Wettkampfvorbereitendes Aufwärmen: Torwart

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  • Hallo zusammen,


    Da ich selber leider viel zu wenig Ahnung vom Torwartspiel habe, wollte ich mal die Frage stellen wie denn das Aufwärmprogramm eines Torwarts vor einem Wettkampf im Idealfall aussehen sollte. Ich beziehe mich dabei in erster Linie auf ältere Mannschaften (D-Jgd aufwärts).

  • @Constantin


    Wenn du deinen Torwart gut aufs Spiel vorbereiten möchtest, dann brauchst du nur auf 3 Dinge zu achten:


    1. Ballgewöhnungsphase
    Das kannst du in etwa mit dem "Warmmachen" vergleichen. D.h. du gibst dem Torwart einfache Aufgaben mit dem Ball (z.B. Ball hochwerfen und fangen). Er sollte sich dabei entweder frei im Raum bewegen oder in eine Richtung laufen. Wenn du 2 Keeper hast, dann mach eben ein paar Partner-Ballgewöhnungsübungen (z.B. Partner laufen in eine bestimmte Richtung und werfen sich den Ball zu). Der erste, einfache Teil soll lediglich ein wenig vom "Alltag" ablenken, während der 2. Teil ein wenig die Konzentration auf die kommenden Aufgaben richten soll. Hier kann man z.B. den Keeper die Aufgabe stellen, den Ball mit einer Hand zu fangen oder schon ein wenig Zeitdruck und Ballgewöhnung kombinieren (z.B. 2 Bälle gleichzeitig hochwerfen und fangen). Hast du 2 Keeper, dann kannst du jeweils 2 Bälle gleichzeitig zuwerfen lassen.
    Natürlich gibt es noch ein paar hundert Möglichkeiten mehr. Es sollen lediglich Beispiele genannt werden, an denen man sich orientieren kann.


    2. Routine und Sicherheit für typische Defensiv- und Offensivszenen schaffen
    Als typische Defensivaufgaben kann man mit dem Keeper in das Aufnehmen flacher Bälle sowie das Fangen halbhoher und hoher Bälle starten. Der TW soll den Ball nicht einfach nur zurück werfen, sondern als Offensivaufgabe entweder Rollen, seitlich oder über Kopf präzise zurück werfen. Neben der "Handarbeit", die je nach Leistungsfähigkeit des Keepers eine größere Schwierigkeitsbreite erreichen kann, ist auch die "Fussarbeit", also Ballverarbeitung für einen mitspielenden Keeper ein Standardelement. Hier kann man zunächst einen Ball zirkulieren lassen und den Schwierigkeitsgrad erhöhen, in dem 2 Bälle gleichzeitig zirkuliert werden sollen. Hierbei wird der Keeper aufgefordert, den rechten wie den linken Fuß zum zurückpassen einzusetzen. (Er würde es sonst auch nicht hinbekommen, wenn er nur einen Fuß benutzt).
    Natürlich gibt es auch hier jede Menge Übungen, die je nach Leistungslevel eine Routine-Sicherheit für die kommenden Aufgaben schaffen soll. Wichtig ist, dass es sich hierbei um Szenen handelt, die häufig im Spiel vorkommen. (Mal ein Beispiel, was man nicht braucht: der Torwart sitzt auf dem Boden und der Trainer wirft im Bälle zu. Im Spiel sollte ein Torwart nicht in sitzender Position auf einen Ball warten. Deshalb eignet sich diese Übung nicht für die Wettkampfvorbereitung)


    3. Mentale Vorbereitung
    Für die Stufen 1. und 2. sollte man nicht ständig wechselnde Aufgaben, sondern solche Inhalten bereithalten, die der Torwart gut bewältigen können. Denn eine Wettkampfvorbereitung ist keine Expierimentierphase, in der er neue Fähigkeiten erwerben soll. Das würde ihn eher verunsichern. Wichtig zur Konzentrationsvorbereitung ist aber auch, dass alles in Ruhe abläuft und der Torwart nicht abgelenkt wird. In kurzen "Trinkpausen" kann man dem Keeper 2 - 3 Aufgaben mitgeben, auf die er im Spiel besonders achten soll.


    3.1. Umgang mit Nervösität
    Eigentlich sollte nach dem Programm gar keine Nervösität mehr vorhanden sein. Vielmehr soll sich der Keeper auf die kommenden Aufgaben freuen. Sollte es dennoch vorkommen, fragt man ihn, was ihn heute besonders beunruhigt. Fast immer kann der Trainer eine positive Antwort darauf geben. Es gibt jedoch auch typische Formen von Nervösität. Bei "Anfangsnervösität" sagt man dem Keeper, dass diese Nervösität sowieso nach den ersten Minuten oder dem 1. Ballkontakt weg ist. Bei vermuteter länger andauernder Nervösität bittet man den Keeper sich an eine Siutation zu erinnern, die er vorher als schwierig empfand, jedoch meisterlich gelöst hat.


    4. Abschluß der Vorbereitung und Wettkampfbeginn
    Als Symbol für den Abschluß der Wettkampfvorbereitung sollte man ihm in 1 - 2 Sätzen Glück und Spaß fürs Spiel wünschen.


