Beiträge von vangaalsnase

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    "Ich werde den Deutschen Fußball-Bund bitten, in der E- und F-Jugend wieder Fußballspiele stattfinden zu lassen, wo Tore geschossen werden dürfen." - Nicht das erste (und sicher nicht das letzte) Mal, dass in dieser Thematik Dinge behauptet werden, die nicht stimmen. Man stelle sich vor, F. Merz würde auch in anderen Bereichen (von denen er offensichtlich keine Ahnung hat) falsche Dinge behaupten, um die eigene Agenda durchzubringen. Oh wait...

    1. Niemand hat geschrieben, dass gar nicht gedribbelt werden soll oder dass es unproblematisch ist, wenn man gar nicht dribbeln kann.


    2. Dribbling ist nicht gleich Dribbling (bspw. Gegnerüberwindung eines Lionel Messi vs. Raumüberwindung eines Sergio Busquets). Das ist ein Thema für sich, was man noch viel ausführlicher behandeln kann.


    3. Wer immer direkt passt (übrigens hat auch das niemand geschrieben/gefordert), muss selbst eine unfassbare Ballbeherrschung haben. Auch das ist Ballverarbeitung.

    Das ist schon immer so ein seltsamer Irrglaube, dass alle Spieler tolle Dribbler sein müssen und wir die Ausbildung komplett darauf auslegen sollen (wir schreien ja auch ständig nach Straßenfußballern). Natürlich können Leute wie Musiala oder Wirtz den Unterschied ausmachen und ein Spiel durch ihre Dribblings allein entscheiden. Solche Typen sind unabdingbar. Aber was das Fehlen von Struktur- und Taktgebern wie Rodri und Kroos für Folgen haben kann, lässt sich derzeit eben auch sehr schön beobachten.


    Im Allgemeinen ist es leider so, dass individuelle Fähigkeiten zu oft mit Dribblings und Finten gleichgesetzt werden, weil sie eben rein mit Technik und somit mit der direkten Ballverarbeitung verbunden werden. Für die meisten ist die Technik das Allerwichtigste, während Wahrnehmung und Entscheidungsfindung an zweiter/dritter Stelle stehen. Wahrnehmung, Entscheidungsfindung und Technik gehören alle auf dieselbe Stufe (Ganzheitliche Betrachtung). Aber unabhängig davon sind Spielübersicht, Entscheidungsfindung und/oder Strukturgebung Fähigkeiten, die zu selten als individuelle Stärken erfasst werden, was sich dann auch in der Ausbildung bemerkbar macht. Reicht es denn nicht, wenn mein Sechser den Ball schnell weiterleitet und die Ballzirkulation gewährleistet? Muss er auch noch die ganze gegnerische Abwehr auseinanderdribbeln können? Anstatt sich auf seine spielgestalterischen Stärken zu fokussieren, wollen viele diejenigen Sachen trainieren, die eher nicht zu den Stärken des betreffenden Spielers zählen, damit er alles kann. Die Folge davon ist jedoch, dass man Spieler ausbildet, die von allem etwas können, aber nichts auf hohem Niveau beherrschen.


    Wer seine Stärken im Dribbling hat, soll diese Stärken weiter ausbilden. Wer eher durch sein Pass- und Positionsspiel auffällt, soll hier weiter gefördert werden. Stärken stärken muss das Credo lauten. Natürlich soll und muss auch an Schwächen gearbeitet werden, aber alles in einem sinnvollen Rahmen.

    Neben viel Spielen lassen solltest Du mit Metaphern arbeiten. Sag beispielsweise, Sie solle sich vorstellen, Ihr Bein und Fuß wären ein Hockeyschläger. Der ist ja auch fest. Darum Geht der Ball auch in die gewünschte Richtung. Darf natürlich nicht dazu führen, dass sie wie ein Hinkebein rumläuft. Eine gute Metapher für den Vollspann fällt mir zugegebenermaßen gerade nicht ein. Metaphern können oft besser helfen als Technikinstruktionen.

    Schwaches Abwehrverhalten hat häufig was mit Einstellung, Teamspirit und Mentalität zu tun.

