Von diesem Maedchen hat unser Trainer immer gesagt, dass sie Weltklasse sei.
Diese und ähnliche Einschätzungen höre ich immer nur von Personen, die selbst nur Kreisklasse gespielt haben.
Somit muss zunächst die Bezugsgruppe feststehen, bevor der Begriff "Talent" definiert werden kann.
Ausgehend von oben geschriebenem, kommen Einschätzungen zu Spielern eben häufig auch von Personen die außer der eigenen Mannschaft keinen Vergleichsrahmen haben.
Ich empfehle jedem Nachwuchstrainer im Altersbereich E/D einmal zum Sichtungstraining des Stützpunktes in seiner Nähe zu gehen. Da relativieren sich die "herausragenden" Fähigkeiten einiger Dorfstars ganz schnell.
Letztlich können doch im KiFu nur die wenigsten Trainer die Fähigkeiten ihrer Spieler objektiv an den Lernzielen der Altersklasse einschätzen. Typisches Beispiel ist für mich die Anzahl der erzielten Tor. Im Bereich bis F1 teilweise sogar noch E2 reicht ein harter, einigermaßen platzierter, Schuss aus, um reichlich Tore zu schießen. Ein solcher Spieler wird von den unwissenden Eltern und leider auch Trainern dann als Supertalent gefeiert. Beweglichkeit im Spielen und Denken, Leistungswille etc. werden häufig ausgeblendet.
Ausgehend von meinen Erfahrungen haben diejenigen Spieler die "besten" Entwicklungen genommen, deren Willen am ausgeprägtesten war und die für ihren Sport gelebt haben. Das waren nicht immer die besten Fußballer, aber vielleicht die Leidenschaftlichsten.
Diese Leidenschaft ist aber eben auch nicht konstant. Und hier sehe ich einen Grund für den drop out vieler "Talente".Sie brennen so für ihren Sport, dass sie am Ende verbrennen.
Aktuell habe ich einen Spieler vor Augen, der wahrscheinlich gerade dabei ist, sein Talent zu verspielen. Im F-Alter überragend. Wechsel zu einem NLZ. Dort im Kleinfeldbereich auch überragend. Tore über Tore. Technisch stark, schnell, Übersicht. Aber die Lust sich zu quälen geht allmählich verloren. "Es ging ja sonst auch". Irgendwann reicht das "Talent" allein eben nicht mehr. Mit Wechsel auf das Großfeld wurde es immer schwieriger. Nun steht er am Scheideweg, Junioren-Bundesliga oder zurück ins Dorf.
Gegenbeispiel: Fleißiger Arbeiter, der einen unglaublichen Willen hat. Er muss sich alles erarbeiten, bekam nichts in die Wiege gelegt. Über Jahre hinweg macht er selbst die einfachsten Übungen gewissenhaft und korrekt, versucht sich bei jedem Training weiter zu entwickeln. Inzwischen im Großfeldbereich ein vielseitig einsetzbarer Akteur und Leistungsträger in einer NLZ- Mannschaft.
Einen letzten, aus meiner Sicht, wichtigen Punkt möchte ich noch ansprechen: die Familie im Hintergrund. Oftmals werden Vorurteile bestätigt. Selbst hier auf dem Dorf habe ich in den vergangenen Jahren genügend Beispiele kennengelernt. Vom schlampigen Genie mit absolut chaotischen Eltern, über den erfolgsgeilen Vater mit Kreisklassenvergangenheit der seinen Sohn unbedingt im NLZ sehen will, bis hin zum Straßenkicker, bei dem die Eltern mit dem Thema Fußball gar nichts anfangen können und wollen.
Es ist kaum verwunderlich, dass sich die Kinder, deren Eltern das Hobby unterstützen, ohne Druck auszuüben (wobei auch mal ein Tritt in den Hintern erlaubt ist) nach meiner Erfahrung am besten entwickelt haben (im Sinne von Spaß am Fußball erhalten haben, dabei geblieben sein und sich fußballerisch verbessert haben).