Gesunde Konkurrenz?

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    Ich bin seit Jänner 2016 Trainerin eines Damenteams, bei dem ich bis zum Ende der Saison 2016 selbst als Spielerin tätig war. Im Frühjahr 2016 als Spielertrainerin, da uns unser vorheriger im Winter verlassen hat. Die Herbstsaison war leider ein Flopp und nach dem Motto "Hey, wir haben nichts zu verlieren" setzte ich im Frühjahr viel auf Ballgefühl und Passqualität. Die Trainingsanwesenheit stieg und die ersten Erfolge ließen auch nicht allzulang auf sich warten. Mein primäres Ziel war es den Mädels einfach wieder die Freude am Fußball wiederzugeben, den Teamgeist zu stärken und ein gewisses Verantwortungsbewusstsein wieder in den Sinn zu rufen.


    Im Sommer entschied man sich dann vom Klein- aufs Großfeld zu wechseln. Eigentlich wollte ich nicht mehr als Trainerin fungieren, da mir die Belastung aus Verzicht des eigenen Trainings etwas zu viel wurde. Nachdem aber vom Vorstand und den Mädels der Wunsch kam, dass ich doch bleiben möge und ich sowieso mit einer Verletzung zu kämpfen hatte, blieb ich dann doch und als zweiten Trainer holte man den "alten" zurück.


    So starteten wir also mit diesem "Megaprojekt", dem vorallem der "harteingesessene" Kern etwas skeptisch gegenüber stand.


    Das Team als solches ist recht durchwachsen. Wir haben Spielerinnen, die technisch und spielerisch sehr gut unterwegs sind. Zweikampfstarke Anfängerinnen, schnelle Flügel, kleine (aber erfahrene) Innenverteidigerinnen und eine torgefährliche Stürmerin. Von jeder Kategorie ein wenig. Viele Spielerinnen haben erst vor einigen Jahren mit Fußball begonnen und einigen sieht man das noch sehr stark an. Kaum Ballgefühl, schlechte Körperspannung, teilweise Angst vor dem Ball und den Gegnerinnen und noch immer sehr wenig allgemeine Ahnung von Fußball (Regelwerk, Spielformen etc).


    Wir sind ein eher kleiner Verein, der auf Freundschaft basiert. Fast alle Mitglieder sind iwie miteinander verbunden, sei es durch Freundschaft, Schule, oder familiär. Auch sind einige Spielerinnen sehr sensibel, da sie den fußballerischen Umgangston nicht wirklich kennen. So wird ein "geh zum Ball, schneller nach hinten arbeiten" manchmal sehr persönlich genommen. Der vorherige Trainer war da sehr sehr seicht und hat vieeles durchgehen lassen. Deswegen werden wir oft auch als "guter Bulle, böser Bulle" bezeichnet :D


    Dadurch, dass wir stetig wachsen und immer mehr neue (gute) Spielerinnen komme, stehe ich ein bisschen vor einer Zwickmühle. Wie integriere ich die neuen, starken Spielerinnen, ohne dass die "alten" zu Bankwärmerinnen werden. Ich bin keine Verfechterin des Erfolgsfußballs und würde niemals einfach so Spielerinnen eliminieren, weil sie vlt nicht die stärksten sind. Andererseits habe ich die befürchtung, dass talentierte Spielerinnen, die nicht genug Einsatzzeit bekommen, nicht lange bei uns bleiben werden und dies für die Entwicklung bei uns nicht von Vorteil wäre. Soetwas wie gesunden Konkurrenzkampf gibt es bei diesem Team leider nicht.


    Ich habe jetzt schon mitbekommen, dass eine Spielerin über die "wenigen" 20min Spielzeit nicht sehr erfreut ist.


    Persönlich zu mir: Ich habe leider garkeine Ausbildung im Trainerbereich und mache dies wirklich alles nur so gut ich kann/weiß und stehe somit konstruktiver Kritik sehr offen gegenüber. Der Altersschnitt im Team ist 20+


    Ich freue mich über euer Input!

  • Das selbe Problem hatte ich, solange ich die Damen machte, auch.
    Ich habe am Anfang der Saison dann gefragt, ob es ihnen lieber ist, jedes Spiel zu spielen, jedoch dann ''nur'' 20 Min, oder halt bei denen, wo sie mitgenommen werden, jedesmal länger.
    Und alle sagten, Sie wollen bei jedem Spiel mitspielen. Somit konnte mir da dann auch keiner böse drüber sein, wenn jemand mal nur 20 Min von bei uns 60 gespielt hat.
    Kadergröße ist um die 13, die aktiv da sind. Gespielt wurde auf 6+1 Kleinfeld. Teilweise waren dann 6 Spielerinnen draußen... ( nicht optimal aber es war mir lieber als wenn ich immer sagen musste, du und du darfst nicht spielen ).


    PS: Gespielt hat aber dann auch wirklich jeder immer diese 20 Min. Egal ob die gut oder schlecht waren.

