Passrundlauf bzw. Rundlauf generell... Sinnvoll?

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  • Hallo zusammen,
    als Beispiel schaut euch bitte mal in dieser Trainingseinheit den Haupteil 1 - Ablauf Feld 1 an.


    Hier starten die Spieler neben dem Tor und kommen irgend wann wieder dort hin zurück.


    Klar...der Fluss in dieser Übung ist sicher gegeben, da die Spieler quasi immer im Kreis herum gehen. Aber meiner Meinung nach ist hier der Bezug zum Spiel nicht gegeben, bzw. ist das bestenfalls das einstudieren einer kurzen Ecke...


    Wäre es nicht sinnvoller, dass Tor "unten" also in Spielrichtung zu stellen, oder ist das zu vernachlässigen? Mich würde eure Meinung interessieren. Denn solche Rundläufe sieht man immer wieder auf diversen Plattformen, Bücher und DVD`s.


    Gruss
    Matthias

  • In meinen Augen gilt das zu vernachlässigen. Worum geht es denn hier Hauptsächlich in der Trainingseinheit? Um "verstecktes" Ausdauertraining mit Ball in der Saisonvorbereitung.


    Klar ist das ein eher unwahrscheinliches Spielszenario wie das aufgebaut ist. Dennoch hast du viele wichtige Elemente bei. Doppelpass/Klatschen ... Ballannahme/-mitnahme ... Dribbling und Abschluss. Durch die hohen Intervalle und Wiederholungen sind die Kids in ständiger Bewegung und schulen somit unbewusst die Ausdauer mit dem positiven Nebeneffekt noch etwas mit dem Ball gemacht zu haben. Alternative hier wäre, die Kids ohne Ball laufen zu lassen. Also alles vollkommen in Ordnung.


    Nach deinen Kriterien wären ja die meisten Übungen wenig sinnvoll ... zB jede Übung zur Verlagerung wo du neutrale/dritte Spieler am Rand hast ... Hast du ja auch in keinem Spiel.

  • Bei derartigen Übungen geht es für mich auch nicht um Spielnähe, sondern um das erlernen von Grundtechniken.


    Das in einem Endlosspiel als Rundlauf... Alle in Bewegung- der Ball rollt, Techniken werden erlernt.



    Mache solche Übungen sehr gerne.



    Beispiel das allbekannte Passviereck mit klatschen lassen, passen und eine Position weiter, usw


    Ist nicht Spielnah, es werden aber mehrere Elemente zeitgleich trainiert, je nach Ausführung. Und das ohne große Pausen

    "Ihr fünf spielt jetzt vier gegen drei."

  • Nach deinen Kriterien wären ja die meisten Übungen wenig sinnvoll ... zB jede Übung zur Verlagerung wo du neutrale/dritte Spieler am Rand hast ... Hast du ja auch in keinem Spiel


    Sorry aber das ist einfach nur Unsinn, zeige mir ein Spiel in dem nicht ein verhältnismäßig unbedrängter Außenspieler abgespielt wird oder anspielbereit ist. Die Zusatzregel, dass der Spieler am Rand neutral ist, dient lediglich dazu diese Situation im Training noch öfter zu erzeugen als sie in einem freihen Spiel zustande kommen würde.


    Ich persönlich halte nicht viel von Rundläufen. Kann man machen zur Erwärmung oder um die Ausdauer etwas zu schulen(im älteren Jugendbereich) aber Alles in Allem sind mir solche Übungen zu eindimensional und zu weit weg vom Spiel. Ich konnte auch nicht beobachten, dass sich die Technik schneller verbessert als mit kleinen dynamischen Spielformen. Eher das Gegenteil ist der Fall.

  • Ist der Bezug zum Spiel gegeben, wenn du den Torabschluss links weglässt?
    Der Torabschluss dient meiner Meinung nach zum einen als Motivator und zum anderen als sinnvoller technisch anspruchsvoller Rückweg, um wieder zur Startposition zu kommen.
    Nach deinen Aussagen rein positionsspezifisches Techniktraining in der D-Jugend anzubieten, halte ich für gewagt.

  • Ich persönlich halte nicht viel von Rundläufen. Kann man machen zur Erwärmung oder um die Ausdauer etwas zu schulen(im älteren Jugendbereich) aber Alles in Allem sind mir solche Übungen zu eindimensional und zu weit weg vom Spiel. Ich konnte auch nicht beobachten, dass sich die Technik schneller verbessert als mit kleinen dynamischen Spielformen. Eher das Gegenteil ist der Fall.

