Ist der Fussballsport ab U16 zu gefährlich (ohne vernünftige Ausbildung)

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  • Ich habe in einem Parallelthread eine Anmerkung erhalten, die mich als einfacher C-Lizenz-Inhaber mit gelegentlichen Weiterbildungen über einen Punkt diskutieren lässt, der mich seit letztem Wochenende umtreibt. Ein User hat angemerkt, dass ab B-Jugend ein strukturiertes Stabilisations- und Koordinationstraining unbedingt notwendig ist. Sonst wird die Verletzungsquote hoch gehen. Ich weiss nicht, wie es anderen geht, aber ich als einfacher Ehrenämtler bin da bestimmt nicht ausreichend instruiiert. Ich mache Übungen zu fussballerischen Themen, ich suche mir auch viel zusammen und mach mich schlau, ich gehe gelegentlich zu Weiterbildungsmaßnahmen, aber bei solchen Themen hört mein KnowHow jenseits des Fifa11Plus schnell auf.


    Passenderweise (und ausgesprochen traurig) musste ich am letzten Spieltag leider erleben, dass einem meiner Spieler genau diese Unkenntnis zum Verhängnis wurde. Im Spiel habe ich nicht erkannt, dass der Spieler nur durch sein Adrenalin eine Verletzung verdrängt hat, nach 15 Minuten Erholungspause nach einem kleinen Stolperer habe ich Ihn wieder auf's Feld geschickt. Es kam wie es kommen musste, ein falscher Schritt, umgeknickt, Knie kaputt. Ein Trainer mit entsprechender Ausbildung hätte das erkannt, ich habe das Know-How leider nicht. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass ich damit alleine stehe.


    Deshalb: Welche Übungen sind in welcher Altersklasse gute Maßnahmen, welche Intensität und welche Wiederholrate sind gut, um hier zumindest im Rahmen des Möglichen vorbeugen zu können? Welche DFB-Schulungen sind da gut? Gibt es Diagnostik-Methoden, um so etwas zu erkennen. Es könnte ja auch eine Regel sein, dass man grundsätzlich keine Spieler wieder auf das Feld schickt, die aufgrund einer Verletzung (Ihr wisst was ich meine, umgeknickt, Pause, geht schon wieder....) vom Feld gekommen sind.


    Grundsätzlich könnte man auch sagen, dass Fussball ab einer bestimmten Gewichtsklasse für Trainer ohne eine entsprechende Ausbildung einfach zu gefährlich ist?

  • „Grundsätzlich könnte man auch sagen, dass Fußball ab einer bestimmten Gewichtsklasse für Trainer ohne eine entsprechende Ausbildung einfach zu gefährlich ist?“ – Die einzig richtige Antwort ist ein ganz klares: JEIN!


    Zunächst ist es seltsam, eine bestimmte Alters- oder Gewichtsklasse zu wählen, ab der man dieses oder jenes gesondert trainiert. Das gilt für technisch-taktische Aspekte ebenso wie für athletische. Zumal Technik, Taktik und Athletik ohnehin ganzheitlich betrachtet werden sollten (https://www.trainertalk.de/fus…ungen-vs-spielformen-pdf/). Grundsätzlich lässt sich sagen, dass über passende Spielformen sowohl Stabilisation als auch Koordination simultan und ganzheitlich trainiert werden können. Spielformen in engen Räumen führen bspw. zwangsläufig zu vielen Zweikampfsituationen, in denen die fußballspezifische „Zweikampfkraft“ sowie die dafür spezifische Koordination automatisch mittrainiert werden.


    Das FIFA11+ ist zwar ein gutes Mittel, gewissen Verletzungen vorzubeugen bzw. die Verletzungsanfälligkeit zu minimieren – was mehrere Studien belegen (siehe Anhang) – aber es ist ein reines Erwärmungsprogramm. Dabei sollte schon die richtige Trainingssteuerung dafür sorgen, dass die Spieler einerseits ganzheitlich ausgebildet werden und andererseits möglichst vor Verletzungen verschont bleiben. Eine sehr gute Methode dafür ist die taktische Periodisierung/tactical periodization (http://spielverlagerung.de/2015/07/11/trainingssteuerung/), die ihren Ursprung in Portugal hat und von Trainern wie Jose Mourinho oder AVB angewandt wird. In Verbindung mit FIFA 11+ kann man nicht viel falsch machen. Leider wird die takt. Perio in Deutschland kaum vermittelt.


