Ist Nachwuchsförderung im deutschen Fußball sportlich und finanziell rentabel?

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  • let1612

    Das wüsste ich auch gerne. Ich werde mal versuchen meinen Ansprechpartner im HSV KPT Ost darauf anzusprechen.


    Diese Perspektivteams wählen ab der U9 Kinder aus, das müssten bei 4 KPT insgesamt etwa 80-100 Kinder ab derzeit Jg. 2015 sein, die durch Scouting / Spielbeobachtung zu dem KPT Training alle drei Wochen eingeladen werden.


    KPT Ost trainiert direkt nach meinen Mannschaften auf dem gleichen Platz.


    Was der Mehrwert in einer strukturstarken "Region" sein soll, erschließt sich mir bis jetzt noch nicht.

  • Man kann natürlich alles ins Lächerliche ziehen.

    Oder der Realität ins Auge sehen. Wie selektieren die "Leistungsvereine" heute bei einer U9? Welche Talentkriterien werden da herangezogen?

    Ich kann mir ehrlicherweise nur vorstellen, dass die schnellsten und ballsichersten dort gewählt werden.

    Bei uns in der F gibt es da auch gerade 2 Fälle. Aber ob man in so frühen Jahren schon scouten muss, erschließt sich mir überhaupt nicht.

    Die Eltern und Kids werden reihenweise verrückt gemacht...

  • Aber ob man in so frühen Jahren schon scouten muss, erschließt sich mir überhaupt nicht

    Scouten ist das eine - Selektieren das andere. Es gibt Vereine, die sagen sie haben 10 Plätze für diese Mannschaft und 20 Kinder, die teilnehmen wollen. Wie werden die Plätze vergeben?

    Und in Richtung Alter gehen die Meinungen auch auseinander ;)

    Vielleicht für den einen oder anderen interessant:

    Erfassung und Validierung der subjektiven Talentkriterien von Fussballtrainern unter Verwendung eines konstruktivistischen Ansatzes (Nina Jokuschies)

  • Oder der Realität ins Auge sehen. Wie selektieren die "Leistungsvereine" heute bei einer U9? Welche Talentkriterien werden da herangezogen?

    Wir haben in dem Alter noch keine Teams.
    Fangen idR erst ab U11 an, für U10 (und teilweise U9) haben wir selber ein Talente-Team (eigentlich ist das eher ein Angebot, dass die Spieler regelmäßig, 2x die Woche bei uns zusammen trainieren)
    idR guckt man aber in dem Alter auf Bewegungstalente. Welche Jungs sind flink unterwegs, können das auch mit dem Ball zeigen. Technik ist da teilweise zweitrangig, kann man in dem Alter noch gut trainieren, muss halt etwas Begabung dafür haben.
    Taktisch müssen die eigentlich nichts können. Was positiv natürlich immer auffällt, wenn die Kids in dem Alter am Spiel auch ohne Ball aktiv teilnehmen. Haben sie schon einfache Abläufe im Kopf (Spiel & Geh'n).

    Wir haben in den Ferien immer Fußball-Camps bei uns selber vor Ort, da fallen immer mal wieder 7-8 Jährige auf, die genau sowas zeigen. Können sich gut bewegen (müssen nicht immer die schnellsten sein) und sind stets aktiv im Spiel. Solche notiert man sich dann natürlich (kommen ja auch aus unserer Stadt dann) und beobachtet die dann immer mal wieder die nächsten 2-3 Jahre, bis sie in ein Alter kommen, ab dem wir auch Mannschaften selber stellen.

    Oft kommen aber auch die Kids, die positiv bei diesen Camps auffallen, früher oder später eh auf uns zu. erstrecht weil sie oftmal jedes Jahr bei uns im Camp sind und aber Alter 9-10 fragen die dann oft uns Trainer, wie die zu uns in den Verein kommen können, wie das abläuft.



    Selektion findet dann einfach dadurch statt, dass wir feste Kaderplätze (Anzahl) haben und diese dann an die unser Meinung nach besseren vergeben. Wir haben oft einfach mehr Anfragen als Kaderplätze (10-12+TW in der U11, die als D-Jugend, 9er Feld spielt) und da weit mehr als 20-30 Anfragen pro Jahr.

  • CoachT : nach deiner Beschreibung würde ich die Anführungszeichen bei Leistungsteams weg lassen ;) - hier handelt es sich wahrscheinlich um den Nachwuchs aus der 1.-3. Liga (eigene Teams erst ab U11; Trainingscamps; Kaderplätze; Kinder wollen unbedingt da hin (Vorbilder)). Ihr habt von F bis A-Jugend sicher keine Probleme Spieler zu haben und die obersten Klassen zu halten.


