Ballzirkulation vs. Pressing und schnelles Umschalten

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  • Hallo zusammen,


    eine schöne Spielform habe ich bei den Profis des MSV Duisburg gesehen und direkt mit meiner U11 ausprobiert. Auch unsere A2-Jugend-Trainer hat sie schon erfolgreich ausprobiert.
    Ich würde sie ab der D-Jugend bis in den Seniorenbereich empfehlen. Auch in der E-Jugend kann es schon funktionieren, die Kinder müssen aber gewisse Fähigkeiten in Ballan- und mitnahme, Passspiel, Spielintelligenz und Lernbegeisterung mitbringen. Vielleicht muss man ein wenig Geduld haben, bis es rund läuft, aber es lohnt sich.


    Es werden zwei Mannschaft à 4 Spieler (es können auch mehr oder weniger sein, je nachdem wie viele Spieler beim Training sind) gebildet. Dazu gesellen sich zwei Torhüter und ein Überzahlspieler, der bei beiden Mannschaften mitspielt (auch beim Überzahlspieler kann man variieren oder ihn ganz weglassen, dazu später mehr). Das Spielfeld wird eher eng abgesteckt. Bei D-Junioren und 11 Spielern (wie auf dem Bild) würde ich so ca. 25x20m bis 30x25m sagen.



    Die eine Mannschaft (im obigen Bild die Blauen) hat das Ziel den Ball zirkulieren zu lassen. Beide Torhüter und der Überzahlspieler können dabei eingebunden werden. Die Torhüter dürfen aber nur mit dem Fuß mitspielen. Die anderen Mannschaft (die Roten) versucht den Ball zu erobern. Es wird also in diesem Fall im 7 gegen 4 auf Ballhalten gespielt. Wenn die rote Mannschaft den Ball erobert, kann sie auf beide(!) Tore abschließen. Der Überzahlspieler wechselt im Moment des Ballbesitzes von der zirkulierenden zum torabschlußsuchenden Team (er darf aber selbst keine Tore schießen). Nach einer vorher festgelegten Zeit von ca. 3 bis 5 Minuten wechseln die Teams die Aufgaben. Am Ende gewinnt die Mannschaft, die in ihrer Pressing-Phase mehr Tore erzielt hat. Die zirkulierende Mannschaft darf keine Tore erzielen. Ihr Ziel liegt nur darin, den Gegner nicht in Ballbesitz kommen zu lassen.


    Daraus ergeben sich diverse Lerneffekte:


    - bei der zirkulierende Mannschaft schult man das Ballbesitzspiel. Freilaufen, Anbieten, Lösen vom Gegenspieler, gleichmäßige Besetzung des Raums in Tiefe und Breite, Ballan- und mitnahme, Integration der Torhüter, Dreiecksspiel, auf Lücke gehen, etc..
    - bei der pressenden Mannschaft schult man das Anlaufen, Raumverdichten, Lenken, in den Deckungsschatten nehmen und bei Ballgewinn natürlich das schnelle Umschalten.


    Dadurch das auf zwei Tore abgeschlossen werden kann, wird die lineare, tororientierte Spielauffassung vieler Spieler aufgelockert, ihre Kreativität gefördert und die Beobachtung des Raumes (nicht nur Richtung Tor, sondern 360°) geschult. Die abschlußsuchende Mannschaft kann nach der Balleroberung im Konter nämlich auch einfach mal die Richtung ändern und zum anderen Tor angreifen. Auch eine bessere Kommunikation der Spieler wird provoziert. Rufe wie "andere Seite" sind keine Seltenheit. Tore fallen durch die zwei Tore und die plötzliche Überzahl nach Ballgewinn (durch den Überzahlspieler) eigentlich reichlich und auch unmittelbar. Die Verteidiger der eben noch zirkulierenden Mannschaft, müssen hellwach sein. Damit schult man das Gegenpressing.


    Da bei der zirkulierenden Mannschaft der Torbezug entfällt, sind die Freilaufbewegungen und die Raumbesetzung viel kreativer und weiträumiger. Das 360°-Spiel wird geschult. Das gleiche gilt für das Dribbling, wobei die Spielform durch die Überzahl natürlich schon das Passspiel provoziert.


    Je nach gewünschtem Lernschwerpunkt kann man den Überzahlspieler auch weglassen oder zwei von ihnen einsetzen. Generell gilt, dass mehr Überzahlspieler das Spiel der ballzirkulierenden Mannschaft erleichtern und weniger Überzahlspieler dafür mehr Umschaltmomente und Torabschlüsse generieren.


