischen Charakter bekommt, weil man so (Pass)Optionen für seine Mitspieler schafft. Hieran sieht man, dass der Begriff "offene Stellung" zu kurz greift.

    Die Wahrnehmung kommt im sogenannten taktischen Handlungszyklus (siehe Anhang) vor der Entscheidungsfindung (taktische Komponente) und diese wiederum kommt vor der Ausführung (technische Komponente). Und alle drei beeinflussen sich gegenseitig. Wer mehr wahrnimmt, hat mehr Lösungsoptionen aus denen er wählen kann. Man hat also eine größere Entscheidungsvielfalt. Gleichzeitig ist diese vom technischen Vermögen abhängig. Denn wer keine gute Technik hat, muss sich auf für ihn umsetzbare Lösungsoptionen beschränken.


    Wahrnehmungsschulung wird leider zu oft auf den Schulterblick reduziert, wobei es sich lediglich um eine Bewegung handelt. Das Gesehene zu verarbeiten (wo stehen meine Mit- und Gegenspieler? Welche Passwege sind offen?) gehört jedoch ebenso dazu und ist der entscheidende Part, wenn wir von Wahrnehmung sprechen.


    Da das meiste auf dem Platz aus dem "Augenwinkel" wahrgenommen wird, spielt das periphere Sehen eine entscheidende Rolle. Das periphere Sichtfeld beträgt bis zu 180° in der Horizontalen. In Stresssituationen verringert sich das periphere Sichtfeld jedoch, was dazu führt, dass Optionen zur Lösung der Situation, nicht gesehen werden. Deswegen müssen Spieler lernen, stressresistent zu werden. Man hat festgestellt, dass erfahrene Sportler stressresistenter sind und grundsätzlich ein größeres/weiteres peripheres Sichtfeld haben als Anfänger, Amateure und Nichtsportler.

    Der deutsche Fußball hat zwei ganz wesentliche Probleme, die direkt in Verbindung stehen und sich auf viele weitere Bereiche auswirken:

    1. Er hat keine Ahnung vom Ballbesitzspiel und verstrickt sich in der Praxis in Widersprüche.

    2. Die Trainerausbildung ist überholt und es wird alles getan, damit das auch so bleibt.


    Wir sind die vielleicht weltweit führenden Experten für das Spiel gegen den Ball. Pressing, Pressing und nochmals Pressing. Aber bei eigenem Ballbesitz wird es sehr schnell sehr dünn. Im Angriff haben wir die standardisierten Mittel aus Doppelpass, Hinterlaufen, Kreuzen und Spiel über den Dritten. Und wenn das nicht reicht, muss der Unterschiedsspieler her, weswegen wir so viel Wert auf das 1-gegen-1 legen. Tiefergehende Ansätze - vor allem im kollektiven Aufbauspiel - sucht man vergebens. Stattdessen ziehen wir über "Querpass-Toni" her, glauben aber gleichzeitig, dass es ein Qualitätsmerkmal ist, wenn man einfach mehr Ballbesitz hatte als der Gegner. Allein die Art und Weise, wie Toni Kroos in Deutschland wahrgenommen wird (man erinnere sich an Uli Hoenneß' Tirade im Doppelpass nach der WM 2018), zeigt, wo wir ein gehöriges Verständnisproblem zum Spiel mit Ball haben. Sofern der Ball nicht direkt Richtung gegnerisches Tor gespielt wird, wittern wir bereits brotlose Schönspielerei. Zur selben Zeit wollen wir (mal wieder) dribbelstarke Straßenfußballer ausbilden, regen uns aber auf, wenn der F-Junior am zweiten Gegenspieler hängen bleibt.


    Wenn ich mir DAS Standardwerk des DFB zum Thema Angriffsfußball ansehe ("Angreifen mit System"), frage ich mich immer, wann das je funktioniert haben soll. Es werden Angriffe vorgestellt (Stichwort Abläufe), wo auch immer gleich die entsprechenden Reaktionen des Gegners mit aufgezeigt werden. Als ob die Autoren Hellseher sind und jedes Team der Welt auf die gleiche Art verteidigt. Der Leiter meines B-Lizenzlehrgangs meinte schließlich auch mehrfach, dass im Fußball ständig die gleichen Situationen vorkämen. Wenn alle im 4-4-2 spielen, wie es in fast allen dt. Amateurligen der Fall ist, mag das zu einem gewissen Grad stimmen. Aber die Realität in einem komplexen Spiel sieht einfach anders aus. Nur bereiten wir unsere Trainer eben nicht auf diese Wirklichkeit vor. Und wie sollen diese Trainer dann die fachliche Expertise haben, diejenigen Spieler auszubilden, die uns andere Nationen seit einiger Zeit voraus haben?


