Neue individuelle Verhaltensweisen erlernen

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  • Hallo Leute,


    ich bin Fußballer in der U17 von Wormatia Worms und habe eine Frage speziell an die Trainer unter euch.


    Ich würde gerne zusätzlich zum Vereinstraining an meinen individuellen taktischen Verhaltensweisen feilen um besser zu werden und mögliches Fehlverhalten ausbessern zu können. Im Training haben die Trainer kaum Zeit sich um jeden einzelnen Spieler zu kümmern und deshalb würde ich gerne alleine an meinem taktischen Verhalten arbeiten. Ich bin Außenspieler und vom Verhalten her eigentlich gut geschult, jedoch bemerke ich Schwächen in einzelnen Situationen. Durch das Buch "Abwehren mit System" weiß ich wie ich mich in der Defensive genau zu verhalten habe. Daran möchte ich jetzt arbeiten.


    Nun zu meiner Frage. Ist es als Spieler möglich alleine neue Verhaltensweisen zu erlernen und dann im Training einzusetzen um diese zu automatisieren? Wenn ja, wie lange dauert dieser Prozess alte Handlungsweisen aufzubrechen (als B-Jugendlicher mit guten Vorkenntnissen) und neue zu erlernen?


    Ich danke euch fürs lesen und freue mich auf eure Antworten!

  • Hallo,


    erstmal finde ich es super, dass Du dich auch außerhalb des Mannschaftstraining´s für Inhalte interessierst und dich
    weiterentwickeln möchtest und willst. Genau diese Einstellung, macht einen guten Sportler, zu einem sehr guten Sportler.


    Taktische Verhaltensweisen sind alleine schwer zu trainieren bzw. automatisiert zu verfestigen. Um dein Abwehrverhalten,
    die Stellung nach dem Ball/Gegenspieler so umzukrämpeln, benötigst Du mindestens einen weiteren Trainingspartner.
    Zumindestens im 1:1, ansonsten natürlich mehr. Sicher kannst du auch im 0:1 trainieren, also mit Hauben/Hütchen, aber
    das wird dir nur minimal helfen. Dafür ist der zeitliche Aufwand in deiner Altersklasse zu hoch, als dass du einen absoluten
    Nutzen daraus ziehen könntest.


    Versuche dein Stellungsspiel, in den einzelnen Situationen im Training, selbst zu beobachten und korigiere dich dahingehend
    selber. Das hat mir sehr oft geholfen und hilft mir immernoch, wenn ich unter einem Herrentrainer trainiere, der wenig
    fachlich fundierte Kenntnise des allgemeinen Fußballspiels hat, oder eben weniger weiss als ich. Dadurch schlägst Du mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe.
    Zum einen verbesserst du dich im analytischen Denken, nimmst deine Umgebung ganz anders war und verbesserst dich stetig dadurch.


    Vielleicht konnte ich dir ja helfen!
    Gutes Gelingen und viel Spaß wünsche ich dir noch! :)

  • Ich danke dir für deine Antwort.


    Genauso habe ich das auch gemeint. Ich wollte mir langfristige Ziele in diesem Bereich setzen. Damit meine ich, dass ich mir z.B. für 2 Wochen den Schwerpunkt auf "Ball am Flügel" lege. Dann erlerne ich in der Theorie das genaue Verhalten in dieser Situation. Der nächste Schritt wäre dann, im Training das erlernte Verhalten von der Theorie in die Praxis zu übernehmen. Bei einem Trainingsspiel würde ich dann besonders auf solche Situationen in denen sich der Ball am Flügel befindet aufpassen und versuchen das Verhalten umzusetzen.


    Wie findest du diese Vorgehensweise

  • Das sehe ich ähnlich wie mein Vorredner. Alleine taktische Sachen zu trainieren ist sehr schwer. Ich denke das mit Hütchen allerdings wird dir nichts bringen. Je nach Spielverlauf und Bewegungsablauf musst du anders reagieren genauso deine Mitspieler.


    Wenn du einen hast (deinen Vater z.B.) der dich bei den Spielen begleitet würde ich diesen vielleicht bitten dich aufzunehmen wie du dich bewegst in Verbindung zu den anderen Spielern. Das kannst du dir dann im Nachhineinen dann ansehen und dir Gedanken zu dem machen was gut und was schlecht war.


    Genauso könntest du dir Spiele von Profis angucken und in den Schlüsselszenen wo der gewünschte Spieler aktiv ist dir Gedanken dazu machen was er gut bzw schlecht macht und versuchen das auf dich zu übertragen.


