Moin,
@guenther: Ich taste mich langsam ran. Ich habe die letzten Wochen und Tage wieder viel gelernt, vor alllem, dass der Kinderfußball nicht planbar ist
Aber der Reihe nach, Feedback Teil 2:
Mittwoch letzte Woche: Gegner eine Mannschaft mit Brüllaffen-Trainer und starrem 2-2-2-System, wo die vorderen beiden Spieler immer wieder lautstark vom Trainer direkt vor die Nase unseres Torhüter gestellt wurden, um die sehr langen Abschläge irgendwie ins Tor zu stolpern. Spielerisch konnten die in meinen Augen nicht viel, in der Hinrunde haben wir überlegen 8:3 gewonnen.
Wir haben uns an einem System mit zwei defensiven Kindern probiert - der Rest frei. Aber irgendwie klappte nix. Die zwei Kinder hinten waren ziemlich unmotiviert (sind auch im freien Spiel oft hinten, gehören aber zu den talentiertesten). Auch die anderen Kinder spielten wie gehemmt, wenig Spielfreude, schlechtes Umschaltverhalten, zögerlich und verunsichert.
Es ging sogar so weit, dass ich die Kinder direkt auf dem Platz angesprochen und kritisiert habe. Obwohl wir das Spiel noch irgendwie 4:3 gewonnen haben, war das ein absolutes No-Go und Zeichen für mich die Not-Bremse zu ziehen.
Der Druck beim Training war wohl zu hoch. Zu viele komplexe Übungen. Zu viele Ansprachen. Zu wenig Lob. Zu viele taktische Vorgaben. Dreierkette, Abräumer, Passspiel, Umschalten, Verschieben - die Kinder wussten gar nicht, wo ihnen der Kopf steht und hatten anscheinend Angst etwas falsch zu machen. So zumindest meine Analyse.
Also habe ich mir für den darauffolgenden Samstag erstmal selbst aus dem Verkehr gezogen. Mein Trainekollege machte das Coaching, die Ansprache war minimal, keine taktische Vorgaben, keine Positionen. Das Spiel wurde aber nicht viel besser. Zu wenig Geschwindigkeit, zu wenig Biss, zu wenig Galligkeit, zu wenig Körpereinsatz. Im Training sieht das meist ganz anders aus. Da müssen wir die Kinder oft bremsen. Lag`s am Gegner?
Wir haben gegen einen Gegner gespielt, wo sehr viel Unruhe an der Seitenlinie war. Fünf Co-Trainer, die die Kinder immer wieder angepeitscht haben. Hinten wurde Rausbolzen frenetisch bejubelt, vorne lauerte das beste Kind und machte gegen unsere verunsicherte Mannschaft ein Tor nach dem anderen. Vorne sind wir nicht durchgekommen weil die mit Mann und Maus verteidigt haben und wir uns gegenseitig auf den Füßen standen. Das Spiel endetet 6:6, wobei wir so einen Gegner vor Wochen eigentlich noch deutlich geschlagen hätten.
Erfreulich an dem Spiel war nur, dass unsere Kinder bei Ballgewinn oft den Kopf gehoben haben und versucht haben, die Situation spielerisch zu lösen und den freien Nebenmann zu finden. Leider fehlte den Pässen und Laufwegen (im Bambini-Alter natürlich vollkommen normal) Zug, Timing und Präzision, so dass der Gegner so immer wieder zu schnellen Ballgewinnen kam, die darin endeten, dass sie frei vor unserem Tor standen.