    Ganz oft hat schwaches Abwehrverhalten damit zu tun, dass Spieler nicht wissen, wie sie verteidigen sollen. Sei es, dass sie ein falsches Timing haben, um den gegnerischen Ballführer anzulaufen. Oder der Verteidiger ist zu ungestüm und lässt sich durch eine einfache Täuschung überspielen. Der berühmte Schritt zu spät wird gerne als mangelnder Einsatzwille interpretiert. Dabei sind das in aller Regel nur Sekunden oder Zentimeter, die hier den Ausschlag über einen erfolgreichen/erfolglosen Zweikampf geben. Ich würde immer zuerst an taktischen Aspekten arbeiten, ehe ich einem Spieler den Vorwurf mache, keine gute Einstellung zu haben (was ich übrigens noch nie getan habe).


    In simplen 2-gegen-2 Spielformen (mit Abseits) kann man sehr schnell sehen, ob und woran es hapert. Ich achte da immer auf folgende Punkte:

    - Mitte zugestellt? (Schnittstelle zwischen Verteidigern darf nicht zu groß sein)

    - Ballnaher verteidiger stellt gegnerischen Ballführer

    - Anlaufen (passendes Timing, Tempo, Abstand einnehmen)

    - seitliche Stellung, um Gegner nach außen bzw. weg vom Tor leiten zu können

    - ballferner Verteidiger sichert ballnahen Verteidiger diagonal ab (Seiten- und Tiefenstaffelung, auf Abstände achten)

    - keine Manndeckung

    - (Vor)Orientierung.


    Das Verteidigen zu zweit liefert alle Grundlagen für das ballorientierte Kettenspiel. Man kann auch gut Spielformen wählen, in denen die Verteidiger in Unterzahl sind (2-vs.-3, 3-vs.-4, 3-vs.-5, 4-vs.-6 bis 4-vs.-7, Viererkette+Doppelsechs vs. 8 Angreifer). Denn dann ist es unmöglich, in Manndeckung zu gehen. Man muss also als Gruppe Lösungen im Raum finden, wobei man sich an folgenden Referenzpunkten orientiert:

    1. wo ist der Ball? (ballnahe Seite wird verengt, ballferne Seite wird vernachlässigt. Wer als nächstes zum Ball steht, übt den Druck aus)

    2. wo sind meine Mitspieler? (Abstände zwischen den Gliedern, damit Raum passend besetzt/verengt wird)

    3. wo sind meine Gegenspieler? (je nach Nähe zum Verteidiger und/oder Ball ergibt sich, wie eng ich gegnerische Angreifer decke).

    Eindeutig belegt er dabei, dass für das Erlernen einer Technik bis zum Spitzenniveau die Wiederholungsanzahl (nicht der alleinige) aber maßgebliche Erfolgsfaktor ist. Wir reden hier von vielen tausenden Wiederholungen.

    Mit Malcolm Gladwell wäre ich sehr vorsichtig. Vor allem, was die berühmte "10.000-Stunden-Regel" betrifft. Diese basiert auf einer einzigen Studie aus dem Jahre 1993 (Ericsson, K. A., Krampe, R. T., & Tesch-Römer, C. - The role of deliberate practice in the acquisition of expert performance. Psychological Review, 100(3), 363–406.). Diese Studie drehte sich lediglich um 30 Geiger an einer Musikakademie. Gladwell hat die Studie völlig falsch interpretiert, sodass Ericsson selbst (der Autor der Studie) sich schon davon distanziert hat.


    Kleiner Auszug aus einem Onlineartikel (https://davidepstein.com/fathe…hours-rule-passes-away/):

    "He (Ericsson Anm.) expressed frustration at the idea of 10,000 hours as some magical threshold. The number came from a 1993 paper that Ericsson co-authored. It featured 30 violinists at a music academy, the 10 best of whom had accumulated 10,000 hours of “deliberate practice” on average by the age of 20, and were deemed by their instructors to have international soloist potential. The next 10 musicians were deemed potential pros as part of a symphony, and the bottom 10 were categorized as “music teachers.” In a nutshell, the paper concluded that the superior musicians had spent more time in what the researchers characterized as deliberate practice: solitary, cognitively engaged, effortful practice focused on error correction that “is not inherently enjoyable.”

