@Kellerkicker
Vor etwa 40 Jahren gab es in Deutschland eine nennenswerte Gruppe von Menschen, die sich mit den etablierten gesellschaftlichen Strukturen nicht zufrieden geben wollte. Diese waren Folge der jüngeren Geschichte dieses Landes und würden heute wohl auch einem Großteil der Bevölkerung als nicht mehr zeitgemäß erscheinen.
Welche verschiedenen Wege haben die damaligen Aktiven genommen?
A: Ein Teil wählte mit dem Terrorismus die radikale Gewalt. Dieser Teil war sehr klein, auch wenn er sich der offenen oder stillschweigenden Unterstützung eines großen Teils der anderen Unzufriedenen gewiss war. Flucht, Haft oder Tod war letzten Endes ihr Schicksal.
B: Ein weiterer ging in die innere Emigration. Sie suchten sich alternative Lebensformen, gründeten eine Kommune, übernahmen einen heruntergekommenen Resthof und versuchten so, eine innere Unabhängigkeit von den abgelehnten Herrschaftsstrukturen zu gewinnen. Manch einer fand dort seinen inneren Frieden, manch einer blieb frustriert.
C: Ein dritter, relativ großer fand sich in einem schwierigen Prozess zusammen und organisierte sich politisch. Man bewegte sich im Allgemeinen im gesetzlichen Rahmen, leistete vielleicht gelegentlich zivilen Ungehorsam. Man beschloss den Marsch durch die Institutionen, in dem Sinne, dass sie nicht zerstört, sondern von innen umkrempelt werden. Bis man bei der obersten Institution angekommen war, hat es dann noch einmal 20 Jahre gedauert. Diese Zeit war für die Beteiligten sehr anstrengend und bisweilen schmerzhaft. Aber am Ende ist doch vieles von dem, was auf der Liste stand, politisch umgesetzt worden und in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
D: Einige, die mit C starteten, denen der Weg aber nicht konsequent genug war, spalteten sich ab und versuchten, ihre Positionen eindeutiger und mit weniger Kompromissen durchzusetzen. Daraus entwickelten sich eher bedeutungslose Splittergruppen. Ein paar sammelten sich in einer nach der Wiedereinigung aus dem Osten kommenden politischen Kraft.
Von Einzelfällen abgesehen scheint der Großteil mit Variante C am besten gefahren zu sein. Wichtige Voraussetzungen waren hier ein gewisses Maß an Kompromissfähigkeit (nicht Beliebigkeit), ein gute Analyse der bestehenden Verhältnisse und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten und vielleicht als wichtigstes ein langer Atem.
Die Sache ist sehr verkürzt dargestellt, und jeder Soziologe oder Historiker würde die paar Absätze als zu grob vereinfacht hinwegfegen. Aber ich glaube, dass sich für Dich sehr ähnliche Alternativen ergeben. Wenn man A auschließt (auch wenn Terror hier nur im übertragenen Sinne zu sehen ist), bleiben noch drei Möglichkeiten. Bei B muss man sich lossagen von vielem und sich etwas Eigenes, möglichst Unabhängiges aufbauen. C erfordert die eben genannten Eigenschaften. Und bei D muss man damit leben können, zwar konsequent, aber nur ewiger Warner und wahrscheinlich nicht Gestaltender zu sein.
Wichtig ist sicher eine schonungslose Selbstanalyse. Da hat André mit dem Hinweis auf die Diplomatie vielleicht schon einmal einen ersten Einstieg geliefert.