Hallo,
vorab, um Missverständnissen vorzubeugen, ich werde gleich viel über Taktiktraining sprechen. Gemeint ist hier im wesentlichen die Philosophie zur Entwicklung der Spielintelligenz nach Horst Wein, die ich als kindgerechtes Taktiktraining verstehe.
Andre du sagst sicherlich viel richtiges, nur einige deiner Anmerkungen teile ich nicht.
Gut finde ich, dass du versuchst zu definieren was für dich individualtaktische Verhaltensweisen sind. Nur sehe ich deine Definition anders. Regelkonformes Spiel, oder der Hinweis auf die korrekte Technik sind für mich technische Schwerpunkte, aber keine taktischen. Taktische Schwerpunkte wären für mich, wann spiele ich den Ball lieber ab, wann dribbel ich lieber. Wo passe ich am besten hin, wie bewege ich mich am besten, wie stehe ich am besten etc.
Also nach einer einigermaßen beherrschten Technik die Frage, in welchen Spielsituationen setzte ich welche Technik wie zielführend ein.
Auch sehe ich nicht die großen Probleme des Passtimings wie du sie beschreibst. Bei Horst Wein wird auch bereits in den einfachen Übungen darauf hingewiesen, dass ein Pass möglichst in den freien Raum weg vom Verteidiger und in den Lauf eines Mitspielers gespielt werden sollte. Das ist der Beginn des Passpiels und geht über die reine Passtechnik bereits hinaus, und ist für mich auch altersgerecht.
Ihr zwei, Andre und Lubi, sprecht die Raumaufteilung an und ob dies ein sinnvolles Ziel in der F/E-Jugend sein kann. Auch hier sage ich ja.
Es gab in der Zeitschrift „Fußballtraining“ mal einen Artikel zu Grundlagen der Raumaufteilung für F-Jugend. (ich habe den Artikel gerade nicht zur Hand, werde ihn aber bei Gelegenheit mal heraussuchen). Hier ging es um eine altersgerechte Geschichte (Hexenwald, Elfen und Zwerge) mit der über ein Training der „Rudelbildung“ im F-Jugendbereich entgegengewirkt werden sollte. Auch gab es einfache taktische Erklärungen (Drache, war z.B. die Grundaufstellung 2-3-1 meine ich).
Ich mag z.B. die Idee mit der offenen Hand bei Ballbesitz und der Faust bei Ballgewinnspiel. Das ist Altersgerecht, das können sie verstehen (so z.B. mein Keeper der in einem Spiel seinen Vorderleuten laut „Faust“ zurief, und in der HZ dann einen Lobeseinlauf von mir bekam).
Lubi du sagst dein Hauptargument gegen taktische Erklärungen ist, dass es den Kindern die Kreativität raubt.
Vorweg, Erklärungen sind falsch. Du sagst zwar dass du von Horst Wein die Methodik der offenen Fragen nutzt, sprichst aber immer wieder von Vorgaben die sie verstehen sollen, Erklärungen und sogar Zeichnungen. Das ist für mich der falsche Weg, und einer Kreativitätssteigerung sicherlich hinderlich.
Für mich ist ein „Taktiktraining“ (zumindest im Kinderfußball im Gegenteil die Grundlage für kreativen Fußball. Für mich ist hier Horst Wein mit seiner Methodik bisher das Beste was ich finden konnte.
Man muss sich das Buch wirklich mal in der Gänze zu Gemüte führen (ich weis ist zZ nicht leicht da wohl leider vergriffen). Für eine E-Jugend sind in den Spielformen dort Schwerpunkte wie Spiel in die Breite und in die Tiefe zu finden. Beim Verteidigen auch Spielformen zum Absichern, ein gruppentaktisches Verhalten das der DFB erst nach dem 1v1 in der D-Jugend empfiehlt.
Ich will jetzt nicht im Detail alle taktischen Aspekte aufzählen die abgehandelt werden. Wichtig ist für mich folgende Aussage: mit dem Buch kann ich wirklich die „schwammige“ Beschreibung des DFB zu den einfachen taktischen Vorgaben mit Leben erfüllen. Wichtig ist, bleibt bei der Methodik. Kommen die Kids nicht von alleine darauf (oder mit sanftem Schubsen) sind sie nicht so weit. Dann lieber die Aufgabe noch mal zerlegen und neu erarbeiten oder ggf wegfallen lassen. Vorgaben oder Erklärungen sind Gift.
Zu deinem Erfahrungsbericht mit dem 3-1. Du kennst ja deine Kinder am besten und kannst daher auch am besten einschätzen was sie können und was du mit ihnen machen kannst und was nicht. 3-1 ist ja eine der grundlegensten Übungen im Buch. Danach kommen noch x andere, die sicherlich besser für eine E-Jugend geeignet sind.
Ebenso sagst du aber, dass im 3v3 fast nie in die Breite gespielt wird ohne Erklärungen. Wie gesagt halte ich Erklärungen für falsch. Ein methodischer Trainingsaufbau sehe für mich wie folgt aus.
- freies Spiel 3v3, zeigen sie von sich aus Ansätze zum Spiel in die Breite, loben
- Übungsform (3v0, 3v1, 3v2 was einem eher zusagt für seine Jungs), hier erst ein paar Durchgänge laufen lassen, dann über offene Fragestellung die Probleme erarbeiten (breite Aufstellung, Spielaufbau von der Mitte nach außen, ggf offene Stellung der Mitspieler, richtiges Passtiming, Überzahl schaffen, was hier auch immer als Hauptproblem gesehen wird), danach nochmals üben lassen
- wieder freies Spiel 3v3, eventuell mit wenigen Unterbrechungen nach besonders guten oder schlechten Aktionen, wo ich nochmals Fragen stellen würde
Nur hier gilt auch wieder, lasst den Kindern Zeit. Ich mache jede vierte TE ein solches Training, in dem dann auch nichts anderes gemacht wird. Das führt ja dann zu deinem nächsten Kritikpunkt, ob die Zeit nicht besser in Techniktraining investiert wäre. Dies möchte ich direkt mit deinen Bemerkungen zum Straßenfußball verbinden.
Die Vorgabe den Straßenfußball in die Vereine zu holen geht über die Vorstellung eines gemütlichen Kicks unter Traineraufsicht hinaus. Ich nehme nämlich die positiven Aspekte des Straßenfußballs (reicht nach Horst Wein alleine nicht aus, DFB-Ausbilder haben mir das ebenso erklärt) und verbinde diese mit einem zielgerichteten pädagogischen Prozess um optimale Lernerfolge zu erzielen.
Wenn ich nun ein solches „Taktiktraining“ abhalte, spielen meine Jungs gewissermaßen 75 Minuten des Trainings. Sie Dribbeln, Passen, Schießen, Laufen und absolvieren Zweikämpfe und dieses (weitgehend) unreglementiert. Das ist es was ich meine. Sie spielen freien Fußball, und über die Übungsformen und die Fragen stoße ich sie auf Aspekte ihres Spiels, helfe ihnen Probleme zu erkennen und zu lösen, und lasse sie schließlich ihre neuen Erkenntnisse ausprobieren. Als Nebenprodukt wird die Technik in spielerischer Form direkt mit beschult. Technik und „Taktik“-Training laufen also Hand in Hand.
mfg Tirus