    Du formulierst das ziemlich entgültig, so als ob die Trainingsform des Rundlaufs keine Berechtigung im Fussball hat. Sie folgt aktuellen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Aber selbst Wissenschaftler sind hin- und hergerissen zwischen Spiel- und Übungsmethode. Im Grunde ist es egal, welche Trainingsform man wählt, denn sie alleine gibt keinen Aufschluss über den Mehrwert für den Spieler. Jeder lernt anders und wenn wir uns über eines im Klaren sein können, dann das Variation (und damit auch mal das Einschieben einer Übungform in seine Spielformen) eine Grundlage im Motorischen Lernen darstellt.


    Grundsätzlich würde ich weniger erfahrenen Trainern eher dazu raten, Rundläufe als Trainingsmethode zu wählen, da die Steuerungsmechanismen einfacher zu bedienen sind. Eine Spielform hat tendenziell eine geringere "Schwerpunktreinheit". Doch auch diese Aussage dürfte für die Verfechter von Spielformen diskutabel sein. Warum denn nicht beides ins Training einbauen? Es gibt keine perfekte Trainingsform!

  • "Sie folgt aktuellen sportwissenschaftlichen Erkenntnissen. Aber selbst Wissenschaftler sind hin- und hergerissen zwischen Spiel- und Übungsmethode." - Das ist nicht richtig. Die Wissenschaften raten von solchen Übungsformen fast einstimmig ab. Tatsächlich ist der Nutzen für das motorische Lernen deutlich effektiver und effizienter, wenn man in Spielformen trainiert. Ich kann nur empfehlen, ein bisschen über das Trainingsmodell "Teaching Games for Understanding" (TGfU) zu lesen.


    "Eine Spielform hat tendenziell eine geringere "Schwerpunktreinheit"." - Genau das ist der Grund, weshalb Spielformen den isolierten und gegnerdrucklosen Übungsformen vorzuziehen sind. Das Problem in solchen Übungsformen ist, dass es kaum Schwankungen im Sinne des differenziellen Lernens gibt. Diese Schwankungen sind jedoch wichtig im motorischen Lernprozess:
    [Schöllhorn, Wolfgang, Individualität – ein vernachlässigter Parameter?, in: Leistungssport 29 (1999), H. 2, S. 5-12.


    Schöllhorn, Wolfgang/Sechelmann, Michael/Trockel, Martin/Westers, Roland, Nie das Richtige trainieren, um richtig zu spielen, in: Leistungssport 34 (2004), H. 5, S. 13-17.


    Schöllhorn, Wolfgang, Differenzielles Lehren und Lernen von Bewegung. Durch veränderte Annahmen zu neuen Konsequenzen, in: H. Gabler/U. Göhner/F. Schiebl (Hrsg.), Zur Vernetzung von Forschung und Lehre in Biomechanik, Sportmotorik und Trainingswissenschaft (= Schriften der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft 144), Hamburg 2005, S. 125-135.]


    Des Weiteren werden die Spieler nur in Spielformen in die Lage versetzt, ihre Entscheidungen zu verbessern und auf andere Situationen zu übertragen. In isolierten Übungsformen müssen sie keine Entscheidungen treffen, weshalb es hier auch keinen Lerneffekt geben kann:
    [Masters, Richard S.W./Poolton, Jamie M./Maxwell, Jon P./Raab, Markus, Implicit motor learning and complex decision making in time constrained environments, in: Journal of Motor Behavior 40 (2008), H. 1, S. 71-79.


    Memmert, Daniel/Roth, Klaus, The effects of non-specific and specific concepts on tactical creativity in team ball sports, in: Journal of Sports Sciences 25 (2007), H. 12, S. 1423-1432.


    Memmert, Daniel/Baker, Joseph/ Bertsch, Claudia, Play and practice in the development of sport-specific creativity in team ball sports, in: High Ability Studies 21 (2010), H. 1, S. 3-18.]


  • Mag ja alles richtig sein ... wie sieht denn dann bei dir eine Trainingseinheit aus? Bzw idealerweise gehen wir mal von einer Woche mit zwei Einheiten aus: wie würdest du die gestalten? Da bin ich neugierig. Finde beide Trainingsformen super und finde es schwer, alles ausschließlich in Spielformen unterzubringen. Zu mal da in den jüngeren Jahren mMn noch die Konzentration dazu fehlt und es zB in Rundläufen leichte ist, mit den Kids konzentrierter zu arbeiten!

