reine Lehre oder Kompromiss?

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  • viele Diskussionsbeiträge hier, aber auch Beobachtungen vor Ort lässt für mich die Frage offen:


    soll man als Trainer einer bestimmten Lehre folgen oder ist es nicht besser den realen Gegebenheiten Rechnung tragen und Kompromisse eingehen.?


    Erlebtes:


    E-Jugend, junger Trainer, lässt Kinder spielen, sitzt selbst auf der Bank, greift kein einziges Mal ein,
    draussen 3 Väter, selbst noch aktive Fussballen, beginnen nach 15 Minuten an zu murren: der müsste da doch mal eingreifen, mal was sagen.
    in der Halbzeit ruft ein Vater seinen Jungen zu sich und gibt im Instruktionen wie er sich verhalten soll.
    5 Minuten nach der Halbzeit, Trainer immer noch still, beginnen die Väter Anweisungen von draussen zu geben (bis dahin kam nichts von ihnen zu den Spielern)
    sie übernehmen die Initiative. die Kinder richten sich danach (logisch). Die Stellung des Trainers in der Elternschaft sinkt merklich. entsprechende Kommentare.
    gegen diese Väter angehen, als junger Trainer steht er da anerkannten Fussballern und in der Elternschaft starke Personen gegenüber.
    wenn er sich dazu überhaupt traut iist er trotzdem chancenlos.


    wäre es da nicht besser gewesen, durch gezieltes, dosiertes eingreifen, den Wind von vorneherein diesen Vätern aus dem Segel zu nehmen?


    denn die positive Grundstimmung zum Trainer war ja von anfang an bewiesen, das zeigt, dass von der Elternschaft in der 1. Halbzeit gar nichts kam.


    im Kinderfussball besteht die Mannschaft nicht nur aus Trainer und Spieler, sondern die Eltern sind ein Bestandteil dieser Mannschaft.


    meine Devise war immer: bevor ich mit einer Mannschaft ruhig nach meinen Vorstellungen arbeiten kann, muss ich Eltern erziehen, überzeugen, also mit ins Boot nehmen.
    dazu kann ich aber nicht knallhart vorgehen, sondern Kompromisse machen um langsam Denkweisen zu verändern.
    dazu muss ich dann aber bereit sein, von der reinen Lehre (zumindest vorrübergehend) abzuweichen und Kompromisse eingehen.
    ich kann die Realität vor Ort einfach nicht ausser Acht lassen.
    und es ist absolut nicht im Interesse der Kinderständig unterschiedliche Ansichten des Trainers und ihren Eltern ausgesetzt zu sein.
    Eltern sind da auch in der stärkeren Position.


    also: was ist Sinnvoll, reine Lehre oder Kompromisse?

  • Die "reine Lehre" ist aus meiner Sicht der Kompass, aber manchmal ist der direkte Weg versperrt, so dass nur ein Umweg zum Ziel führt. Das gilt ja nicht nur im Fussball. Aus meiner sicht lautet die Frage also nicht "Reine lehre oder Kompromiss", sondern eher "Wieviel Kompromiss ist sinnvoll und erträglich?". Denn das muss jeder selbst austarieren.


    Aber Du hast schon Recht: Hier im Forum wird sich oft um genau diese "reine Lehre" engagiert gestritten, auch von mir. Die eigentliche Schwierigkeit ist es aber, diese Lehre dann in der täglichen Praxis umzusetzen. Da trifft man oft auf Randbedingungen (Verband, Verein, Eltern, Spieler...), die eine 100%ige Umsetzung verhindern. Als Trainer muss ich dann Antworten entwickeln, wie ich mit diesen suboptimalen Randbedingungen umgehe, ohne das Ziel vollkommen aus den Augen zu verlieren. Hauptrichtschnur ist für mich dabei, dass die Kinder Spaß am Fussball haben und behalten. Um bei Deinem E-Jugendtrainer zu bleiben: Entweder er schafft es, die Eltern von seinem Stil zu überzeugen (das wäre die reine Lehre). Oder er muss ein Stück weit nachgeben. Da auf Konfrontationskurs zu gehen, ist wenig sinnvoll. Aber auch das sehen andere hier im Forum sicher anders.


    Grüße
    Oliver

  • Ich kann Don Quijote nur beipflichten. Allerdings bin ich der Meinung, dass die Regularien und andere Randbedingungen, die von Seiten der Vetreter des organisierten Fußballsports kommen, vielerorts noch anpassungs- bzw. reformbedürftig sind. Über die in meinen Augen teilweise äußerst rückständigen und, wie ich meine, tatsächlich kinderfeindlichen Verhältnisse, wie sie in meinem Heimatkreis herrschen, habe ich mich ja in letzter Zeit schon zur Genüge geäußert..


    Um auf dein Beispiel zurück zu kommen: Dieser E-Junioren-Trainer hat sich sicherlich insofern ungeschickt verhalten, dass er offenbar zu wenig Kontakt zu den Eltern gepflegt hat. Ich sehe es genau wie du, als Kindertrainer ist es von größter Bedeutung, die Eltern als Unterstützer zu gewinnen, gegen sie geht es nicht. Das heißt dann, sie zu überzeugen. Und auch, sich selbst und seine Meinungen und Einstellungen hinterfragen zu können. Im von dir geschilderten Fall befürchtest du ja, dass dem Trainer von Elternseite die Kompetenz abgesprochen wird. Das lässt sich recht leicht ändern, indem der Trainer sich mal für ein paar Minuten zu den Eltern stellt und das Spiel kommentiert, so, dass es zwar die Eltern hören, die Kinder aber nicht. Eben so, wie es die Eltern untereinander zu tun pflegen. Dann kann er aber auch darauf hinweisen, warum die Kinder einige Sachen nicht tun, auf die sie die Erwachsenen hinweisen. Er kann auch erklären, worauf er achtet und warum. So erkennen dann die Eltern hoffentlich, dass er fachlich kompetent ist, ein Konzept hat, und ihre Kinder kennt.

    "Be yourself; everybody else is already taken." (Oscar Wilde)