    The paper — which it’s safe to say is the most influential modern paper on skill development — was already a big deal when Malcolm Gladwell’s mega-smash Outliers made it world famous as the “10,000-hours rule,” the “magic number of greatness.” (You know an academic paper has reached crossover-star status when it inspires a Macklemore tribute. Which, I have to say, is catchy and motivating during interval sessions.)

    In his “Danger of Delegating” letter, Ericsson wrote: “10,000 hours was the average of the best group; indeed most of the best musicians had accumulated substantially fewer hours at age 20. Our paper found that the attained level of expert music performance of students at an international level music academy showed a positive correlation with the number of solitary practice hours accumulated in their careers and the gradual improvement due to goal-directed deliberate practice. In contrast, Gladwell does not even mention the concept of deliberate practice.”


    Es geht in der Studie also nur um eine kleine Gruppe von Musikern (hat schon mal nichts mit einem komplexen Sportspiel wie dem Fußball zu tun) und andere Übungsmethoden als deliberate practice werden auch nicht beleuchtet. Insofern ist die Aussagekraft dieser Studie in Bezug auf den Fußball und etwaiger anderer Lehrmethodiken gleich Null.


    In meinem Grundlehrgang der Trainerlizenz hat unsere Lehrgangsleiterin aus der 10.000-Stunden-Regel einfach mal eine 10.000-Wiederholungen-Regel gemacht und meinte, so viele Wiederholungen bräuchte es, um eine Technik zu verbessern. Das entbehrt jeder Grundlage. Natürlich sind Wiederholungen wichtig, aber unter welchen Umständen/Bedingungen/Voraussetzungen sie am wirksamsten sind, ist die große Frage. Mit Gladwell kommt man in der Beantwortung aber sicher nicht weit.

    Mich stört, dass diese Thematik so oft zu einer Art "Glaubenskrieg" gemacht wird. Die Überlegenheit von spielformenbasierten Trainings ggü. dem Üben ist empirisch belegt. Das ist also keine Meinung oder "Glaube".


    Wenn man weiß, dass es nicht nur Kleingruppenspiele (wozu auch Funino zählt) gibt, kann man in viel kürzerer Zeit deutlich mehr Inhalte vermitteln, als beim Üben. Das wird aber leider nirgends gelehrt, weswegen die wenigsten sich da überhaupt ranwagen. Die meisten Trainer haben es nie ernsthaft mit einem reinen Spielformentraining versucht, oder haben ausschließlich mit Kleingruppenspielen gearbeitet. Dass solche Trainer nicht komplett auf Spielformen umstellen, ist klar. Denn wer nur in Kleingruppenspielformen trainieren lässt, schafft es nicht, gewisse technisch-taktische und/oder strategische Inhalte zu fokussieren (bzw. zu "zergliedern" wenn man so will). Positionsspielformen sind dahingehend das beste Mittel, aber mehr als das klassische el Rondo kennt kaum jemand.

    Das Problem ist also nicht die Methodik, sondern dass die Wenigsten wissen, welche Arten von Spielformen es noch gibt und wie man Inhalte mit ihnen gezielt steuern kann.

    Welcher Konditionsaspekt (Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit) mittels Spielformen trainiert wird, kommt auf die quantitative Mannschaftsstärke an. Bei 1-3 Spielern pro Mannschaft werden spezifische Kraftaspekte (Schnellkraft durch Sprints und ggf. Torabschlüsse, Kraftausdauer durch bspw. Zweikämpfe) geschult, weil es in einem sehr kleinen Feld halt viele Zweikampf- und Abschlussaktionen gibt, ohne dass man Erholungsphasen mit geringer Intensität hat. Niemand kann sich verstecken, sondern ist immer voll involiert. Durch die hohe Intensität muss die Spielzeit stark begrenzt werden (max. 3min, je nach Spielerzahl) und genügend Zeit zur Erholung ermöglicht werden. So können die Spieler auch wirklich Vollgas geben.


