Die geteilte Aufmerksamkeit ist eine Komponente, die auch verbessert werden kann durch z.B. gleichzetige Durchführung zweier Aufgaben.
...
Die zweite Komponente ist etwas komplizierter. Es handelt sich hierbei um die Spieler, die oft mit Blick zum Ball spielen, Kopf unten.
Mit geteilter Aufmerksamkeit hat das nur am Rande zu tun. Niemand hat Probleme, in dem Beispielvideo die Pässe zu zählen und gleichzeitig den Affen zu sehen. Falls doch, sollte er vielleicht schnell zum Neurologen. Worum es hier geht ist die Tatsache, dass durch Instruktionen der Aufmerksamkeitsfokus so eingeengt werden kann, dass Phänomene wie das inattentional blindness auftreten.
Neben Techniktraining halt Trainings in Spielform oder Spieletrainings mit Provokationsregeln (z.B Minifußball), ....dürfte dieser Linie folgen...glaube ich jedenfalls.
Andre, das war exakt mein erster Gedanke während ich das las. Also habe ich mir mal die Mühe gemacht und die Studien, die als Quelle angegeben werden, gelesen.
(und jetzt wirds wieder bissl länger )
Ich hatte schon in dem einen oder anderen Kontext von Memmert was gehört, weis aber nicht, ob ich mir mal Untersuchungen von ihm zu Gemüte geführt hätte. Zunächst einmal muss ich sagen, dass es in den Studien vornehmlich um Training geht, nicht ums Spiel. Das ist also eine, wenn eventuell auch logische, Erweiterung des Autors des Artikels, aber nicht Gegenstand der Untersuchungen auf die er sich bezieht.
Vorab, ich beziehe mich jetzt nur auf die Ergebnisse der Studien. Ich will hier keine Aussagen über das Forschungsdesign oder die Analysemethoden tätigen.
Die Ergebnisse sind für mich jedoch höchst interessant.
In „I spy with my little eye!” – Breadth of Attention, Inattentional Blindness, and Tactical Decision Making in Team Sports“ geht es um eigentlich drei Geschichten.
Erstens geht es darum ob inattentional blindness überhaupt im Sport auftritt. Das ist der Fall. Also ist die Ausrede meines Superstürmers, der mal wieder den Nebenmann nicht angespielt hat, er habe ihn nicht gesehen, obwohl er physiologisch dazu in der Lage gewesen sein müsste, richtig.
Danach wird untersucht, welche Faktoren hier Einfluß haben könnten. Es zeigt sich, das zu viele taktische Informationen vom Trainer zu einer geringeren Aufmerksamkeitsbreite (breadth of attention) führen, die inattentional blindsight begünstigt.
Zuletzt geht es darum, ob exogene Stimuli (ein freier Mitspieler der ruft oder mit Armen winkt, die inattentional blindness reduzieren können. Auch dies ist der Fall, auch wenn das natürlich ebenso für die Gegner gilt und dadurch der Nutzen eher gering ist. Punkt 3 ist auch für meine weiteren Ausführungen nicht besonders wichtig.
Was bedeuten diese Ergebnisse nun für mich als Trainer.
Zum einen muss ich wohl noch genauer hinschauen, wo die Probleme liegen. Sieht ein Spieler den freien Mitspieler nicht (wohlgemerkt, obwohl dieser sich direkt in seinem Blickfeld befindet) liegt es daran, das seine Aufmerksamkeit zu sehr auf ein Objekt fokussiert ist. Mögliche Ursachen könnten sein, dass seine Technik zu schwach ist, er mit dem Gegnerdruck nicht zurecht kommt usw. Einfache Aussagen wie es war eine falsche Entscheidung, oder es liege gar am Egoismus des Spielers greifen hier zu kurz. Für die Ausbildung ziehe ich daraus den Schluss, bevor wir uns an ein ausgeprägtes Passspiel wagen, müssen die Spieler erst einmal den Ball ohne Probleme führen, an- und mitnehmen sowie Gegenspieler angehen können. Ist ja soweit nichts Neues. Das läuft durchaus unter geteilter Aufmerksamkeit.
Wenn ich nun aber einem Spieler sage, achte auf die Lücke zwischen den Verteidigern, dort kann man einen gefährlichen Pass spielen, dann wird er z.b. eher dazu neigen, gefährliche Diagonalbälle oder auch sinnvolle Quer- oder Steilpässe zu übersehen. Seine Aufmerksamkeit ist zu sehr auf z.B. die Lücke zwischen zwei Verteidigern fokussiert.