    So wie wir seit Jahrzehnten Trainer ausbilden, kann sich doch wohl niemand wundern, dass unser Wissen in manchen Bereichen einfach unterirdisch ist und bleibt. Es fängt schon damit an, wie der Begriff "Taktik" hierzulande wahrgenommen wird. Und zwar wird er entweder mit Defensive gleichgesetzt, oder mit einstudierten Spielzügen. Dass das viel zu eng gedacht ist, ist keine bloße Begriffskorinthenkackerei, sondern ein ernsthaftes Problem. Denn Taktik meint die Fähigkeit, in der jeweiligen Situation die richtige/passende Handlung vorzunehmen bzw. eine angemessene Entscheidung zu treffen. Taktik ist demnach in erster Linie das Spielverständnis des Spielers: Wann gehe ich ins Dribbling, wann spiele ich einen Pass; wohin spiele ich ihn? Dieses Verständnis wird in Wechselwirkung mit anderen Spielern zur Gruppentaktik (in welche Räume bewege ich mich, um für meine Mitspieler anspielbar zu sein oder mit ihnen den Raum zu verengen?) und schließlich zur Mannschaftstaktik (wie Verschieben wir als Verbund und wie Staffeln wir uns, um konstruktiv aufzubauen?). Wie man vor allem anhand der Individualtaktik sieht, besteht hier eine enge Verbindung zur Technik. Sie ist die Umsetzung einer Entscheidung. Die Erfordernisse zur Lösung einer Spielsituation ergeben sich also primär aus der taktischen Perspektive. Der Spieler nimmt die Spielsituation wahr, verarbeitet die wahrgenommenen Informationen, sucht Lösungen, trifft eine Entscheidung und führt diese aus. Die Ausführung – der technische Aspekt – erzeugt eine neue Situation, und der Prozess beginnt von vorn.


    Folgt man dieser Definition wird klar, dass es im Taktiktraining darum gehen sollte, Spielern die Fähigkeiten zu vermitteln, situativ passende Entscheidungen zu treffen und diese auch adäquat umzusetzen (Technik und Taktik werden als untrennbare Einheit verstanden). Da jede Situation einzigartig ist, kann man nur schwer mit festen Abläufen arbeiten und braucht stattdessen Prinzipien. Aber bitte nicht die oberflächlichen 08/15-Binsenweisheiten des DFB (bspw. So präzise wie möglich, so scharf wie nötig passen). No shit Sherlock. Wäre ich so nicht drauf gekommen...


    In der vom DFB vermittelten Methodik werden Spieler aber nicht dazu ausgebildet, eigene Entscheidungen anhand von Prinzipien zu treffen, sondern sie sollen klare Abläufe abspulen, die vom DFB/Trainer vorgegeben werden: "Wenn Spieler A auf Position Y den Ball hat, muss Spieler B dieses und jenes tun." Wird in der Umsetzung ein Fehler gemacht, wird diese Situation solange im Training durchexerziert, bis dieser Ablauf sitzt. Dieses Vorgehen ist nicht nur realitätsfern, weil es davon ausgeht, dass es ständig wiederkehrende Grundsituationen ohne Variation gibt und dass jeder Gegner dieselbe Reaktion zeigt. Es unterbindet auch die individuelle Entfaltung und Kreativität der Spieler. Wer denkt, dass nur so Taktikvermittlung stattfindet bzw. stattfinden kann, muss ja zwangsläufig Kritik üben. So sind für mich auch die Kritiken von Magath und Scholl zu verstehen.