    Bei 4-7 Spielern pro Mannschaft geht es um Schnelligkeit und Schnelligkeitsausdauer, da es zwar pro Spieler viele Ballaktionen, aber auch immer wieder kurze Phasen mit geringer Intensität gibt. Zudem sind die Feldmaße etwas größer, was bspw. Dribblings ermöglicht. Die Spielzeit liegt in der Regel bei 4-8 Minuten mit kurzen Pausen zwischen den Durchgängen.


    Ab 8 Spielern je Team geht es dann auf recht große Felder. Jeder Spieler hat weniger Ballaktionen und kann sich im laufenden Spiel kleinere Erholungsphasen "gönnen". Die Intensität ist vergleichsweise gering, weswegen die Dauer eines Durchgangs auch sehr hoch sein kann (20-30min). Hier bewegt man sich im aeroben Ausdauerbereich.


    Man braucht also keinerlei isolierte Konditionsbolzerei, sondern kann alles in Spielformen mittrainieren. Das gilt auch für die Vorbereitung. Man fängt erst geringintensiv und mit jeweils kurzen Durchgängen an und steigert dann Woche für Woche.

    Wollte nicht gegen Deine Ausführungen schreiben, sondern nur ergänzen. Hier wurde kürzlich an anderer Stelle schon mal diskutiert, dass der DFB bei Reformen oftmals gar nicht das eigentliche Problem ist, sondern eher die Landesverbände. Da ist der Föderalismus tatsächlich nicht selten Bremsklotz, den es in einer zentralisierten Organisation so nicht gibt.

    Ich stehe aber mit dieser Meinung wahrscheinlich ziemlich alleine da alles in allem. Macht mir aber nix. ;)

    Das hoffe ich nicht. Denn alles was Du sagst, ist absolut zutreffend. Isoliertes Techniktraining - zumal mit einem derart übertriebenem Idealtechnikfokus - schadet Kindern eher, als dass es ihnen hilft.


    Deine Punkte würde ich erst benutzen, wenn ich sehr im Detail, evtl. mit Viedeoanalyse des Bewegungsablaufes, einzelne Spieler, bei denen immer wieder derselbe Fehler auftritt, individuell coache. Und dazu braucht man wahrscheinlich sehr viel Erfahrung, um zu erkennen, welche "Abweichung" von Deiner Liste entscheidend ist.

    Eine derart detaillierte Technikkorrektur macht (wenn überhaupt) erst Sinn, wenn wir nicht mehr von "Kindern" sprechen. Also frühestens ab der C-Jugend, wenn es nicht mehr darum geht, dass die Spieler die Grundlagen und das eigene Bewegungsoptimum erlernen. Und selbst da würde ich sowas niemals machen.


    Thomas0815-2

    Bitte belies Dich unbedingt zu den Themen implizites Lernen, differenzieller Lernansatz und Straßenspielhypothese.

    Der Punkt Ei oder Henne ist ein gutes Stichwort. Es gibt zwei Zitate, die diesen Methodikstreit gut verdeutlichen:

    "Kinder werden trainiert, bevor sie spielen können." - Werner Schmidt (Sportpädagoge) über die Trainingspraxis im Kinder- und Nachwuchsbereich

    vs.

    "Das Spiel ist nicht nur ein Produkt des Lernens sondern ebenso ein Mittel für die Erreichung der Lernziele." - Ableitung aus der Straßenspielhypothese (siehe unten)


    Die Generation um Beckenbauer bestand überwiegend aus Straßenfußballern und gilt ja bis heute als eine der (vielleicht sogar DIE) spielstärksten der deutschen Fußballgeschichte. Erst als man so ab den 1970er Jahren begann, Kinder früh in Vereinen auszubilden, verschwanden diese Typen nach und nach und seit Jahrzehnten trauern wir den Straßenfußballern nach. Darum werden auch immer die Hässlers und Scholls gehyped; man ist froh über jeden Straßenfußballer. Warum sieht dann aber kaum jemand die Notwendigkeit (oder Chance), das Vereinstraining stärker am Straßenfußball zu orientieren? Stattdessen wird die Reformbemühung bzgl. Funino bekämpft, obwohl das den Prinzipien des Straßenfußball sehr nahe kommt. Natürlich hat man in Deutschland nicht die Straßenspielkultur wie etwa in Brasilien. Das kann man hierzulande auch nicht mehr großartig ändern. Aber anstatt das zu bedauern, sind die Vereine und Trainer gefragt, ihre Trainingsmethodik anzupassen. Denn ein "weiter so" kann doch wohl kaum das Ziel sein.


