Liebe Trainerfreunde,
diese Frage stellte sich nicht zuletzt bei der Einführung von Transfergeldern für wechselwillige Kinder und Jugendliche! Mit welcher Berechtigung dürfen Pauschalen als Aufwandsentschädigung von als gemeinnützig geltende Vereine verlangt werden und unter Androhung von Sperre eine Durchsetzung erzwungen werden?
Der nachfolgend beschriebene Fall wartet seit nunmehr 9 Jahren auf einen entgültigen Abschluß. Je nach dem wie der Bundesgerichtshof entscheidet, dürften die Auswirkungen zunächst einmal für den deutschen, schließlich aber auch für Länder der EU von größerer Bedeutung bei der Nachwuchsarbeit haben.
Doch nun der Reihe nach:
Heute geht der Rechtsstreit zwischen dem SV Wilhelmshaven und dem Norddeutschen Fußballverband (NFV) in die nächste Runde. Nachdem das Oberlandesgericht Bremen Ende 2014 den Zwangsabstieg des SV Wilhelmshaven aus der Regionalliga Nord für unwirksam erklärt hatte und zudem entschied, dass die Fifa-Regeln zur Ausbildungsentschädigung gegen Europa-Recht verstoßen, hatte der NFV Revision eingelegt. Nun soll der Bundesgerichtshof in Karlsruhe entscheiden.
7.500 Zuschauer kann das Jadestadion in Wilhelmshaven fassen. Vor knapp drei Jahren fand hier noch das DFB-Pokal-Hauptrundenspiel gegen Borussia Dortmund statt. Damals spielte der SV Wilhelmshaven noch in der Regionalliga Nord. Inzwischen ist der kleine Traditionsverein in der 7. Liga angekommen: der Bezirksliga Weser/Ems 2. "Dieser Zustand muss schnellstens beendet werden und daran arbeiten wir", sagt Harald Naraschewski, Aufsichtsratschef des SV Wilhelmshaven.
Der 66-Jährige führt für den Verein einen fast neun Jahre währenden Rechtsstreit mit der Fifa. "Der Verein war früher ein Regionalliga-Klub, hat sogar früher mal um den Aufstieg in die 2. Liga gekämpft, was leider nicht geklappt hat, was aber das Ziel war und wofür dieses Stadion seinerzeit neu gebaut wurde." Der Verein kämpft nun darum, wieder in die Regionalliga zurückzukommen.
Es begann mit dem Spieler Sergio Sagarzazu
Der ganze Ärger begann im Jahr 2007. Damals verpflichtete der SV Wilhelmshaven Sergio Sagarzazu aus Argentinien. Der damals 19-Jährige besitzt auch einen italienischen Pass. Beim SVW blieb er unauffällig und zog bereits nach einem halben Jahr weiter. Doch in der darauffolgenden Saison flatterte dem SV Wilhelmshaven eine Rechnung von zwei argentinischen Vereinen ins Haus, bei denen Sagarzazu als Jugendlicher aktiv war. Atletico River Plate und Atletico Excursioistas forderten insgesamt knapp 160.000 Euro Ausbildungsentschädigung für den Spieler.
Zwangsabstieg aus der Regionalliga 2013/2014
Die Summe war aus Pauschalsätzen der Fifa errechnet. Ein Betrag, den der kleine Verein nicht bezahlen konnte. "Der Verein hatte gar keine andere Möglichkeit. Er musste sich wehren", erläutert Naraschewski. Es folgte der Rechtsstreit mit dem Fußballweltverband. Der SV Wilhelmshaven klagte gegen die Forderung der Ausbildungsentschädigung, zog vor das Sportgericht des Norddeutschen Fußballverbands, das DFB-Bundesgericht und vor den Internationalen Sportgerichtshof Cas – und scheiterte ein ums andere Mal. Die Verbände verliehen ihren Forderungen durch Punktabzug und Zwangsabstieg aus der Regionalliga zum Ende der Spielzeit 2013/2014 Nachdruck.
Erfolg vor dem Bremer Oberlandesgericht
Vor dem BGH geht es um folgende Punkte:
- Verstößt die Regelung über die Ausbildungsentschädigung der Fifa gegen Europa-Recht?
- Welches Gericht ist zuständig: Sportgerichte oder Zivilgerichte?
Ende Dezember 2014 feierte der SV Wilhelmshaven vor dem Oberlandesgericht Bremen dann den ersten Erfolg: Die Richter entschieden, dass der Zwangsabstieg unwirksam sei und die Fifa-Regelungen zur Ausbildungsentschädigung gegen europäisches Recht verstoße. Das macht dem SV Wilhelmshaven Mut für den Prozess vor dem Bundesgerichtshof: "Vor dem Oberlandesgericht haben wir Recht bekommen. So schlecht kann unsere Position ja nicht sein", so Naraschewski. "Wir erhoffen uns, dass das Urteil des Oberlandesgerichts Bremen auch vom Bundesgerichtshof in Karlsruhe bestätigt wird, und dann werden die Karten wieder neu gemischt!" Der SV Wilhelmshaven hofft darauf, wieder am Regionalliga-Spielbetrieb teilnehmen zu können und für die Talfahrt entschädigt zu werden.
Norddeutscher Fußballverband zuversichtlich
Doch auch der Norddeutsche Fußballverband geht zuversichtlich in den Prozess. "Es wird niemand gezwungen, in einer bestimmten Liga Fußball zu spielen. Aber wenn ich mich in die Situation begebe, mich mit anderen national und international zu messen, brauche ich eine Plattform auf der alle gemeinsam agieren", erläutert Eugen Gehlenborg, Präsident des Norddeutschen Fußballverbands.
"Wenn ich einen Vertrag abschließe und er nicht sittenwidrig ist oder unter Zwang geschlossen wurde, ist das auch rechtlich in Ordnung." Oder anders ausgedrückt: Wenn ein Verein am Spielbetrieb des DFB teilnehmen möchte, hat er sich an dessen Regeln zu halten. Und der Cas hätte schließlich abschlägig über die Klage des SV Wilhelmshaven entschieden. Dagegen hätte der Verein Berufung einlegen können, was nicht passiert sei. "Wir müssen uns an die Instanzenwege halten", so Gehlenborg, "ich kann nicht sagen, diese Instanz gefällt mir nicht und ich nehme mal einen anderen Weg. Das würde zu einem heillosen Chaos führen."
Auch sportlich abgestiegen
Übrigens: Eine direkte Rückkehr des SV Wilhelmshaven in die Regionalliga Nord hält Eugen Gehlenborg auch für ausgeschlossen, wenn der Verein vor Gericht Recht bekommen würde: "Wir haben es mit einem Absteiger zu tun, der zuletzt sportlich abgestiegen ist. Auch wenn man dort sagt, dass es die Bedrohungspotenziale des Norddeutschen Fußballverbandes waren, die die Situation herbeigeführt haben. Sie sind sportlich abgestiegen, insofern war das kein Zwangsabstieg."
Abschließend stellt sich die Frage: Darf sich ein Sportverband autonom Gesetze schaffen, die nicht mit dem Zivilrecht in Einklang stehen oder muß sich ein Sportverein zunächst als Juristisches Unternehmen umwandeln, um dann Spieler einzukaufen und zu verkaufen?