  • Unsere Damenmannschaft hat auch das Problem, für eine Mannschaft zu viel und für zwei Mannschaften zu wenig Spieler zu haben. Es sind ca. 25 Spielerinnen, gespielt wird 11'er. Da hier auch in den letzten Jahren gute Spielerinnen dazu gestoßen sind, ist trotzdem ganz klar das Ziel Aufstieg von der Kreisliga in die Bezirksklasse ausgegeben worden und es wird in dieser Saison entsprechend aufgestellt. Das bedeutet dass es einige Spielerinnen gibt die kaum Chancen auf Einsatzzeiten haben.


    Trotzdem läuft es rund, super Trainingsbeteiligung und gute Stimmung. Abgänge an andere Vereine sind nicht zu befürchten. Das kann zum einen daran liegen, dass perspektivisch in hoffentlich schon der nächsten Saison eine II. Mannschaft gemeldet werden kann, da in den nächsten Jahren viele Spielerinnen aus dem Jugendbereich hoch kommen. Aber in erster Linie liegt es nach meiner Beobachtung daran, dass das Ziel Aufstieg klar formuliert und aktzeptiert wurde und der Trainer es schafft, das sich auch die z.Zt. kaum spielenden Damen als Teil des Teams empfinden und Unterstützend beim Training und Spiel dabei sind. Ist in der Form vermutlich auch nur im Damenbereich denkbar.

    Wie auch immer, ob man erfolgsorientiert agieren möchte oder allen Spielzeiten gibt mit der Konsequenz oben nicht dabei zu sein, das jeweilige Ziel muss klar kommuniziert werden. Dann können die Spieler die dieses Ziel nicht mittragen sich entscheiden ob sie dabei bleiben. Alles andere als ein klarer Kurs kann nicht funktionieren.

  • Deswegen werden wir oft auch als "guter Bulle, böser Bulle" bezeichnet

    Seid ihr beide Polizisten oder warum "Bulle"?


    Wer bislang kaum etwas über Frauenfussball wußte, der sollte sich deinen Beitrag gründlich durchlesen.


    Es ist sehr schwierig, dir von außen Ratschläge zu geben. Denn ob eine Mannschaft sportlichen Erfolg hat, das hängt meist am "seidenden Faden", denn eigentlich hat alles, was man als Trainer sagt, nicht nur eine sportliche, sondern auch eine persönliche Bedeutung. Auch auf konkrete Fragen bekommt man nicht immer die gewünschten Antworten als Entscheidungshilfen bzw. die Antworten auf die selben Fragen können sich schon nach wenigen Wochen wieder ändern.
    Hinzu kommen können Probleme durch das Altersgefälle. Wenn ein junges talentiertes Mädchen vom Trainer etwas mehr Lob bekommt, als ein "alter Hase" dann kann das schon Grund sein, sich nach einem neuen Trainer umzuschauen, bzw. die Trainings- und Spielbeteiligung sinkt rapide.
    Wenn 2 Trainer in Verantwortung sind wird gern mal probiert, ob man die Beiden auseinander dividieren kann, um seinen persönlichen Vorteil: "... aber dein Kollege hat doch gesagt, ich mache das genau so richtig, wie ich es mache ..."


    Ein Vereinswechsel ist im Frauen-Breitensport selten. Eher noch hört man auf und versucht auch die Freundin dazu zu bewegen.


    Warum ist übrigens der alte Trainer gegangen und wieder zurück gekommen?


    Doch nun zu deiner Frage nach der Integration neuer Spielerinnen. Neue werden nur dann bei euch bleiben, wenn sie sich wohlfühlen. D.h. in erster Linie wollen sie menschlich anerkannt werden. Es kommt gar nicht mal so selten vor, dass Spielerinnen sich nach dem Wechsel in den Frauenbereich nicht für die sportlich beste Mannschaft, sondern die mit der höchsten sozialen Kompetenz entscheiden. Denn weil sie mit ihrem Hobby nicht das Geld wie ihre männlichen Kollegen verdienen können, zählt vielmehr der Spaß und das Verständnis innerhalb der Mannschaft.


    Sich wohlzufühlen geht durch das Knüpfen von Freundschaften. Um das zu erleichtern oder auch um kleinere Mißverständnisse auszuräumen kann man regelmäßige Treffen (ca. alle 4 - 6 Wochen) durch Team-Mitglieder organisieren lassen.


    Wenn sich die Mädels bei euch wohlfühlen, dann ist der sportliche Erfolg eine logische Folge daraus. Sie werden sich gegenseitig pushen, weil das Vertrauen untereinander gewachsen ist und man nahezu identische Ziele verfolgt. Versucht nun der Trainer eine sportliche Konkurrenz (z.B. in der Mannschaftsaufstellung oder den Spielzeiten) ohne vorherige Absprache aufzubauen, dass ist die Gefahr groß, dass der Schuß nach hinten losgeht und das zuvor über Jahre mühsam aufgebaute Team kann binnen weniger Wochen auseinander brechen.


    Wenn du weiterhin Spaß am Tranerjob haben möchtest, dann empfehle ich dir den Besuch von Kurzschulungen für Mädchen- und Frauenteams. Falls es deine Zeit zuläßt, auch den Erwerb einer Trainerlizenz.