    Ein weiteres Problem in Deutschland ist, dass bewusst Einflüsse von außen verhindert werden, indem man den Zugang von Amateuren zu höheren Lizenzen aktiv torpediert. Ehemalige Nationalspieler bekamen um die Jahrtausendwende verkürzte Trainerlehrgänge. Die Spielnote ist für das Bestehen der Trainerscheine noch immer relevant und die jüngste Lizenzreform hat es unterklassigen Trainern zusätzlich erschwert, an höhere Lizenzen zu kommen. Mehr kann ein Verband nicht zeigen, dass er gerne im hochklassigen Bereich ungestört unverändert weitermachen will. Dass sogar in einigen Lehrgängen offen kommuniziert wurde, nur Trainern aus hochklassigen Vereinen und ehemaligen Profis die für höhere Lizenzen notwendige Punktzahl zu geben, lasse ich mal außen vor.


    Dem DFB fehlen dadurch sehr oft akademische Denk- und Arbeitsweisen. Denn nur die wenigsten Profis haben studiert und machen als Trainer eher das, was sie von ihren Trainern kennengelernt haben. Ein kritisches Hinterfragen findet so nur selten statt. So ist es auch kein Zufall, dass die zwei besten deutschen Trainer (Tuchel und Klopp) studiert haben und bewusst anders arbeiten, als es der DFB lehrt.

    Frech? Sagt derjenige, der mich populistisch nennt. Wir beide haben völlig unterschiedliche Wahrnehmungen, wie wir miteinander diskutieren. Wo Du ein Umschiffen durch mich siehst, habe ich auf Argumente aus meinem Artikel verwiesen, weil ich mich nicht unnötig wiederholen wollte. Das hast Du immer ignoriert, was bei mir nur den Schluss zuließ, dass Du den Artikel nicht gelesen hast. Ich diskutiere gerne in diesem Forum und führe durchaus hitzige Debatten. Aber ich glaube, hier kommen wir einfach nicht zusammen. (That's what she said)

    Symptoms of Common Mental Disorders and Adverse Health Behaviours in Male Professional Soccer Players. (Vincent Gouttebarge et al. J Hum Kinet. 2015.) Mit weiterführender Literatur.


    Mir war schon fast klar, dass Du so antworten würdest. Finde ich unheimlich anstrengend, weil Du immer wieder Dinge weglässt bzw. ignorierst, die andere schreiben, damit es in DEINE Argumentation passt. So viel zu "ergebnisoffen".


    Ich weiß, wie Du zum RAE stehst. Die Diskussion hatten wir beide schon mal vor ein paar Jahren. Da hattest Du Dich übrigens geweigert, den Artikel von mir zu lesen. In diesem findest Du neben Lösungsansätzen (Ansätzen! Keinen heiligen Gral) etwa 20 weiterführende Literaturhinweise und Quellen. Aber Du wirst Ihn wahrscheinlich auch dieses Mal nicht lesen; also was soll's?!

    Auch das Arguemnt, dass die jüngeren Spieler alle aufholen mit fortschreitendem Alter, weil die älteren ja nur physische Vorteile haben, technisch taktisch schlechter seien, kann man mit empirischen Daten nicht stützen.

    Das ist typisch für Dich. Niemand hat gesagt, dass ALLE jüngeren Spieler aufholen. Und dass ältere nur physische Vorteile haben, aber technisch-taktisch schlechter seien, hat auch niemand behauptet. Ist natürlich leicht gegen etwas zu argumentieren, was der Gegenüber so nie gesagt hat. Davon abgesehen gibt es sehr wohl Studien, die darauf hindeuten, dass körperliche Attribute wesentlich in der Talentselektion sind (Müller, Lisa / Müller, Erich / Hildebrandt, Carolin / Kornexl, Elmar / Raschner, Christian; Influential Factors on the Relative Age Effect in Alpine Ski Racing; in: PLoS One 10 (2015) 8, e0134744. Published online 2015 Aug 7. doi: 10.1371/journal.pone.0134744).

    RAE gibt es übrigens in JEDEM Land.

    Den RAE gibt es sogar in fast jeder Sportart. Sollen wir ihn deshalb einfach so hinnehmen, ohne mögliche Gegenstrategien zu ersinnen und auszuprobieren? Den "heiligen Gral" gibt es nicht, weil dieses Thema erst seit ein paar Jahren so richtig im Sport angekommen ist. Aber es gibt vor allem in der Schweiz und Österreich interessante Ansätze, dem RAE entgegenzuwirken. Ob diese bereits Wirkung zeigen, weiß ich tatsächlich nicht.