    Problematisch wird es für mich bei Vereinen, die in der F-Jugend nur 10 Kinder nehmen (mit Selektion) und trotzdem in E- und D-Jugend noch weitere scouten und dabei teilweise ganze Mannschaften austauschen. Und oftmals haben diese keine langfristige Perspektive - D-Jugend spielt noch hoch, C- und B- schon nicht mehr und in Richtung A-Jugend und Herren ist das Level auf dem Niveau der abgeworbenen Vereine. Das "Ligenhopping" der Spieler geht oftmals zu Lasten der Vereine.


    Talentkriterien hatte ich schon mal 2020 für mich zusammengefasst:

    St. Pauli

    Beispiel aus dem Volleyball - etwas ausführlicher hier

  • CoachT : nach deiner Beschreibung würde ich die Anführungszeichen bei Leistungsteams weg lassen ;) - hier handelt es sich wahrscheinlich um den Nachwuchs aus der 1.-3. Liga (eigene Teams erst ab U11; Trainingscamps; Kaderplätze; Kinder wollen unbedingt da hin (Vorbilder)). Ihr habt von F bis A-Jugend sicher keine Probleme Spieler zu haben und die obersten Klassen zu halten.

    Ehrt mich - repräsentativ für den Verein - wobei wir es nicht regelmäßig schaffend die Klassen in der oberste Ligen zu halten (also Jugend-BuLi nein, Regio mit ganz viel Mühe)

  • CoachT : nach deiner Beschreibung würde ich die Anführungszeichen bei Leistungsteams weg lassen ;) - hier handelt es sich wahrscheinlich um den Nachwuchs aus der 1.-3. Liga (eigene Teams erst ab U11; Trainingscamps; Kaderplätze; Kinder wollen unbedingt da hin (Vorbilder)). Ihr habt von F bis A-Jugend sicher keine Probleme Spieler zu haben und die obersten Klassen zu halten.

    Ehrt mich - repräsentativ für den Verein - wobei wir es nicht regelmäßig schaffend die Klassen in der oberste Ligen zu halten (also Jugend-BuLi nein, Regio mit ganz viel Mühe)

    Dass man erst in älteren Jugendmannschaften mit Selektion und Leistungssport anfängt ist ja auch sinnvoll. Wir sind (denke ich mal) vergleichbar aufgestellt wie Ihr, also U15, U17 und U19 im Mittelfeld der zweithöchsten Spielklasse: Dennoch bieten wir bei den kleineren Jahrgängen nur echten Breitensport an. D.h. dass bis zur U13 keinerlei Selektion statt findet und die Spieler nur aus dem nächsten Umkreis in den Verein aufgenommen werden (ich bin da nicht direkt drin, aber ich glaube, dass es maximal 10 Minuten Fahrzeit mit dem Auto sind).


    Grundsätzlich ist das mMn auch die nachhaltigste Art und Weise zu arbeiten. Es gibt bei uns in der Region Vereine, die verlangen teilweise über 150€ Monatsbeitrag für "Leistungsteams" oder sichten sich Mannschaften bereits im Kleinfeldbereich zusammen. Gleichzeitig sehen wir viele Vereine im Umkreis, die lange letzteres Modell gefahren sind und jetzt große Schwierigkeiten haben im Großfeld Mannschaften zu stellen bzw. ihre entsprechenden Spielklassen zu halten.

    Man muss sich da finde ich auch im Klaren sein, was für Kinder (und Eltern) man dazu bekommt, wenn man bei einer U10, U11 oder U12 schon damit "Leistungsteams" anzubieten oder "Scouting" betreibt. Ich sags mal so: Nur bei einer kleinen Minderheit der Kinder spielt die intrinsische Motivation der Kinder eine entscheidende Rolle, sondern vielleicht eher extrinsische Aspekte. Uns ist schon wichtig, dass ein Spieler, der zu uns kommt, auch möglichst lange (im Leistungsbereich) mit dabei ist.

  • Passend zum Thema hier ein Bericht von Advance football


    „Jeder Spieler ist ein Projekt.“

    So wird der Sportdirektor von Real Sociedad San Sebastian Robert Olabe bei 11FREUNDE zitiert.

    Ein Projekt, für das man vor allem eines braucht:

    Geduld.

    "Geduld hat nicht nur damit zu tun, dass man die Arme verschränkt und abwartet, was passiert. Geduld hat mit dem Engagement und der Verantwortung zu tun, wenn es darum geht, Entwicklungsprogramme für junge Spieler aufzustellen."

    Die Basken müssen Geduld aufwenden, denn sie geben sich selbst eine Regel:

    60% der Profimannschaft kommen aus der Region.
    80% der Jugendspieler kommen aus der Region.

    Die Region ist Gipuzkoa. Hat ein Einzugsgebiet von etwa 720.000 Menschen

    „Bleib in deinem Umfeld. Bleibt bei eurer Familie. Bleibt bei euren Freunden. Und wenn du das Gefühl hast, dass du bereit bist, all das hinter dir zu lassen, dann kannst du zu Real Sociedad kommen“, beschreibt es der Chef der Akademie Luki Iriarte.

    So starten sie in Sociedad später als üblich. Die U13 ist die jüngste Mannschaft in der Akademie.