    Aber das ganze ist natürlich sehr zeitaufwendig ;)


    Und taktische Sachen kann man meiner Meinung nach nicht automatisieren. Um etwas zu automatisieren brauch man für eine bestimmte Aktion viele 1000 Wiederholungen und jede Situation wird speziell behandelt. Dein Ziel sollte es sein möglichst Schnell die Situation zu erfassen und die richtigen Entscheidungen zu treffen

    Einmal editiert, zuletzt von Rene1105 ()

  • FußballFan96:
    Ich denke deine gedachte Vorgehensweise ist schon nicht schlecht, allerdings nur sehr schwer umzusetzen, zumindest alleine.
    Grundsätzlich kannst Du für dich ja "nur" die 1-gegen-1-Situationen nach Schwierigkeit erlernen. Angefangen währe natürlich,
    dass Du dir Inhalte zum jeweiligen Thema holst, hier dann das "1-gegen-1 am Flügel (hoch/tief)" und diese dann durchgehst.
    Also nicht nur liest, sondern dir auch auf dem Platz einen Spieler vorstellst, durch Hütchen/Trinkflasche/Ball verdeutlichst,
    und dir dann deine "optimale" Verhaltensweise erdenkst. In Folge daran gibt es dann, im Buch auch ersichtlich, einige Übungsformen
    bzw. Spielformen zum Thema, in welcher das Ganze verfestigt und korrigiert werden kann/soll/muss.


    Da Du allerdings alleine bist, vielleicht findest Du ja noch einen Trainingspartner, ist es sehr schwer umzusetzen. Vondaher bleiben
    dir erstmal, um wirklich in der Praxis zu arbeiten, die Inhalte aufzusaugen und theoretisch zu verinnerlichen. Im Training solltest Du
    dann jede Situation so nehmen, wie sie kommt und dich immer hinterfragen,...


    warum? /...ist er jetzt vorbei gekommen,
    was? /...kann ich besser/anders machen,
    womit? /...kann ich mich verbessern (Methodik).


    Somit wirst du allerdings keine spezifischen und einzelnen Themenbereiche ausbilden können, sondern musst dich auf das Ganze
    einlassen und jede Situation so nehmen, wie sie kommt.


    Rene:
    Der Hinweis mit der Videoanalyse ist sehr gut, danke dafür. Habe heute auch wieder Einzeltraining mit einem Torhüter von mir,
    dort wenden wir das auch schon seit längerem an. Und es bringt sowohl motivationsspezifisch, als auch analytisch einiges. Wenn Du
    niemanden hast, der sich da hinstellen möchte, dann leihe/kaufe dir ein Stativ, wo die Kamera fixieren kannst.


    Wer es im Breitenfußball schafft, Fehler einzelner Spieler im gesamten Kontext einer Spielsituation von wenigen Sekunden zu entdecken,
    diese differenziert zu bewerten und darauf eine Fehleranalyse aufzubauen, dem wünsche ich viel Erfolg. Für einen Trainer mit der DFB C-"Lizenz"
    sehr oft schon schwer genug. Und nur wenige Trainer hier, haben die DFB C-"Lizenz oder B-Lizenz. Für einen Jugendlichen somit noch schwerer.
    Aber da die Sequenzen nur Momentaufnahmen sind und die meisten Gegentore, aus Fehlern von mindestens zwei Spielern resultieren, nicht sehr
    empfehlenswert.


    Sicher kann man alle Situationen, mit all seinen Varianten und Möglichkeiten nicht so verinnerlichen, dass man in allen Aktionen perfekt agiert.
    Es gibt aber Grundzüge, die man dann auf die Möglichkeiten anpassen und übertragen kann. Der Sportler muss also doch noch einbischen denken
    und kann nicht alles aus dem Unterbewusstsein abrufen. ;)
    Taktische Inhalte brauchen sicherlich noch mehr als 1000 Wiederholungen, da die technischen Fähigkeiten ein muss dazu sind. Und alleine für die
    Technik, um diese mit höchster Geschwindigkeit und mit viel Präzision ausführen zu können, werden 10.000 Wiederholungen fällig. Ist natürlich quatsch,
    denn jeder lernt unterschiedlich schnell/langsam. Aber als Richtlinie gelten 10.000 Wiederholungen.

  • Wie immer wenn Dinge vor allem auch über Intuition gesteuert werden gibt es zur Erlangung derselben weder einfache und schon gar nicht allegemein gültige Lösungen.
    Klar kann man auch immer alleine was lernen. Vor allem in der U17 wo Taktik noch oft an den individuellen Fähigkeit scheitert wie z.B. Timing und Genauigkeit des Passes unter Druck.
    Als TEAM bringt euch DAS aber noch nicht weiter.
    Diesbezüglich wichtigste Faktoren sind a) Interesse und b) Kommunikation
    Als Einzelner kannst du versuchen weiter Teammitglieder für eine Auseinandersetzung mit diesem Thema gewinnen. Seht euch im TV Spiel an oder macht Spielanalysen (inkl. Slowmotions) auf Video , spielt FIFA 13, (mit meinen eigenen Kids spiele ich Subbuteo) etc. und versucht so nach und nach allgemeine Muster zu erkennen, die in einer euch eigenen, gemeinsame Sprache zu beschreiben und euch so nach und nach ein taktisch gedankliches und kommunikatives Grundgerüst aufzubauen welches ihr dann auf den Fussballplatz übertragen könnt.
    Wichtig ist auch, dass ihr dann nicht 1000 mal eine bestimmt Variante durchübt, sondern euch viel mehr Probleme und Aufgaben stellt die ihr möglichst kreativ lösen könnt. Das geht - für den kommunikativen Part - z.B. auch wunderbar mit TipKick Figuren. Erst wenn ihr da ein gemeinsames Verständnis habt wie ihr bestimmte Probleme im Kollektiv lösen wollte macht es Sinn dies auch auf dem Platz umzusetzen.
    Wie gut das dann mit dem Trainer funktioniert, wenn ihr Spieler da eure eigene Suppe kocht wäre dann noch ein anderes Thema.