  • Ich weiß, das tut man nicht, aber bevor ich auf deine Fragen antworte, möchte ich dir eine Frage stellen: „finde es schwer, alles ausschließlich in Spielformen unterzubringen.“ – Was findest du daran schwierig?


    Möchte im Rahmen meiner Antwort (die etwas dauern kann) auf deine Überlegungen und Argumente eingehen.

  • Ich klinke mich auch mal in die Diskussion ein: Ich denke auch, dass Spielformen für ein Training enorm wichtig sind, würde es aber auch mit Übungsformen, die urchaus auch die Organisationsform des Rundlaufs haben können, abwechseln.


    Ich denke nur Spielformen sind irgendwann zu fordernd, da sie ja meist auch kognitiv anspruchsvoller sind, wenn du da nur Spielformen hast, lässt irgendwann die Konzentration nach und der Lerneffekt sinkt.


    Ich bin also auch sehr gespannt auf deine Ausführungen und werde mich danach sicher auch nochmal zu Wort melden :)

  • Ich weiß, das tut man nicht, aber bevor ich auf deine Fragen antworte, möchte ich dir eine Frage stellen: „finde es schwer, alles ausschließlich in Spielformen unterzubringen.“ – Was findest du daran schwierig?


    Möchte im Rahmen meiner Antwort (die etwas dauern kann) auf deine Überlegungen und Argumente eingehen.

    Die Gegenfrage sei dir gestattet!


    Also grundsätzlich geht es um folgende "Probleme":


    - in MEINEN Augen sind die mehr Übungen in Rundläufen bzw in Rundlaufähnlichem Ablauf im Umlauf, so dass das mir bekannte "Arsenal" an Spielformübungen verhältnismäßig bescheiden ist - das muss ich so zugeben, arbeite aber da gerne an mir, wenn du mich überzeugst :)


    -Das von mir erwähnte Problem mit der Aufmerksamkeit der Jüngeren ... vor allem wenn sie eh schon einen langen Schultag hinter sich haben. Da ist es von meiner Erfahrung her mit der Konzentration und Umsetzung klarer, wenn es eindeutige, "isolierte" Übungen gibt, als es in Spielformen zu verpacken, wo die Jungs extrem gefordert sind. Ich glaube das es schwer ist, das mit Mannschaften durchgehen so zu praktizieren ...


    - vor allem wenn man mal alleine auf dem Platz steht, kann ich mMn in Passrundläufen auch gezielter korrigieren, wenn ich bei einzelnen was falsches sehe. Allgemeine Fehler, kannst du bei beiden Szenarien kurz unterbrechen und ansprechen. Aber individuelle Fehler bei einzelnen, kannst du im Rundlauf dir einfach das Kind kurz zur Seite nehmen und es ihm erklären, ohne die ganze Übungsform zu unterbrechen und anhalten zu müssen. Allgemeine sind die spielform-korrekturen ansprechend, da hier auch noch ganz viele andere Fehler auftauchen können, auch hier: vor allem bei den jüngeren ..., die mit der ursprünglichen Übung nichts zu tun haben, aber schweren Herzens elementar sein können, so dass man das schon nicht durchgehen lassen kann nach dem Motto: "das war falsch, darum geht es uns jetzt aber nicht also: weitermachen"


    ich hoffe ich konnte mich etwas verständlich ausdrücken! Ich finde einfach, dass BEIDES seine Berechtigung hat, sehe in beiden Ablaufen Vor- UND Nachteile. Glaube aber, dass beide nicht wirklich ohne einander auskommen.


    Natürlich mag es Studien geben, die sagen: Kinder lernen auf diese Art und Weise mehr oder weniger oder effizienter und können darüber hinaus nicht xy unterbewusst weiterentwickeln. Die Stunden berücksichtigen aber selten, die Umstände in den Vereinen, auf den Plätzen, mit den Trainer und den heutzutage "enormen Anforderungen an die Kids durch unser Schulsystem etc pp ... Daher sehe ich diese Studien immer so UND so ...

  • vangaalsnase: Differnetielles Training besagt doch nur, dass Schwankungen im Lernprozess letzlich den Lernerfolg maximieren und eine Selbstorganisation beim Spieler auslösen. Und die kann der Trainer in Übungsrundläufen doch einbauen, indem er den Spielern mal "Fehlverhalten" vorgibt.