    Ganz wichtig ist noch, dass der Trainer an der Seitenlinie sich ein paar Bälle bereit legt und sie bei Ausball schnell einspielt. Ein Einwurf kostet zu viel Zeit ;)


    Schönen Gruß, Christoph

    C 1 Viktoria Buchholz


    Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren.
    Martin Rafelt

  • Diese Form von Spielform mach ich super gerne mit meine U15, aber auch U19.


    Man kan dies auch Variieren, in dem man an jede Seite des Quadrates ein Minitor hinstellt und es mit einer Farbe und/oder Zahl markiert. Team A spielt auf Ballbesitz, Team B darf nach Balleroberung auf eines der 4 Minitore schießen. Damit auch Team A mal auf das Tor gehen darf, kann man während der Ballbesitzphasen eine Nummer oder Farbe nennen und hat innerhalb von 5 Sekunden Zeit auf dasTor zu gehen, wobei das keine Pficht ist. Je nach dem ob das Tor zugestellt ist, spielen sie weiter auf Ballbesitz und versuchen eben nicht das Tor zu "erzwingen".

  • Die Übung kannst du mit relativ vielen Jungs machen, je nach dem wie Du sie aufbaust. Du kannst sie im 3 gegen 3, 4 gegen 4 oder 5 gegen 5 mit oder ohne neutrale (max. 3) Spieler im Zentrum spielen, du kannst aber weitere Spieler hinzufügen in dem du neben jedes Tor ein Wandspieler stellst.


    Um auch hier den Punkt der Handlungsschnelligkeit mit einzubringen, kannst Du wenn ein Ball ins aus geht eine Nummer/Farbe sagen, und der Spieler der an der Farbe/Nummer steht, spielt den Ball neu ein. Um Kognitiv noch zu arbeiten, muss bei einer genannten Farbe/Nummer, die Farbe/Nummer im Uhrzeigersinn gewählt werden. Das heisst sage ich "1", darf auf Tor Nummer "2" geschossen werden etc.


    Ach, der kreativität sind da keine Grenzen gegeben.

  • An dieser Stelle mal noch ein Lob an @Schimanski, der schon zum wiederholten Male tolle Übungen hier präsentiert. Wobei es eher Spielformen als Übungen sind, was ich noch toller finde. :thumbup:
    Und ebenso, dass er dazu schreibt, worauf zu achten ist.

  • Ganz wichtig ist noch, dass der Trainer an der Seitenlinie sich ein paar Bälle bereit legt und sie bei Ausball schnell einspielt. Ein Einwurf kostet zu viel Zeit

    Ich finde die Beschreibung deiner Spielform fast noch besser als die Form selbst. :D Deshalb meine Anregung für diese, wie auch für weitere Spielformen, bei der man längere Pausen durch das Wiederholen eines Balles vermeiden möchte:


    Leg einfach auf jedes Hütchen, mit dem du dein Spielfeld markierst, einen Ball.
    Gib dazu die Provokationsregel an die Spieler: wer den Ball ins Aus schießt oder ablenkt, soll ihn gleich zurück holen. Der Gegner darf sich sofort einen Ball vom Hütchen (in der Nähe des Ausball) nehmen und das Spiel per Einwurf fortsetzen. Ein Vorteil entsteht dann, wenn der Gegner die Situation des Überzahlspiels sofort erkennt. Der Zeitraum des Überzahlspiels hängt von der schnellen Reaktion des Spielers, der den Ball zurück holt und aus leere Hütchen legt hab.


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    So, nun noch was zur reinen Ballzirkulation im unteren Jugendbereich. Zwar ist auch für die Älteren der Torabschluß das "Gelbe vom Ei", weshalb bei möglichst jeder Spielform für alle Teilnehmer ein möglicher Torabschluß vorgesehen werden soll. Dies wird gerade im aktuell beim DFB präsentierten Modul 25 (Anbieten und Freilaufen) vermißt. Klar möchte man als Reaktion auf die Taktik einiger europäischer Top-Clubs, auf Basis des hohen Ballbesitz erfolgreich zu sein, auch etwas für den Nachwuchs anbieten. Aber interessieren sich die Kinder wirklich dafür, den Gegner erst einmal durch perfekte Ballzirkulation müde zu spielen, um dann irgendwann im Moment einer Unkonzentriertheit des Gegners in die Lücke zu spielen?