    Straßenspielhypothese

    1. Freies, unangeleitetes Spielen führt zu Verbesserungen der technischen und taktischen Leistungsvoraussetzungen. Menschen können Fähigkeiten erwerben, ohne ausdrücklich darum bemüht zu sein und ohne direkt zu wissen, dass und was gelernt werden soll (implizites Lernen).

    2. Langandauerndes und sehr vielseitiges Spielen ist bewußten, angeleiteten Vermittlungsprozessen sogar überlegen, wenn es um die Entwicklung des technischen und taktischen Kreativitätspotentials geht (Inkubationseffekt).

    Kleine Anekdote aus dem Profifußball: In einem Podcast hat Kevin Prince Boateng von seiner Zeit bei Milan gesprochen. Aus England kannte er, dass ständig lautstark der Ball gefordert wird. In Mailand hat ihn dann Pirlo irgendwann zur Seite genommen und gesagt, Boateng soll still sein. Pirlo würde ihn schon sehen. Hier der Link dazu.


    Ich hatte vergangene Woche eine ähnliche Situation mit einem unserer Spieler. Der kam neu ins Training und hat ständig laut gerufen, er stünde frei. Hab ihn dann in einer Pause kurz erklärt, dass das viel Unruhe reinbringt. Denn erstens erzeugt er Druck für den Spieler am Ball, obwohl dieser die Entscheidung trifft, wohin die Kugel geht. Der Stress, den man damit bei seinen Mitspielern auslöst, ist ein oft unterschätzter Apekt. Und zweitens kann er darauf vertrauen, dass seine Mitspieler ihn schon sehen.

    Also eigentlich wird da nur ein ganzheitliches Training beschrieben. Das sollte Standard in allen Bereichen sein. Wahrnehmung und Entscheidungsfindung sind genauso wichtig wie Technik. Da eine klare Trennung vorzunehmen, ist überholt. Ob man dafür ein extra Training braucht, oder im normalen Vereintraining einfach viele Spielformen macht, lasse ich mal dahingestellt. Denn letztlich steht bei 6 und 7jährigen das Sammeln von Spiel- und Bewegungserfahrungen im Vordergrund.

    Vor allem wird hauptsächlich damit argumentiert, dass man es ja schon immer so gemacht hat. Wüsste zu gerne, wie viele der Beführworter dieser Petition den DFB dafür kritisieren, dass Deutschland (relativ) zu wenig Talente hat.


    Ich war gestern übrigens bei einem Funino-Turnier meines neuen Vereins (weiß nicht, ob "Turnier" das richtige Wort dafür ist). Man hat kein Elternteil gehört, obwohl viele da waren und sie nah am Spielfeld saßen (fand spontan in der Halle statt, weil Platz gesperrt war). Sicherlich haben sie vor sich hingefiebert und waren emotional involviert, aber alles außer Hörweite der Kinder. Kein Trainer hat gebrüllt. Ab und zu wurde gecoacht, was ich etwas kritisch sah, aber es blieb absolut in einem akzeptablen Rahmen. Jeder vertetene Verein hatte mindestens zwei Mannschaften gestellt; meine Verein sogar vier. Pro Mannschaft gab es höchstens einen Wechselspieler. Es ist also jedes Kind auf eine gehörige Spielzeit gekommen.


