Mentala
Es war nicht nur meine eigene Wahrnehmung, sondern auch die von vielen anderen im Verein. Es gibt nicht eine einzige gute Sache, die man aus dieser Zeit mitnehmen kann. Im Gegenteil, es wurde kein Selbstbewußtsein aufgebaut, sondern zerstört. Und das nicht nur bei meinem Sohn, sondern auch bei anderen Kindern, die ihm nicht sympathisch waren. Alles was er tat, hatte überhaupt kein System, weder im Training noch im mentalen Bereich. Als ein Konflikt in der Mannschaft zwischen 2 Spielern entstand, hat er noch nicht mal mit den beiden darüber geredet sondern weiter laufen lassen. Wäre seine Methode erfolgreich, hätte er es ja wenigstens bei seinem eigenen Sohn geschafft. Das klingt jetzt wieder sehr nach beleidigten Eltern, aber es ist die Wahrheit. Natürlich war es in unserem Fall der fußballerische Supergau, da er ja gleichzeitig unser Trainer war.
Sportpsychologie kann man - soviel ich weiß - erst seit etwa 4 Jahren nur an einer Universität in Deutschland studieren. Das ist dann aber ein Studium, das Jahre dauert und ich kann mir vorstellen, dass diese Absolventen auch fundiert arbeiten können.
Ich finde es aber wirklich gefährlich, wenn Mentaltrainer oder Sportpsychologen, die ihre Ausbildung in Wochenendseminaren absolviert haben, auf Kinder oder Jugendliche (gerade Pubertät ist sehr kritisch) "losgelassen" werden. Dadurch, dass Mentaltrainer und Sportpsychologen gerade sehr in Mode sind, stehen diesen alle Türen offen. Es wird meistens nicht überprüft, ob hinter dem Titel eine wirkliche Qualifikation und Eignung für den Jugendbereich steht. Und auch die Karriere unseres Ex-Sportpsychologen geht immer weiter. Immer wenn sein Blendertum auffällt, ist er schon wieder eine Stufe weiter,
Ich glaube nicht, dass man im normalen Kinder- und Jugendtraining einen Mentalcoach oder Sportpsychologen braucht. Aus Elternerfahrung (2 fußballspielende Söhne) weiß ich, dass fähige Trainer ihre Begeisterung sehr leicht an Kinder und Jugendliche weitergeben können und diese dann auch bereit sind, alles zu geben. Die Kinder bekommen Sicherheit und nur dann können sie ihre Leistung auch wirklich abrufen. Trainer unterschätzen oft, wieviel sie alleine durch ihr Verhalten den Spielern gegenüber bewirken können. Wenn man einen Trainer mit gesundem Menschenverstand hat, braucht man meiner Meinung nach in den unteren Spielklassen keinen Mentalcoach. Mein jüngster Sohn spielt jetzt seit 2 Jahren ohne direkten Kontakt zu einem Mentalcoach oder Sportpsychologen in der jeweils höchstmöglichen Liga seiner Altersstufe und es ist besser als vorher.
Sinnvoll finde ich einen Mentalcoach - wie jetzt in unserem Verein - bei der Wiedereingliederung von Langzeitverletzten. Wenn das dann noch ein wirklich netter Typ ist, der sehr engagiert ist, ist das eine tolle Sache. Ich will nicht abstreiten, dass es auch gute Sportpsychologen gibt. Aber nach anfänglicher Begeisterung und wirklich eingehender (aufgrund eigener Betroffenheit) Beschäftigung mit diesem Thema sehe ich das alles etwas differenzierter.