    Das selbst die Autoren nicht genau wußten, was daraus werden soll, erkennt man an der Aufschlüsselung der Taktischen Grundlagen des Freilaufens im Überblick. Denn hier fehlt überhaupt der Hinweis, auf welchen Bereich des Spielfelds in welcher Weise freigelaufen und gepaßt werden soll. So wird als "richtig" z.B. die Variante präsentiert, in der zwischen 3 gegnerischen Spielern hindurch zum Mitspieler gepaßt wird. Wenn ich das den Kindern so vermittetle, dann darf ich mich nicht wundern, wenn so ein Paß direkt vor dem eigenen Tor stattfindet und einer 3 Gegenspieler über "leichte Beute" freuen kann, wenn er im kurz vor dem gegnerischen Tor den Ball erläuft und sich dann eine Ecke aussuchen darf. Ich möchte damit sagen, das ein Paß "hinten herum" im eigenen Drittel mit deutlich mehr Erfolg gekröhnt ist und wenn`s mal schief geht, nicht gleich ein Gegentor daraus wird. Allerdings findet man auch eine Reihe sehr gelungener Übungen und Beschreibungen.


    Ich denke mal, die Ballzirkulation ohne Torabschluß passt vom Interesse und Verständnis eher in den oberen Jugendbereich und vermutlich auch nur in den Leistungsfussball?


    In diesem Zusammenhang finde ich es auch gar nicht schlimm, wenn "Schimmi" hier das Teufelswort "Ballannahme" für das E-Jugend-Alter benutzt. Denn jederman denkt bei Ballannahme sofort an "Todstoppen", was dafür stehen soll, dass ein Spieler nur deshalb den Ball nicht mitnimmt, weil nicht weiß, was er mit dem Ball überhaupt machen kann!


    Aber man darf hier nicht vergessen, dass im Breitensport Spieler mit unterschiedlicher Erfahrung und unterschiedlicher Intelligenz zusammen spielen. Unnötige Hektik ist überall dort angebracht, wo sie den Einzelnen überfordert. Denn wenn der Spaß dabei auf der Strecke bleibt, dann fruchtet der Wunsch nach einer bestmöglichen Ausbildung nur wenig!

  • Ich halte auch nicht so viel von Spielformen, wo es nur um das Ballhalten geht, egal in welcher Alter- und Leistungsklasse. Mir ist da zu wenig Spielbezug. Trotzdem sollte man ab der E-Jugend die Ballzirkulation schulen. Das steht nicht im DFB-Konzept, sondern ist meine persönliche Meinung. (*) Dafür finde ich die oben vorgestellte Spielform ziemlich spannend und lehrreich. Die Spieler erkennen nämlich den Sinn der Ballzirkulation unmittelbar. Verliere ich den Ball, hat der Gegner womöglich eine große Torchance (deswegen finde ich die Option zwei weitere kleine Tore aufzustellen - unabhängig von der Schulung der kognitiven Fähigkeiten - sehr gut).


    Der Sinn besteht darin, dem Gegner nicht den Ball zu geben, damit der keine Tore schießen kann. Ebenso erkennen die Spieler schnell, dass es Sinn macht, die ballfernen Räume zu besetzen und dass Freilaufbewegungen nicht immer einen Torbezug brauchen. Stichwort: Geduld, Kollektivität, Strategie. Fussball spielt man irgendwann zu elft und es macht halt Sinn, wenn man diese Anzahl an Spielern zum Erzielen eines Tores auch nutzt (was Individualität in keinster Weise ausschließt). Es geht um Variabilität.


    Ich kann nur für meine Jungs sprechen. Ich schätze 2/3 der Jungs lassen den Ball gerne laufen und ergötzen sich an gelungenden Passstafetten. Ja, ich würde es Spielfreude nennen. Ich schätze, die Hälfte zirkuliert auch lieber als das sie aufs Tor bolzt. Das mag in anderen Mannschaften anders sein, aber das hat IMHO auch immer damit zu tun, was der Trainer den Kindern bietet und welche Grundausbildung sie genoßen haben.


    (*) Ich schaue mir oft Spiele ältere Jahrgänge im Breitensport an und ich finde es erschreckend wie ungeduldig, überhastet und riskant dort immer wieder der Weg in Richtung Tor gesucht wird. Das Ergebnis sind Flipperspiele und Kampfspiele mit stetig wechselndem Ballbesitz, die kaum einen Lerneffekt haben. Im Gegenteil sind die Erfolgserlebnisse für den einzelnen Spieler erschreckt gering. Ich hätte keine Lust in solchen Mannschaften zu spielen. Spaß macht das sicher nicht.


    Diese limitierte Spielweise hat nur etwas mit fehlender Spielintelligenz zu tun. Und die schult man laut Horst Wein nicht durch Reden und Instruieren, sondern durch Stimulieren mit geeigneten Spielformen. Ich wüsste nicht, wieso das Thema Ballzirkulation dem oberen Jugendbereich und Leistungsfussball vorbehalten sein soll.

