Hallo TomGB
man sollte im absoluten Amateurbereich mit entsprechenden Rahmenbedingungen m.E. danach schauen, ein Spielsystem zu entwickeln dass sich sehr nach den Stärken der eigenen Spielern richtet und nach realistischen Umsetzungsmöglichkeiten und nicht nach einem Ideal.
Da bin ich absolut bei dir. Es bringt m.E. wenig, eine Spielidee durchdrücken zu wollen, wenn die Spieler/-innen dazu nicht vorhanden sind.
Die Spielweise, die du beschreibst, erinnert mich an den früheren Libero mit zwei Manndeckern und davor zwei Vorstoppern. Der beschriebene Effekt von deutlich weniger Gegentoren ist nachvollziehbar, 6 defensive Spieler, ein dichtes Zentrum, da haben es die sicher auch spielerisch limitierten Gegner (nicht böse gemeint) natürlich schwer Tore zu erzielen. Die von dir beschriebenen offensiven Probleme sind aber auch damit teilweise erklärbar. Die Außen (von dir 8er genannt) müssen die Bahn allein beackern, du möchtest sie zudem bei eigenem Ballbesitz auch noch in die Mitte verschieben. Somit verbleiben dir eig. nur 4 Offensive. Diese sollen dann, weil es dir an durchsetzungsstarken Stürmerinnen fehlt, im Verbund agieren. Schwierig, weil du keine Überzahlsituationen schaffen kannst.
Meine Frage ist: was ist dein Ziel? Willst du irgendwie die Klasse halten oder willst du die Mannschaft spielerisch in eine gewünschte Richtung entwickeln? Wenn es um den Klassenerhalt geht, würde ich beim Libero bleiben. Ich kenne selbst in der 7. Liga (das ist immerhin Bezirks- bzw. Verbandsbereich) Männermannschaften, die noch mit Libero spielen. Ein gute Achse Keeper-Libero- zentr. MF - Stürmer reichen dafür. Eine gute Stürmerin hast du ja zumindest in Aussicht. Wenn deine Mannschaft diese Variante gut spielt und damit zufrieden ist, dann kann man es dabei belassen. Klare Aufgabe - jede hat ihre Gegenspielerin, das funktioniert (offensichtlich auch bei deiner Mannschaft) oft besser, als eine schlecht gespielte ballorientierte Verteidigung.
Wenn du hingegen die Mannschaft perspektivisch entwickeln möchtest, dann kann ich dir nur empfehlen, von der Liberovariante weg zu gehen.
Die Verschiebe- und Kettensysteme im höherklassigen Bereich, die z.B. auf dem 4-Phasen-Modell beruhen, können m.E. nur funktionieren, wenn man ein hohes Maß an Eingespieltheit erreichen kann durch Training, viele Testspiele, wenig Spielerfluktuation im Spielbetrieb.
Diese Argumente höre ich immer wieder. Ich habe einen Kumpel, der seit vielen Jahren eine Männermannschaft in der 8. Liga trainiert. Bis letzte Saison immer mit Libero. Auch hier kamen die Argumente: Schichtarbeiter, Studenten, Wochenenddienste, durchwachsene Trainingsbeteiligung. Im Sommer konnte ich ihn endlich überzeugen, mit der Vorbereitung umzustellen. Grundlagentraining Viererkette, ein paar Einheiten Theorie, ein paar Lehrvideos. Wichtig: in den Testspielen nur das Defensivverhalten gecoacht, Ergebnisse waren egal. Und schwupps, nach 5 Wochen war von außen erkennbar, was die Mannschaft spielen will.
Elementar ist aus meiner Sicht, dass du die gesamte Mannschaft überzeugen musst im Verbund zu arbeiten. Ein Hauptfaktor, warum das ballorientierte Verhalten häufig nicht funktioniert, ist aus meiner Sicht die fehlende Mitarbeit der Offensiven. Die mussten ja früher überspitzt gesagt keine Defensivarbeit verrichten, keine Wunder, dass sie oft kein Interesse an der stärkeren Laufarbeit haben. Natürlich kommen dann Abstimmungsproblem dazu, wer attackiert, wer sichert nur ab, wer verschiebt wohin. Mit den vier Grundbewegungen Höhe halten, Fallen lassen, Hoch schieben und seitliches Verschieben, kannst du aber einen Großteil der regelmäßigen Spielsituationen trainieren. In den unteren Klassen hast du doch selten ein Kombinationsspiel mit hohem Tempo gegen dich, so dass der Verbund auseinandergespielt wird. Ergo hat die verteidigende Mannschaft doch relativ viel Zeit zu reagieren (Fallen lassen, seitliches Verschieben z.B. bei langen Bällen). Gerade die beschriebene Situation, dass in den unteren Klassen meistens einige wenige Spieler entscheidend sind, würde ich als Argument pro ballorientierte Verteidigung deiner Mannschaft vermitteln. Durch Überzahl gegen den Ball lässt sich die Situation doch eher lösen, als im 1 gegen 1. Weiteres pro Argument: eigene Überzahl schaffen auf den Außen. Bei deiner aktuellen Grundordnung kommst du praktisch nie in die Situation, zwei Spielerinnen auf außen zu haben. Bestenfalls bist du im 1 gegen 1, häufig dürfte es jedoch ein 1 gegen 2 sein. Da deine Außen auch mit nach hinten arbeiten müssen, ist absehbar dass dann wenig Torgefahr entsteht, weil irgendwann die Kraft ausgeht und darunter die Genauigkeit leidet. Auch deine neue Stürmerin ist auf Zuarbeit angewiesen.
Vielleicht war es jetzt ein bisschen allgemein, wir können gerne Details diskutieren.