    Eine Mannschaft hat so gut wie alles verloren und trotzdem hat der Trainer null kritisiert, sondern hatte immer ein Lächeln und aufmunternde Worte für seine Schützlinge. Als die dann doch mal ein Tor gemacht haben, haben die sich gefreut, als hätten sie gerade die WM gewonnen. Was übrigens für mich Indiz genug war/ist, dass die Kinder die Konsequenzen von Tor/Gegentor sowie Sieg/Niederlage verstehen. Es braucht also niemand befürchten, dass das Ergebnis keine Rolle spielt. Es spielt immer eine Rolle, aber eben nicht mehr die alles bestimmende.

    Und eine Szene blieb bei mir besonders hängen. Besagte Mannschaft lag wieder hinten und hatte den Ball nahe am eigenen Tor. Auf einmal geht einer der Jungs direkt vor dem Tor ins Dribbling und niemand hat etwas gesagt. Genau DESWEGEN sind diese Veranstaltungen das absolut Richtige. Viele mögen es kritisch sehen, in solch einer Zone ein Dribbling zu starten, aber durch das "Verbot" erziehen wir ein Sicherheitsdenken, was irgendwo verhindert, auch in kritischen Situationen die spielerische Lösung zu suchen. Zumal der Junge für einen Befreiungsschlag ohnehin noch nicht kräftig genug war und leichter hätte attackiert werden können, wenn er zum Schuss ausholt. Also war das Dribbling so oder so die beste Lösung und es war hier auch erfolgreich.


    Ich empfand das gestern als Paradebeispiel dafür, weshalb diese Reform der richtige Weg ist.

    Man muss die Reformen auch ein bisschen als Erziehungsmaßnahme für all die Joystick- und Brülltrainer sowie Eltern und Funktionäre ansehen. Wir müssen in Deutschland eine andere "Kultur" leben, wenn es um die Begleitung von Kindern und Jugendlichen im Sport geht. Anstatt auf Erfolge aus zu sein und die Kinder anzuschreien, wenn sie (angeblich) Fehler machen, sollte man mal im Sinne des Straßenfußball einfach nur die Kinder machen lassen. Es geht darum, dass sie Bewegungserfahrungen sammeln und nicht, dass sie aus der F-Jugend als "fertige Spieler" hevorgehen. Das haben leider noch immer sehr viele Erwachsene nicht verstanden; also muss man da gegensteuern. Und dafür sind die Reformen (zumindest auf dem Papier) durchaus geeignet.


    Schon bei den Allerkleinsten herrscht zum Teil eine aggressive Atmosphäre auf den Sportplätzen. Man hat da oft den Eindruck, dass irgendwie alles extrem wichtig ist; nur nicht die Kinder. Allein dafür lohnen sich diese Reformen.

    Heute werden die Kinder mit 4 oder 5 Jahren in die Vereine gesteckt und man fängt als Trainer bei 0 an.

    Man fängt nicht nur bei 0 an. Das Training in den Vereinen ist in aller Regel ganz anders gestaltet als der Straßenfußball und am Ende wundert man sich, wo die Kreativen, Dribbler und/oder Straßenfußballer abgeblieben sind. Wenn wir (zurecht) den Straßenfußball bzw. die Straßenfußballer feiern, warum gestalten wir dann nicht unser Training nach dessen Vorbild? Und schon sind wir wieder bei Spielformen. Es gibt zwei Zitate, die das sehr gut verdeutlichen:


    "Kinder werden trainiert, bevor sie spielen können." - Werner Schmidt (Sportpädagoge) über die Trainingspraxis im Kinder- und Nachwuchsbereich.


    "Das Spiel ist nicht nur ein Produkt des Lernens sondern ebenso ein Mittel für die Erreichung der Lernziele." - Ableitung aus der Straßenspielhypothese

    Aber so wie Spanien/Pep mit den Rondos eine Trainingsmethode prägt, will der DFB jetzt mit den 3v3 4v4 eine Methode prägen.
    Das 3v3 4v4 ist halt deutlich ganzheitlicher, du hast da ja alles drin, nicht nur Dribblings sondern auch Passspiel, erneutes Freilaufverhalten etc.