    C 1 Viktoria Buchholz


    Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren.
    Martin Rafelt

  • Ich finde Ballbesitzspiele enorm wichtig und nehmen in meinen Training ein wichtigen Stellenwert ein. Nicht nur, dass die Spieler lernen wie ich mich im Ballbesitz verhalte, sowie auch ohne Ball. Auch werden Spielnahe die wichtigsten Techniken abegrufen. Ich halte wenig von stupiden Passkombinationen in dem A auf B passt, B auf C, der dann zurück dribbelt.

  • Da liegt ein Mißverständnis vor!


    Ich meine Ballzirkulation als Selbstzweck des Ballhaltens, sondern im Zusammenhang mit einem möglichen Torabschluß. Denn Ziel der Ballzirkulation ist ja der erfolgreiche Torabschluß.

    Ich schaue mir oft Spiele ältere Jahrgänge im Breitensport an und ich finde es erschreckend wie ungeduldig, überhastet und riskant dort immer wieder der Weg in Richtung Tor gesucht wird

    Da magst du wohl recht haben. Aber da kannst du eigentlich in jede Liga gehen. Es hat schon seinen Grund, warum die Zusammenfassung der Bundesliga-Spieler meist interessanter ist, weil man hier auf die Übertragung von "sinnlosen Aktionen" verzichtet.


    Oder sollte man besser sagen: man erkennt erst nach der Aktion, ob sie sinnlos war? Denn dann gelangt man rasch zur Erkenntnis, dass es im Fussball kaum Vorhersehbarkeiten gibt, weil letzendlich sehr viel Zufall dabei ist. Ja, man honoriert sogar 12 mal im Jahr "das Tor des Monats". Da wäre man doch ein Tor daran glauben zu wollen, dass irgendwer die Entwicklung des Fussball voraus sagen könnte, nur weil es in der Vergangenheit oder Gegenwart mal gut funktioniert hat.


    Deshalb leitet Horst Wein seine Aussagen gar nicht so sehr fussballspezifisch, sondern genau so gut physo- und psychologisch ab, weshalb hier auch die Entwicklung von Spielintelligenz einen über den Fussball hinaus übertragbare Wirkung hat.


    Vielleicht mal ein Beispiel: Wenn "die Schule" sagt, dass die Handy-Kommunikationsabhängigkeit für Stress sorgt, dann liegt darin auch ein gewisses Interesse, die eine Abhängigkeit durch eine Andere (hier die Schule) zu substituieren.


    Deshalb möchte ich mich gerne auf die Seite der Breitensportler schlagen, die entweder noch gar nicht so lange spielen, mit mehr oder weniger großen Handycaps gegenüber den talentierten, spielintelligenten Spielern für die derlei Übungen vielleicht sichtbare Erfolge zeigen. Denn für diese beachtlich große Gruppe von Hobbysportlern sollten die Übungen und Spielformen so gestaltet werden, dass es rasch auf einander folgende Aha-Effekte für erfolgreiche Aktionen gibt. Bei einer Ballzirkulation ohne Torerfolg würde ich dies generell für den unteren Jugendbereich infrage stellen, weil es mir dabei schwierig erscheint, die Notwendigkeiten in Bezug auf einen Torerfolg zu setzen.


    Die besten Übungen und Spielformen schreibt der Fussball selbst! Allerdings sollte man dabei nicht allzu sehr das Chirurgenskalpell bei der Trainngsauswahl ansetzen, weil dann die Gefahr besteht, das zu wenig fürs Spiel Übertragbares dabei heraus kommt. Als Beispiel dafür hatte ich ein Freilaufen und einen Pass quer vor das eigene Tor genannt. Denn hier spielt nicht nur die Zone, sondern auch die zu überbrückene Passlänge eine wesentliche Rolle. Je länger ein Ball unterwegs ist, je besser kann er vom Gegner erlaufen werden. Wnn eine Spielform im Wettkampf zu einer taktischen Sackgasse führt, weil sie dort wenig Erfolg verspricht, dann ist sie wenig spielnah oder?

  • Dafür finde ich die oben vorgestellte Spielform ziemlich spannend und lehrreich

    Kann ich bestätigen !
    Gestern mit meiner U11 getestet.
    Funktionierte sehr gut.
    Kids hat es Spaß gemacht.
    MIt U11( 4 Feldspieler) reichen 3 Minuten, da ziemlich intensiv!


    Jedes Ding hat drei Seiten: Eine die du siehst, eine die ich sehe und eine die wir beide nicht sehen.