    Olabe dazu bei BBC: „Mit 14, 15, 18, 20 Jahren kenne ich keine herausragenden Architekten oder Musiker, also ist es auch sehr schwierig, in diesem Alter einen Fußballspieler zu entdecken.“

    Was es für das ‚Projekt Spieler’ braucht, wenn man später als andere selektiert?
    Starke Partner!

    80 Partnervereine hat San Sebastian in der Provinz Gipuzkoa.

    Sie arbeiten zudem schon seit Jahren mit Schulen zusammen. Und setzen sich dort dafür ein, viele verschiedene Sportarten zu lehren.

    Außerdem charakteristisch für den Verein: In der Nachwuchsabteilung arbeiten viele Trainer, Scouts und Analysten, die selbst in der Akademie spielten.

    So wie Xabi Alonso.
    Dieser trainierte drei Jahre die zweite Mannschaft, bevor er 2022 nach Leverkusen ging. Von 1999-2004 spielte er bei La Real.

    Gestartet hat Alonso übrigens seine Karriere bei einem dieser Partnervereine.


    Bei uns auch denkbar?

  • Es ist halt immer die Frage, wie man Dinge nach aussen verkauft und wie Dinge in der Realität sind. Viele der hier herausgestellten Aspekte finden sich auch bei den meisten deutschen NLZ (mit Ausnahme des späten Beginns, welchen ich grundsätzlich sehr positiv sehe). Bspw. das Argument, dass mindestens 80% der Jugendspieler aus der Region stammen sollen...das klingt zwar per se natürlich gut und richtig, wenn man mal einen Blick auf die Landkarte wirft, bedeutet das, dass die Anfahrt dieser Spieler maximal 1 Stunde mit dem PKW betragen darf. Für alle anderen Spieler muss also zwingend ein Internatsplatz zur Verfügung stehen. Ich glaube, dass in den wenigsten deutschen NLZ mehr als 20% der Spieler im Internat leben.


    Die Partnervereine sind so ein anderes Thema. Auch bei uns haben die NLZ i.d.R. etliche Partnervereine. In meiner Wahrnehmung haben diese aber in den allerseltensten Fällen tatsächlich Einfluss auf die Arbeit der Protagonisten. Spieler von dort wechseln weder häufiger in das Partner-NLZ noch umgekehrt. Am Ende ist ja die Qualität der Spieler entscheidend und die jeweiligen Scouts der Vereine haben selbstverständlich den Anspruch, dass sie alle Spieler im Umkreis gut kennen, unabhängig vom Partner-Status des jeweiligen Heimatvereins.


    Es ist ja leider auch bei uns so (und hier sehe ich das Vorgehen von San Sebastian sehr positiv), dass die kleinen Mannschaften in NLZ nicht wirklich die Funktion haben einen großen Beitrag zur Ausbildung der Spieler zu leisten. Hier geht es mehr drum, dass mögliche Top-Talente möglichst frühzeitig an den Verein gebunden werden, um sie nicht an andere NLZ zu verlieren. Da geht es aber um vielleicht ein oder zwei Spieler pro Mannschaft. Der Rest wird in aller Regel sowieso frühzeitig ausgetauscht.

  • Die Idee ist ja irgendwie auch eine Spezialität im Baskenland.

    Bilbao agiert ja ähnlich.

    Ich könnte mir schon vorstellen, dass das teilweise bei uns umsetzbar wäre, jedoch nicht in dieser Stringenz, wie es die beiden baskischen Vereine handhaben.

    Der erste Schritt müsste sein, dass man sich ganz bewusst als Profiverein auf die Fahne schreibt frühestens ab U12/U13 mit eigenen Mannschaften zu starten. Dann darf es aber auch keine jüngeren Mannschaften geben, selbst wenn diese offiziell nicht Leistungsorientiert sind, weil diese trotzdem entsprechenden Zulauf hätten.

    Als nächstes das konsequente einbinden von Partnervereinen, Schulen etc. in der Region.

    Die Zahl von 80 Partnervereinen bei San Sebastian ist da ein ganz guter Anhaltspunkt.

    Ich fürchte in Deutschland kommen die wenigsten Clubs überhaupt auf eine zweistellige Anzahl von Partnervereinen.

    Wenn es gelingt, die Talentdichte in der Region durch die Partnervereine zu erhöhen, dann ist es vielleicht nicht mehr ganz so wichtig im größeren Radius zu suchen.

    Aktuell ist die Talentausbildung hauptsächlich auf gutes Scouting und Aufbau auf dem was man findet aufgebaut.

    Gelingt es über Partnervereine eine bessere Basis in der Grundlagenausbildung zu schaffen, wäre es für alle Seiten sinnvoller, wenn man 80% (bis inkl. U16 sogar 100%) der Nachwuchsspieler aus der Region (Radius max. 150-250 km, je nach Region) holt und ab der U17 ggf. die Top-Top-Talente zu 10% National bzw. 10% International.