    Klassische Kleingruppenspiele wie ein 3-vs.-3 oder 4-vs.-4 bilden zwar alles ab, aber Rondos (oder andere Positionsspielformen) sind in manchen Bereichen einfach besser geeignet, um gewisse Inhalte zu vermitteln, weil sie diese stärker fokussieren. Es gibt ja einige Trainer, die versuchen nur in Spielformen zu trainieren, die aber oft monieren, dass sich keine sichtbaren Verbesserungen bei ihren Spielern zeigen. Wenn man diese Trainer dann nach Beispielen für ihre Trainings fragt, kann man oft das gleiche beobachten. Es gibt kaum bis gar keine Positionsspielformen. Ein spielformenbasierter Ansatz darf nicht nur so aussehen, dass man X-vs.-X spielen lässt und in den passenden Momenten wird gecoacht. Denn was sollen die Spieler daraus mitnehmen?! Es ist ja nur spielen ohne besondere Schwerpunkte. Das allein macht kaum jemanden besser (aber auch nicht schlechter).


    Ich befürchte, dass das aber wieder der DFB-Weg sein wird. Und ich befürchte, dass der DFB daher zu viele falsche Hoffnungen in Funino legt. Ja, Funino ist ein (großer) Schritt in die richtige Richtung. Aber wer das als Allheilmittel ansieht, überschätzt diese Spielform maßlos. Und davon unabhängig wird Funino ohnehin nichts bewirken, wenn sich nicht gleichzeitig das Training ändert. Darum stören mich einige Aussagen von Hannes Wolf. "Rondorisierung" oder "zu viel Taktik" halte ich für absolut fatale Aussagen.

    Eine der Ideen von Funino ist, dass man Kindern die Gelegenheit gibt, den Straßenfußball in einer organisierten Umgebung zu erleben. Und was sind die Merkmale des Straßenfußball?

    - viele verschiedene Spielformen

    - veränderte Rahmenbedingungen (Spieluntergrund, Spielgerät, Feldmaße etc.)

    - das Fehlen von Autoritätspersonen (im Sinne eines Trainers, Schiedsrichters, Eltern)


    Im Straßenfußball sorgen die Kinder allein für die Festlegung und Einhaltung von Regeln. Man verabredet sich zum gemeinsamen Spielen, teilt die Teams ein, einigt sich auf eine Spielform und los geht's. Wenn ein Foul passiert, wird das untereinander geklärt. Man ist sogar vorsichtiger in gewissen Situationen, um auf dem harten Asphalt keine Verletzungen zu erleiden oder zu verursachen. Sind das nicht die sozialen Elemente eines Mannschaftssports, die die Kinder lernen sollen?! Sind Straßenfußballer nicht auch immer diejenigen, die am ehesten mit Kreativität und technischem Können in Verbindung gebracht werden?! Und das obwohl kein Erwachsener da ist, der sie instruiert. Also vielleicht diskutieren wir nicht darüber, ab wann Reinrufen zu laut ist. Vielleicht sollten wir uns einfach darauf einigen, dass es überhaupt kein Reinrufen gibt.

    Ich hoffe, Funino kann ein Mittel sein, um Trainer irgendwann mal davon abzubringen, ihre Spieler anzuschreien, wo es eigentlich ihre Aufgabe sein sollte, eine bestmögliche Lernumgebung zu schaffen. Und die sieht Spaß vor. Spaß empfinde ich jedenfalls nicht, wenn mir ständig jemand zubrüllt, was ich alles falsch mache. Aber anscheinend ist genau das, was für viele in Dtl. als einziger Weg gesehen wird. Ohne Gebrüll keine Lernen.

    Die Reformen bieten eigentlich eine gute Basis für Vereine sich "Leitlinien" zu geben. Wie man ausbilden möchte, was man von Trainern bzgl. verhalten und Empathie erwartet, aber auch, was man von Eltern und Kindern in Sachen Disziplin und Respekt und Engagement erwartet.

    Vor dem Hintergrund der fürchterlichen Trainerlizenzreform sollten es sich Vereine erst Recht auf die Fahne schreiben, die eigenen Trainer selbst nach den eigenen Werten und (sportlichen) Leitlinien auszubilden. Wir sind gerade dabei, das bei uns umzusetzen. Bin sehr gespannt, wie das laufen wird.