  • Es kommt gar nicht mal so selten vor, dass Spielerinnen sich nach dem Wechsel in den Frauenbereich nicht für die sportlich beste Mannschaft, sondern die mit der höchsten sozialen Kompetenz entscheiden.

    Da hast du auf alle Fälle Recht. Das kann ich aus persönlicher Erfahrung bestätigen. Sowohl als Spielerin, als auch jetzt als Trainerin. Wir haben Kaliber in der Mannschaft, die problemlos 2. Klassen höher spielen könnten.


    Seid ihr beide Polizisten oder warum "Bulle"?

    Nein :) Das ist wahrscheinlich eine Anspielung auf Befragungstechniken, die man oft in irgendwelchen Profilerserien sieht. Liegt daran, dass ich eher etwas strenger bin und nicht so viel durchgehen lasse und mein Kollege eher die seichte Schiene fährt.




    Warum ist übrigens der alte Trainer gegangen und wieder zurück gekommen?

    Gegangen ist er, weil er der Ansicht war uns Nichts mehr beibringen zu können und wir uns quasi einen besseren Trainer verdienen, der uns weiterentwickeln kann. Als er dann die Fortschritte im Team merkte und hörte, dass wir auf das Großfeld wechseln, war er anscheinend der Meinung, dass seine Kompetenz nun doch wieder gefragt sein könnte. Der Vorstand war außerdem nicht fähig einen neuen Trainer zu finden...Man wollte/will keine vereinsfremden Personen...---> Das ist aber ein Kapitel für sich. Der ehemalige Trainer war der erste und bis dato einzige Trainer der Mannschaft und hat eine sehr freundschaftliche und eben lange Beziehung zu den meisten Spielerinnen....

    Sich wohlzufühlen geht durch das Knüpfen von Freundschaften. Um das zu erleichtern oder auch um kleinere Mißverständnisse auszuräumen kann man regelmäßige Treffen (ca. alle 4 - 6 Wochen) durch Team-Mitglieder organisieren lassen.

    Das spielt bei uns generell eine große Rolle. Wir haben jeden Monat einen Vereinsstammtisch, wo alle Mitglieder eingeladen sind. Die Mädels treffen sich auch regelmäßig zu außerfußballerischen Aktivitäten. Generell ist die freundschaftliche Stimmung im Team defintiv ein Pluspunkt und ein Anziehungsmagnet für neue Spielerinnen. Das spiegelt sich auch am Feld wieder. So gibt es bei uns kein "Rumgezicke" und die Spielerinnen beschimpfen sich auch nicht gegenseitig, sondern pushen sich eher, wenn mal etwas daneben geht. Das kann man von einigen unserer Gegnerinnen zB nicht behaupten. Da werden auch schon mal die Teamkolleginen als "Schwachmaten", oder der Trainer als "Missgeburt" bezeichnet <X

    Wenn du weiterhin Spaß am Tranerjob haben möchtest, dann empfehle ich dir den Besuch von Kurzschulungen für Mädchen- und Frauenteams. Falls es deine Zeit zuläßt, auch den Erwerb einer Trainerlizenz.

    Kurzschulungen zum Thema Mädchen- und Damenfußball bietet der ÖFB leider nicht an und von einer Trainerlizenz kann ich aufgrund von Zeitmangel (Uni + zwei Jobs) derzeit leider nur träumen.



    Grundsätzich geht es mir auch nicht um eine Universallösung. Dass es die nicht gibt, ist mir klar. Vielmehr versuche ich einfach durch verschiedene Meinungen Einblick zu neuen Standpunkten zu erlangen, da ich sonst leider Niemanden habe mit dem ich reflektieren könnte. Selbstreflexion mal ausgeschlossen...

  • So gibt es bei uns kein "Rumgezicke" und die Spielerinnen beschimpfen sich auch nicht gegenseitig, sondern pushen sich eher, wenn mal etwas daneben geht.

    Na das ist doch der Ansatzpunkt für eine gute Integration junger, leistungsstarker Spielerinnen. Anders als mit einer positiven Gesamtstimmung kann es nicht über einen längeren Zeitraum funktionieren. Das Gleichgewicht zwischen zwischen sportlicher Entwicklung, faire Einsatzzeiten und sozialer Anerkennung in der Mannschaft sollte stimmen. Der sportliche Erfolg auf dieser Basiss ist danach nur die logische Folge der Harmonie innerhalb der Mannschaft. Der Vorteil im Frauenfussball ist ja, dass man ganz schnell aufsteigen kann, weil die Konkurrenz nicht so groß ist.


    Besondere Achtung hab ich vor all denen, die trotz geistig und/oder körperlich anstrengender Arbeit mit so viel Energie ihr Hobby betreiben. Denn das ist weitaus mehr als ein Ausgleich, weil es ein Riesenunterschied ist, ob ich trainiert werde oder aber Andere trainieren soll. Allerdings sollte man hin und wieder für sie eine Bilanz ziehen, ob man noch mit dem ganzen Herzen dabei ist oder ob Streß und Zeitdruck gewachsen sind. Die Lust und der Spaß am Fussball sollte stets mit der Verantwortung einher gehen.