    „Ein Trainer mit entsprechender Ausbildung hätte das erkannt“ – Das denke ich nicht. Es gibt sogar auf höchstem Niveau Trainer, die das selbst nicht einschätzen können und/oder gar ignorieren. Man benötigt schon entsprechende Experten, die da ein Auge drauf haben. Für den Amateurbereich bleibt einem nichts anderes übrig, als Spielern auch mal eine Pause zu geben, wenn man merkt, dass sie einer hohen Belastung ausgesetzt sind. Und wenn sie chronische Schmerzen in Gelenken und/oder Muskeln haben, ist das regelmäßig ein Zeichen für eine drohende Verletzung. Somit muss auch hier auf eine ausreichende Erholung des Spielers geachtet werden.

  • Ich mache "Movement Preps" (siehe youtube): in der Vorbereitung 2mal die Woche alle Übungen, während des Spielbetriebs einmal pro Woche, dann auch manchmal nicht alle Übungen. Hinzu kommt Laufschule (Auch Tanner-Speed 8), wo wir ebenfalls auf die korrekte Ausführung (soweit wir das als Laien anhand von youtube-Videos beurteilen können) achten.


    In 3 Jahren B-Jugend (sowohl Mädchen- als auch Jungenmannschaften habe ich ziemlich wenig Verletzungen im Trainingsbetrieb. Auch im Spielbetrieb hält es sich nach meiner persönlichen Einschätzung in Grenzen. Verletzungen meiner Spieler haben eher mit Vorgeschichte zu tun (wenn Spieler "schon immer" Probleme mit dem Knie hatten) oder holen sie sich beim Schulsport.

  • Es wird vor der B-Jugend oft keine vernünftige Grundlage gelegt. Wie oft sieht man die so viel gepredigten Fangspiele denn tatsächlich auf den Plätzen? Wie oft wird mit fußballfremde Sportarten das Training erweitert, außer ab und zu mal eine Runde Handball-Kopfball?
    Es gibt hier D-Jugendspieler, die gute Fußballer sind, die ganz komische Laufabläufe haben und diese sind nicht mit einem individuellen Körper zu entschuldigen. Es wird getrampelt und unrhythmisch mit den Armen gependelt. Die meisten F-Jugendspieler die ich so sehe können einen Ball nicht mal vernünftig in den Fuß werfen.
    Ich habe letzten Winter in der Halle feststellen müssen, dass es nicht wenige 10-Jährige (!!!) in meiner Mannschaft gibt, die keine vernünftige Rolle vorwärts hinbekommen, geschweige denn eine rückwärts. Das sind zwar alles nur Anekdoten, aber was sind denn eure Erfahrungen damit?
    Ich bin auch der Auffassung, dass es für eine gesunde sportliche Zukunft unausweichlich ist in der Kindheit eine Breite an koordinativen Fertigkeiten zu erlernen, leider ist das immer seltener der Fall. Stattdessen wird mit F-Jugendlichen im Training nur Fußball gespielt.
    Dazu kommt noch, dass bis auf ein Alibi-Aufwärmprogramm in den älteren Jugendmannschaften kaum auf Prävention geachtet wird. Oft ist ein Eckle und ein kurzes Lauf-ABC das höchste der Gefühle…


  • Grundsätzlich könnte man auch sagen, dass Fussball ab einer bestimmten Gewichtsklasse für Trainer ohne eine entsprechende Ausbildung einfach zu gefährlich ist?

    Ein Trainer mit einer Lizenz hat grds. Vorteile. Aber man kann auch ohne Lizenz ein guter Trainer sein. Es gibt im Internet sehr viele Hilfe für Trainingseinheiten für jedes Alter.


    Empfehlenswert sind die Bücher vom DFB Jugendfussball - Ausbilden mit Konzept Band 1, 2 und 3 oder das Online Training vom DFB.


    Wegen der Verletzung: Erstmal wünsche ich Deinem Spieler gute Besserung. Aber mach Dir bitte keinen Kopf, dass hätte jedem Trainer (mit/ohne Lizenz) passieren können.

    Talent kommt von Gott, sei dankbar.
    Lob kommt vom Menschen, sei demütig.
    Einbildung kommt von dir selbst, sei vorsichtig.
    (Spruch eines amerikanischen Football Trainers)