Das Thema hat so viele Schichten, darüber werden doch sicher Doktorarbeiten geschrieben!
Die Teilung in Hauptschule/Realschule/Gymnasium, wie sie zu meiner Zeit (80er) üblich war, scheint ja diesen Leistungsgedanken zu bedienen. Die was leisten wollen/können kommen auf Gymnasium, der Rest verteilt sich.
Das Problem ist aber doch, dass man diese Entscheidung trifft, im zarten Alter von 9 oder 10. Da wird dem Kind ein Stempel auf die Stirn gedrückt wo u.U. drauf steht: "zu blöde fürs Leben".
Die Anforderungen im Beruf steigen jedoch und Hilfsarbeiter/Anlernberufe starben aus.
Ich arbeite in der chemischen Industrie und als ich angefangen habe, gab es intern den einjährigen "Kaffeekocher-Kurs", in dem Ungelernte ein paar Fachausdrücke und Zusammenhänge beigebracht wurden. Im Büro saßen "Büroassistentinnen", in den Betrieben gab es "Fachwerker", beides zwei Jährige Anlernberufe und in den Laboren gabs Spülkräfte.
Das alles ist in den letzten 25 Jahren ausgestorben.
Es gab also schon damals gute Gründe, die Schule zu reformieren. (Gesamtschulen oder wie immer das bei euch heißt). Hier waren die Systeme zumindest durchlässiger, Spätentwicklern hat man nicht zusätzlich Steine in den Weg geworfen.
Aber seit den 2000ern hat sich Schule kaum weiter entwickelt, die Gesellschaft hat aber dank der Digitalisierung unglaubliche Sprünge hingelegt.
Das moderne Arbeitsleben benötigt Teamplayer und Digitale Natives. Aber haben wir inzwischen eine Programmiersprache im Lehrplan? Nein, warum auch. Latein oder Französisch ja aber kein Java oder C++?
Lernt man was über Projektmanagement oder ist Gruppenarbeit immer noch: der Nerd denkt, der Fleißige schreibts auf, die drei Faulis tun so als ob?
Wo werden soziale Skills gefördert? Wir benötigen dringend Pflegende. Finden sich hier Inhalte in der Schule?
Aber Hauptsache man weiß, dass das Verb im Satz als Prädikat an zweiter Stelle steht und die Objekte im Akkusativ oder Dativ stehen können.
Oder das Wissen, dass Kupfer mit Schwefel zu Kupfersulfid reagiert (Chemie, 7.Klasse)... das braucht doch isoliert kein Mensch! Fächerübergreifender Unterricht ist meines Wissens noch nicht mal an Berufsschulen umgesetzt.
ABer aus einem Chemiker wird nicht selten ein Betriebsleiter oder Forschungsleiter und der muss sich dann mit Personalführung und Controlling rumplagen.
Wir bilden unsere Schüler komplett am Bedarf vorbei aus.
Die immer noch üblichen Fächer kennen wir alle noch und sind auch immer noch alle aktuell.
Wäre das nicht sinnvoller?
Deutsch, Mathe, Englisch, zweite Sprache analog oder digital, Bewegung und dann einen großen Themenkomplex "alles Mögliche". Und da packt man dann Fächerübergreifend alles rein:
z.B.
- Energie. Das kann man politisch, technisch, gesellschaftlich, chemisch/physikalisch, aus Umweltsicht oder im geschichtlichen Kontext betrachten und auf Ergometern sogar sportlich selber herstellen.
- Oder Backen, das ist Ackerbau mit Umweltschutz und Gendiskussion, Politik mit der Aggrarförderung, Technik mit Mahlung früher und heute, Chemie mit den Prozessen Dank Hefe und Hitze, Gesundheitsthemen mit Ernährungspyramide und Gluten und am Ende kann man die Kekse auch noch essen.
- Der Mensch: Zeugung, Wachstum, Pubertät, Berufsfindung, Glaube, erste Hilfe, usw. usf.
In einem solchen System könnten die Schüler ihre Neigungen ganz anders einbringen.
Beim Backen kommt vielleicht einer bei den chemischen Prozessen nicht so gut mit, kann aber die Funktionsweise einer Wassermühle des Mittelalters erläutern und hat ne detaillierte technische Zeichnung angelegt? Prima.
Wir müssen ein Feuer entzünden! Die Talente der Menschen freilegen. Nicht alle auf den Baum jagen!
Am Ende der Schulzeit ist man nicht in der Lage zu sagen, was man werden könnte (Ausnahmen gibts natürlich). Das war schon zu meiner Zeit so und hat sich nicht verbessert. Potentialanalysen, Schnuppertage und Schülerpraktika sind ein müder Versuch, hier besser zu werden. Studienabbrecher oder Umschulungen sprechen eine andere Sprache. Heutzutage ist man zum Glück nicht für 50 Jahre Verkäufer oder Friseur sondern kann sich umorientieren. Studienabbrecher sind nämlich längst nicht alle zu doof/überfordert zum Studieren sondern entdecken häufig ihre wahren Talente. So ist aus einer BWL-Studentin ("was soll ich denn sonst machen?") inzwischen eine Maurerin geworden, die über den Meister in Richtung Bauleitung gehen will. Und ein Banklehrling über zig Umwege in der Entwicklungshilfe in Afrika.
Aber der Pluralismus, der an vielen Stellen gute Ergebnisse liefert ist bei der Bildungspolitik IMO inzwischen vollkommen überholt, will man die Dinge grundlegend verändern, modernisieren.
Aktuell sitzen Lehrer, die das alte System gut fanden (sonst hätten sie den Beruf nicht ergriffen) in den Ministerien. Hier müssen aber die kritischen Köpfe hin, die, die das System scheiße fanden! Leute mit Zukunftsvisionen.
Ich mag die Vögel wie Marc Zuckerberg oder Elon Musk echt nicht aber solche Köpfe sollten mal Schule denken. Ich wäre sehr gespannt, was dabei rauskommen würde.
Beim Sport orientieren wir uns immer nur an Siegen und Erfolgen und beim Fußball noch am großen Geld. Und dann wundern wir uns, dass immer mehr damit nix mehr zu tun haben wollen. Sportarten wie Zumba, Klettern oder Parkour sind doch nicht zufällig angesagt. Sie sind nicht "Schuld" sondern eine geile Ergänzung für Leute die sich dem Quatsch nicht mehr aussetzen wollen.
Leistung wird mit Ergebnissen gleich gesetzt!
Ansonsten wäre es ja eine Leistung, Otto beidfüßig bekommen zu haben. Sowohl fürs Kind wie auch für den Trainer. Wenn man heute diskutiert, dass man den Straßenfußball (ausgestorben) in die Vereine holen will, dann möchte man die Selektionsbasis vergrößern, sonst nix.
Straßenfußball hieß: der Dicke musste Eis holen gehen, der mit dem Ball hat durchgespielt und gewonnen hat, wer das letzte Tor erzielt hat.
DAS will im organisierten Sport niemand.