Übermotivierte Spielerin

Du bist noch kein Trainertalker? Registriere dich kostenlos und nehme an unserer Community teil!

Du bist Trainertalker? Zur Anmeldung
  • Hallo zusammen!
    Habt ihr einen Tipp wie ich mit einer übermotivierten Spielerin umgehe?
    In unserem Team spielt eine sehr talentierte, junge Spielerin (17). Seit geraumer Zeit sehe ich sie nur mit hängendem Kopf obwohl ihre Leistung durch die Bank gut ist. In Gesprächen hadert sie selbst ständig mit ihrer Leistung im Spiel oder im Training, manchmal auch mit der Leistung des Teams (oberer Tabellenplatz!!). Aus meiner Sicht macht sie sich selbst zu viel Druck und ist einfach enttäuscht, wenn es nicht so läuft wie sie es sich vorstellt. Meine Sorge ist, dass sie angetrieben von ihrem eigenen Perfektionismus langsam in Richtung einer Überdosis Ehrgeiz driftet. Jetzt bin ich kein Psychologe und möchte da auch erstmal kein großes Fass aufmachen, besonders weil ja die Möglichkeit besteht, dass ich mich irre. Möglicherweise handelt es sich auch nur darum ein bisschen Aufmerksamkeit zu bekommen, wobei das ja ins Bild passen würde.
    Hatte jemand schon mal ein ähnliches Problem und kann mir einen Tipp geben?


    Gruß Caputo

  • @Caputo


    Wenn ich es recht deute, dann spielt ihr in der Bezirksliga! Hört sich zwar nach Leistungsfussball an, aber man kann es gar nicht mit denen der Männer vergleichen. So kennen dort manche Mädels nicht mal den aktuellen Tabellenstand, weil für sie der Spaß, nicht der Fussball im Mittelpunkt steht. Deshalb ist ein gutes Gleichgewicht in der Frauenmannschaft wichtiger. Wenn du da ein paar 17 - Jährige mit vielen 27 - Jährigen rumlaufen hast, dann ist der Ärger schon vorprogrammiert. Noch dazu, wenn sich da ein Mädchen darunter befindet, die sich für den Fussball ein Bein ausreisst und deshalb bei den meisten Anderen, die nur ihre Leistung abrufen wollen und für die es nicht allein ums Gewinnen geht, sondern auch mal bei einer Niederlage richtig Spaß haben können.


    Tja, was soll ich dir da raten? Wenn du einen Co-Trainer hast, dann solltte das Warmmachen mal übernehmen und du unterhälst dich während dessen mit dieser Spielerin. Dann wird einerseits kein "großes Fass aufgemacht", andererseits habt ihr die Chance eure Meinungen auszutauschen. Ich denke mal, danach wirst du ein ganzes Stück schlauer und ihr wird es helfen, ihre Leistungen zukünftig besser einzuschätzen und ihre Wünsche besser mit denen ihrer Mannschaftskameradinnen überein zu stimmen.


    Wenn sie gerade erst 17 ist und im ersten Jahr bei den Damen spielt, dann sieht die 2. Saison sowieso meist anders aus. Denn da bekommen die meisten Spielerinnen einen Leistungsknick, weil die neue Mannschaft und Liga als gewöhnlich abgehakt ist und die Eigenmotivation vorübergehend ein wenig auf der Strecke bleibt. Wenn sie da wieder heraus kommen, dann sind sie gleich schon umgänglicher geworden.


    Es wird nicht immer so heiß gegessen, wie es gekocht wird! Das Schöne ist ja, dass die Mädels sehr vieles gut untereinander regeln können. Einfach alle paar Wochen ein lockeres Treffen machen, um so in gemütlicher Umgebung das ein oder andere auszuräumen.

  • @TW-Trainer


    Vielen Dank für deine Antwort! Bezirksliga ist richtig, ist aber rein informell gedacht - ohne Grundaussage. Wir haben das Glück, dass bei uns die Stimmung passt. Wir haben auch das Glück, dass gerade die jüngeren echt voll bei der Sache sind und nur zwei oder drei dem von dir beschriebenen Typ der Mitläufer entsprechen. Du musst ja schon dankbar sein, dass es noch junge Menschen gibt, die sich bewegen wollen.
    Es hat mittlerweile ein gutes und vor allem offenens Gespräch stattgefunden. Ich lag mit meiner Einschätzung auch wirklich richtig. Perfektionistin auf der ganzen Linie. Aber ich hab' das Gefühl es hat ihr geholfen die Dinge mal beim Namen zu nennen.
    Nochmal vielen Dank und mögen die 3 Punkte immer mit dir sein!!