Punkt zwei sind die taktischen Anweisungen. Hier sage ich, muss der Kontext bedacht werden. Sind nun, auch sehr ausführliche, Trainerinstruktionen falsch? Ich sage auf keinem Fall. Man muss sich aber dabei bewusst sein, dass diese eben zur inattentional blindness führen können. Dh für mich praktisch, wenn ich eine Trainingseinheit zum dribbeln mache, evt sogar offensives 1v1 mit Finten und ähnlichem und das alles schön (taktisch) erkläre, dann habe ich im Abschlussspiel tunlichst meine Klappe zu halten, wenn der Stürmer ins 1v1 gegen den Verteidiger geht obwohl rechts neben ihm ein Mitspieler völlig blank steht. Und das liegt nicht daran, das der Stürmer den Mitspieler zwar sieht, aber lieber nun das im Training geübte anwenden will, sondern dass er mit verschiedenen Sachen, Stellung/Entfernung/Bewegung des Verteidigers, Geschwindigkeit, Ballkontrolle, Bewegungsablauf der Finte usw, die ich vorher schön erklärt habe, einfach so sehr beschäftigt ist, das er den Nebenmann wirklich nicht sieht (wie gesagt, obwohl er physiologisch ihn sehen müsste). Ich bin mir ob meiner taktischen Instruktionen des Problems der inattentional blindness bewusst, und deswegen ist das Handeln des Spielers auch gut so.
Will ich nun aber Spielformen, in denen möglichst kreative Lösungen gefunden werden sollen, dann sollte ich mich mit Instruktionen zurückhalten, was zur zweiten Studie führt.
Hier geht es darum, wie sich Kreativität trainieren lässt. Es werden drei Möglichkeiten untersucht. Zum einen gibt es Spielformen, die bestimmte taktische Probleme beinhalten. Während in Bedingung 1, die Kinder diese relativ frei spielen können, werden in Bedingung 2 genaue taktische Anweisungen dazugegeben. In Bedingung 3 spielen die Kinder einfach das Spiel. Ergebnis ist, nur in Bedingung 1 lässt sich eine gesteigerte Kreativität messen.
Diese Ergebnisse sind nun sehr interessant. Zum einen heißt dies, das ich nicht einfach Spielformen zur Kreativität nehmen und dann weiter mein Kontrollding durchziehen kann, indem ich die Kinder massivst instruiere und die taktischen Lösungen vorgebe. Dann bleibt der Lernerfolg nämlich aus.
Ebenso bedeutet dies, dass ich nicht einfach einen Ball hinlege und die Kinder kicken lasse, denn dies führt ebenfalls zu keiner Steigerung.
Die Spiele müssen schon konstruiert, Horst Wein würde wohl sagen mit einem taktischen Problem programmiert werden. Die Aufmerksamkeit der Kinder soll auf unterschiedliche Situationen gelenkt werden, so das sie selbstkontrolliert neue Situationen spielen und erfahren können. Ebenso wird in der ersten Studie angemerkt, dass der Trainer die Aufmerksamkeit der Kinder auch lenken soll, z.b. durch Fragen um sie auf gewisse Situationen aufmerksam zu machen. Horst Wein lässt grüßen.
Dies sind nun Schlüsse der Autoren, die ich aber genau so unterschreiben würde.
Fazit meinerseits:
Ich bin erstaunt...
...was man als Trainer eines Breitensportvereins alles aus dem Elfenbeinturm Hochschule ziehen kann
...wie sehr sich all dies mit dem Konzept von Horst Wein deckt, und verstehe nun jetzt erstmals, was "an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientiert" bedeutet
...dass ich nicht früher auf die Idee gekommen bin, mal einschlägige Fachzeitschriften nach Anregungen zu durchforsten, anstatt immer darauf zu warten bis jemand Kluges ein gutes Buch zum Kindertraining drüber schreibt (wer weis, vielleicht schreibe ich ja dann das nächste )
Ich kann nur sagen, Uwe, super Artikel den du da gefunden hast. Wie gesagt, für mich höchstinteressante Untersuchungen. Man sollte aber mit generellen Verallgemeinerungen und Schlüssen hier vorsichtig sein.
mfg Tirus