    Das Problem im Fussball ist - und da bin ich voll bei dir - das die Komplexität ausschließlich isolierte Formen völlig sinnlos erscheinen lassen. Zu viele andere Faktoren spielen im Spiel eine Rolle, die ich mit einem Spiel am Besten simulieren kann. Außerdem: das Spiel schult halt ganzheitlich. Doch kann ich sehr wohl auch in isolierten Formen Gegnerdruck einbauen oder Entscheidungen verlangen (mit Farben, nachstartenden Gegenspielern) - das ist doch möglich.


    Es ging für mich hierbei auch eher um das Betrachten einer Technik ohne alle Faktoren, um dem Kind eine Bewegungsvorstellung zu geben oder den Einstieg zu erleichtern. Ich vergleiche das immer gerne mit Kraftsport: Wenn ich eine Grundübung (wie z.B. Bankdrücken) realisieren möchte, wird es schwache Muskeln geben, die in der Muskelkette das Bewegen von hohen Lasten verhindern. Also trainiere ich begleitend die schwachen Muskeln mit einer Isolationsübung. So ähnlich sehe ich den Einschub von Rundläufen ins Spielformentraining. Von dem Effekt der Abwechslung ganz zu schweigen...


    Und ich wette, wenn du erfahrene Fussballtrainer aus dem oberen Leistungsbereich fragst werden sie dir sagen, dass Vielfalt im Training besser ist als nur Spielformen, nur Übungsformen, nur wettkampfgemäßes Üben, nur Schema XY. Die Welt ist bunt, der Sport ist bunt - warum also nicht auch das Training?

  • Hier nun meine Antwort, weshalb ich ausschließlich in Spielformen trainiere. Wie angekündigt ist es sehr lang geworden. Ist halt eine komplexe Herleitung, der man nicht in 10.000 Zeichen gerecht werden kann. Daher habe ich das in eine pdf gepackt und hier angehängt. Darüber hinaus habe ich noch eine weitere Datei angehängt, auf die auch im Text Bezug genommen wird. Diese bitte erst nach meinen Ausführungen lesen.

  • WOW! Also da ich erst irgendwann dazu komme, mich deiner Ausführung mit angemessener Aufmerksamkeit zu widmen, möchte ich vorweg schonmal den Hut ziehen, vor Art und Umfang ... inklusive Quellen (davon könnten sich bei mir in der Uni einige eine Scheibe von abschneiden!) deiner Antwort!


    Also: RESPEKT und Dank für deine Ausführung im Voraus!



    p.s. Darf man aus Neugier fragen, was du so machst? :)

  • p.s. Darf man aus Neugier fragen, was du so machst? :)

    Bücher schreiben, zum Beispiel.


    Ich muss zugeben, dass mich obiges Buch stark beeinflusst (hat). Für mich ist es die Fortsetzung des Horst Weins-Ansatz für den Jugend- und Seniorenfussball.
    Ich versuche auch - soweit es möglich ist - alles in Spielformen zu trainieren.
    Trotzdem finde ich Rundläufe nicht schlecht, weil man die Jungs alle gut beschäftigt bekommt und dann mehr Ballkontakte und Aktionen als in den meisten Spielformen möglich sind (es sind ja auch idealerweise mehr Bälle im Spiel). Mindestens 2/3 des Trainings verusche ich aber möglichst spielnah und wettkampforientiert zu machen.


    Marco: Danke für das PDF. Ziehe ich mir jetzt mal rein...

    C 1 Viktoria Buchholz


    Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren.
    Martin Rafelt

  • Vielen Dank für die Ausführungen. Ich muss zugeben, bei der wissenschaftlichen Abhandlung habe ich nur einen Bruchteil verstanden.
    Aber steht da nicht, dass jegliche taktische Anweisung in den freien Spielformen den Aufmerksamkeitsfokus verringert und deshalb die Kreativität einschränkt? Wäre danach nicht auch von einer Unterweisung ala Horst Wein abzusehen und die Kinder völlig frei (evtl. mit Provokationsregeln) spielen zu lassen?

  • PDF ist super. Habe ich direkt in unseren vereinseigenen WhatsApp-Chat gestellt. Jetzt bleibt nur die Frage wieviele sich die zehn Minuten Zeit nehmen und es durchlesen :/

    C 1 Viktoria Buchholz


    Auf jede Mannschaft, die in Schönheit stirbt, kommen hundert, die in Hässlichkeit sterben – kein Grund also, sich auf Hässlichkeit zu fokussieren.
    Martin Rafelt