Wir waren aber trotzdem in der Krise angekommen. Weniger die Kinder, viel mehr der Trainer
Mich hat der Kinderfußball angekotzt. Mich haben die Gegner angekotzt. Ich fand es einfach ungerecht, dass man mit so beschränkten Mitteln die individuelle Unterlegenheit kompensieren konnte. Wie wird das nächstes Jahr in der F-Jugend? Habe ich dann überhaupt noch die Chance, die Kinder fußballerisch zu entwicklen ohne eine Klatsche nach der nächsten von fremdgesteuerten Nahkämpfern und Rausbolzern zu bekommen? Wieso dürfen die anderen Positionsidioten erziehen, Kindern jegliche Kreativität und Selbstständigkeit rauben, nur die besten spielen lassen und damit auch noch "anscheinend" gut fahren
Ich habe meine Unzufriedenheit auch den Eltern und meinem Trainerkollegen gegenüber offen kommuniziert. Und zwar in etwa der gleichen Form wie hier im Forum (die Eltern wissen in etwa über die Ideale im Kinderfußball Bescheid). Während einige Väter mit taktischen Ratschlägen kamen, andere Papas und mein Trainerkollege mich darin bestärkte unseren Weg weiter zu gehen (ich musste zu Beginn der Zusammenarbeit bei ihm viel Überzeugungsarbeit leisten, umso mehr freut mich, dass er jetzt voll dahinter steht), kamen von zwei sehr engagierten Mamas E-Mails.
Das waren die Mamas, deren Kinder im freien Spiel oft hinten stehen und zuletzt relativ lustlos und unzufrieden über den Platz liefen. Sie rieten mir wieder dazu, für mehr Ordnung auf dem Platz zu sorgen. Die Kinder würden hinten immer in Unterzahl sein und vorne sich gegenseitig die Bälle abnehmen. Ihre beiden Jungs würden auch mal gerne offensiver spielen, sahen aber (IMHO aufgrund ihrer fortgeschrittenen Spielintelligenz) keinen Sinn darin, nach vorne zu laufen, weil sich da sowieso alles knubbelt und weil keiner auf die Defensive aufpasst.
Ich war also wieder an dem Punkt, an dem ich etwa vor einem halben Jahr war:
Wie leite ich den fließenden Übergang vom freien Spiel zum Positionsspiel ein?
Ich war schon drauf und dran einen gefrusteten Hilferuf hier im Forum an euch zu richten, wollte aber noch das letzte Spiel vor den Osterferien, ein Freundschaftsspiel gegen einen Gegner aus der Nachbarsgruppe abwarten.
Diesen Gegner hatten wir vor etwa einem halben Jahr "entdeckt" und kontaktiert. Grund waren vor allem die überragende Rolle in ihrere Gruppe (alle Spiele problemlos gewonnen) und ihre Homepage, auf denen sie in kurzen Stichworten ihr Konzept darlegten. Dieses Konzept war kindgerecht und schlüssig. Diese Truppe mussten wir kennen lernen!
Ich habe deren Trainer im Vorfeld kontaktiert und unsere derzeitige kritische Situation und unsere Ideale kurz erläutert. Ich habe ihn darum gebeten, darauf ggf. Rücksicht zu nehmen und habe auch angedeutet, dass wir etwas ausprobieren wollen. Dieses Ausprobieren bestand natürlich darin, wieder eine Dreierkette aufs Feld zu schicken.
Der Ablauf war folgendermaßen: Wir haben die Kinder gefragt, wer in der ersten Halbzeit hinten spielen möchte. Als "Bonbon" durften diese Kinder dann durchspielen (dieser Vorschlag kam übrigens von einer Mama), die anderen fünf Kinder haben auf den drei offensiven Positionen rotiert (so wie wir es sonst immer ausnahmslos mit dem ganzen Team machen).
In der Halbzeitpause haben wir die Frage erneut gestellt und es haben sich drei andere Kinder gemeldet, die dann ebenfalls durchspielen durften. Das hatte also bestens geklappt. Die zwei Kinder, die im freien Spiel eher defensiv spielen, haben sich in der ersten Halbzeit für offensive Positionen entschieden. In der zweiten wollte einer wieder hinten spielen.
Wir haben den Kindern gesagt, dass sie die Ordnung in der Kette selbst regeln sollten. In der ersten Halbzeit war das zum Teil richtig gut, in der zweiten Halbzeit etwas verwaschener, was ich aber auf die unterschiedlichen Entwicklungsstufen der Kinder in Sachen Spielverständnis schiebe.