    5. Zeitrahmen
    Das Aufwärmen sollte 10 - 15 Minuten dauern. (je nach Alter steigert sich die Zeit auf ca. 30 Minuten)


    Sonstiges:
    1. Nach längeren Auswärts-Fahrten
    Zerrungen oder Muskelverhärtungen kommen in dieser Altersgruppe eigentlich nicht vor. Dennoch kann es nach längerer Fahrt von Vorteil sein, wenn der Keeper zunächst seinen Kreislauf ein wenig in Schwung bringt, indem er im Torraum seitlich langsam startend immer mehr Tempo aufnimmt und die letzten 20 Meter sprintet. Die Anstrenung ist dann O.K., wenn der Keeper nach 20 - 30 Sekunden soweit regeniert hat, dass es mit einfachen Ballgewöhnungsübungen losgehen kann.



    2. Torschuß als Mannschaftsübung
    Der Torschuß als Mannschaftsübung gehört nicht zum Aufwärmprogramm des Torwarts, sondern der Spieler. Dies sollte man seinem Keeper auch so erklären. Zwar lobt fast kein Torwart seinen Schützen, wenn er besonders plaziert erfolgreich ist, dennoch soll der Keeper sich keineswegs dadurch verunsichern lassen.
    Hat man mehrere Keeper, dann sollte man nach ca. 5 Torschüssen den Torwart wechseln. Hat man einen Keeper, dann gibt man ihm die Info, dass er sich die Bälle aussuchen soll, die er gerne erfolgreich abwehren möchte, damit er nicht zu sehr ermüdet und seine Entscheidung weitere Bälle abwehren zu können, verliert. Sollte er dennoch ermüdet sein, bittet man ihn bis zum 5-er vorzurücken, um dann die meisten Bälle in Körpernähe abwehren zu können. Aber es ist nicht geplant, dass der Keeper sein Team dadurch nervös macht, dass er sämtliche Bälle erfolgreich abwehrt. Auch ist nicht geplant, dass er zu Beginn nach jedem Ball hechtet, rasch ermüdet und Mannschaft wie Trainer dadurch nervös macht, weil er aufgrund starker Ermüdung keinen Ball mehr bekommt. Gerade dieser Teil macht vielen Torleuten Probleme, weil Mannschaftstrainer häufig zu wenig Hintergrundwissen über die Möglichkeiten des Torwarts in dieser Phase besitzen. Auch ist die Distanz zum Tor von signivikanter Bedeutung. Ist die Distanz zu groß, langweilt sich der Keeper und es schwindet ein Teil der Konzentration aus dem Aufwärmprogramm wieder. Ist die Abschlußdistanz zu kurz, ist der Torwart häufig chancenlos. Deshalb hassen manche Keeper den Torschuß als Mannschaftsübung.


    3. Warum kein Dehnen oder Stretchen?
    Zunächst einmal sollte dieser Bereich ausschließlich von Fachpersonal (z.B. Physiotherapeuten) aus medizinischer Notwendigkeit (z.B. Rückenprobleme) durchgeführt werden. Fussballtypische Denbewegungen macht der Keeper im Aufwärmprogramm, sodass sie seeriert gar keinen Sinn machen.


    4. Aufwärmen als Unterstützung.
    Das Aufwärmen des Torwarts vor dem Wettkampf ist ein wichtiges Element, weil auch der Keeper eine gute Unterstützung benötigt, um im Spiel erfolgreich zu sein. Durch ein effektives Aufwärmen kann die Torwartleistung im Spiel deutlich gesteigert werden. Wenn dann die "Null" am Ende des Spiels steht und der Torwart zum Held avanciert hat, dann darf sich auch der Trainer, die ihn so exelent darauf vorbereitet hat, ein stückweit darüber freuen.


    5. Was macht ein Trainer, wenn es trotz gutem Routineprogramm im Spiel nicht klappt?
    Diese grundsätzliche Frage sollte einmal geklärt werden, damit man sich darüber nicht von Spiel zu Spiel unterhalten muß. Generell sollte nichts ins Spiel hineingerufen werden, damit sich der Torwart voll und ganz auf seine Aufgaben im Spiel konzentrieren kann. Was noch nicht sicher klappt wird notiert und in die nächste Trainingseinheit integriert. Wenn jedoch durch einfachste Fehler gleich in der Anfangsphase des Spiels mehrere Gegentore kassiert werden, dann ist der Keeper natürlich stark verunsichert. Er benötigt 2 einfache Coaching-Hinweise. Erstens soll er sich nicht aus der Ruhe bringen lassen (Konzentration wieder hoch halten), zweitens soll er sich an den korrekten Bewegungsablauf (Nennung) aus der Routine erinnern. Je nach Torwarttyp kann der Trainer das Signal (z.B. Achselzucken) oder sehr unruhiges Verhalten statt Positionsanpassung erkennen.


    6. Kommunikation über "Torwart-Sprache"
    Im TW-Training und dem Aufwärmprogramm wird dem Torwart eine "Torwartsprache" vermittelt. Es handelt sich hierbei um Definitionen für korrekte Bewegungsabläufe. Selbst, wenn der Torwart in einem Spiel sehr wenig zu tun hat, sollte man ihn dann zur eigenständigen Bewegung auffordern, wenn er bei kaltem Wetter zu lange auf einer Position ("Zuschauermodus") verharrt.


    Sollte für den einen oder anderen nun der Eindruck entstanden sein, dass er selbst damit überfordert wäre, so kann ich ihm entgegen: genauso wie sich ein Kind irgendwann für die Torwartposition interessiert, startet auch eurer Ehrgeiz mit dem Interesse an Torwarttrainer-Aufgaben. Denn sobald ihr erkennt, welche Vorteile dadurch entstehen wird der Wunsch darüber mehr zu erfahren geweckt werden.


    Viel Spaß dabei!