Wir hatten das Thema hier schonmal relativ groß und ich möchte als "Insider" nochmal die wichtigsten Punkte dazu ausführen:
1. Dem DFB wurde die Änderung der Lizenzstruktur von der UEFA "nahegelegt", da man den anderen Nationalverbänden unter dem Dach der UEFA was die Trainer*innen-Ausbildung angeht deutlich hinterher hing.
2. Mit der Änderung der Lizenzstruktur werden die einzelnen Stufen aufgewertet und spezifiziert. Zuvor musste man von der B-Lizenz, die inhaltlich eher auf den mittelklassigen Amateurbereich der Senioren ausgelegt war, über die Elite-Jugend-Lizenz, die inhaltlich auf hochklassigen Juniorenfußball ausgelegt war, zur A-Lizenz gehen, die wiederum inhaltlich auf hochklassigen Amateurfußball der Männer (Ober- und Regionalliga) sowie den Profibereich bei den Frauen ausgelegt war.
Das heißt: Selbst wenn man wusste, dass Jugendfußball nichts für einen ist, musste man zwangsläufig eine Lizenz für diesen Bereich erwerben, um schließlich in den Bereich vordringen zu können, in dem man eigentlich arbeiten will.
Daher gibt es nun die zwei Aufgänge mit B auf A auf Pro (Karriere im Seniorenbereich) und B auf B+ auf A+ (Karriere im Juniorenbereich).
Durch das alte System gab es viel zu viele Trainer*innen, die mit Elite-Jugend-Lizenz nicht im Jugendbereich tätig waren, sondern sich irgendwo im gehobenen Amateurfußball der Herren herumtrieben, während A- und B-Lizenz-Coaches sich im Nachwuchsbereich engagiert haben. Daher gibt es nun auch die "besonderen Zulassungsvoraussetzungen". Willst du die B+ Lizenz machen, lauten die logischerweise unter anderem: "Nachweis über mindestens zwei volle Jahre Tätigkeit als Trainer im Juniorinnen oder Juniorenbereich, davon eine mindestens einjährige Tätigkeit als Trainer seit Beginn der B Lizenz-Ausbildung
- als Cheftrainer einer Juniorenmannschaft ab der U 12 mindestens in der zweithöchsten Landesspielklasse,
- als Cheftrainer einer Juniorinnenmannschaft ab der U 12 der höchsten Landesspielklasse,
- als Cheftrainer einer Juniorenmannschaft ab der U 9 bis U 11 in einem Verein mit Leistungszentrum,
- als Assistenztrainer einer Juniorenmannschaft ab der U 12 im Leistungszentrum eines Vereins oder
- als DFB-Stützpunkttrainer (auf Probe)"
So soll sicher gestellt werden, dass wirklich "Spezialisten" auf ihrem Gebiet ausgebildet werden, die für den entsprechenden Altersbereich brennen. Diese können dann auf ihrer Stufe fortan in Weiterbildungen in die "Breite" investieren und dadurch weitere Credits sammeln sowie regelmäßig neuen Input abholen, den sie sich sonst vielleicht vom Sprung auf die nächste Stufe erhofft hätten.
3. Ausbildungsdauer und Kosten der Lizenzen: Eine Trainerlizenz von gewisser Höhe kann dich dazu befähigen, hauptamtlich im Fußball zu arbeiten. Der DFB vergleicht das neue Lizensierungssystem mit einer Berufs- und Hochschulausbildung, die ebenfalls auf einem Mix aus Theorie und praktischer Anwendung beruht und sehr viel mehr Zeit beansprucht, als es die "alte Trainerschule" tat. Mit den richtigen Kontakten und einem schönen Lebenslauf konnte man locker innerhalb von 2 Jahren von unlizensiert zu Pro-Lizenz aufsteigen. Im normalen Berufsleben undenkbar und sicherlich kein Gütesiegel für Qualität.
Ich verstehe den Unmut vieler, die sich durch die Umstrukturierung benachteiligt fühlen und ihren Traum vom Trainerdasein mit hoher Lizenz in einem bedeutenden Verein schon platzen sehen. Natürlich sind die neuen Voraussetzungen erstmal ein schwerer Brocken - von den Preisen ganz zu schweigen. Es wird auch sicherlich seine Zeit dauern, bis all die Vorteile der neuen Struktur zum tragen kommen. Aber für den deutschen Fußball ist die Umstrukturierung ein wichtiger Schritt, um die Qualität der Trainer*innen nachhaltig zu verbessern, zu sichern und somit auch die bestmögliche Ausbildung des Nachwuchses zu gewährleisten.