  • schon mal dran gedacht, den Trainer zu fragen, ob er eine Sonderschicht einlegen würde?


    Dass man als Trainer keine Zeit hat im normalen Training auf spezielle Schwierigkeiten oder Verbesserungen bei einzelnen Spielern einzugehen, das sehe ich auch so. -
    Ich nehme mir manchmal einen Spieler einzeln vor, vor oder nach dem Training, oder dann, wenn der andere Trainer, wir trainieren zu zweit, gerade mit den Mannen gut im Training ist, oder ich mir etwas Zeit nehmen kann für ene Einzelbetreuung, weil ein Elternteil mithilft beimTraining.
    Ich werde in nächster Zeit auch mal den einen oder anderen Spieler zu einer anderen Zeit als üblich, möglichst mit Vater oder anderem Betreuer einbestellen um einzelne Ubungen zu machen, die er dann aber auch in der Freizeit machen soll.
    Aber damit stehe ich ziemlich alleine in unserem Verein.
    Dazu muss ich allerdings sagen, dass andere Trainer Schichtarbeiten oder ähnlich intensiv durch die Arbeit eingespannt sind, während ich viel freie Zeit habe.


    Grüße, miho

  • TRST


    Wieder mal ein feiner Beitrag von dir, Gratulation! Voraussetzung für gruppentaktisches Verhalten sind in jedem Falle die individualtaktischen Fähigkeiten. Denn spätestens, wenn der Gegner nicht mehr in attackiert, sondern:
    - der Passweg (unter Berücksichtigung des Deckungsschatten) zu dessen Mitspielern zugestellt
    - durch richtiges Anlaufen der ballführende Gegner nach außen abgedrängt und "isoliert" wird
    - der Gegner atttackiert wird, sobald er sich den Ball zu weit vorlegt
    - das Tempo des Ballführenen verlangsamt und die Flanke ins torgefährliche Zentrum verhindert wird
    - durch Doppeln der Ball erobert wird
    - unverzüglich der spielöffnende Pass zum ballnahen, nicht unter Druck stehenden Mitspieler präzise gepaßt wird


    wird klar, dass es kaum eine Situation gibt, die exakt mit der Nächsten übereinstimmt. Dennoch gibt es Parallelen, an der sich gutes taktisches Verhalten ableiten läßt!
    Es sollte jedoch bewußt werden, dass man nicht mehr als Einzelspieler, sondern im Verbund mit der Gruppe (hier Abwehr-Kette) agiert. Ein zu frühes oder zu spätes Anlaufen beim gegnerischen Angriff über die ballnahe Außenseite kann bereits Ursache dafür sein, warum alle anderen individuellen Fähigkeiten sekundär werden, weil die Gruppenmitglieder geringes Chancen haben unterstützend einzugreifen.


    Ähnlich sieht es aus, wenn auf der ballfernen Seite Angriffe erfolgen. Läßt sich der ballferne AV zu früh fallen, so hebt er das Abseits auch auf der anderen Seite auf. Wenn der Gegner dort in Überzahl angreift, kann dies bereits eine Torchance des Gegners entscheidend begünstigen. Läßt sich der ballferne AV zu spät fallen, gibt er dammit einem an seiner Seite heranstürmenden Gegner die Möglichkeit, frei zum Torabschluß zu kommen. Rückt der ballferne Spieler ein, ohne per Schulterblick die ggf. in seinem Rücken herannahenden Gegner zu berücksichtigen, kann der Ball über die Kette hinweg auf den mit hohem Tempo herannahenden Gegner gespielt werden.


    Ohne Trainings- und Spielsituationen soetwas anhand einer Taktiktafel zu erlernen ist schwierig! Denn es geht nicht ohne die Erfahrungen im Spiel, die sich sehr viel besser abspeichern, als die Ergebnisse beim "Fussballschach"! "Fussballschach" kann jedoch manchmal helfen, durch Nachstellung von Spielsituationen "Licht in die Taktikwelt zu bringen" und ein besseres Verständnis von gutem wie auch weniger gutem taktischen Verhalten zu erzeugen.