    Gruß Caputo

  • @Caputo


    Wie ich aus deinen Antworten entnehme, bist du bereits bestens mit der sehr breiten Streuung der Prioritäten und daran gekoppelt der Grad der Eigenmotivation für den Fussball innerhalb einer Frauenmannschaft vertraut. Nur so eine "Perfektionistin" hattest du wohl noch nicht? Bei Jungen- bzw. Männermannschaften kommt soetwas öfter vor. Dort ist es jedoch meist kein Problem, weil die Streuung der Eigenmotivation dort nicht so groß.


    Aber das Gespräch hat ja nun stattgefunden. Sie wird nun wissen, welche Erwartungen sie in dieser Mannschaft haben kann und was einfach nicht mehr passt, weil es die Anderen incl. ihrem Trainer so nicht wollen. Das du jetzt mit ihr gemeinsam diesen Rahmen abgesteckt hast, das ist schon wichtig!


    Je nach dem, wie sich ihre Leistungen entwickeln, käme irgendwann auch mal die Frage, ob sie höherklassig spielen kann und will? Ich betone deshalb das Können und Wollen besonders, weil auch hier ein weiterer Unterschied zum Junioren- und Männerfussball zu finden ist. Denn bei den Mädels ist es ca. nur jede Dritte, die aufgrund vorhandener Anlagen höher spielen möchte, weil ihr der Zeitaufwand zu hoch ist, die Freundinen wichtiger sind, als eine Karriere als Fussballerin.


    Deshalb ist es, wie du schon sagst so, dass man meist mit den vereinseigenen Potenzial arbeitet. Leider fehlt oftmals ein ausreichender Unterbau, weshalb die Mädchen ab dem älteren B-Juniorinnen-Jahrgang bereits ins "kalte Wasser" bei den Frauenteams geworfen werden. Denn sonst müßte man das ein oder andere Punktspiel absagen. In manchen Situationen retten diese jungen Mädchen den Verein davor, diese Frauenmannschaft vom Spielbetrieb abmelden zu müssen.


    Wer als Trainer vom Männerfussball in den Frauenfussball wechselt und meint, er könne die dort erlernten Methoden übernehmen, der wird sehr rasch merken, dass das nicht klappt.


    Hier mal 2 Beispiele für unterschiedliches Verhalten nach Punktspielen:


    1. Unerwarteter oder besonders hohen Sieg
    1.1. Reaktion Männer
    - hohe Trainingsbeteiligung
    - hohe Konzentration auf Trainer-Analyse und Optimierungspotenzial


    2. Reaktion Frauen
    - niedrige Trainingsbeteiligung
    - wenig Konzentration auf Trainer-Analyse und Optimierungspotenzial


    Was könnten die Ursachen dafür sein? Bei den Männern steigt durch den sportlichen Erfolg die Eigenmotivation. Bei den Frauen ist die Ursache für die anschließende geringe Beteiligung darin begründet, dass sie sich sagen - ich hab doch gut gespielt - da brauch ich doch nicht unbedingt zum Training.


    2. Unerwartete oder deutliche Niederlage
    2.1. Reation Männer
    - geringere Trainingsbeteiligung
    - geringere Konzentration auf Analyse und wenig Vertrauen in Optimierungspotenzial


    2.1. Reaktion Frauen
    - hohe Trainingsbeteiligung
    - hohe Konzentration auf Trainer-Anlayse und Optimierungpotenzial


    Als wahrscheinliche Ursachen kommen infrage: bei den Männern wirkt der Frust über die Niederlage nach. Die Spielerin denkt sich: wir haben das Spiel verloren, da kann ich wohl nicht gut gespielt haben. Besser ich geh zum Training, damit ich bei nächsten mal wieder mitspielen darf.


    Während bei den Männern das Verhältnis bei der Trainings- und Spielbeteiligung in etwa gleich hoch ist, ist die Trainingsbeteiligung bei den Frauen geringer als beim Spiel. Umgekeht sieht es jedoch bei der Vereinstreue aus. "Vereinshopper" gibt es bei den Frauen deutlich weniger.


    Wer sich als Trainer für den Frauenfussball entscheidet, der kann dann große Freude dabei empfinden, wenn er sich auf die jeweiligen Gegebenheiten einläßt, statt dagegen anzukämpfen.