Ich denke es ist wichtig für alle zu verstehen, dass eine Lizenz allein noch keinen guten Trainer ausmacht. In der Vergangenheit war es viel zu einfach schnell an eine hohe Lizenz zu kommen und sich in eine verantwortungsvolle Position zu bringen, der man vielleicht noch gar nicht gewachsen war. So ist dieses Bild von "ich muss unbedingt meine nächste Lizenz machen" auch erst entstanden. Ich saß im A-Lizenz-Lehrgang mit Kollegen, die noch nicht eine Saison mit einer eigenen Mannschaft gearbeitet haben. Die hätten aber theoretisch offiziell die Möglichkeit kommende Saison mit einer Frauen-Bundesligamannschaft in der Champions League zu spielen. Solche Konstellationen mussten einfach eliminiert werden und ich bin froh, dass das passiert ist.
Nun zu deinen Fragen:
- Wie viele Bewerber gibt es Jährlich auf die B+ Lizenz bzw. früher Elite Lizenz ?
Das ist natürlich Verbandsabhängig. Größere Verbände, wie die des WDFV können auch mehr Lehrgänge anbieten. Im DFBnet kannst du dir da relativ schnell einen Einblick verschaffen und siehst auch direkt, ob es noch Plätze gibt oder nicht. Es wird mit rund 15-20 Teilnehmer*innen pro Lehrgang gerechnet. Wenn du zufällig in der näheren Umgebung einer Universität mit Lehrstuhl für Sportwissenschaften kommst, lohnt es sich auch da mal nach einem Kooperations-Projekt Ausschau zu halten (nein, du musst kein eingeschriebener Student sein). - Was glaubt ihr wie viel Punkte man ca brauch um zu diesen Lehrgängen zugelassen zu werden ?
Überleg' mal, wer diese Lizenz überhaupt noch braucht. Die meisten Bewerber werden wohl mit den 0,5 Punkten pro Saison bei Trainererfahrung auskommen müssen. Auch bei der Spielererfahrung wird der Großteil der Bewerber zwischen 1 und 0,5 Punkten pro Saison bekommen. Die richtig dicken Punkte gibt es ja erst bei relevanter Bildung und das hat man ja auch irgendwo selbst in der Hand. Und auch hier ist die Frage: Wie viele Absolventen eines Masters in Sportwissenschaften werden sich auf den Lehrgang bewerben und 15 Punkte auf den Tisch legen? Ich denke hier werden die meisten Bewerber zwischen 5 und 10 Punkte bekommen. Daher halte ich eine Gesamtpunktzahl zwischen 7 und 10 für eine durchaus realistische Zulassungsvoraussetzung. - War eurer Meinung nach das alte oder das neue System besser ?
Beides hat Vor- und Nachteile. Auf lange Sicht wird sich die Umstrukturierung auszahlen. Für alle Beteiligten. - Wie seht ihr den Fairnessaspekt in der Vergabe für Spielererfahrung und Trainererfahrung ?
Da sollte nochmal nachgebessert werden und ich weiß, dass das auch passieren wird. Trainererfahrung wird aufgewertet und/oder gesondert berücksichtigt. - Glaubt ihr das Spieler die <= Oberliga gespielt haben noch eine reale Chance haben in diese Lehrgänge zu kommen bzw. dass es nicht nur zwei bis drei pro Saison gibt die zu den Fortbildungen zugelassen werden ?
Definitiv. Bedenke, dass längst nicht jeder, der Fußball spielt auch im Anschluss noch Trainer werden will. Da muss man Typ für sein, das muss man wollen. Gerade im gehobenen Amateurfußball, also alles zwischen Landes- und Regionalliga, gibt es meiner Ansicht nach nicht die meisten solcher Typen. Die Spieler dort wollen solang es geht mit ihrem Hobby so viel Geld wie möglich neben Job und Uni verdienen. Ans Trainer werden denkt da nur ein geringfügiger Bruchteil. Von den Profis brauchen wir gar nicht erst anfangen. Dass Sandro Wagner, Sascha Mölders und Kevin Großkreutz aktuell Deutschlands prominentesten Newcomer-Trainer sind, sagt glaub ich alles.