In Halbzeit 1 hat z.B. mein Sohn hinten rechts gespielt. Er zeichnet sich durch ein sehr gute Übersicht, gutes Passspiel, gute technische Fähigkeiten (sichere Ballbehandlung) und eine gewissen Abgezocktheit vor dem Tor aus. Er treibt sich meist vorne rum und sucht immer die freien Räume. Seine Schwächen sind der Defensivzweikampf (läuft oft nur nebenher), seine Handlungsschnelligkeit (etwas Zeitlupe) und seine Endschnelligkeit (trotz schlanker Figur einer der langsamsten im Team).
Mir ist aber das Herz aufgegangen. Er war richtig stolz eine feste Rolle im Team zu haben. Er hat die Rolle sehr ernst genommen, ist überraschend gut in die Zweikämpfe gegangen, hat sich sehr intelligent im Raum bewegt (eingerückt, ballorientiert verschoben) und hat auch immer wieder in den richtigen Momenten den Weg nach vorne gesucht. Bei den anderen Kindern lief es nicht ganz so gut, trotzdem konnte man erkennen, dass sie an der neuen Ordnung Freude hatten und durchaus bemüht waren, ihre Rolle gewissenhaft auszufüllen.
Erfreulich waren aber vor allem die Bedingungen bei unserem Gegner - kingerecht. Kein ergebnisfixierter Brüllaffen-Trainer, kein Fremdsteuern der Kinder, kein blinder Rausbolzfußball - ein spielstarker und fairer Gegner. Wir haben das Spiel für mich ziemlich überraschend mit 8:5 gewonnen, hätten das Spiel aber auch verlieren können. Der Gegner hatte sehr gute Chancen und wir waren vor dem Tor ziemlich eiskalt. Ein Spiel auf Augenhöhe, dass wir - ganz untypisch für uns - in der Abwehr gewonnen haben.
Spielerisch war der Gegner sogar fast noch etwas weiter als wir, hat sich aber an unsere defensiven Dreierkette die Zähne ausgebissen und war hinten selbst etwas nachlässig (in deren Gruppe scheint wohl generell ein etwas schwächeres Niveau zu herrschen).
Normal würde ich jetzt sagen, dass diese Taktik nicht kindgerecht ist, aber da wir rotiert haben, kein Kind mit seiner Rolle unglücklich war und sogar das Verschieben und aktiv am Spiel teilnehmen gut geklappt hat, kann ich mit diesem Umstand sehr gut leben.
Erstaunlich war auch, dass einige Kinder, die öfters etwas eingeschüchtert und zögerlich spielen, richtig aufgedreht haben und enorm viele Zweikämpfe gewonnen haben. Für mich ein Zeichen, dass Unruhe am Spielfeldrand, die vom Gegner kommt, auch auf meine Kinder abfärbt.
Eigentlich ein trauriger Umstand. Das Spiel gegen eine richtig talentierte und spielstarke Truppe gewinnen wir mit einer tollen Leistung und das Spiel am vorherigen Wochenende gegen einen relativ limitierten Gegner, der - von testosteron-geschwängerten Vätern angefixte - Nahkämpfer, die mit voller Wucht gegen alles treten, was sich bewegt, aufs Feld schickt, spielen wir nur unentschieden.
Ich gehe jetzt auf jeden Fall relativ zufrieden und entspannt in die Osterferien. In der ersten Woche wollen wir kein Training machen (etwas Abstand sollte uns gut tun), in der zweiten wollen wir vielleicht etwas auf dem Bolzplatz spielen gehen.
Ich freue mich auf die ersten Spiele nach den Osterferien und werde euch auf dem Laufenden halten.
Über Kommentare, Kritik und Anregungen zu meinem Bericht würde ich mich trotzdem freuen.
Schönen Gruß, Christoph